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Tanz des Aufruhrs XVI

Tanz des Aufruhrs XVI,

der gefährlichste Antisemitismus ist der versteckte. Der offene Antisemitismus ist bedrohlich, aber erkenntnismäßig kein Problem. Er muss unverzüglich der Polizei und dem Recht übergeben werden.

Brandgefährlichster Antisemitismus ist der, der sich hinter der Maske des Philosemitismus versteckt. Vermutlich ist er selbst überzeugt, ein Verteidiger des Judentums zu sein. Falsche Freunde sind die gefährlichsten Feinde, ihre Masken sind schwer zu durchschauen.

Falschen Freunden gelingt es, selbst jene Menschen in Judenhasser zu verwandeln, die bislang zu Juden gute Gefühle aufbrachten. Womit gelingt es ihnen? Der in Medien beliebte Vorwurf „Besserwisserei“ zeigt uns den Weg.

Juden gelten als Besserwisser, ja als Unfehlbare, die in allen Streitigkeiten das letzte Wort haben müssen. Besonders in der Frage: wer ist ein Antisemit?

Falsche Freunde der Juden, die sich als Philosemiten gebärden, stellen Juden als nie irren könnende „papistische“ Instanz da, die alle Vorwürfe gegen Jerusalem zurückwirft auf die Ankläger, die ihren tief liegenden Antisemitismus mit ihrer Kritik an Israel tarnen würden.

Die Menschenrechtsverletzungen Israels dürfe man sehr wohl kritisieren, aber nicht einseitig. In anderen Ländern würden dieselben Verbrechen kaum verurteilt werden, in Israel aber maßlos. Das sei ein sicheres Zeichen für larvierten Antisemitismus.

In Demokratien gilt das freie Wort, niemand muss um Erlaubnis gebeten werden, ob man seine Meinung äußern darf. Freunde kritisiert man stärker, weil man

größere Verantwortungsgefühle für sie aufbringt.

Die diagnostische Schwierigkeit beim Beurteilen des Antisemitismus liegt an dessen zwei Quellen:

a) die religiösen Wurzeln des Antisemitismus werden systematisch verdrängt, weil man Religion immer mehr in den Untergrund drängt – um ihre Herrschaft nicht zu gefährden. Wüssten die Deutschen mehr über „ihre“ Religion, würde deren geistliche Macht noch schneller schwinden, als sie es ohnehin tut.

b) seit Beginn der israelischen Unrechtspolitik wird der religiöse Antisemitismus ausgeweitet durch einen politisch motivierten. Dieser war anfänglich eine legitime politische Kritik, der im Verlauf der Ereignisse immer mehr dem religiösen Antisemitismus aufgepfropft wurde.

Unrecht in Despotien erregt nur wenige Gemüter, denn von Tyranneien könne man nichts anderes erwarten. Unrecht in Demokratien hingegen darf man nicht kritisieren: man muss es. Denn jede Demokratie ist durch alltäglich werdendes Unrecht in ihrem Bestand gefährdet.

Wenn heutige Demokratien gefährdet sind, dann deshalb, weil Unrecht im Kleinen und Großen sich immer mehr auftürmt. Wer seine Demokratie erhalten will, muss ihr aufgetürmtes Unrecht benennen und abtragen. Unrecht ist wie Abfall. Wer ihn nicht entsorgt, riskiert eine vermüllte Welt, in der man nicht würdig leben kann.

Recht ist Moral, in abstrakten Begriffen niedergelegt. Demokratische Moral ist die Verständigung eines Volkes über das, was als Gut und Böse gelten soll. Gibt es keine klaren Kriterien für Gut und Böse, kann grassierendes Unrecht nicht mehr definiert werden.

In Deutschlands Eliten grassiert eine zunehmende Wut auf klare ethische Maßstäbe. Ethik ist ein vornehmes Wort für Moral, die das Leben des Pöbels reglementiert, die höheren Stände aber mit ihren Moralpredigten verschonen soll. In der empirischen Realität existieren viele moralisch-unmoralische Überlappungen, die oft schwer zu durchschauen sind. Gerade das erfordert klare Maßstäbe, mit denen die Empirie beurteilt werden muss.

