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Freitag, 16. August 2013 – Alpträume gegen Träume

Hello, Freunde Ägyptens,

in Ägypten wurden die Falschen gewählt, durch die Wahl wurden sie zu Richtigen. Die Richtigen machten falsche Politik und wurden weggeputscht, was ganz falsch war. Das Militär, auf der Seite der ungewählten Richtigen, vertrieb die gewählten Falschen und ermordet nun wahllos die letzteren, weil diese mit richtigen Methoden gegen ihre falsche Vertreibung demonstrieren.

Nun herrscht blankes Chaos. Das Land ist in zwei unversöhnliche Lager gespalten. Früher war das Militär auf der falschen, nun ist es auf der richtigen Seite  aber mit falschen Methoden. War der Putsch kein Putsch, weil die Richtigen mit militärischer Gewalt an die Macht geputscht wurden?

Amerika unterstützt das Militär jährlich mit Milliarden, die das Militär zweckgebunden an die amerikanische Waffenindustrie zurückleiten muss. Die ägyptische Militärhilfe ist eine Subventionierung der amerikanischen Waffenlobby durch Washington via Kairo.

Warum nötigt Obama das ägyptische Militär nicht, sich an demokratische Spielregeln zu halten? Auch wenn das Militär vordergründig die ägyptischen Demokraten unterstützt, bleibt es antidemokratisch und kann seine Sympathien jederzeit wieder zurücknehmen und an andere verleihen.

Der Knoten scheint unauflöslich. Verzweifelte Demokraten verklären den widerdemokratischen Putsch zur demokratischen Notmaßnahme. Amerika nennt den Putsch nicht Putsch. Obama muss Golf spielen und hat keine Zeit, sich dem Schlamassel am Nil zu widmen  außer einigen Sprüchen, die niemand ernst nimmt.

Vor kurzem erklärte John Kerry, das ägyptische Militär habe die Demokratie

wiederhergestellt, was die Soldateska als Freifahrtschein zum Töten der falschen, aber gewählten Muslimbrüder benutzt. Alle Putschisten dieser Welt können sich ab jetzt auf den sympathischen John Kerry berufen, wenn sie wegputschen, wen immer sie wollen.

Der Westen hätte den gestürzten Mursi mit vereinten Kräften zu einer demokratischen Politik nötigen sollen. Doch der Westen ist bereits in einer postdemokratischen Phase angekommen und hat vergessen, was demokratische Gesinnungen und Methoden sind. Westliche Demokratien kungeln gern mit Despoten, diese sind berechenbarer als wankelmütige Demokraten. Zuverlässig kann man Geschäfte mit ihnen machen.

Aufkommende Demokratiebewegungen werden vom Westen misstrauisch beäugt, selten oder halbherzig unterstützt. Die nichtdemokratische Welt gewinnt den Eindruck, der Westen mime nur Demokratie, bewundere insgeheim die Politik der Stärke. Der Eindruck ist richtig. Also fühlen die Starken sich bestärkt, den demokratischen Aufbruchsbewegungen den Hals umzudrehen. Wenn’s sein muss, mit einer Taktik, die jene vordergründig unterstützt, sie aber langfristig erdrosselt.

So schlingerten die arabischen Staaten in die Falle „westliche Demokratie“, die in Wirklichkeit keine Herrschaft des Volkes, sondern der Starken und Rücksichtslosen ist. Der arabische Aufbruch wird zum Opfer des doppelzüngigen Westens. Wenn er von den Starken niedergebügelt worden ist, wird der Westen sagen: Seht ihr, die Araber sind nicht demokratiereif. 

Bernd Pickert in der TAZ: „Wenn Obama jetzt sagt, dass die USA im innerägyptischen Konflikt nicht Partei ergreifen, sondern lediglich auf den Grundsätzen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten bestehen würden, dann ist das entweder eine Umschreibung kompletter Hilflosigkeit oder dreist gelogen. Genau genommen: beides. Das Blut vom Mittwoch klebt auch an den Händen von US-Außenminister John Kerry“.

Im muslimischen Ägypten herrscht ein Bürgerkrieg auf Leben und Tod zwischen fanatischen Muslimen und anderen, die eine Demokratie wollen. Es ist ein Krieg um den rechten Glauben. Haben fanatische Korandeuter recht oder liberale? Genau genommen fließt Blut um die Frage, wer eine Heilige Schrift richtig deutet. Unter richtig verstehen die einen: im Sinne eines intoleranten Allahs und wortwörtlicher Buchstabentreue  und die anderen im Sinne demokratischer Umdeutung der Buchstaben, die unfehlbar sein und dennoch verändert werden müssen.

