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Montag, 19. August 2013 – Macht und Machtmissbrauch

Hello, Freunde der Machtkontrolle,

je mehr die Welt zusammenwächst, je planetarischer und gigantischer werden die Mächte. Alles, was nicht mehr national eingegrenzt ist, wuchert rund um den Globus. Die verheißungsvolle Globalisierung  global denken, regional handeln  führte zu weltbeherrschenden Supermächten. Was im nationalen Verband gezügelt werden konnte, überwuchert die Staaten und dominiert die regionalen Nationalgebilde.

Die Internationalisierung der Machtkontrollen kann mit der internationalen Expansion technischer und wirtschaftlicher Mächte nicht mithalten. Was im nationalen Verbund fragmentierte Macht war, überflügelt seine traditionelle Einhegung und wird zu einem globalen Gebilde, das von keiner Nation  nicht mal einer Weltmacht  kontrolliert werden kann. (Auch internationale Sportverbände erlauben es sich, immer dreister und ungestrafter internationale Demokratie-Regeln zu verletzen. Sie agieren wie Welt-Despotien.)

Die Multis sind wie Geister aus der Flasche. Eben noch unscheinbar in einem engen Gefäß gefangen, expandieren sie zu übermenschlichen Machtwucherungen, gegen die es keinen Widerstand gibt. In Steuer-, Rechts- und Ausdehnungsfragen spielen die global players alle nationalen Winkelperspektiven gegeneinander aus. Was die einen Staaten verbieten, ist in andern alltäglicher Brauch. Die Multis rechnen sich steuerfrei, lassen sich von konkurrierenden Staaten lukrative Subventionsangebote

machen, um den günstigsten Standort auf Erden zu wählen.      

Erst die Perspektive eines grenzenlosen Planeten hat die Wirtschaft zur führenden Macht über alle Politik der Einzelstaaten gemacht, die sich mit regionaler Limitierung begnügen müssen. Die Internationalität der Politik konnte mit der Geschwindigkeit der globalen Ökonomisierung nicht Schritt halten.

Die singulären Staaten hätten nationale Befugnisse an internationale Dachorganisationen abgeben müssen, um globalen Supermächten eine adäquate Gegenmacht zu sein. Wie etwa in Europa, wo nationale Befugnisse nach Brüssel abgegeben wurden. Doch leider zu wenige, um Wirtschafts- und Sozialpolitik wie aus einem Guss zu formen. 

Indem die Nationen aus kurzsichtigem Machtinteresse ihre nationalen Befugnisse nicht verlieren wollten, verloren sie immer mehr Macht an die internationalen Wirtschaftsmächte. Der Einzelstaat verliert, weil er die Zeichen der Zeit nicht erkennt. Seinen bisherigen Untermächten gestattet er, grenzenlos zu expandieren und wundert sich, dass er in Berlin, Paris, Warschau, Lissabon gegen gigantische Banken nichts mehr ausrichtet.

Internationale Tycoons können nur durch internationale Regierungen kontrolliert werden. Die Börsen von New York, London, Tokio und Frankfurt können von nationalen Wirtschaftsministerien nicht mehr kontrolliert werden. Dazu fehlt letzteren das notwendige Herrschaftswissen. Wenn es, selten genug, zu internationalen Verträgen über Bankenkontrollen kommt, müssen Spezialisten der Banken die Vertragspapiere entwerfen und formulieren, weil unerfahrene Beamten nicht in der Lage sind, die Vorgänge in Wallstreet niederzuschreiben.

Das überregionale Herrschaftswissen der Ökonomie hat die provinzlerischen Kenntnisse eines Steinbrück oder Rösler derart überrundet, dass sie einer Machtenteignung traditioneller Ministerien gleichkommt. Das Verbrechen einer Kassiererin, die sich ein kostenloses Brötchen zum Frühstück genehmigt, wird mit der Schärfe des nationalen Rechts geahndet. Systematische Verbrechen der globalen Wirtschaftsmacht, die die Welt an den Abgrund bringen, bleiben ungeahndet.

Ein Grund ist der, dass eine betulich-nationale Ausbildung von Staatsanwälten und Richtern mit erforderlicher internationaler Erfahrung nicht mehr mithalten kann. Fachleute geben zu, dass sie die Wertpapiere nicht verstehen, die sie an den Börsen kaufen, um in Sekundenschnelle steinreich zu werden.

