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Tagesmail

Freitag, 25. Januar 2013 – Autarkie und Autonomie

 

Wir ziehen heute um nach Berlin.

 

Hello, Freunde der Qualifikation,

Christ sein ist auch eine Qualifikation, sagt der Stellvertreter des Kölner Erzbischofs. Ungläubigen Medizinern fehle der rechte Ton, um Kranken mitzuteilen, dass sie bald vor ihrem höchsten Richter stehen werden.

Bei der Berechnung der Lebensleistungsrente soll demnächst die Christsein-Qualifikation mit berechnet werden. Wer glaubet und getauft ist, soll selig werden und eine deutlich höhere Rente erhalten, als wer sich heidnischem Lotterleben verschreibt. Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Wer sich nicht christlich qualifizieren will, der soll auch nicht trinken.

Was ist Fortschritt? Wenn menschliche Rivalitätsprobleme auf Kosten der Natur ausgetragen werden. Sagte vor 100 Jahren der Soziologe Georg Simmel. Wenn Mittel knapp sind, muss die „Menschheitstragödie der Konkurrenz“ dadurch gemildert werden, dass die Konflikte auf die Natur umgelenkt werden. Wenn Natur in Wohlstand verwandelt wird, werden die Rivalitäten zwischen Menschen verringert. „Dabei entstehen Frieden stiftende Abhängigkeiten. Wer mit gemeinsamer Plünderung beschäftigt ist und Austauschbeziehungen zum beiderseitigen Nutzen unterhält, kommt nicht dazu, Kriege gegeneinander zu führen.“

Simmel schien diesen Fortschritt zu begrüßen. Da muss er geträumt haben. Wenn

Naturausbeutung Frieden stiftete, müsste die Menschheit sich schon lange in den Armen liegen. Gegenseitige Abhängigkeiten sind noch lange keine Friedensmaßnahmen. Der Krieg gegen die Natur ist nicht identisch mit Frieden unter den Menschen. Je weiter der Krieg eskaliert, je mehr werden die Menschen um die letzten Natur-Ressourcen Kriege führen.

Warum erwähnt Georg Simmel nicht die Religion des Abendlandes, die den Vernichtungskrieg gegen die Natur zum heiligen Gebot erklärt? In der säkularen Moderne ist Religion zum größten Tabu geworden. Die schreckliche Illusion besteht darin, dass die Menschheit sich erst recht in Erwählte und Verworfene spalten wird – je mehr sie die Natur stranguliert. Kein Frieden mit der Natur, kein Frieden unter den Menschen.

Unerfindlich, warum der überaus verdienstvolle Nico Paech diese Zusammenhänge nicht erwähnt. Er will – schreckliches Wort – eine Postwachstumsökonomie. Die Industrie soll halbiert, die Menschen zu robusten Selbstversorgern werden.

(Nico Paech in der TAZ)

Die jetzige Lebensform ist unrettbar. Wir müssen sesshafter und genügsamer werden. Nur mit karger Industrie und autarken Lebensweisen hat die Menschheit eine Zukunft.

Der Begriff Autarkie wird von den Wachtsumsgegnern gemieden, weil er von den Nationalsozialisten geschändet worden sei. Das ist ein Trugschluss. Die Nazis wollten von feindlichen Nachbarn unabhängig sein. Die Ausbeutung der Natur setzten sie verstärkt und ohne Rücksicht auf Verluste fort. Die angebliche Naturanbetung der Schergen war das letzte Überbleibsel ihrer romantischen Wandervogelbewegung, die – wie auch bei den Romantikern – schwärmerisch war und der Realität nicht standhielt.

Zur Natur gehören bekanntlich Menschen. Wer Menschen tötet wie giftige Chemikalien das Unkraut ausreuten, kann weder als Natur- noch als Menschenfreund gelten. Nur Autarkie und Autonomie können uns retten.