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Von vorne XCVI

Von vorne XCVI,

Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!

Greta, zurück ins Ställchen, du siehst aus wie eine „egoistische Fratze des Bösen“.  

„Kann Greta also zurück in die Schule, in die Normalität? Sie sollte. Es ist an den Kindern, endlich wieder kindlich sein zu dürfen.“ (SPIEGEL.de)

Zeit, wieder auf den Boden zu kommen. Die Plagen haben genug genervt. Gelegentlich war‘s amüsant, ihnen zuzugucken, wie sie als heilige Kinder, Wissende und Propheten posierten. Jetzt reicht‘s.

Da kommt Pisa gerade recht, um die Rabauken zu disziplinieren und zurechtzuweisen. Ihr Kinderkreuzzug diente doch nur dem Verschleiern ihres Schlendrians und ihrer schulischen Defekte. Zurück ins Joch, lernt erst mal lesen und rechnen.

Und ihr wollt eines Tages die Weltwirtschaft übernehmen und den Fortschritt ins All organisieren? Ihr blamiert eure eigenen Nationen. Wer soll den Chinesen Paroli bieten, wenn sie euch schon im Kindergarten in den Schatten stellen?

Die Welt schien aus den Fugen geraten, das Gesetz der Generationen auf den Kopf gestellt. Nachkommen belehrten ihre Eltern, Unmündige zensierten ihre Autoritäten: wenn ihr so weitermacht, ihr Erwachsenen, verfehlt ihr nicht nur euer Klassenziel – ihr bringt die ganze Welt zum Einsturz.

Das Ganze ähnelte dem Einbruch jener religiösen Erweckungszeit, als ein Zwölfjähriger die Weisen im Tempel zu belehren wagte:

„Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. Und als sie ihn

sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: Mein Kind, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.“

Was sind das für perverse Zeiten, in denen Kinder nicht mehr kindisch, Erwachsene nicht mehr töricht sein dürfen? Zurück in den normalen Irrsinn, lange genug haben wir die Luft angehalten.

Rechtzeitig zum Madrider Gipfel sorgen die Erfolgreichen dafür, dass auch diese Konferenz in den Sand gesetzt wird. Bewährtes kann nicht ungestraft unterbrochen werden. Wie lange schon währt die Halluzination der abendländischen Fahrt ins All? Die traumatische Reise ins Grenzenlose? Das Gruselstück einer Selbstvergottung des Menschen zu Lasten der Natur? Die Himmelfahrt einer Gattung, die glaubt, etwas Besseres verdient zu haben als ein irdisches Leben in Not, Angst und Schrecken?

Wie müssen die Alten die Jungen fürchten, dass sie nichts unterlassen, um sie wieder an ihre goldenen Ketten zu legen. Mit Einschüchterungen und Drohungen. Wer sein Leben mit Pauken und Drillen verbringen muss, um nicht ins Bodenlose zu fallen, der hat keine Zeit mehr zum Welterlösen.

Könnten die jungen Wilden doch das Regiment der alten Erdenverderber aus Überheblichkeit in die Luft sprengen. Die Heranwachsenden haben entdeckt, dass ihre Kaiser keine Kleider tragen. Einen Augenblick lang durften sie lärmen über die nackte Hässlichkeit ihrer Erzeuger. Doch jetzt muss Schluss sein mit dem Klamauk.

Die Überraschungsphase ist vorbei, die Überrumpelten haben sich wieder gefasst. Ab jetzt wird aus allen Kanonen geschossen. Ab jetzt müssen die Jungen sich warm anziehen, die Alten meinen es ernst.