Sie wissen nicht, was sie tun, ist die Selbstentmündigung jener Experten, die in allen Talkshows Ratschläge zur Behebung der Finanzkrise feilbieten. Experten sind zu Experten in Ignoranz geworden. Dabei geht es um brachiale Kriminellenenergie, nicht um Einhaltung internationaler Ökonomiegesetze, die ohnehin auf Gerechtigkeit keinen Wert legen. Sie brechen die Gesetze, die sie oberhalb aller staatlichen Kontrolle selbst eingeführt haben. Dazu zählen manipulierte Zinsen, überhöhte Rohstoffpreise, versteckte Verluste.

„Zinsen, Devisenkurse, Strom, Aluminium, Hauskredite – alles ist Material für dubiose Geschäfte. „Der Finanzsektor ist durch eine kaum noch überschaubare Anzahl von Nachrichten über gezielte Manipulationen und Betrügereien gekennzeichnet“, so Banken-Kritiker Rudolf Hickel.“  (Stephan Kaufmann in der BLZ)

Jeroma Kerviel verfügte über ein illegales Investment-Volumen von 50 Milliarden Euro, das entspricht der Wirtschaftsleistung Bulgariens. Seine Vorgesetzten wussten angeblich nichts von den Machenschaften ihres Angestellten.

„Auch bei den US-Behörden wächst der Verdacht, dass meist nicht Einzeltäter am Werk sind, sondern die Banken planvoll vorgehen. So verklagt die amerikanische Regierung die gesamte Bank of America, weil sie Hypothekenpapiere über 850 Millionen Dollar als zu sicher deklariert und damit zu überhöhten Preisen verkauft haben soll. JP Morgan und Goldman Sachs wird vorgeworfen, in ihren Lagern Aluminium zu horten und damit den Preis in die Höhe zu treiben.“

Dabei gehen die Banken in verbrecherischer Kumpanei vor. „So hat die EU-Kommission 13 Großbanken im Verdacht, den billionenschweren Markt für Kreditausfallversicherungen manipuliert zu haben. «Derartige Strategien funktionieren besonders gut, wenn wenige Spieler das Geschäft kontrollieren».“

Was sind die Ursachen der internationalen Wirtschaftsverbrechen, die so unermessliche Folgen in der ganzen Welt haben, dass man sagen müsste: die Wissenschaft der Ökonomie ist zur Ausbildungsdisziplin planetarischer Verbrecherhorden geworden. In den Niederungen der Nationen hängt man die Kleinen  über den Wolken muss die Freiheit der Tycoons grenzenlos sein.

Täglich wachsen die Ungleichgewichte zwischen nationalstaatlicher Bedeutungslosigkeit und internationalem Gigantismus. Ist die moralische Standardausstattung des Menschen solchen Dimensionen nicht gewachsen? Hat der standesgemäße Uraltzynismus der Eliten den Versuchungen nichts entgegenzusetzen? Will er ihnen nichts mehr entgegensetzen?

Der Kapitalismus ist auf christlichem Boden gewachsen: wo bleibt die gerühmte christliche Moral? Oder ist es so, wie Ludwig von Mises  einer der österreichischen Begründer des Neoliberalismus  behauptete: Gerade, weil das Christentum sich aller moralischen Bewertungen enthielt, konnte es mit einem amoralischen Kapitalismus zum Weltgebilde expandieren?

Kaum ein Ökonom von Rang, der nicht auf die moralfreie Unerschütterlichkeit wirtschaftlicher Gesetze hinwiese. Nicht anders als Gesetze des Wetters seien sie von moralischen Appellen nicht zu regulieren. Im obigen BLZ-Artikel von Stephan Kaufmann wird eine Ökonomin mit der Meinung zitiert:

„Dennoch sei es zu einfach, die Schuld auf überspannte Individuen abzuschieben, sagt Schäfer. «Banken entlassen einzelne Händler und gehen zur Tagesordnung über», kritisiert die DIW-Ökonomin. «Dabei liegt der Fehler im System.»“

Interessante Wortwahl: amoralische Individuen sind überspannt? Überspannte Individuen waren bislang verschrobene, exaltierte bis exzentrische Individuen, die den Hauch der Genialität verströmten. Überspannte Wirtschaftsverbrecher wären demnach keine bleichen Verbrecher  die zur Ruchlosigkeit ihrer Taten nicht stehen , sondern Hochbegabte, die mit ordinärem Malochermaß nicht zu erfassen wären.