Die Deutschen leugnen klare Maßstäbe, damit sie nicht noch mehr an den Pranger gestellt werden. Stehen sie doch, wegen ihrer Judenverbrechen, zu Recht unter ständiger Beobachtung. Weshalb sie alles Moralische verkomplizieren, damit niemand ihren moralischen Verfall messen kann. Wer nicht für klare Maßstäbe sorgt, öffnet die Tür dem akkumulierten Unrecht.

Woran erkennt man philosemitisch dekorierte Antisemiten? Daran, dass sie die Welt mit jenen Normen verurteilen, die im Falle Israels nicht angewendet werden dürfen. Das gespaltene Bewusstsein der Deutschen scheint unveränderbar, es wird nicht mal zur Kenntnis genommen. Für Philosemiten sind Juden – oder Israelis – a priori moralisch perfekt. Jede Kritik an ihnen verurteilen sie als Antisemitismus, während sie Kritiker der Juden als verkappte Antisemiten moralisch versenken.

Wird ihre Heuchelei kritisiert, antworten sie mit dem Vorwurf, ihre Angreifer seien besserwisserische Moralisten, die vor der eigenen Türe kehren sollten. Ihre wütende Verteidigung entlarvt ihre verborgene antisemitische Charakterstruktur: Besserwisserei ist ein Klischee deutscher Judenaversion.

In seiner Rede in Yad Vashem sagte Bundespräsident Steinmeier:

„Weil ich dankbar bin für das Wunder der Versöhnung, stehe ich vor Ihnen und wünschte, sagen zu können: Unser Erinnern hat uns gegen das Böse immun gemacht. Die bösen Geister zeigen sich heute in neuem Gewand. Mehr noch: Sie präsentieren ihr antisemitisches, ihr völkisches, ihr autoritäres Denken als Antwort für die Zukunft, als neue Lösung für die Probleme unserer Zeit. Ich wünschte, sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt.
Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten“. (TAGESSPIEGEL.de)

Ohne Begriffe für Gut und Böse ist Antisemitismus nicht erfassbar. Hass und Hetze sind amoralische Taten. Antisemitismus ist Antihumanismus. Das sicherste Merkmal, einen Judenhasser zu entlarven ist, ihn der Menschenfeindschaft zu überführen. Ein Antisemit kann nie ein Freund der Menschlichkeit sein, weshalb Überlebende den amerikanischen Präsidenten zu Recht als Antisemiten bezeichnen – obgleich er sich als großer Freund Israels aufspielt:

„Terna hält Donald Trump für einen Antisemiten.“Es gibt keinen Zweifel, dass seine Stellungnahmen mit der Naziideologie übereinstimmen. Er mag gewisse Schlagworte nicht benutzen. Aber die Haltung ist dieselbe: Er hat die Weisheit. Er hat das Wissen. Und alle anderen sind minderwertige Leute.“

„Wenn ich sehe, wie sie die Lager an der Grenze zu Mexiko rechtfertigen und wie sie die Menschen dort behandeln, bricht es mir das Herz. Wenn ich sehe, wie Kinder ihrer Familie entrissen werden, sehe ich meine Schwester, wie sie meiner Mutter entrissen wurde.“ (SPIEGEL.de)

Es gibt nicht nur antisemitische Persönlichkeiten, sondern auch antisemitische Ideologien, die heute als Dogmen der Moderne gelten:

Wer modern sein will, muss stets nach vorne und darf nie nach hinten schauen. Erinnerungen an das Gestern gelten als Bremsen des Fortschritts. Steinmeier hingegen betont das Erinnern des Bösen. Wer sich des Vergangenen nicht erinnert, kann seine Wiederholung nicht verhindern.

Wer Wahrheit verleugnet, kann die Schreckenstaten der Vergangenheit nicht als wahr anerkennen. Wer den Holocaust für Lüge hält, darf sich mit großer Geste auf die Postmoderne berufen, die keine objektive Wahrheit anerkennt: wahr oder gelogen, alles nur Sache subjektiver Perspektiven.

Wer diese Idole der Moderne nicht bekämpft, wie kann der Antisemitismus bekämpfen?

Der Kampf gegen Antisemitismus ist in eine Sackgasse geraten. In die Sackgasse des Erinnerungsverbots. Zwar wird an Gräueltaten, an Namen der Opfer erinnert, werden Daten und Zahlen memoriert: doch die langen Zeiten der Vergangenheit, in denen der Antisemitismus des Dritten Reiches sich über viele Etappen hinweg ins Bewusstsein der Deutschen mendelte, bleiben im Dunkeln.