„Greta kriegt eisigen Gegenwind“, eröffnet BILD die Klimaänderung. Und belegt den Sturm mit Äußerungen von genau zwei veritablen Repräsentanten der Gesellschaft. Der eine ist Chef eines Chemiekonzerns, der seinem Ärger freie Fahrt lässt:

„“Wir haben Klimahysterie. Wir führen eine in weiten Teilen unsachliche, moralisierende Debatte. Es gibt Strömungen, die alle Entscheidungen einem einzigen Thema unterordnen wollen. Doch ein moralisches Bewusstsein darf nie dazu führen, dass man sich über Recht, Gesetz oder Vernunft stellt.“ Der Vater zweier Töchter nennt den Pauschal-Vorwurf, er habe Gretas Generation die Zukunft geraubt, „Hysterie und Polemik“, schlicht „unverfroren“.  (BILD.de)

Wenn deutsche Wertarbeit in ebenso verlottertem Zustand daherkommt, wie sie die Begriffe verhunzen, dann war der Autoskandal kein Versehen. Verletzte Greta das Recht, indem sie gegen die Klimagefahr demonstrierte? Verstieß sie gegen das Gesetz, indem sie nach Amerika segelte und kein Flugzeug bestieg? Verstieß sie gegen Vernunft, dass sie sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse berief, die mittlerweilen von niemandem mehr in Frage gestellt werden?

Moral ist tätiger Respekt vor Recht, Gesetz oder Vernunft. Ziviler Ungehorsam ist kein feindlicher Akt gegen die Demokratie, sondern – in Grenzsituationen – der Appell an die universelle Vernunft, weil nationales Recht der Grenzsituation nicht mehr gerecht wird. Nationales Recht ist nie unfehlbar und muss im Licht der Vernunft ständig nachjustiert werden können.

Wenn Ahimsa, Gandhis friedlicher ziviler Ungehorsam, zu Recht gerühmt wird, kann dasselbe Prinzip zur Rettung der Menschheit nicht falsch sein.

Neben dem Industriellen ein Wissenschaftler, der möglicherweise sein Fach beherrscht, aber keinen einzigen logischen Satz zustande bringt.

„“Alles Schlechte ist plötzlich Klimawandel, alles wird zusammen gemantscht. Dass es den von Menschen gemachten Klimawandel gibt, da sind wir uns alle einig. Panik und Denkverbote aber sind miserable Ratgeber bei diesem Thema“, sagt der Forscher. Seine nüchterne Analyse: Insgesamt müssten „38 Gigatonnen CO2 weg von der Erde. Die Deutschen schaffen ungefähr zwei Gigatonnen, Europa vielleicht sechs.“ Bleibe die Frage: „Wie kriegen wir die restlichen dreißig Tonnen weg?““

Warum sollen Deutsche vorbildlich sein, wenn Hauptsünder der Welt zu wenig tun? Wenn andere die Welt verwüsten, warum sollen wir sie nicht auch verwüsten – und nach uns die Sintflut? Wenn andere Böses tun, warum sollten wir uns mit Gutem plagen?

Hätte der Wissenschaftler im Dritten Reich gelebt und Georg Elser gekannt, hätte er ihm dann geraten: warum riskierst du dein Leben, du Trottel, wenn ein ganzes Volk unisono einem Scharlatan hinterherläuft?

Hier erkennt man ein Hauptproblem der modernen Denk- und Arbeitsteilung: partieller Scharfsinn schützt nicht vor allgemeiner Gehirnschrumpfung. Die FFF beziehen sich akkurat auf wissenschaftliche Ergebnisse der Zunft des Adligen. Wäre der Wissenschaftler anderer Meinung, müsste er sich mit seiner Zunft anlegen und seinen „Küstencharme“ nicht an Unschuldigen ablassen.

Susanne Beyer ist möglicherweise eine kongeniale Versteherin des Mannes Beethoven, bei jungen Mädchen scheint sie Probleme zu haben:

„Greta Thunberg wird eine Ikone des Klimaprotests, eben weil sie ein Kind ist: Ein Kind signalisiert aus sich heraus, dass die Erwachsenen verantwortlich sind und sich schuldig machen, wenn sie die Verantwortung nicht tragen. Ein Kind steht für die Zukunft, und wenn diese Zukunft gefährdet ist, tragen wiederum die Erwachsenen daran die Schuld.“

Ein Kind signalisiert aus sich heraus, bedeutet: Man muss Kindern nicht von außen einbläuen, dass sie Erwachsene beschuldigen sollen. Sie tun es, weil sie von Natur aus Ressentiments gegen jene hegen? Auf keinen Fall aber, weil Erwachsene sich objektiv etwas zuschulden kommen lassen?

