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Montag, 08. April 2013 – Eigentum verpflichtet

Hello, Freunde Portugals,

Portugal ist am Ende. Kommentiert Reiner Wandler in der TAZ. Das Verfassungsgericht hat die staatlichen Sparmaßnahmen als verfassungswidrig eingestuft, damit sind neue Sparpakete unmöglich geworden. Die Wirtschaft sei außer Kontrolle, Portugal rutsche in die Rezession. „Eine Rückkehr auf die Finanzmärkte, wie der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und mit ihm die Troika noch vor wenigen Monaten prophezeite, wird es nicht geben.

Portugal wird zum Symbol für das Scheitern der Austeritätspolitik. “Europa falle auseinander, die reichen Länder näherten sich der Vollbeschäftigung, der Süden werde zur verbrannten Erde. “War einst von Solidarität die Rede, um das Projekt Europa zu verkaufen, ist jetzt klar, dass diejenigen Recht hatten, die die Union als ein Projekt der Märkte geißelten.

In guten Zeiten fielen Brosamen für den Süden ab, in schlechten Zeiten zeigt sich klar, wem Europa nützt: der deutschen Wirtschaft und den deutschen Banken. Sie verdienten und spekulierten in den heutigen Krisenländern fleißig mit. Die EU ist – auch wenn sie sich noch weiter dahinschleppt längst Geschichte.“

(Reiner Wandler in der TAZ)

Für Alcide Santos aus Lissabon ist die Verpflegung seiner Kinder wichtiger als der Steuerbescheid. „Ganz klar, an erster Stelle steht das Überleben meiner Kinder und meiner Familie, danach kommt

die Wasser- und Stromrechnung, die Wohnung und an letzter Stelle die Steuern.“ erklärt der 46-jährige arbeitslose Informatiker. Vergangenen Dienstag teilte er den zuständigen Behörden seine Entscheidung mit, eine Steuerrechnung über 700 Euro nicht zu begleichen.“

Der arbeitslose Santos beruft sich auf die Verfassung, die von der Regierung missachtet werde. „Die Regierung tut nichts dazu, um Arbeitsplätze zu schaffen“, beschwert er sich. „Damit verhindert sie, dass der Verfassungsartikel, der vom Recht auf Arbeit spricht, umgesetzt wird.“ Er berufe sich deshalb auf Artikel 21, in dem jedem Portugiesen im Falle eines groben Verstoßes gegen die Verfassung „ein Recht auf Widerstand“ zugestanden wird.“ Ein Gericht wird über die Klage zu befinden haben. (Rainer Wandler in der TAZ)

§ 14, Absatz 2 des deutschen Grundgesetzes lautet: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Das wäre der Paragraph, der den Neoliberalismus stürzen müsste. Die unbegrenzt wachsende Kluft zwischen Reich und Arm schädigt viele Schwache und zerstört die Demokratie.

Jede sinnvolle Demokratie steht im Dienste der Allgemeinheit. Reiche können nicht grenzenlos reich, Arme nicht unbegrenzt arm werden, sonst verkommen die Reichen moralisch und die Armen müssen darben oder sterben.

Was ist arm? Wenn mich so viele tägliche Sorgen um den Lebensunterhalt meiner Lieben heimsuchen, dass ich mich nicht mehr an den Angelegenheiten der Polis beteiligen kann.

Armut ist Maß der Ohnmacht gegen die Macht des Reichtums. Zur Ohnmacht gehören nicht nur Sorgen und Nöte, sondern mangelnde Bildung und fehlende Selbstwertgefühle, um mich am politischen Kampf gegen Ungerechtigkeiten zu beteiligen.

Armut ist ein defizitärer physischer, psychischer und intellektueller Gesamtzustand.

Wenn Eigentum der Allgemeinheit zu dienen hat, ist die Freiheit des Individuums, unlimitiert reich zu werden, begrenzt. Wie viel auch immer der Einzelne verdient, die Steuern müssen in dem Maß der Allgemeinheit zugeführt werden, dass die Gesellschaft keinen Schaden nimmt. Die Rechte des starken Einzelnen werden den Rechten der Gemeinschaft untergeordnet. Die Freiheit des Individuums wird von den Rechten und Pflichten der Gemeinschaft begrenzt.

