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Freitag, 09. August 2013 – Das journalistische Ich und die Welt

Hello, Freunde des Journalisten-Ichs,

es hat lange gedauert, bis die Abendländer Ich sagen durften. Vorher waren sie kleine Atome im Klumpen-Wir aus Gott, Kaiser, Papst und Volk. Als Descartes das Köpfchen hob und Ich sagte, klang das ziemlich kühn. Ich denke, also bin ich.

Wär‘s umgekehrt nicht sinnvoller gewesen: Ich bin, also denke ich? Sein ist mehr als Denken. Doch Descartes zweifelte sogar an seinem Sein. War er überhaupt? Gab es ihn? Gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Diese Gespreiztheit hält ein schöner langhaariger Philosoph für eine Kinderfrage. Wenn heute ein Mollath solche Fragen stellte, käme er aus der Psychiatrie nicht mehr heraus.

Was müssen das für Zeiten gewesen sein, dass man nicht mehr wusste, ob man Männlein oder Weiblein war, ob man noch lebt oder schon tot ist? Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.

Das Leben war nur eine andere Form des Todes. Eine kurze Zwischenzeit zwischen Tod und Tod. Der zweite Tod nicht als Nichtsein, sondern als Schrecken, als vorausgeahnte, vorausgenommene Hölle. Das Leben ist eine einzige Qual und niemand weiß, ob der Tod sie beenden wird im Himmel der Seligen oder ob die Qual zur nimmerendenden Tortur bei Verfluchten und Verdammten werden wird.

Die Ungewissheit des Endes war das schrecklichste. Daumen hoch oder Daumen nach unten? Wird man in die Schar der Seligen aufgenommen oder leidet man in einem endlosen Guantanamo? Konnte eine

einzige Minute dieser Existenzen froh und unbefangen sein?

Liebe Schwestern und Brüder, wie weit haben wir es gebracht, dass wir solch lebenslange Todesqualen kaum nachvollziehen können? Freuen wir uns des Lebens und sorgen dafür, dass wir mitten im Leben nicht von Agenten des Todes umfangen, abgehört und bedroht werden.

Amerika zieht täglich die Daumenschrauben an. Schreckensvisionen des Glaubens drohen erneut zur Realität zu werden. Was wir nicht durchdrungen und verarbeitet haben, ist durch Verdrängen nicht aus der Welt zu schaffen und kann jederzeit wiederkommen. Die Wiederholung der Tragödie ist keine Farce, sondern ein Alptraum. Nicht mehr aus geistlichem Stoff, sondern aus technischen Algorithmen hergestellt.

In Amerika wird zunehmend jeder bedroht, der seine Dienste nicht allmächtigen Überwachungsbehörden ausliefert. Mitten im Leben sind wir von amerikanischen Prismenaugen umgeben. Hier das jüngste Beispiel:

„Es handele sich um einen seltenen und vielleicht sogar einzigartigen Fall, dass ein US-Unternehmen lieber seine Tätigkeit einstelle, als einer Bitte von US-Behörden zur Herausgabe von Informationen nachzugeben, sagte Kurt Opsahl, ein Anwalt der Bürgerrechtsgruppe Electronic Frontier Foundation in San Francisco. Ihm sei kein Fall bekannt, wo ein Anbieter sich entschlossen habe, unter diesen Umständen seinen Dienst einzustellen.“ (DER SPIEGEL)

Das lateinische Lied media in vita hat Luther ins Deutsche umgedichtet:

„Mitten wir im Leben sind
Mit dem Tod umfangen.
Wen suchen wir, der Hilfe tu,
Daß wir Gnad erlangen?
Daß bist du, Herr, alleine.
Uns reuet unser Missetat,
Die dich, Herr, erzürnet hat.

Mitten in dem Tod ansicht
Uns der Höllen Rachen.

Wer will uns aus solcher Not

Frei und ledig machen?

