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Montag, 06. Mai 2013 – Helmut Schmidt

Hello, Freunde der Religionsfreiheit,

Religionen müssen Kritik aushalten. Eine Verschärfung des Blasphemieverbots, wie von katholischer Seite oft gefordert, verstößt gegen das Grundgesetz. So das Ergebnis einer hochrangigen Juristentagung in München.

Ex-Verfassungsrichter Winfried Hassemer plädierte sogar für völlige Streichung des Gotteslästerungsparagrafen. Im Meinungskampf gebe es keinen Schutz der Religion. „Die Religionsfreiheit schütze die Freiheit der Religionsausübung. Daraus ergebe sich aber kein Anspruch, vor Kritik bewahrt zu werden.“ (Christian Rath in der TAZ)

 

Die SPD wird 150 Jahre und dümpelt profillos dem nächsten Wahlkampf entgegen. Auch international ist der demokratische Sozialismus bedeutungslos geworden. Der französische Präsident Hollande ist unpopulärer als sein Vorgänger Sarko je war. An der deutsch-französischen Verstimmung würde sich nicht viel verändern, auch wenn in Berlin die Sozis ans Ruder kämen.

Das Prinzip Solidarität ist bei Sozialdemokraten in der ganzen Welt nicht konsensfähig. Die SI, die Sozialistische Internationale, sei leider stumm geworden, sagte Hans-Jochen Vogel. „SPD-Chef Sigmar Gabriel begründete den Schritt im Focus-Gespräch mit der mangelhaften inhaltlichen Positionierung der Sozialistischen Internationalen. «Man muss nüchtern feststellen, dass die SI in den vergangenen Jahren weder zu den Exzessen der Finanzmärkte noch zu den anderen globalen Herausforderungen irgendeinen substanziellen Beitrag geleistet hat.»“

Die SI war 1889 in Paris gegründet worden. Willy Brandt hatte die internationale Organisation fast 20 Jahre lang geführt. Was Gabriel in seiner Stellungnahme

unterschlägt: auch die deutsche Sozialdemokratie war unfähig, sich der neoliberalen Welle wie ein Bollwerk entgegenzustellen. Während die Geldeliten sich immer besser vernetzen und den „Krieg der Reichen gegen die Armen gewinnen werden“, so Warren Buffett, werden die Sozialisten der Welt immer nationaler und verweigern sich planetarischer Solidarität.

Wie immer, wenn’s ans Eingemachte geht, ist den GenossInnen die nationale Jacke näher als die internationale Hose. In traditionellen SPD-Kreisen des Ruhrgebiets ist man mit kapitalistischen Fußballklubs wie Schalke mehr verbunden als mit Sozialisten in der Türkei. (SZ)

Welche Probleme haben Sozialdemokraten mit Fremden? Was Helmut Schmidt, Willy Brandt – aber auch ZEIT und SPIEGEL – vor Jahren zur Integrierbarkeit der Türken äußerten, würde heut als Rassismus gelten. Sarrazin ist Mitglied der SPD und bis heute wegen fremdenfeindlicher Äußerungen nicht aus der Partei ausgeschlossen. Vor der UNO musste sich die Bundesrepublik entschuldigen, weil sie die Sarrazin-Äußerungen juristisch nicht verfolgen ließ.

Führende SPDler hielten ihre Hand über den Ex-Senator und waren der Meinung, solche xenophoben Thesen müsste man sagen können. Gewiss, wenn man bereit ist, sich von einem ordentlichen Gericht verurteilen zu lassen.

Helmut Schmidt wird vom Publikum für kantige Thesen geschätzt. Da er von niemandem gewählt werden muss, spricht er Klartext. Vor allem die anmaßende Missionierungshaltung des Westens in Menschenrechtsfragen missbilligt er. Die außerordentliche Geschichte Chinas mit ihrer beeindruckenden uralten Kultur werde vom Westen nicht gesehen und angemessen anerkannt. (Wo er Recht hat, hat er Recht.)