Da jedes Individuum von den Vorteilen der Polis lebt staatenlose Reiche wären Beute jeder kriminellen Bande muss das Lebensrecht der Polis Vorrang haben. Demokratie lebt vom Ausgleich der Kräfte, sie schwächt die Allzustarken und stärkt die Allzuschwachen. Nicht das Naturrecht der Starken bildet die Basis des demokratischen Rechtssystems, sondern das Naturrecht der Schwachen oder Gleichen.

Gleich bedeutet nicht Uniformität der Charaktere und Fähigkeiten, sondern Gleichverteilung der Chancen, sich am öffentlichen Geschehen zu beteiligen und mitzubestimmen. Erst in gleichen vitalen Verhältnissen kann sich die Ungleichheit der Individuen am wirksamsten entfalten. Erst wenn jeder Mensch seine Persönlichkeit unreglementiert von Nöten und Überfluss entwickeln kann, kann er seine Unvergleichlichkeit zum Wohle aller zur Geltung bringen.

Eine Demokratie, die von Reichen beherrscht würde, wäre keine Volks-, sondern eine Pöbelherrschaft der Magnaten (Plutokratie). Die Majorität der Gesellschaft (= die Mitte) muss ungefähr gleich wohlhabend sein. Es darf nur wenige Arme und Reiche als Extremwerte geben – mit ständiger Tendenz, die Extreme zu reduzieren. Eine Demokratie, die vom „Lumpenproletariat“ beherrscht würde, wäre eine Pöbelherrschaft der Zukurzgekommenen, die aus Rachegründen die Polis dem Erdboden gleich machen würden (Ochlokratie).

Es herrscht unbegrenzte Verwirrung über den Begriff Individualismus. Es gibt zwei völlig unvereinbare Definitionen von Individualismus, die in Europa ständig vermengt und verwechselt werden. Der griechische Begriff ist das zoon politicon; der Einzelne ist behütet und umgrenzt von der Polis, an dessen politischem Profil er mitarbeiten kann. Der christliche Begriff ist die unsterbliche Seele, die keine natürliche Begrenzung kennt und deren Grenzenlosigkeit sich als grenzenloses Geldscheffeln konkretisiert.

Wiki: „Mit Individualismus wird auch – besonders im alltagssprachlichen Gebrauch – eine persönliche Geisteshaltung bezeichnet, bei der möglichst eigenständige Entscheidungen und Meinungsbildungen angestrebt werden, gleichgültig ob sie konform zum gesellschaftlichen Kontext sind oder nicht. Gegensatz ist in diesem Fall der Konformismus.“

Was sind „möglichst eigenständige“ Entscheidungen? Demokratien sind Gebilde der Aufklärung. Aufklärung bedeutet Selbstdenken jedes Einzelnen. In der Demokratie hat jeder selbst zu denken und nicht nur möglichst selbst. „Selbstdenken heißt: den obersten Probierstein der Wahrheit in sich (d.i. in seiner eigenen Vernunft) suchen: und die Maxime, jederzeit selbst zu denken, ist Aufklärung.“ (Kant)

Wenn BürgerInnen einer Gesellschaft das Selbstdenken nicht erlernen können, leben sie nicht in einer Demokratie. Reiche denken nicht selber, sie handeln und denken in Einklang mit einem zwanghaften Gewinnstreben. Nicht sie denken, das Geld in ihnen denkt. Arme denken nicht selber, sie handeln und denken in Getriebenheit ihrer Notvermeidungsmaßnahmen. Das Elend denkt in ihnen. Nur wer frei von Luxus und Misere lebt, kann seinen eigenen Kopf betätigen.

Auch die Mitte denkt nur mit ihrem eigenen Kopf, wenn sie weder vom Zwang beherrscht wird, zur Schicht der Reichen „aufzusteigen“, noch von der Angst, zu den Armen abzusteigen.