Ganz Arabien wiederholt die Auseinandersetzungen des Westens zu Beginn der Neuzeit, als der Geist aufgeklärter Demokraten die Fanatismen christlicher Popen bekämpfte, um ihre Macht im vereinten Europa zu brechen. Die ersten Aufklärer fühlten sich noch als Gläubige, die ihre Bibel im Geist der Vernunft modernisieren und demokratisieren wollten. So auch in Amerika, als der christliche Glaube der Vielen mit der demokratischen Vernunft der Wenigen und Gebildeten aus der Oberschicht kollidierte, die ihre fortschrittlichen Ideen aus England mitgebracht hatten.

Locke war für sie der entscheidende Vordenker, für den Vernunft und Glaube kein Widerspruch war. Er deutete Vernunft in die Heilige Schrift hinein, um sie mühelos aus ihr herauszudeuten. Der rachsüchtige Jahwe wurde zum Gott der Vernunft, die Gesetze der Natur zu Gesetzen Gottes.

Die Revolution kommt selten bis nie von unten. Die Aufklärung war anfänglich die Angelegenheit des höheren Bürgertums. In Frankreich waren nicht wenige Adlige am Emanzipationsprozess beteiligt. Eigenartig? Nein, denn der Klerus war im Mittelalter so dominant geworden, dass selbst die Mächtigen der Welt immer weniger zu sagen hatten.

Die ersten Aufklärungsbewegungen waren bürgerlich-adlige Kooperationen gegen den Klerus in Rom. Erst als dem Adel gelungen war, die herrschsüchtigen Priester zu degradieren und die Macht zu übernehmen, spaltete sich die Bewegung. Der Adel wollte von kontinuierlicher Freiheitsbewegung nichts mehr hören. Er fürchtete jetzt um seine eigene Macht. 

Die Aufklärung wurde bürgerlich und zunehmend politisch und wirtschaftlich. Die expandierende Bourgeoisie wollte sich nicht länger von König und Adel in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken lassen und revoltierte gegen die beiden oberen Klassen. In der Französischen Revolution revoltierten Mittel- und Unterschichten noch gemeinsam gegen die höfischen Mächte. Kaum gelang es ihnen, Versailles zu erobern, vergaß die Bourgeoisie ihre verbündeten Unterschichten und degradierte sie zu lohnabhängigen Lakaien, just, wie sie einst vom Adel degradiert worden waren.

Wer Macht errungen hat, knipst diejenigen aus, denen es nicht gelang, im Gleichklang nach oben zu kommen. Die Letzten beißen die Hunde. Der jeweilige Klerus verbündet sich immer mit der neuen Macht und benutzt die Religion, den Abgehängten und Machtlosen zu predigen, dass die jeweiligen Obrigkeiten von Gott und die unteren Klassen zur Untertänigkeit verpflichtet seien.

Die von oben nach unten verlaufende Zellteilung erfasste auch die Unterschichten. Die einen schafften den Anschluss an den heraufkommenden Bürger-Kapitalismus als handwerklich zuverlässige Malocher. Die anderen wurden zur Gosse. Marx redete von Arbeitern und Lumpenproletariat.

Diese Trennung hat sich bis heute bei der Proletenpartei SPD durchgesetzt. Einige schaffen es ganz nach oben, sie sind die Creme de la Creme. Wer einen guten Job ergattert hat, darf sich als Sahnehäubchen der Malocher betrachten. Wer keinen Job bekommt und Vater Staat auf der Tasche liegt, gehört zum Hartz4-Lumpenproletariat.

Schröders Verachtungsattacken gegen die Überflüssigen hat eine lange SPD-Tradition und reicht zurück bis zum Urvater Marx, von dem sie noch immer nicht wissen, ob er zur Großfamilie gehört oder expatriiert werden muss. Auch Bebel  „hier wird nicht gefaulenzt, hier wird gearbeitet“  war kein Freund der Nichtstuer.

Heute explodieren die Granden der SPD beim Stichwort BGE. Nichts schaffen, das ist die Sünde wider den heiligen Geist des Paulus, der nicht nur in den Kapitalismus, sondern auch in den Sozialismus gedrungen ist: „wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen“. Das Arbeitsethos der Linken wie der Rechten ist völlig eins in der Meinung, dass jeder Mensch malochen muss.