Seit der Romantik sind solche Subjekte himmlisch geküsste Charismatiker. Moral ist für die Reglementierung des Plebs zuständig, für höhere Etagen gilt die Regel: erlaubt ist, was gefällt. Machiavellis amoralische Grundsätze sind: unverwüstliche Energie (Virtu), riskantes Zockerglück (Fortuna), Ehrgeiz (Ambitione), moralfreie Notwendigkeit (Necessita) und „Gelegenheit macht Diebe“ (Occasione). Die ehrbare Ökonomie ist zum Machiavellismus der Eliten auf globaler Ebene geworden.

Es wird immer behauptet, Machiavelli habe als erster Europäer die Grundsätze der christlichen Moral demontiert. Das ist  wie fast alles, was im Zusammenhang mit der allerheiligsten Religion lanciert wird  Unsinn. Die Moral der Bibel ist eine antinomische. Es gibt zwar triviale Regeln, doch diese Regeln gelten nur für Heiden und noch nicht ganz Erleuchtete.

Für wahre Jünger gilt der Grundsatz der wiedergewonnenen paradiesischen Freiheit: Glaube und tu, was du willst. Wer die rechte Gesinnung hat, dem ist keine Untat verboten, die durch himmlische Liebe abgesegnet ist. Machiavelli hat die antinomische Moral des Vatikan nur entlarvt, die Doppelzüngigkeit des Klerus „rigide Strafmoral für den Plebs, grenzenlose Handlungsfreiheit für die Eliten“, nur ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt.

Wenn von System die Rede ist, welches System ist gemeint? Das System des Machiavelli, das System der sündigen Welt, das System des unkorrigierbaren Menschen? Das System muss etwas sein, was den Einzelnen zu entlasten pflegt. Die Herren des Geldes sind, nein nein, keine moralischen Versager. Mit individueller Moral ist dem System nicht beizukommen.

Das System muss eine Mischung aus Gottseibeiuns und naturgesetzlicher Unerbittlichkeit sein. Der Einzelne ist für immer entlastet. Gegen die Omnipotenz des Systems kommt kein Sterblicher an. Inmitten einer privaten Schuldkultur ist politische Schuld abgeschafft. Auf Erden herrscht Antinomie (Gesetzlosigkeit). Der moderne Mensch bescheinigt sich permanente Schuldunfähigkeit.

Normale Schuldunfähige, die der Gemeinschaft gefährlich werden können, werden gewöhnlich von psychiatrischen Muskelpaketen eingefangen und in die nächste Irrenanstalt eingeliefert. Hochgefährliche schuldunfähige Banker, Zocker und Lebensmittelspekulanten werden am Anfang des 21. Jahrhunderts mit unermesslichem Reichtum und grenzenloser Macht belohnt.

Eine Wurzel des glamourös bewunderten Amoralismus ist christlich, die andere marxistisch. Man könnte allerdings vermuten, die marxistische Wurzel ist mit der christlichen wesensverwandt. Marxens Geschichtstheorie ist nur eine kleine Variante der christlichen Heilsgeschichte. Nebst Paulus ist Marx der größte Gegner der Philosophie und der moralischen Autonomie des Einzelnen.

Bei Paulus klingt das so: „Vermöge der Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht durch euch,  Gottes Gabe ist es  nicht aus Werken, damit nicht jemand sich rühme.“ „Alle haben ja gesündigt und ermangeln des Ruhmes vor Gott und werden gerecht gesprochen ohne Verdienst durch seine Gnade mittels der Erlösung, die in Jesus Christus ist.“

Bei Marx klingt das so: Das Sein bestimmt das Bewusstsein, nicht das Bewusstsein das Sein. Das Sein kann auch als System bezeichnet werden. Was ist das Sein? Alles, was den Menschen überragt und wogegen er keine Chance hat: die Summe aus natürlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Der Mensch entscheidet über sein Schicksal nur in dem Maße, in dem das Sein die grüne Karte zeigt.

Nein, Mensch, jetzt kannst du keine Revolution anzetteln, die Verhältnisse sind noch nicht so weit. Erst wenn das allmächtige Sein die Erlaubnis gibt, darf der Prolet, der die jeweilige Heilsstunde der Geschichte prophetisch erkundet, die Barrikaden errichten. Die Fähigkeit des Menschen, seine Geschichte autonom zu bestimmen, wird von Marx vernichtet. Hier ist er romantischer Gegenaufklärer.