Selbstdenken kann man nur in Gesellschaften, die das Problem der Wirtschaft gelöst haben. Das Problem der Wirtschaft ist gelöst, wenn es ihr gelungen ist, die Menschen ihrer Gesellschaft so zu sättigen und zu befriedigen, dass wirtschaftliche Sorgen nicht mehr im Mittelpunkt ihres Daseins stehen. Wer selbst denken will, braucht einen freien Kopf. Der Kopf ist frei, wenn die Sinne befriedet sind und die Gedanken nicht mehr der Alltagsfron unterliegen.

Eine aufgeklärt Gesellschaft erkennt man daran, dass das Problem der Wirtschaft im Prinzip gelöst ist. Wenn Gesellschaften von einer Wirtschaft dominiert werden, die zum Selbstläufer geworden sind, sind sie unfrei. Das Gleiche gilt für Gesellschaften, die von Krieg, Unterdrückung der Menschen und Zerstörung der Natur beherrscht werden. Denken können nur befriedete Menschen.

Individualismus steht im Gegensatz zum Kollektivismus? Sind Staat und Gesellschaft Kollektivismen? Interessant, dass im Wiki-Artikel die Wörter Demokratie und Freiheit nicht vorkommen. Neoliberale Gewinnfreiheit ist die Freiheit, auf Kosten der Gesellschaft reich zu werden. Sie zwingt die Gesellschaft – die zum Kollektiv degradiert und als Herrschaft des Volkes verhöhnt wird – in ihre Dienste. Ihre Freiheit, die Freiheit weniger, beruht auf der Unfreiheit der Vielen.

Wenn ein Muskelpaket unbegrenzte Freiheit in einer Kindergruppe erringt, wird seine Freiheit des Starken zur Despotie seiner Muskeln. Die Freiheit eines Jeden ist am größten, wenn die Freiheit jedes Einzelnen am größten ist. Meine Freiheit hängt von deiner Freiheit ab. Beruht meine Freiheit auf der Unfreiheit der andern, verwandelt sie sich in Unterdrückung der andern. Bin ich gezwungen, andere zu knechten, werde ich selbst zum Knecht. Der Despot ist der unfreieste Mensch im Revier seiner Gewaltherrschaft.

Ein Individuum ist ein unvergleichlicher Mensch. Jeder Mensch ist ein Individuum. Je größer die Freiheit der Gesellschaft, je mehr kann er seine Unvergleichlichkeit entfalten. Je weniger ist er gezwungen, das Repertoire seiner Menschlichkeit einzuschränken oder zu unterdrücken. Solange er die Entfaltung der anderen nicht behindert, sind der Entfaltung seiner eigenen Menschlichkeit keine Grenzen gesetzt.

Das ist die einzige Grenzenlosigkeit, die eine Demokratie duldet und fördert: die grenzenlose Menschlichkeit jedes Einzelnen. „Der Mensch ist ein Wesen, dessen Anlagen sich vollkommen nur in der Gattung, im Prozess der geschichtlichen Entwicklung, entfalten können. Er ist zum Leben in der Gesellschaft bestimmt, in der er zur Kultur gelangt. Die Ethik fordert, den Menschen nie bloß als Mittel, immer auch als Zweck zu behandeln. Die reine Menschheit in allem ist „heilig“, sie verleiht dem Menschen „Würde.“ (Kant)

In einer von Reichtum und Armut geprägten Gesellschaft ist die Menschheit „unheil“. Weder Arme noch Reiche haben eine Würde. Reiche sind würdelos raffgierig. Arme werden unbegrenzt ihrer Würde beraubt und der Verächtlichkeit übergeben. Hartz4-Empfänger sollen noch mehr drangsaliert und ihrer bürgerlichen Rechte beraubt werden. Die Kranken unter ihnen sollen noch mehr beschnüffelt und kontrolliert werden als bisher: „Jagd auf kranke Hartz-IV-Empfänger“ (BILD)

Die Opfer der Gesellschaft werden exponentiell immer mehr geopfert. Sie besitzen schon lang keine Würde mehr. Für die Reichen sind sie endgültig zu Objekten der Verachtung und gnädig-herablassender Nächstenliebe geworden. Die Reichen und Erfolgreichen werden immer mehr zu leuchtenden Vorbildern der Menschheitsliebe. Die Armen zu Ekelobjekten, mit denen man in keinem Fall in Berührung kommen will.