Was ist Maloche? Das akkordartige Betätigen im Dienste Mächtiger, um deren Reichtum und Macht kontinuierlich zu vergrößern, dabei einige Brosamen für sich abzustauben und „zum allgemeinen Wohlstand der Nation beizutragen“. Was auf Deutsch heißt: die Überlegenheit der eigenen Nation in wirtschaftlicher, technischer und militärischer Hinsicht zu sichern.

Es geht um Führung in der Welt. Wirtschaft hat von Anfang an nicht den rationalen Zweck gehabt, die Menschen zu ernähren, dass sie sich wohlgemut anderen Dingen des Daseins widmen können. Marx spricht vom Angeln oder vom kritischen Kritiker sein im Reich der Freiheit. Das wird von heutigen SPD-Granden verhöhnt, die sich der neoliberalen Vollzeitmaloche vollständig unterworfen haben.

Wirtschaft ist kein Mittel zum Zweck, sondern Selbstzweck. Sei es, um die Energie der Untertanen abzupumpen, dass sie das demokratische Gedöns sein lassen. Sei es, um mit wirtschaftlicher Macht einen möglichst großen Anteil am Kuchen der Welt zu ergattern.

An sich ist Wirtschaft kein Konkurrenzunternehmen. Ich muss nur so lange arbeiten, bis das Dasein meiner Lieben, meiner Nation bis hin zur Menschheit gesichert ist. Das irdische Leben ist kein ewiges Tretrad unermüdlicher Ratten. Sondern Aufenthaltsort des Glückes in der Natur. 

Christen haben die Natur zur minderwertigen und gefährlichen Materie, die Arbeit zur Sündenmaloche und das ganze Dasein auf Erden in ein Lazarett verwandelt. Der Planet wurde zu einem Freiluftgefängnis für gefährliche Straftäter, die ihre Zeit mit sinnloser Beschäftigungstherapie zur Abarbeitung sündiger Urgefühle absovieren müssen. Ein Transitlager mitten im Universum für Wesen, die die ungeheure Schuld auf sich geladen haben, sich zeugen oder von einem Schöpfer aus Lehm und Dreck erschaffen oder sich sagen zu lassen: alles ist so gut auf Erden, dass man es als Vergünstigung empfinden muss, wenn man nicht subito ins höllische Feuer gestürzt wird.

Eine winzige Minderheit soll sich erwählt fühlen, wenn sie auf immer von ihren Lieben getrennt wird. Sie soll ihren Creator über alles loben, dass er Weib, Kind, Mann, Frau, Großeltern, Tanten und Onkels ins ewige Verderben schickt. Und sich mit Halleluja bedanken muss, dass nicht er zu den Verworfenen gehört, sondern sein Kind, seine Eltern, Angehörige und Freunde.

Gibt es im Universum eine absurdere Ideologie? Eine menschenfeindlichere Ideologie? Eine naturhassendere Ideologie?

Warum sind alle Parteien so verwechselbar? Weil sie unisono diesen Absurditäten anhängen. Wenn sie sich nicht dagegen wehren, glauben sie daran. Auch die Linken wollen durch Arbeit selig werden. Die Rechten wollen durch Arbeit und Beten selig werden. Die Natur wollen sie retten, indem sie zu jenem Gott beten, der in heiligen Büchern die Vernichtung der Natur in Aussicht stellte. Geht’s noch, ihr Irdischen?

Das Unheil liegt in Buchform offen auf dem Tisch, übersetzt in alle Sprachen dieser Welt. Mit offenen Augen rennt die christliche Welt in die von Gott unterschriebene Totalvernichtung. Die Amerikaner mit Stolz und biblischem Furor, die Deutschen mit Schambinde vor den Augen. Sie glauben, mit historisch-kritischer Gewitztheit könnten sie Gott überzeugen, dass ER sich beim Diktat seiner Offenbarung geirrt haben muss. Die Deutschen geben Gott Nachhilfeunterricht in dem, was Er wahrscheinlich gemeint, aber unfähig war, deutlich niederzuschreiben.

Im Vergleich zu schlitzohrigen Deutschen sind Amerikaner gehorsame Dumpfbacken, die morgens ihre Losungen lesen, alles abnicken und ihre Waffenkammer zum Endkampf rüsten. Die Deutschen flüstern ihrem Gott ins Ohr, dass er nicht ganz auf der Höhe der Zeit sei. Dass Er schnellstmöglich einen Arbeitskreis deutscher Intellektueller und Theologen gründen soll, um Seinen cultural lag  Seine trottelhaftige Zurückgebliebenheit  zu beheben.