Auch Amnesty International fehle es an Respekt vor der ältesten Weltmacht der Geschichte, die ihre einstige Führungsposition gerade wieder zurückerobere. Menschenrechtsverletzungen durch das Peking-Regime will Schmidt nicht verurteilen. Begründung:

„Die Menschenrechte seien ein Erzeugnis unseres Kulturkreises, erklärte er. Es gebe sie weder in der Bibel, noch im Islam und in Fernost auch nicht. … Anders als der Westen habe die chinesische Führung bislang nicht versucht, anderen Staaten ihr Gesellschaftsmodell aufzuzwingen. Den Missionsdrang der freiheitlichen Demokratien hält Schmidt sogar für regelrecht anmaßend. Die Rolle von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sieht er vor diesem Hintergrund ausgesprochen kritisch, auch wenn er die Gruppe «regelmäßig mit Geld unterstützt».“ (Michael Kröger im SPIEGEL)

Versteht sich, dass Beckmann und Kollegen solche Thesen nicht auseinandernehmen. Die Grundlagen des abendländischen Demokratie-Ethos sind Europäern beschämend unbekannt.

Die Kirchen benutzen diese Ignoranz, um Demokratie und Menschenrechte unwidersprochen aus ihren Heiligen Büchern abzuleiten, obgleich das Gegenteil in den Offenbarungen zu lesen ist. Wenn Gott allmächtig ist und jeden Widerstand gegen Ihn und seine Gebote mit ewigen Strafen ahndet, stehen wir auf totalitärem Boden. In diesem Punkt hat Schmidt Recht.

Ebenso in der Frage, dass Menschenrechte in der heutigen Kodifikation auf europäischem Boden gewachsen sind. Nämlich auf dem griechischen. Was nicht bedeutet, dass Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit die Privilegien des Westens seien und alle anderen Völker von Natur aus willige Sklaven wären.

Jede Kultur hat ihre Vorstellungen des Menschseins und über unendliche Zeiten sinnvoll gelebt. Erst der imperiale und missionarische Westen hat die Lebensqualitäten vieler Nationen und Völker ausgerottet, verfälscht und vergewaltigt.

Es gibt viele Vorstellungen von Menschenwürde und Autonomie. Der Dialog der Völkerwelt muss diese Vorstellungen prüfen, die Vereinbarkeiten festhalten und die Widersprüche auszugleichen versuchen. Auch wenn unsere Grundrechte auf dem Papier respektabel daherkommen: wie kann es passieren, dass auf dem Boden imposanter Rechte eine Wirtschaftsform dieselben ins Gegenteil verkehrt?

Natur wird zerstört, unendlich viele Menschen sterben an den Folgen einer darwinistischen Rivalität auf Leben und Tod. Die Menschen dieser Kultur haben nicht die geringste Freiheit, sich gegen das Wirtschaftssystem zu entscheiden. Und dies im Zeichen der größten Freiheit aller Zeiten. Um nicht zu darben und zu verhungern, müssen die Menschen die Bedingungen des Systems auf sich nehmen und sich zu „Sklaven in Freiheit“ erniedrigen lassen.

Immer mehr Menschen müssen rund um die Uhr, auch in ihrer Freizeit, von ihren Sklavenhaltern erreichbar sein. Auf dem Arbeitsplatz dürfen sie ihre Meinung über ihren Sklavenhalterbetrieb nicht äußern. Die Interessen der Sklavenhalter sind wichtiger als die Grundrechte der Polis. Nicht das Volk regiert, sondern eine immer totaler werdende Wirtschaft. Jederzeit kann das Totale ins Totalitäre umkippen, Vertreter der Finanzeliten können den Putsch gegen die letzten Reste einer funktionierenden Demokratie durchführen.

Wären europäische Menschenrechte nicht die Rechte aller Menschen auf der Welt, die ihr Leben in eigener Regie führen wollten, wären die Rechte jene Anmaßungen, von denen Schmidt spricht. Dass alle Gegner totalitärer Regimes sich auf die UN-Menschenrechtscharta beziehen, beweist die Universalität der Menschenrechte, die von vielen Nationen durch Unterschrift anerkannt wurde.

Schmidt-Schnauze hätte Recht, wenn die Forderungen nach Menschenrechten auf der ganzen Welt im Ton der Überheblichkeit und Anmaßung gestellt würden. Doch dies müsste Schmidt belegen und begründen. Tut er aber nicht. Die Forderung nach Menschenwürde muss verbunden sein mit der Toleranz fremder Kulturen, deren Andersartigkeit man nicht aus der trügerischen Höhe seines Wohlstands und Reichtums verachten darf.

Im Westen weiß man nichts über die Grundlagen chinesischer Kultur, ohne deren Anregungen der Westen nie in die Gänge gekommen wäre. Halten wir uns nicht beim Schießpulver, der Buchdruckerkunst, der Seidenherstellung und den Nudeln auf, die durch Vermittlung von Marco Polo zur italienischen Pasta wurden. Was Laotse und Konfuzius über Mensch und Natur, über Lernen und maßvolles Leben zu sagen haben, ist 99% aller westlichen Christianer unbekannt.