Interessant, dass in beiden Werken von Adam Smith der Begriff Individualismus nicht vorkommt. Der clevere deutsche Herausgeber von „Der Wohlstand der Nationen“ hat seine eigene Definition ins Register geschmuggelt. Individualismus wird mit Egoismus gleichgesetzt. Zwar schreibt auch Smith von Eigenliebe, aber einer Eigenliebe, die „zugleich auch den öffentlichen Wohlstand der Gesellschaft anstrebt.“

Wer das Wohl der anderen mit seinem eigenen vereinen kann, ist kein fremdschädigender, sondern ein wohlverstandener Egoist. Er ist auch kein heuchlerisch uneigennütziger Altruist, wie die Kirche ihn jahrhundertelang praktizierte. Smith hasste die Heuchelei des Klerus, der Nächstenliebe predigte, aber mit dem „Nächsten“ immer nur sich selbst meinte. Liebet euren Klerus, vermacht ihm eure Äcker, Grundstücke, Schlösser und Wälder.

Altruismus war christlich erzwungene Selbstschädigung zugunsten des brutalen Egoismus der Kirchen, die – bis heute – zu den reichsten Institutionen Europas gehören. Der klerikal erzwungene Altruismus ist im modernen Kapitalismus zur legal erzwungenen Eigenschädigung der Schwachen geworden. Die Reichen haben es geschafft, die Gesetze der Wirtschaft so zu prägen, dass jede Arbeit der Schwachen automatisch zum Reichtumszuwachs der Starken führt.

Wenn wir Kant folgen, kann es in einer wirtschaftsgeprägten Gesellschaft keine Würde des Menschen geben. Denn die Würde besteht darin, dass der Mensch nie nur als Mittel zum Zweck, sondern als Zweck an sich behandelt wird. Also als gleichberechtigter und gleichwürdiger Mitmensch. Im heutigen Kapitalismus ist jeder Andere nur Mittel zum Zweck eigener Bereicherung.

Die Würde des Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft schwindet wie Schnee an der Sonne. Das Leben der Unteren und Schwachen ähnelt bereits einem freien Strafvollzug (Götz Werner). Schon längst hätte Karlsruhe den Neoliberalismus wegen Grundgesetz-Unverträglichkeit des Landes verweisen müssen. Das Urteil von Karlsruhe, wonach die Vermögenssteuer nur hälftig eingezogen werden darf, ist ein grausamer Scherz.

Wiki: „Die Vermögensteuer darf deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung … in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt.“ Die Begründung lautet, das Vermögen muss für steuerliche „Gemeinlast“ (!!) zugänglich sein, doch andererseits „muss dem Berechtigten ein privater Ertragsnutzen verbleiben.“

Nehmen wir an – was schon längst Wirklichkeit geworden ist – dass 1 % der Gesellschaft 99% des Gesamtvermögens gehortet haben, dann wäre der Reichtum der winzigen Elite noch immer wesentlich mehr als die Summe aller Besitztümer des Rests der Gesellschaft – auch wenn der Staat ihnen 50% ihres Megavermögens abknöpfte.

Das Urteil hat sich willkürlich an der Quantität der Reichtümer orientiert, nicht an dem Satz, dass Eigentum der Demokratie verpflichtet sei. Wie können frei flottierende riesige Vermögen der Demokratie verpflichtet sein, wenn sie dazu beitragen, dieselbe unkorrigierbar zu demolieren?

Dass es noch immer legal ist, Vermögen außer Landes zu bringen und mit allerhand Tricks die Steuerlast auf Null zu reduzieren, wurde von Karlsruhe nicht moniert. Das oberste Gericht ist dabei, das Recht zum Schachervorgang und Demokratie zur Beute von Raffgierigen zu verhökern. Warum Steuern eine Last sein sollen für diejenigen, die am meisten besitzen, kann nur psychologisch erklärt werden.