Der Neoliberalismus ist dabei, die ganze Welt in ein christliches Straflager zu verwandeln, in dem nur die geistlosesten Hektiker auf Straferlass hoffen dürfen. Während in der Nach-Sarrazin-Zeit alle Parteien sich überschlagen, keine Unterschichtler, Asylbewerber, Schwarze, Homos und Frauen auszugrenzen, beten sie einen Gott der Geschichte an, der die ganze Menschheit in sone und solche aufspaltet und die Mehrheiten vom Heil ausgrenzt. Hier die Verbrecher, die nicht an Ihn glauben, dort die betenden Einschleimer, die auf das Jüngste Gericht warten, wo sie neben ihrem obersten Juror alle Völker dieser Welt einem furchterregenden Ranking unterziehen.

Warum sind Rankings der beliebteste Gesellschaftssport geworden? Weil hier vorgeübt werden darf für die ultimativen Ausscheidungskämpfe am Ende aller Tage. Antreten zur finalen Selektion.

Keine Partei legt sich mit kollektiven Brutalismen an, die sich mit dem Etikett „Religions- und Glaubensfreiheit“ schützen. Die Gläubigen müssen geschützt werden, damit sie zu ihrem Herrn flehen können: Komm, Herr, ach komme bald, und wirf alle Gottlosen und Ungläubigen auf den Biomüll der Geschichte.

Alternativen? Einen Politwechsel kann es nicht geben, denn inwendig sind alle Parteien Urchristen. Nicht in ihrem Bewusstsein, wo sie Humanisten sein wollen, sondern in ihrem kulturellen Unbewussten. Dort sitzen Ängste und Hoffnungen ihres Kindergottesdienstes. Wohlweislich haben die Kirchen flächendeckend die Kitas und Schulen besetzt, um den lieben Kinderlein zuzurufen: wenn ihr nicht werdet wie die Erwachsenen, wird euch der Kapitalismus holen.

Der Sinn des Daseins ist Muße und Glück. Das wird von Gottesexperten mit allen Mitteln bekämpft. Ihre Priester hätten nicht die geringste Macht über die Menschheit errungen, wenn es jenen nicht gelungen wäre, geniale Märchen von einer Heilsgeschichte zu erfinden, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bis aufs Jota bestimmt.

Ist die Welt in einer nachchristlichen, un- oder antichristlichen Epoche angekommen? (In einer post-heiligen, post-christlichen, post-eschatologischen Epoche)? Da lachen alle Hühner des Universums. Muße und Glück: ist das nichts für kindliche Träumer? Sind Himmel und Hölle nichts für kindische Alpträumer? Muße ist im Deutschen Müßiggang und Müßigkeit ist aller Laster Anfang. Und dies im graecomanischen Germanien Goethes und Schillers, die keine einzige Stunde ihres Lebens mit hirnloser Maloche verbrachten.

Muße ist jene Tätigkeit, die sich freie Menschen suchen, um ihre Fähigkeiten zu entfalten. Das geht nicht unter dem Diktat schlecht entlöhnter Sklavenarbeit. Ja, Sklavenarbeit  unter vollständig intakten demokratischen Verhältnissen. Diese Demokratie hat Rousseau trefflich vorweggenommen:

„Die eigentliche Kunst der Erziehung besteht darin, Émile so weit zu beeinflussen, dass sein Wille mit dem des Erziehers übereinstimmt. Die pädagogische Arbeit findet gewissermaßen „hinter seinem Rücken“ statt. So heißt es in „Émile oder über die Erziehung„: „Folgt mit Eurem Zögling dem umgekehrten Weg. Laßt ihn immer im Glauben, er sei der Meister, seid es in Wirklichkeit aber selbst. Es gibt keine vollkommenere Unterwerfung als die, der man den Schein der Freiheit zugesteht. So bezwingt man sogar seinen Willen.“

Vollkommene Unterwerfung bei vollkommener Freiheit. Das ist das Drehbuch aller modernen Werbung, aller staatstragenden Medien, aller Ausbeuter, aller postmoderner Philosophen.