Greta wurde nicht zur Ikone des Klimaprotests, weil sie Kind ist. Das Motiv des heiligen Kindes spielt nur eine verschärfende Rolle in der Medienpropaganda, die sich diesen Leckerbissen nicht entgehen lässt. Greta wird zur Ikone, weil sie hieb- und stichfeste Gründe vorbringt. Vor allem, weil sie unendlich vielen Jugendlichen aus dem Herzen spricht. Sie fand das rechte Wörtchen mit Explosivcharakter, das sich wie ein Lauffeuer in der Welt verbreitete. Sie fand den Mut, die Wunde der Welt zu benennen, die bislang aus Unfähigkeit und Feigheit totgeschwiegen wurde.

„Das Mädchen, von dem es heißt, es sei kaum zur Schule gegangen, weil es dort gemobbt worden sei, will dahin zurück? Hat Greta, bei ihren unzähligen Begegnungen in diesem Jahr, gelernt, glücklich unter Menschen zu sein?“

Eine Weltikone wird man nur, weil man in seiner alltäglichen Umgebung unglücklich ist? Glückliche Kinder sind davor gefeit, die Welt als Bühne ihrer genialen Persönlichkeit zu missbrauchen??

Zum Glück für die Welt scheint Greta nicht besonders glücklich gewesen zu sein. Aber warum? Vermutlich deshalb, weil sie schon früh das Debakel der Erwachsenen ahnte und fühlte. Je mehr sie sich informierte, je mehr bestätigte sich ihr Verdacht. Nein, sie ist keine Prophetin höherer Offenbarung, ihre Anklage beruht auf harten Fakten und Prognosen.

War es denn je anders? Wer die Welt erblickte, wie sie ist, wurde der nicht zum Sonderling verurteilt? Er litt an der Welt – fühlte sich isoliert und einsam? So erging es selbst alttestamentlichen Propheten, die in inniger Kooperation mit ihrem Gott standen.

„Ein Star unter normalen Menschen zu sein aber dürfte schwierig sein. Ein Star ist groß. Es fehlt das menschliche Maß, die Mitte: das Amalgam aus Gut und Böse, Klein und Groß, Versuchen und Gewinnen, Versuchen und Scheitern.“

Ein Grundübel der Medien ist es, interessanten Menschen eine bestimmte Rolle zu verpassen – um sie für diese Rolle zu bestrafen. Hat Greta sich selbst zum Star erklärt? Konnte sie wirklich davon ausgehen, dass aus einem an der Welt und sich selbst leidenden Teenager einst ein Weltstar werden würde?

Ein Star übersteigt alles Menschliche und wird zum Übermenschen jenseits von Gut und Böse. Das ist die Definition Gottes. Beyer beschreibt Greta in Kategorien, für die Greta unschuldig ist. Die Medien haben sie ihr auf den Leib geschrieben. Jenseits von Gut und Böse gibt es nichts Böses, aber auch nichts Gutes. Die Mission der Alarmistin wäre demnach nicht gut?

Selbst wenn Greta die Eitelkeit in Person wäre – würde das die Wahrheit und Dringlichkeit ihrer Warnrolle einschränken? Ihre Aussagen über die Welt sind unabhängig von ihrem Charakter. Greta tut das Gegenteil jener publicity-süchtigen Zeitgenossen, die sich mit Nichtigkeiten ins Rampenlicht drängen. Sie stellt sich ganz und gar in den Dienst einer notwendigen Sache.