Man muss das Werden des Antisemitismus verstanden haben, wenn man ihn selbst verstehen will. Bloßes Wissen von Daten und Zahlen ist weder Erklären noch Verstehen. Auch der Besuch eines KZs kann wohl zur Erschütterung führen, doch bloße Erschütterung bleibt ein erkenntnisloses Gefühl. Nur ein rational-emotionales Verstehen kann den Menschen verändern.

Wie konnte die Kritik an der israelischen Besatzungspolitik – einst von vielen Israelis geteilt – zum Überbau des archaisch-religiösen Antisemitismus werden?

Je mehr die Kritik als illegitim verworfen wurde, umso mehr wuchs der Verdacht, das Kritikverbot sei von jüdischen Strategen erfunden worden, um die politische Kritik an Israel zu delegitimieren. Im archaischen Antisemitismus galt der raffinierte, machtbewusste Jude als Inbegriff des Judentums, der vor nichts zurückschreckte, um tölpelhafte Germanen hinters Licht zu führen.

Je mehr der Staat Israel als moralisch unfehlbar immunisiert wurde, umso mehr trat ein, was vernünftige Regierungen hätten verhindern müssen: die zu Unrecht Kritisierten wurden immer misstrauischer. Nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen die deutsche Regierung, die man als devote Kopfnickerin empfand.

Viele Deutsche, ursprünglich Befürworter der Aktion Sühnezeichen und restloser Anerkennung deutscher Schuld, gerieten allmählich in misstrauische Ressentiments, die sich immer mehr in antisemitische Gefühle verwandelten. Gerade in der Mitte der Bevölkerung entstanden Biotope einer wiedererwachten Judenaversion. Uralte deutsche Wurzeln des Antisemitismus, nicht im Geringsten aufgearbeitet, meldeten sich zurück und vermischten sich mit neuen Antigefühlen gegen den „unbesiegbaren Juden“.

Der Vorwurf gegen Jerusalem, den Holocaust zu missbrauchen, um seine aktuelle Unrechtspolitik abzuschirmen, wurde von fanatischer werdenden Philosemiten immer eifriger abgeschmettert. Dabei waren es nicht selten Überlebende des Holocaust, die die Politik des jungen Staates Israel besonders scharf beurteilten.

Norman G. Finkelsteins Mutter, eine Überlebende des Holocaust, verurteilte die Politik Israels. Ihr Sohn wurde zu einem der radikalsten Kritiker der inhumanen Besatzungspolitik. In seinem Buch „Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern“ zitiert er den israelischen Wissenschaftler Uriel Tal:

„Die bitteren Klagen, der Antisemitismus erhebe auf der ganzen Welt wieder sein hässliches Haupt, sollen darüber hinwegtäuschen, dass nicht die Position des Judentums, sondern die Israels ins Wanken geraten ist.“

Nicht wenige Analytiker stellten sich die Frage: können Kinder Gottes ihr Selbstbewusstsein nicht anders behaupten, als die ungläubige Welt feindlich zu empfinden? Ja, die Feindschaft durch religiöse Ablehnung der Welt selbst zu provozieren? 

Wesentliche Fragen, die sich selbstkritische Juden stellen. Deren Stimmen aber wurden aus der deutschen Öffentlichkeit immer mehr verbannt. Uri Avnery, einer der aufrechtesten Streiter für ein humanes Israel, konnte zu Zeiten Rudolf Augsteins (beide hatten dieselbe Schule besucht) noch seine Kritik an der israelischen Regierung im SPIEGEL veröffentlichen. Von Jahr zu Jahr wurde der mediale Hahn für Kritiker weiter zugedreht.

BILD wurde zur bedingungslosen Propagandastimme Jerusalems: wer den kleinsten Muckser wagte gegen die Unterdrückung der Palästinenser, wurde gnadenlos als Antisemit diffamiert.