Der süddeutsche Milliardär Würth darf ungeniert in der Öffentlichkeit die Steuerquote nennen, die zu bezahlen er gewillt wäre: ein Prozent. Was mehr ist, ist von Übel und muss durch Republikflucht geahndet werden. Kein Kommentar nirgendwo. Ein Reicher erdreistet sich, an der Demokratie vorbei bestimmen zu wollen, wie man Auserwählte zu besteuern hat.

In den Etagen der Wirtschaftsführer herrscht grenzenlose Verachtung der Demokratie, die man als Staat denunziert, der sich aus den Angelegenheiten der Alleshabenwollenden gefälligst raushalten soll.

Nicht nur in Portugal, auch bei uns gibt’s einen Paragrafen des Widerstands:

„Das in Art. 20 Abs. 4 GG gewährte Recht zum Widerstand ist Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und gilt als grundrechtsgleiches Recht Dieses Recht – 1968 im Zuge der Notstands-Gesetzgebung eingefügt – lautet in seinem Verfassungstext: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Voraussetzung ist, dass ein staatliches Organ oder auch ein Privater es unternimmt, die in Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG verankerte verfassungsrechtliche Ordnung zu beseitigen, soweit diese Ordnung gemäß Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlich ist.“

Die genannte Voraussetzung zum Recht des Widerstands ist längst eingetreten. Die eigenmächtige Ökonomie hat den Konsens einer demokratischen Grundordnung ausgehebelt und scheut sich nicht, in aller Öffentlichkeit den Staat weiterhin unterminieren und ramponieren zu wollen. Das ist eine fundamentalistische Attacke gegen das Grundgesetz, dessen Prinzipien unantastbar sein sollten.

Hinter den Dauerattacken gegen den „Staat“ verbergen sich Putschkräfte gegen die Demokratie. Die 1% Elite will sich von 99% Pöbel nichts mehr vorschreiben lassen. Der Pöbel soll sich um die Straßenverkehrsordnung und die Müllabfuhr kümmern. Wenn‘s um die Tresore geht, soll er seine ungewaschenen Pfoten weglassen.

Im Zusammenhang mit der Wiederkehr der Religion wird der Staat immer mehr zur Horde minderwertiger Kreaturen – civitas diaboli –, während die Ökonomie sich immer mehr zur civitas dei aufschwingt. Hand in Hand mit schlichten Päpsten, die mit Füßewaschen die Armut besiegen wollen.

Wie weit die Ablehnung der Demokratie schon gediehen ist, zeigt ein SPIEGEL-Artikel über eine illustre Ökonomen-Konferenz in Hongkong mit vielen Wirtschafts-Nobelpreisträgern. Daniel Bell, kanadischer Philosoph, erklärte dort: „Ich glaube nicht länger daran, dass Demokratie in der Form ‚Eine Person – eine Stimme‘ der beste Weg ist, um ein politisches System zu organisieren.“

Bell, inspiriert von konfuzianischen Lehren, plädiert für eine Auslese der politischen Führungselite nach intellektuellen Fähigkeiten und moralischen Standards. Ein System, das er in der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) zwar nicht perfekt, aber doch in Ansätzen verwirklicht sieht. Die Begriffe Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit erwähnt Bell kein einziges Mal.“

Über seinen Sinneswandel erklärt der Kanadier: „Vor 20 Jahren hätte ich mich ziemlich aufgeregt, jemanden wie mich reden zu hören.“ Von Wahlen hält Bell nichts mehr – außer auf lokal unbedeutender Ebene.

Bells Vorschläge sind identisch mit denen von Platon, der – nach Popper – den europäischen Urfaschismus erfunden hat. „Klingt nach Provokation und provoziert hier niemanden“. (Christian Rickens im SPIEGEL)

Das Grundgesetz ist in Gefahr. Die Pflicht jedes Demokraten ist es, den Machenschaften eines kapitalistisch unterwanderten Staates mit List und Hartnäckigkeit zu widerstehen.

Wenn der europäische Staatenbund zerfällt, wird die deutsche Demokratie zum Gebeinhaus.