Beyer beschäftigt sich nicht mit der Sache Gretas. Sie scheint die Wissenschaft für ein raffiniertes Mittel zu halten, die Persönlichkeit Gretas in den Mittelpunkt zu rücken. Sollte jene so eingenommen sein von der Unfehlbarkeit ihrer Person, dass Versuchen und Scheitern für sie nicht mehr in Frage kommen? Alles überflüssige, an der Sache vorbeiführende Spekulationen. Jeder hat sich selbst eine Meinung zu bilden über Gretas Botschaft – unabhängig von ihren Einschätzungen der Privatperson Greta.

Erst am Ende des Artikels – es muss ja spannend bleiben – fallen die entscheidenden Urteile:

„Und die schieren Fakten des Klimawandels fordern auch etwas Großes heraus, etwas Absolutes, eine radikale Umkehr. Und hier liegt das Dilemma des Greta-Komplexes: Wie sollen das Absolute und das Menschliche zusammenpassen? Die Politik in der Demokratie, deren wichtiges Thema der Klimawandel in diesem Jahr ist, will das Absolute nicht, sie will den Kompromiss, den Ausgleich der Interessen. Die für die Demokratie geschaffenen Medien, deren wichtiges Thema in diesem Jahr ebenfalls der Klimawandel ist, wollen das Absolute auch nicht, sie wollen das Vielstimmige, das Für und Wider; Kampagnen, auch für das Gute, widersprechen den selbst auferlegten Regeln. Demokratie- und Medienskepsis und die Verleugnung des menschlichen Maßes sind, bei allen Verdiensten, Begleiterscheinungen der „Fridays for Future“-Bewegung.“

Greta und die FFF-Bewegung sollen undemokratisch sein. Weil sie das Absolute wollten, eine radikale Umkehr forderten. Demokratie aber wolle den Kompromiss. Sie verabscheue das Absolute, sie wolle das Vielerlei, kein Weiß oder Schwarz, kein Entweder-Oder.

Wer, bitte schön, soll diese Regeln erfunden haben? Stehen sie im Grundgesetz? Dort stehen apodiktische Sätze: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Kein Wenn und Aber, kein Vielleicht oder Vielleicht nicht, kein Zugeständnis an ein bisschen Würdeverletzung. Ist das undemokratischer Absolutismus?

Ein kurzer Blick in Wiki hätte genügt, um den Sinn des Wörtchens „absolut“ zu entschlüsseln. Begriffsklärungen kommen in Intelligenztests nicht vor, also sind auch Faktenrechercheure von dieser leidigen Pflicht entbunden. Begriffsklärungen führen in die Vergangenheit – von der Vergangenheit als geistige Wiege der Gegenwart wollen Faktenleser nichts wissen. Für sie ist Zeit ein fluides Medium, das sich täglich neu erfindet. Vergangenheiten spielen keine Rolle. Dass sie mit diesem Zeitbegriff der Heilsgeschichte auf den Leim gegangen sind – ist für sie ohne Belang.

Die Negierung der Vergangenheit besitzt für Medien viele Vorteile: was sie gestern verzapften, ist ihnen heute Jacke wie Hose. Irrtümer von gestern? Wer sich täglich neu erfinden kann, hat stets eine reine Weste.

Das Absolute (von lat. absolutum, „das Losgelöste“) ist ein Begriff, der in vielen Bereichen der Theologie und Philosophie Verwendung findet und das völlige Enthobensein von allen (einschränkenden) Bedingungen oder Beziehungen bezeichnet. In der philosophischen Tradition ist der Begriff eng verwandt mit dem des Unbedingten.“

Das Absolute ist losgelöst von allem Irdischen und Endlichen. Es steht für das Göttliche, Allmächtige. Ein solch Absolutes gibt es nur für Jenseitsgläubige, Demokratien kennen kein Absolutes.