Eltern werden ihren Kindern entfremdet, Familien werden durch abwesende Maloche zerrissen, während die Dynastien der Eliten mit vielen Kindern und dem nötigen Kleingeld gedeihen. Sie können sich so viele Lakaien kaufen, wie sie nötig haben, um ihrem Nachwuchs getrost das riesige Familienerbe zu übergeben. Die SPD war so hilfreich und schuf prophylaktisch die Erbschaftssteuer ab. Die Genossen der Bosse, die Verräter der Arbeiterklasse.

Günter Grass muss meschugge sein, Oskar Lafontaine den schmierigsten Verrat in der Geschichte der SPD vorzuwerfen. Die Verräter waren seine Freunde Schröder und Schily. Er selbst unterstützte die Degradierung der Arbeitslosen zum Lumpenproletariat. Es war der grüne Joschka Fischer, der Oskar vorhielt: Glaubst du im Ernst, du könntest gegen den Wallstreet-Kapitalismus ankommen?

Oskar war der Einzige unter den SPD-Granden, der sich gegen den Hunneneinbruch der Herren mit den breiten Hosenträgern wehrte. Allerdings muss man auch Oskar vorwerfen, dass die Erklärung seines Rücktritts zu wünschen übrig ließ. Er sagte nicht klar und deutlich vor allen Kameras, was ihn bewog, die SPD zu verlassen.

Ein Snowden ist Oskar nicht. Sondern einer, der die Faust nur in der Hosentasche ballt. Auch in seiner Linkenzeit hat er stereotyp immer nur gefordert: mehr Rente, mehr Lohn, mehr Hartz4. Die Forderungen mögen richtig sein, wie sie wollen, die Leute wollen etwas zum Denken haben. Sie verhungern geistig vor überladenen Tischen. Sie wollen verstehen, wie das Verhängnis passieren konnte. Sie wollen verstehen, woher der neue Wind blies.

Nicht nur Merkel agiert in Stummheit, es ist die ganze elitäre Klasse. Und nun der Clou: sie verstehen selbst nicht, was sie tun und was über sie hereingebrochen war. Das Volk platzt vor Fragen, die ihnen niemand beantwortet. Nicht lederne Null-Acht-Fuffzehn-Forderungen, sondern Gedanken müssen dem hungrigen Publikum geboten werden. Von derselben Stummheit sind die geschwätzigen Gazetten und lärmenden TV-Kanäle.

Der Mensch lebt nicht von Sozialknete allein, er will sein ganzes Leben verstehen. Warum verachten ihn dieselben Anzugträger, die ihm die Arbeit genommen haben? Es gibt keine Partei, die den Souverän ernst nimmt. Alle halten sie ihn für einen Kretin, der mit Weichspülern eingeseift werden muss.

Merkel sagt überhaupt nichts, außer: seid froh, dass ihr  noch  eure Meinung frei sagen könnt. Ihr namenloser Herausforderer betet Floskeln herunter, die er vor Monaten mit einem teuren Pinot Grigio hinuntergespült hätte. Die Piraten haben noch die unverbrauchtesten Gesichter einer jungen Generation, die von den Eliten längst unter der Rubrik „noch zu disziplinieren“ abgeheftet wurden.

Wirtschaftsprobleme  genial am Köcheln, Sieden und Kochen gehalten, um dem Plebs Überlebensängste einzujagen  haben alles Demokratische überwuchert. Die westlichen Demokratien glauben an Gott, Hölle, Engel und an die Wallstreet, an die Selbstbestimmung der Menschheit glauben sie nicht.

Höhere Mächte kann man in jedem Supermarkt in prächtiger Auswahl mit nach Hause nehmen. Was hätten’s denn gern? Den Gott der Liebe, der Rache, der Eifersucht, der Herr der Geschichte, die Herrschaft des Marktes, der Evolution, die amoralischen Gesetze der Ökonomie, die Hoffnung aufs Jenseits, den Glauben an natürliche Grenzen, die man beliebig überschreiten kann? Den Glauben an Geld, Macht, Ruhm und Erfolg? Den Glauben an eine zweite bessere Natur durch Technik? Den Glauben an Unsterblichkeit in großen Kühlbehältern im sonnigen Kalifornien? Den Glauben ans Elysium: auf der Seite der Seligen im Licht?

Menschliche Utopien sind abgeschafft wegen Lächerlichkeit! Nirgendwo Menschliches im menschlichen Maß. Außer bei den letzten südamerikanischen und afrikanischen Stämmen  die demnächst von Bulldozern vertrieben werden.

Meine Brüder und Schwestern: wollen wir uns das im Ernst gefallen lassen?