Machen wir uns nichts vor, die explosive 68er Bewegung ruhte auf nicht-autonomen, amoralischen Grundlagen. Bis heute hat die Linke keine klare Stellung zu diesen philosophischen Peanuts bezogen. „Die Philosophie hat die Wirklichkeit nur verschieden interpretiert, es kömmt aber darauf an, sie zu verändern.“ Philosophen sind unnütze Schwätzer, ihre Gedanken haben keine Kraft, die harte materielle Welt zu verändern. Jeder Gedanke, jede selbstbestimmte Moral ist hiermit vom Tisch. Kein Zufall, dass Adornos Attacke gegen die Aufklärung von einem Marxisten kommt.

Das Denken des Menschen wird von Marx zu einem sinnlosen Herumtreiben im Überbau der Gesellschaft entmannt. Seit Marx haben sich politisches Wirken und Nachdenken zu feindlichen Brüdern entwickelt. Wo revolutionäres Fieber herrscht, darf nicht gedacht werden, wo gedacht wird, gibt’s kein Eingreifen in die Wirklichkeit. Diese Schizophrenie hat Adorno die Sympathie der 68er gekostet und ihn in den Elfenbeinturm des vereinsamten und wirkungslosen Denkers getrieben.

Da die Revolution gescheitert, der Sozialismus kollabiert ist, wird bei Linken weder gedacht noch Revolution getrieben. Sie schauen nach den Sternen, giften sich gegenseitig sektiererisch an und bringen kein gemeinsames Gewicht auf die Waage, um die nächste Große Koalition zu vereiteln.

Von einer Konferenz linker Strömungen berichtet Arno Frank in der TAZ: „Immerhin war vom aktiven Herbeiführen des Umbruchs keine Rede, nur vom Abwarten und der Notwendigkeit, vorbereitet zu sein, wenn „es“ denn mal so weit sein sollte. Die wiederholte Frage in die Runde lautete denn auch: „Was tun?“

Die Lenin’sche Frage „Was tun?“ ist sinnlos, wenn man das Nahen des revolutionären Kairos abwarten muss. Nicht anders als eschatologische Christen warten pseudochristliche Linke sehnsüchtig auf den Messias der Geschichte, der das Kommen des Reiches der Freiheit einläutet. Der beste Revolutionär ist der, der die Zeichen an der Wand entschlüsseln kann.

Machiavellis Machtdenken besitzt zwei Wurzeln. Es gründet in der christlichen Antinomie  und in der Tradition des „Willens zur Macht“ sophistischer Denker in Griechenland. Nestle sieht ihn in der Tradition des griechischen Historikers Thukydides, für den Geschichte ein Kampf zwischen Starken und Schwachen ist, den die Starken am Ende für sich entscheiden werden.

Das griechische Naturrecht wird immer verkürzt und falsch zitiert. In Wirklichkeit besteht es aus zwei unvereinbaren Rechten. Dem Recht des Stärkeren  und dem diametral entgegengesetzten Recht des Schwachen, aus dem sich das spätere Menschenrecht der Stoa entwickelte.

Gorgias war einer der ersten Wanderlehrer in Griechenland, der seinen Schülern den Willen zur Macht einpflanzte (bei ihm noch ohne Gewalt). Die Rhetorik war für ihn eine Technik der Machtausübung und hatte den Zweck, „über andere zu herrschen“. Da heute jeder Politiker nach rhetorischen Fähigkeiten eingeschätzt wird, wird er danach beurteilt, welche Macht er über Menschen mit Hilfe von Worten erringen kann.

Rhetorik war das Gegenteil zum Argumentieren des Sokrates in seinen Zwiegesprächen auf dem Marktplatz. Wer mit Reden brilliert, will die Macht seiner Überlegenheit demonstrieren. Wer argumentiert, will machtfreie Erkenntnisse hervorrufen, die in jedem Einzelnen vorhanden sind.

Das Naturgesetz der Starken lautete, dass „nicht das Stärkere von dem Schwächeren gehindert, sondern das Schwächere von dem Stärkeren beherrscht und geführt werde. Dass das Stärkere vorangehe und das Schwächere folge.“ Versteht sich, dass mit diesem Naturgesetz des Starken jede Demokratie unmöglich war.