Einseitige Kritik kann es in der Völkergemeinde nicht geben. Wenn westliche Freiheitswerte radikaler ausfallen als in anderen Kontinenten, so müsste der Westen seinerseits dringlich von anderen Kulturkreisen lernen, wie man mit Natur umgeht, ohne sie zugrunde zu richten.

Nicht einseitiges Belehren, sondern Lernen von jedem bei jedem, das wäre die Devise der Zukunft. Kein Land kann nur nehmen, es muss auch geben können.

Während in Deutschland Bücher geschrieben werden müssen, um das Herstellen von Terra preta zu erlernen, wird keine Silbe auf die süd- und mittelamerikanischen Erfinder dieser kostbaren Erde verschwendet. (Anita Idel in der TAZ)

Hiesige Ökologen halten es kaum für nötig, auf jene Indianerkulturen zu verweisen, die seit unendlichen Zeiten im Einklang mit der Natur leben. Da sie in langweiligen und statischen Idyllen lebten, auch keine Ahnung von Derrida und Foucault hatten, sind sie weiter nicht zu beachten.

Aus Wiki: „In Gebieten, in denen Terra preta verbreitet ist, trieben frühe Indianervölker wie die Tupí Ackerbau. Man findet diesen für die örtlichen Verhältnisse besonders fruchtbaren Boden in teils meterdicken Schichten in alten und prähistorischen Siedlungsgebieten. Das Vorkommen von Terra preta ist in der tropischen Klimazone Amazoniens und Afrikas nachgewiesen worden.

Was nützt es dem Westen, Menschenrechte als Fetische anzupreisen, wenn das Recht der Menschen auf einen dauerhaften Platz in der Natur negiert wird und der Westen einen Fortschritt in den Abgrund betreibt?

Nicht nur Gewerkschaften, nicht nur die SPD, auch die Ökologiebewegung – in Gründerzeiten noch offen für die Welt – agiert immer mehr im nationalen Rahmen und denkt gar nicht daran, von natursymbiotischen Kulturen zu lernen. Der Grund ist einfach. Naturreligionen kennen keine Erlöser und keinen naturüberlegenen, ja naturfeindlichen Geist. Sie kommen ohne Börse, U-Bahn und goldene Löffel aus.

Wir in Europa sind überzeugt, dass wir die Zeiten nicht mehr umdrehen können. Einmal in die christliche, neoliberale und marxistische Heilgeschichte eingetreten, müssen wir bis zur heillosen Endstation durchhalten. Völlig unmöglich zu sagen: schauen wir an, was es in „primitiven Kulturen“ gab – prüfen wir alles und wählen das Beste aus. Was die Menschheit irgendwann und irgendwo in der Welt lernte, um dauerhaft auf Erden zu leben, das darf nie mehr vergessen werden.

Chronologische Zeit ist unumkehrbar, nicht aber die Zeit der Wahrheit, um aus anderen Epochen, von anderen Völkern aus allen Gegenden der Welt zu lernen. In der Zeit der Wahrheit gibt es kein Vorher und Nachher. Nehmen wir „Buen vivir“, das Leitprinzip Ecuadors und dessen zwiespältige Annahme bei europäischen Ökologen, die nur Rezepte für ihre Vorgärten haben wollen, aber an der europäischen Neuerungswut und dem heilsgeschichtlichen Despotismus ihres lieben Marx und Jesuleins nichts ändern wollen. (Gerhard Dilger in der TAZ)

Wer das hiesige System ändern will, muss die europäische Grundmixtur aus Naturverachtung und apokalyptischer Sehnsucht-nach-dem-Ende überwinden. Eine suizidale Mischung, die sich als Bedürfnis nach dem ganz Anderen deklariert. Das ganz Andere ist der Doppelausgang der Menschheitsepoche a) in ein Paradies für eine winzige Minderheit und b) in einen höllischen Abgrund für den minderwertigen Rest der Menschheit.

Einklang mit der Natur wird es in einem kapitalistischen Rahmen nicht geben. Eine menschenfreundliche Wirtschaft wird es ohne radikale Ökologie nicht geben. Eine Menschheit auf Erden ohne Moral als Lebensfreude wird es nicht geben. Diese Themen werden von kritischen Geistern noch immer gesondert geführt. Das vergiftete Erbe europäischer Erlöserphilosophien und -religionen wird von ihnen nicht erwähnt.