Mitten in der Höllen Angst
Unser Sünd uns treiben.
Wo solln wir denn fliehen hin,
Da wir mögen bleiben?“

Luther und Descartes werden als parallele Beender des Mittelalters angesehen. Luther setzte auch auf das Ich, aber auf das amputierte Ich des Glaubens. Descartes‘ Ich war ungemein potenter und verwegener. Das Ich hatte an allem zu zweifeln begonnen. Zweifeln war der Gegenbegriff zum Glauben. Es räumte die mittelalterlichen Glaubensmassen beiseite und wollte von vorne beginnen.

Es musste Tabula rasa gemacht werden. Wo ist der Grund, auf dem wir stehen? Auf dem verordneten Glauben oder auf dem freien Ich? Es muss gewesen sein wie in Nachkriegsdeutschland. Unendliche Trümmermassen und kein Haus, in dem man unterschlüpfen konnte. Also Trümmer wegräumen bis aufs Fundament und neue Wohnungen bauen, in denen die Ichs Einzug halten konnten.

Auch Descartes wollte bis zum Fundament vordringen, auf dem man das neue Gebäude errichten konnte. Er nannte es fundamentum inconcussum, das unerschütterliche Fundament.

Auf welchem Fundament steht der unerschütterliche Mensch? Im Mittelalter war Gott das Fundament. Hat die Moderne schon sicheren Boden unter den Füßen?

Den sichersten Boden, den es für den Menschen gibt, die Natur, wird mit verbissenem unendlichem Hass unterhöhlt, ausgebaggert, mit Giften verseucht und vaporisiert. Man eliminiert Natur, um den Menschen zu zwingen, mit einem Sprung in die Hände des Allmächtigen zu hüpfen. Von einem qualitativen Sprung sprach der fromme dänische Philosoph Kierkegaard, der bei theologiesüchtigen Edelschreibern der Gegenwart Furore macht.

 Bei Kierkegaard gibt es kein Wissen, kein Erkennen. Glauben besteht in der „absoluten Anbetung der Unwissenheit“. „Der Gegenstand des Glau­bens ist ein Geheimnis, ja mehr, die »Unwahrscheinlichkeit«, das (absolute) »Paradox«, Kreuzigung des Verstandes, »das Absurde«.“

Wer die Parade der Wut auf irdische Vernunft an sich vorüberziehen lässt, den kann das deutsche Feuilleton nicht mehr erschüttern. Kaum ein Artikel über Gott und die Welt, der sich per Kreuzigung des eigenen Verstandes nicht in den Himmel katapultieren wollte. Beim Schreiben machen sie ihre täglichen Sprungübungen durch die Redaktionsdecke und hoffen, unbeschadet in Abrahams Schoß zu landen.

Man könnte den Eindruck gewinnen, je mehr sie sich den Boden der Natur unter den Füßen wegziehen, je mehr müssen sie ihre Abschussrampen für den Ernstfall vorbereiten. Fluchtwege ins Jenseits, wenn das Diesseits seinen Geist aufgibt.

Was hat dies mit dem Ich zu tun? Jedes Ich, das nicht mit beiden Beinen auf dem Boden steht, hat sich selbst entwurzelt und muss sich ein imaginäres Fundament phantasieren. Der Glaube wird zur Welt 2.0, die man mit der richtigen verwechselt.

Da gibt es einen Dopingbericht, der die durchgehende „Selbstoptimierung durch Fremdstoffe“ im deutschen Sport behauptet. Wen wundert es? Ganz Deutschland ist verseucht durch die Drogen Reichtum und Erfolg. Ohne tägliche Selbst-Suggestion wäre der Westen nie entstanden. Die Suggestion steht unter der Droge Heilsgeschichte. Wer wird das Finale der Heilsgeschichte für sich entscheiden? Ich glaube, also bin ich: ohne Vorarbeit Descartes kein Kierkegaard.

Noch sind die Selbstillusionierungen nicht ausgeschöpft. Die Hightech-Industrie ist dabei, den sexuellen Akt auf Distanz technisch zu ermöglichen. Körperangemessene Sensibilitätsanzüge, die gegenseitig per Knopfdruck stimuliert werden können, sind in der Lage, jede körperliche Erregung bei beiden Partnern auszulösen. Geographische Nähe ist nicht mehr erforderlich, um emotionale und körperliche Verbundenheit zu fühlen. Die Zukunft gehört dem ortsungebundenen digitalen Eros.