Mit der herablassenden Geste, kritisieren dürfe man, aber bitte so, dass niemand die Kritik bemerke, wurde Kritik an Jerusalem aus der Öffentlichkeit verbannt. Höhepunkt dieser unheilvollen Entwicklung war der heilige Schwur Merkels in der Knesseth zur bedingungslosen Loyalität mit Israel. Da niemand die Bedingungslosigkeit definierte, definierte sie sich selbst als blinde, unterwürfige Gefolgschaft. Kritik am jüdischen Staat war seitdem verboten, auch dann, wenn er Böses tat. Demokratische Loyalität ist strikt gebunden an die Einhaltung der Menschenrechte. Loyalität ist keine Kritiklosigkeit.

Wie sehen das die Opfer des Holocaust, die noch heute leben?

„Wenn ich nach Deutschland blicke, bin ich alles in allem optimistisch. Die größte Gefahr ist, dass viele Menschen nicht zwischen der Politik des Staates Israel und denjenigen unterscheiden, die jüdischen Glaubens sind. Ich kenne nicht viele Juden, die mit der Politik Israels einverstanden sind. Aber es ist einfach, uns alle über einen Kamm zu scheren.“

Warum wird diese israelkritische Sicht in Deutschland verheimlicht? Einerseits ehrt man die Überlebenden, andererseits nimmt man sie nicht ernst. Wie müssen die Überlebenden darunter leiden, dass sie im jungen Staat Israel neue Lebenschancen erhielten, die sich aber im Verlauf der Jahre rapide verdüsterten? Nicht nur ihr eigener Staat trieb ins Antihumane, auch Amerika, ihr treuester Verbündeter, wird von einem Präsidenten regiert, der sich immer mehr als Anhänger einer menschenrechtsfeindlichen Politik entpuppt.

Jehuda Bauer, renommierter Historiker, wird von der BLZ gefragt:
„Wird das Holocaust-Gedenken politisch benutzt?“

Und er antwortet:
„Schauen Sie, politisch benutzt werden solche Sachen immer. Das kann man nicht verhindern.“ (Berliner-Zeitung.de)

Weil eine ARD-Korrespondentin es wagte, die politische Instrumentalisierung der Yad Vashem-Feier zu kritisieren, wird sie von BILD demoliert.

Die Korrespondentin hatte erklärt: „Es sei „unwürdig“, kritisiert sie, wie Israel und Russland den Gedenktag „teilweise kaperten“. Vor dem offiziellen Gedenkakt hätten sie eine „politische und erinnerungspolitische Privatparty“ gefeiert.“

BILDs wutschäumende Antwort:
Wie arrogant, wie abstoßend. Und vor allem: Was für eine Anmaßung.“ (BILD.de)

Poschardt übertrifft noch den BILD-Kommentar mit der absurden These, die ARD habe mit ihrer Kritik am Rahmen der Feier den Holocaust relativiert:

„Die Relativierung heißt nicht nur, den Holocaust in seinem Zivilisationsbruch infrage zu stellen. Nein, es kann auch damit anfangen, dass wir Deutschen keine Lust mehr haben, an Tagen, an denen die ganze Welt, aber ganz besonders Israel der Befreiung des Vernichtungslagers, einer Mordanstalt betrieben von Deutschen, mit Demut und Zurückhaltung reagieren.“ (WELT.de)

Selbst die israelische Zeitung HAARETZ übt scharfe Kritik an der Gedächtnisfeier: 

„«Israel verkauft die Erinnerung an den Holocaust an die Interessen fremder Nationen», schreibt die Zeitung „Haaretz“. Im Fokus der Kritik: Putin. Der konstruiere unwidersprochen seine eigene Wahrheit. „Es ist wahr, dass die Sowjetunion Auschwitz vor 75 Jahren befreit hat. Aber die Sowjetunion hat auch einen Pakt mit Nazi-Deutschland unterzeichnet, der den Weg zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieg sechs Jahre zuvor ebnete – eines Krieges, in dem ein Resultat Auschwitz war“, kommentiert „Haaretz“.“ (TAGESSPIEGEL.de)

Deutschland hat seine historische Schuld zu bekennen und aufzuarbeiten, nicht das Denken einzustellen. Wenn Demut Kritiklosigkeit bedeutet, müssten die Deutschen sich fragen, warum sie eine demütige Kanzlerin anbeten. Zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit gehört das Aufarbeiten der heutigen Beziehungen zu Israel. Hier hilft kein unterwürfiges Kopfnicken, sondern gleichberechtigte kritische Solidarität.