Die Herrschaft des Volkes  der „schwachen, der minderwertigen, schlechten Leute“, wie sie von Gegnern der Demokratie genannt wurden  beruhte auf der Macht der vielen Schwachen, die die Macht der wenigen Starken gemeinsam überwinden konnte. Hätte sich das Naturgesetz der Schwachen nicht durchgesetzt, wäre in Athen nie eine Demokratie entstanden. Ein unbekannter Athener nannte die Demokratie einen „ausgemachten Unsinn“. Andere Oligarchen pflegten zu schwören: „Ich will dem Volke feindlich gesinnt sein und, so viel ich kann, zu seinem Schaden beitragen.“

Sprecher der Starken nahmen kein Blatt vor den Mund, im Gegensatz zu den karitativ und altruistisch klingenden Reden der Bill Gates und Warren Buffetts. Wer an herkömmlicher Moral festhielt, war in ihren Augen ein Schwächling oder ein ungebildeter Tropf. Geradheit und Wahrhaftigkeit waren Torheiten für sie; Lüge, Täuschung und Meineid hingegen galten als kürzester Weg zur Macht.

Wir sehen, die Postmoderne ist schon mehrere tausend Jahre alt. Die Griechen hatten bereits alle Denkwege beschritten, keine sozialen Konflikte waren ihnen fremd. Doch im Gegensatz zur Moderne kämpften sie mit offenen Bandagen. Die Starken und die Schwachen passten nicht zusammen. Es gab einen ewigen Krieg zwischen Eliten und Plebs, zwischen Oben und Unten.

Heute wird gemauschelt, auf Naturgesetze und himmlische Gebote verwiesen, dass sich die Balken biegen. Die Starken und Reichen wollen den Schwachen weismachen, dass die Gesetze des Kapitalismus nicht nur ihnen zugute kommen, sondern die Situation der Schwachen stärkt.

Gewiss sind die Armen der starken Staaten oft stärker als die Reichen der armen Staaten, aber bestimmt nicht reicher. Denn die Eliten aller Länder räumen unisono den Reichtum der Welt in ihre Tasche. Auch wenn die Armen der starken Länder reicher sind als die Armen der schwachen Staaten: die Kluft zwischen Reich und Arm in allen Staaten steigt ins Unermessliche. Diese Kluft ist das Maß der Macht der Starken über die Schwachen.

Wo Macht wächst, wächst auch der Machtmissbrauch. Wallstreet und NSA haben einen gemeinsamen Oberbegriff: den der Macht. Erstaunlich, dass Finanz- und Überwachungsskandale nicht unter Macht und Machtmissbrauch debattiert werden. Der Faktor Macht wird von Politologen und Kommentatoren nur widerwillig zur Kenntnis genommen. Alle Probleme werden gegeneinander abgeschottet, als hätten sie nichts miteinander zu tun.

Aus diesem „Divide et impera“ entstehen analytische Unschärfen, die das Widerstandsdenken der Bevölkerung schwächen soll. Vor lauter Bäumen soll der Plebs nicht den Wald sehen, da er sich der gefühlten Überkomplexheit nicht gewachsen fühlt. Was ihn daran hindern soll, den Mächten der Eliten eine gleichwertige Gegenmacht entgegen zu stellen.

Das Gemeinsame aller Skandale ist der Machtmissbrauch der Übermächtigen. Zum Thema Machtmissbrauch in Zusammenhang mit Snowden gibt es ein Interview in der TAZ:

„Bürger auf der ganzen Welt sagen heutzutage, dass sie genug von alle dem haben. Ägypten, Brasilien, Italien, Spanien, Griechenland, auch in Großbritannien haben die Leute genug davon, getäuscht zu werden.“  (TAZ-Interview)

Der Neoliberalismus ist zu einem Natur- und Gottesgesetz der Starken geworden. Das Christentum kennt keine Moral der Schwachen. Erlöst wird nur, wer sich der Allmacht des Allmächtigen ergibt. Am Ende der Tage wird er zu jenen Starken gehören, die an der Seite ihres Pantokrators die ganze Menschheit richten und in Starke und Schwache, Richtige und Falsche selektieren wird.

Die Schwachen verschwinden in unbegrenztem Elend. Darob freuen sich die Starken im ewigen Lichte des allmächtigen Vaters. Amen.