Jeder ist völlig eingeschlossen in seinem Ich und wähnt sich doch mit der Welt verbunden. Das waren die Leibniz‘schen Monaden, die Perfektion des Descartes‘schen Ich. Das Ich ist kein Produkt der Welt. Die Welt ist alles, was das Ich ist. Auf dem Zeigefinger seines Ich lässt der moderne Mensch die Welt rotieren, wie Charly Chaplin als Hitler die Welt auf dem Finger kreisen ließ.

Zwischen Descartes und dem digitalen Ich steht Fichtes Ich, das sich an Gottähnlichkeit von niemandem übertreffen lässt:

„Das Ich setzt sich selbst, und es ist, vermöge dieses bloßen Setzens durch sich selbst; und umgekehrt: Das Ich ist, und es setzt sein Seyn, vermöge seines bloßen Seyns. – Es ist zugleich das Handelnde, und das Produkt der Handlung; das Thätige, und das, was durch die Thätigkeit hervorgebracht wird; Handlung, und That sind Eins und dasselbe; und daher ist das: Ich bin, Ausdruck einer Thathandlung.“

Deutsche Philosophensprache muss man ins Deutsche übersetzen. Warum scheitern die meisten Studenten, die mit eifrigem Bemühn Philosophie studieren wollten? Daran, dass sie nichts verstehen sollten, um nicht zu bemerken, dass ihre Lehrer auch nichts verstehen. Und wenn sie etwas zu verstehen glauben, klingt es derart absurd, dass sie sofort den Rückwärtsgang einlegen, sich selbst für einfältig halten und schnell – in die Journalistik flüchten.

Dort rächen sie sich an ihren Lehrern, die sie an der Nase herumführten, indem sie das Publikum ihrer Gazette an der Nase herumführen. Ein Artikel mit einem einzigen sinnvollen Satz ist ein Zugeständnis an vulgären Populismus. Es muss so geheimnisvoll und unverständlich klingen wie einst im Hörsaal bei den Titanen der Weisheit.

Was meint Fichte mit: das Ich setzt sich selbst? Oder noch besser: es konstituiert sich? Niemand in einem Fichteseminar traut sich, solche Kinderfragen zu stellen. Wer es nicht versteht, ist am falschen Platz. Dabei ist die Antwort kinderleicht und simpel. Das Ich setzt sich selbst, es handelt und ist zugleich das Produkt seiner Handlung heißt exakt das, was über Gott auf den ersten Seiten der Genesis ausgesagt wird: Wie Gott schafft das Ich sich selbst aus Nichts.

Aus Nichts deshalb, weil es von etwas abhängig wäre, wenn es fremdes Material bräuchte. Die kleinste Abhängigkeit wäre eine Einbuße an Allmacht und ergo verboten. In Fichte hat die christliche Gottebenbildlichkeit die deutsche Philosophie endgültig erobert.

Die Abhängigkeit der großen Denker vom Glaubensbekenntnis ihrer Jugend darf nicht enthüllt werden, weil die Aura deutscher Dichter und Denker flöten ginge. Also muss ins Blaue, Hohe und Unergründliche gemutmaßt und spekuliert werden.

Wer sich einen Jux machen will, sollte eine plagiatsfreie Dissertation über Fichte durchblättern. Durchblättern sagte ich. Denn lesen kann man Sätze deutscher Tiefendenker nicht. Sie ähneln zerfetzten Gesteinsproben von Südseeinseln, auf denen Atombombenversuche stattgefunden haben.

Die Philosophie des Deutschen Idealismus – unter deren Etikett Kant, Fichte, Schelling und Hegel wahllos zusammengeworfen werden, obgleich sie sich in Grundlagen widersprachen – ist eine Philosophie der Freiheit. Nein, der absoluten, grenzenlosen Freiheit, der Urmutter der neoliberalen Freiheit.