Geht es um eine politische Feier, die nicht kritisch gesehen werden darf, weil sie zur heiligen Feier verklärt wurde? Das Heilige ist kritikimmun geworden? Wenn Politik zur Götteranbetung wird, haben wir die Demokratie endgültig aufgegeben.

Wer sich erdreistet, das Himmlische anzugreifen, muss offenbar mit dem Schlimmsten rechnen.

Durch Zitieren eines Psalmwortes trug Steinmeier dazu bei, Politisches mit Heiligem zu verwechseln. USA, Israel, Deutschland: die westlichen Demokratien werden von Jahr zu Jahr theokratischer. Irdische Vernunft wird zunehmend in die babylonische Gefangenschaft des Tremendum und Fascinosum getrieben.

„Gepriesen sei der Herr, […] dass er mich heute hier sein lässt.“

Böckenförde lebt. Demokratie existiert nicht aus eigenen Werten, sie muss in die weit geöffneten Arme der Religion getrieben werden.

Wer glaubt, Demokratie religiös untermauern zu müssen, der macht sie zur Makulatur.

Was fehlt? Wolffsohns Kritik an Steinmeiers Rede:

„Der Bundespräsident habe „zu viele große Worte“ gewählt, sagte Wolffsohn der „Passauer Neuen Presse“. „Es sind zudem die immergleichen Worte, also deren Inflationierung. Damit werden sie wertlos. Kein Wunder, dass kaum noch jemand zuhört.“ Rund ein Viertel der Deutschen hat Migrationshintergrund. Viele sind Muslime. Die bisherige Gedenkkultur Deutschlands richtet sich nur an die Nachfahren der Deutschen, die das NS-Regime miterlebt, getragen und ertragen haben. Als ob etwa die muslimische Welt beim Judenmorden und im Zweiten Weltkrieg nicht mit den Hitler-Banden zusammengearbeitet hätte.“ (WELT.de)

Was die deutsche Situation betrifft, hat der Historiker recht. Sinnvolle Rituale wiederholen sich. Doch wenn es nur noch Rituale gibt, keine erkenntnisfördernden Dialoge und historischen Analysen, darf man sich nicht wundern, dass normierte Wiederholungen niemanden berühren.

Doch Wolffsohn will mehr als eine Kritik des Immergleichen. Er will die deutschen Muslime einbeziehen in den Kreis deutscher Antisemiten. Ja, nicht nur das, sondern in den Umkreis deutscher Holocausttäter.

Der Historiker vergisst die Kleinigkeit, dass Muslime in vielen Jahrhunderten die einzige Zuflucht abendländischer Juden waren, die vor den Pogromen der Christen flüchten mussten. Juden in muslimischen Staaten waren zwar nicht gleichberechtigt, lebten aber dort in Sicherheit.

Dass es in den 30er Jahren zu militanten Aggressionen gegen jüdische Eindringlinge kam, hing mit der zunehmend illegalen Landnahme der ungebetenen Einwanderer zusammen. Muslimischer Judenhass war die Antwort auf jüdische Besetzung des arabischen Landes.

Aus diesem Grund Muslime zu nationalsozialistischen Völkerverbrechern zu erklären, ist bodenlos. Auch unter heutigen Muslimen gibt es Judenhass. Er hat dieselben Wurzeln wie in den 30ern. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass die Repression der Palästinenser immer weitere Ausmaße annimmt. Das Elend der Unterdrückten scheint aussichtslos.

Sollte Wolffsohn daran erinnern wollen, dass nicht nur Deutsche Antisemiten waren, sondern auch andere europäische Nationen, ja selbst die USA, dann hätte er nicht Unrecht.

Gleichwohl sind die apokalyptischen Verbrechen der Deutschen niemandem sonst anzulasten. Könnte es sein, dass Wolffsohn die kriegerischen Spannungen in Nahost auf deutschen Boden ausweiten will, damit der Gang der Heilsgeschichte endlich vorankommt?

Das sei fern von ihm. Wolffsohn ist überzeugt, dass Deutschlands hasenfüßige Militärkünste für das Land bedrohlich werden könnten. Im Falle der Not aber – wenn Raketen aus dem Iran oder Nordkorea drohten – wären die Deutschen froh, von einem digital überlegenen, atomar bewaffneten Staat beschützt zu werden: von Israel.

 

Fortsetzung folgt.