Man kann heute als Chefredakteur einer wichtigen Zeitung zum kollektiven Amoklauf der Gattung aufrufen, ohne dass es zum öffentlichen Aufruhr kommt. Thomas Schmid, die WELT, findet die Grünen lammfromm, weil sie „nicht mehr nach den Sternen greifen“. Weil sie keine „Himmelsstürmer“ seien und den „kühnen Sprung ins Unbekannte“ wagten. Mit anderen Worten, dass sie nicht zum Amoklauf aufriefen. Die wirtschaftliche Entwicklung brauche „Größenwahnsinnige“. (Thomas Schmid in der WELT)

Der englische Naturphilosoph Whitehead sprach vom Abenteuer, das der europäischen Geisteshaltung immanent sei. Am Anfang des letzten Jahrhunderts konnte er die ökologischen Gefahren in ihrem Ausmaß noch nicht wahrnehmen. Abenteurertum ist das Risiko, die Selbstauslöschung der Gattung als Prinzip der Politik nicht auszuschließen.

Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen ist Sehnsucht nach dem Göttlichen, nach Umwandlung der alten Erde in ein ganz anderes und neues Universum. Das größte Abenteuer ist die Pilgerreise in die ewige Seligkeit oder Verdammnis. Wer weiß schon, an welchem Tor er einstmals anklopfen muss. Welch nervenaufreibendes Abenteuer: wird Petrus hinter dem Portal stehen oder sein höllischer Widersacher?

 

Die Deutschen sind nicht mal fähig, ihre nationale Unheilsgeschichte aufzuarbeiten, geschweige die europäische. In einem Gespräch des ZEIT-Chefs Giovanni di Lorenzo wird vieles angetippt, aber nichts nachgefragt und geklärt. Just wie di Lorenzo seine Talkshows im Fernsehen betreibt: als Geplapper auf höchster Glamour-Ebene.

ZEIT-Interview mit Helmut Schmidt:

Warum ist Schmidt zum Sozialdemokraten geworden? Schmidt legt Wert darauf, dass er dazu gemacht worden ist, als ob er ein beliebig knetbares Wesen gewesen sei:

„Ich bin in der Kriegsgefangenschaft zum Sozialdemokraten gemacht worden. Ich war fertig gebackener Sozi, als ich aus dem Kriegsgefangenenlager nach Hause kam.“

Wer oder was hat ihn zum Sozi gemacht?

Die „wunderbare Rede“ eines Hans Bohnekamp. Wer hier nicht an die wunderbaren Reden eines anderen Führers denkt, weiß nichts von Geschichte. Also die wundersame Bekehrung aufgrund einer einzigen Rede.

War dieser Bohnekamp nicht seit 1933 in der SA und seit 1937 in der NSDAP?

„Ich habe ihn als einen religiösen Sozialisten kennengelernt. Er hat damals eine wunderbare Rede gehalten, unter der Überschrift Verführtes Volk, eine Generalabrechnung mit Adolf Nazi. Diese Rede hatte großen Einfluss auf mich.“

Keine Nachfrage zu Übereinstimmungen zwischen religiösen Sozialisten und religiösen Nationalsozialisten. Wenn Schmidt von Adolf Nazi spricht, anstatt den Führer beim Namen zu nennen, hält er das wohl für das kokette Ergebnis einer Vergangenheitsbewältigung.

Die Alliierten hätten alle Offiziere für Nazis gehalten. Das sei aber völlig falsch, so Schmidt.

Keine Nachfrage von di Lorenzo. Obgleich wir, spätestens seit Ian Kershaw, wissen, in welchem Maß das ganze deutsche Volk von seinem Messias begeistert war. Wehrmacht inklusive.

„War der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit für Sie ein Grund, der SPD beizutreten?“

Schmidt hat bislang den Grundgedanken der Proletenpartei nicht in den Mund genommen. Auch in seiner Antwort vermeidet er vermintes Gelände. Er könnte Probleme kriegen, das Hartz4-Paket des Herrn Schröder abzusegnen – was er gerne tut.

„Der (Gedanke) war in der Nachkriegszeit besonders anziehend, ja.“

Ach so, in Zeiten bitterer Not war soziale Gerechtigkeit noch anziehend. Heute offenbar nicht mehr, wo es keine Armen mehr gibt, die verhungern müssen und die Hartz4-Leute in Saus und Braus leben.