Bei Kant gab es noch Grenzen des Menschen, seine Nachfolger – alles Denker der religiös gewordenen Romantik – gingen nicht nur an ihre Grenzen, sondern über alle menschlichen Grenzen hinaus. Für Kant gab es noch Unterschiede zwischen Mensch und Gott (der nicht der Gott der Christen war, was Exbischof Huber in Potsdam nicht davon abhält, immer von einer deutschen Synthese aus Vernunft und Offenbarung zu reden; kaum anders als ein deutscher Expapst).

Ab Fichte beginnt das deutsche Ich alle Grenzen zu überschreiten und gottgleich zu werden. Reinhold Messner und moderne Grenzüberschreiter sind praktische Fichteaner, sie wissen es nur nicht. Das Überschreiten aller Grenzen, sei es in Technik, Wirtschaft oder planetarischer Machtpolitik, ist nicht auf amerikanischem Boden gewachsen. Der amerikanische Traum vom Grenzenlosen ist ein Import aus Deutschland, aufgepfropft auf genuin biblisches Urgelände.

Da deutsche Philosophie ein Produkt der Theologie war, hatten fromme Amerikaner keine Mühe, den unverständlichen Geist des Unendlichen in der heiligen Schrift wiederzuerkennen. Gewiss, von Old England hatten die Bewohner des Neuen Kontinents die Grundlagen der Wirtschaft. Doch Adam Smith war Stoiker und kein Anhänger biblischer Unendlichkeiten – von bedauerlichen Kompromissen abgesehen. Die Unendlichkeit oder Maßlosigkeit allen menschlichen Tuns, hatten die Amerikaner von den Deutschen geerbt.

Das verhängnisvolle Erbe der Deutschen wurde unkenntlich gemacht, als der Kampf zwischen Neugermanen und Angelsachsen um kulturelle Vorherrschaft eindeutig zugunsten der Angelsachsen ausfiel. Gerade die kontinentalen Deutschen in ihren beschränkten und bedeutungslosen Verhältnissen lieferten der zukünftigen Weltmacht den Sprengstoff fürs Unendliche. In den gemäßigten Kapitalismus des Adam Smith wurde der Schaum deutscher Unendlichkeit geschüttet. Der Bastard aus gemäßigter Aufklärung à la Smith und christlich-romantischer Grenzenlosigkeit beherrscht heute die ganze Welt unter dem Namen: Neoliberalismus.

Seine „Phänomenologie des Geistes“ beendet Hegel mit einem Zitat aus Schillers Gedicht „Die Freundschaft“:

Aus dem Kelche dieses Geisterreiches

schäumt ihm seine Unendlichkeit“.

Hegel kannte noch einen Unterschied zwischen schlechter-quantitativer und guter-qualitativer Unendlichkeit. Würde er heute leben, würfe er den Amerikanern und dem Neoliberalismus schlechte Unendlichkeit vor. Ihm ging es nicht um unendliche Quantität, sondern um vollendete Qualität. Sei‘s drum. Die Deutschen führten die christliche Unendlichkeit in die Philosophie des Idealismus ein. Ideal wurde, was Grenzen sprengte.

(Das herzliche Einvernehmen aus lutherischer Biederkeit und moderner Grenzgängerei kann man am Gespann Merkel & Messner beobachten, die gemeinsam hohe Berge besteigen.)

Die Epoche der Aufklärung war noch von Maß und Grenze bestimmt. Neoliberalismus ist deutscher Idealismus in oeconomicis. Just die in eng begrenzten, politisch unbedeutenden Verhältnissen darbenden deutschen Genies sprengten im Geist ihre Ketten und – landeten in der Theologie, die sie als Philosophie ausgaben.

Es war nicht anders als bei Descartes, der alles bezweifelt hatte, nur sein Zweifeln nicht, und mit einer Volte wieder auf dem Schoß Gottes landete. Indem deutsche Idealisten sich von der Macht der Kirche lösten und Freiheit des Ich forderten, fiel die Reaktionsbewegung so heftig aus, dass sie – Sprung vorwärts, Sprung zurück – wieder im Kinderglauben endeten.

Der moderne Idealismus ist das Gegenteil des platonischen. Bei Platon hängt der Mensch von der Natur ab, bei Fichte die Natur vom Menschen. Reaktionsbewegungen haben es so an sich, dass sie übertreibend dort landen, wo sie gestartet waren.

Die Neuzeit emanzipierte sich vom Über-Ich des Glaubens und wollte das Ich des Selberdenkens einrichten. Das war löblich, doch die Angst vor der Ablösung macht drei Schritte nach vorn und mindestens zwei zurück. Das ist das Gesetz des Fortschritts, das ohne Rückfälle nicht möglich ist.

Die Romantiker wuchsen unter aufgeklärten Vätern auf. Nicht unähnlich den Nach-68ern, die aus Protest gegen ihre Eltern-Revoluzzer ins Konservative zurückfielen, aber kontaminiert mit Erkenntnissen der 68er, so regredierten die Romantiker ins Fromme, aber mit fortschrittlichen, nicht selten unfrommen Freiheitsgefühlen. So in der Entdeckung des freien Eros und der Dreierehe. (In der Romantik gab es den ersten Roman mit freizügigen Sexszenen.)

Heute kann man beobachten, wie Vertreter der Frömmigkeit die Vernunft mit jenen Vorwürfen traktieren, die einst Vernunft dem Glauben machte: dogmatische Rechthaberei und Intoleranz. Wer diese Spiralbewegungen nicht berücksichtigt, für den bleibt der Gang der Geschichte ein Rätsel.

Das Subjekt der Neuzeit löste sich vom Glauben, landete aber nicht auf dem Boden der Natur, sondern stellte die Welt auf die Nadelspitze des eigenen Ich. Die Emanzipation blieb unvollständig, das moderne Ich verharrte im Bann der Religion. Anstatt in die Einfachheit und Begrenztheit des natürlichen Ich zurückzukehren – wie in der griechischen Aufklärung – blies das Ich sich zum Gott auf. Die moderne Subjektivität wurde naturlos, ja naturfeindlich und omnipotent.

Was hat das mit Harald Martensteins Kritik an Jakob Augsteins neuem Buch zu tun? Richtig: alles.

Anstatt das frische und ungewöhnliche Buch des FREITAG-Herausgebers minutiös auseinanderzunehmen, verfallen seine Kollegen in einen hämischen Satireton. Über die aufgedeckten Skandale bemerkt der launige Rezensent, dass Augstein dem normalen Zeitgenossen zu viele Skandale zumute:

„Erstens kann man sich nicht unbegrenzt oft aufregen. Alle Medien sollten berücksichtigen, dass zwischen zwei Skandalen eine Karenzzeit von mehreren Monaten liegen muss und dass kein Mensch unbegrenzt viele Skandale gleichzeitig verarbeiten kann. Unser Gehirn ist dafür nicht ausgelegt. Wer sich, wie ich, über die Drohnen, über Uli Hoeneß, über die Textilfabriken in Asien, über die Euro-Krise und über den Fall Gustl Mollath aufregt, der ist mental für den NSA-Skandal praktisch verloren. Allen Kommentatoren empfehle ich, bei neuen Skandalen gleichzeitig einen anderen Skandal für beendet zu erklären.“  (Harald Martenstein in der ZEIT)

Das Ich der Journalisten ist nicht geeignet, die Welt zu erkennen und zu ertragen, wie sie ist. Von verändern gar nicht zu reden.

Die „subjektive Wende“ der Neuzeit muss endlich Ernst machen – und die Welt wegen Untauglichkeit ablehnen. Eine Welt, die auf das Ich eines Journalisten nicht passgenau abgestimmt ist, müsste bei Amazon zurückgegeben werden können.

Da der SPIEGEL auf Spurensuche nach der besten Zeitung ist, müsste Descartes zukunftsfest und mediengerecht zugeschnitten werden. Ich denke, sagt der futuristische Schreiber, also muss die Welt nach meinem Bilde sein. Sind Ich und Welt nicht kompatibel, muss Welt für immer Abschied nehmen.

Da Ich ohne Welt nichts sein kann, muss es trauernd sagen: Ich denke, also kann ich nicht sein. Tschüss, Welt. Es war so schön mit dir.