Marx hält Schmidt für einen tüchtigen Kerl, doch ungeeignet als Kompass für die SPD. Was aber ist die heutige Grundlage der Sozialdemokratie? Oder was sollte sie sein? Keine Frage, keine Antwort. Kompasslosigkeit der SPD in Grundsatzfragen.

Worauf er heute noch stolz wäre?

„Auf das Nein der SPD-Fraktion zum Ermächtigungsgesetz im März 1933 und die mutige Rede von Otto Wels. Darauf kann man stolz sein.“

Okay, doch trotz Otto Wels wurden die meisten Proleten begeisterte Nazis. Wie erklären wir uns das? Jede Population schiebt heute die Führer-Idolatrie anderen Populationen in die Schuhe. Der Adel war zu vornehm, die Bayern zu katholisch, die Berliner zu preußisch, die Protestanten zu bonhoefferisch, als dass sie dem Führer verzückt skandiert hätte. Gab‘s überhaupt begeisterte Führergläubige, gab‘s ein messianisches Fieber?

Und wie war‘s mit den Kriegskrediten für Kaiser Willem, die von der SPD abgenickt wurden?

„Das war überall in Europa das Gleiche, da sind die Deutschen in ihrer Loyalität zum Vaterland nicht anders gewesen als die Franzosen oder die Italiener. Mit Kriegsbegeisterung hatte das bei den Sozis jedenfalls nichts zu tun, wohl aber mit Pflichterfüllung gegenüber dem Vaterland.“

Die braven Sozis haben immer nur ihre Pflicht getan. Kriegsbegeistert wie die ganze Nation waren sie nie gewesen. Es gibt keine vaterländische Pflicht zur Kriegsbegeisterung, es gibt aber die Pflicht, den Allmachts-Phantasien überspannter Obrigkeiten mit List und Tücke zu widerstehen. Seltsam, dass der Krieg für die ganze Nation ein Gottesbeweis sein musste.

Das ist mehr als Verdrängung. Das ist Re-idolisierung der deutschen Unheilsgeschichte vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg. Nicht der Anhauch einer Selbstkritik, welche unheilvolle Rolle – trotz weniger Ausnahmen auch SPD und die Gewerkschaften spielten.

Was wäre sein Rat, um die jetzige Finanzkrise zu meistern?

„Wir brauchen zum Beispiel eine Kontrolle der Finanzmärkte. Und ich halte es auch für eine normale Entwicklung einer modernen Wirtschaft, dass Mindestlöhne eingeführt werden. Allerdings nicht branchenweise oder regional, das wäre falsch.“

Ein bisschen Kontrolle der Finanzen! Sonst kein Ton zu den ungeheuren Verwerfungen in Europa, vor allem in den südlichen Staaten. Kein Ton zur ramponierten Gerechtigkeit im vereinten Europa.

Welchen Hauptfehler haben die Sozis bis jetzt gemacht?

„Sozialdemokraten in ganz Europa haben die Leistungsfähigkeit ihrer Wirtschaften überschätzt. Und sie haben die Überalterung ihrer Gesellschaften nicht rechtzeitig erkannt.“

Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft überschätzt! Sonst nichts. Nicht das „Gerechtigkeitsproblem“ völlig vernachlässigt zu haben?

Was wären die Zukunftsthemen der SPD?

„Das müssen Sie Leute fragen, die heute 50 Jahre alt sind – ich bin mehr als 40 Jahre älter. Jedenfalls muss ein auf gegenseitige europäische Solidarität gegründetes Verfassungskonzept für die künftige Entwicklung der Europäischen Union dazugehören. Desgleichen sollte ein außenpolitisches Konzept für die Erhaltung von Freiheit und Frieden auf unserem Kontinent dazugehören. Drittens müssen die europäischen Sozialdemokraten den Bestand ihrer heutigen Wohlfahrtsstaaten sichern.“

Helmut Schmidt ist ein alter weiser Mann. Nimmt man aber seine blutleeren Europa-Phrasen, seine Geschichtsklitterungen, seine ignoranten Thesen zu Demokratie und Menschenrechten, seine Gerechtigkeitsallergie, seine fehlende Weltsolidarität und seine ökologische Taubstummheit genauer unter die Lupe, wundert man sich nicht mehr, dass seine Proletenpartei von allen guten Geistern verlassen ist.