Wieder einmal spielt ein verdrängter religiöser Rest objektiven Beobachtern einen Streich. Als Beobachter fühlen sie sich im Stand der Unschuld: als tabula rasa. Sie haben es nicht nötig, ihre mitgebrachten subjektiven Vor-Urteile zu erforschen, um durch Mitwissen des Subjektiven das Objektive unverfälschter wahrzunehmen.

Ob Greta gläubig ist oder an ein Absolutes glaubt, wissen wir nicht. Müssen wir auch nicht wissen. Solange ihr Tun und Reden mit irdischem Verstand zu begreifen ist, wäre ein Glaube an ein Absolutes ihre belanglose Privatsache.

Beyer verwechselt das Absolute mit einem „idealen oder utopischen Ziel“. Dies spielt nicht in einem Jenseits, sondern in einem erfahrbaren Diesseits. Eine rationale Utopie ist – im Gegensatz zu Hayek und leider auch zu Popper – kein Himmel auf Erden. Denn auf einen Himmel kann die autonome Vernunft problemlos verzichten.

Utopie muss das Ziel jeder Politik sein – die immer eine „Stückwerktechnologie“ sein muss. Wer als Weltenbummler mit dem Fahrrad von Berlin nach Patagonien fährt, muss viele Umwege und Hindernisse einkalkulieren: am Endziel darf sich nichts ändern.

Humane Utopie ist das Ziel einer friedlichen Menschheit, in der jedes Individuum sein persönliches Glück finden kann. Wer diese Vision als Vollkommenheit bezeichnen will, der ist – ein Aufklärer.

„Der deutsche Aufklärer Christian Wolff definiert das Vollkommene als das „Gute, das nicht durch Gottes Willen, sondern an sich gut ist. Moral ist deshalb unabhängig von der Theologie, der Hüterin des jenseitigen Absoluten.“ Nicht Sünde ist die Ursache moralischen Fehlverhaltens, sondern Unwissenheit. Das Gewissen wird durch Vernunft inspiriert, in der auch die Rücksicht auf die Gemeinschaft zu ihrem Recht kommt. Pufendorf, ein anderer Aufklärer, spricht vom Gesetz der allgemeinen Wohlfahrt.“ (Karl Vorländer, Die Aufklärung)

Man muss diesen Definitionen nicht zustimmen. Doch dann sollte man nicht verschweigen, dass man Aufklärung abgeschrieben hat. Ob etwas mit Aufklärung oder Gegenaufklärung zu tun hat, interessiert heute keine Edelschreiber. Sie lehnen es ab, sich von solchen Begriffen einordnen zu lassen. Weshalb sie so schwammig daherreden, damit ihnen niemand auf die Schliche kommt – nicht einmal sie selbst. Just die Gegenaufklärung lehnte scharfe Begriffe ab, sie wollte in Gottes Geist frei flottierend herumschwärmen.

Da alles menschliche Leben von einem bestimmten Klima abhängig ist, ist die Rettung dieses Klimas ein Punkt, der nicht verhandelbar ist und – in utopischer Zielrichtung – keinem Kompromiss unterworfen werden kann. Über Einzelschritte muss gestritten werden. Nicht gestritten werden aber kann über das Endziel dieser Schritte.

Das Nennen dieses Zieles ist nicht identisch mit dem Wissen einer Methode, das Ziel unfehlbar zu erreichen. Wir können scheitern. Aber wir müssen nicht. Wenn wir wissen, wie Gefahren vom Menschen produziert wurden, können wir auch die Ursachen der Gefahren beseitigen.

Vor dem Krieg beschrieben sich die Deutschen gern als Idealisten. Als Idealisten, die ihr Ziel mit allen Mitteln realisieren wollten. Auch mit Mitteln der Gewalt. Das aber ist platonischer Faschismus. Deutsche sind unverbesserliche Platonverehrer. Der platonische Faschismus ist zugleich ein theologischer, denn Platons idealer Staat war Vorläufer des Reiches Gottes auf Erden. Auch der Marxismus, wie überhaupt jeder Glaube an eine automatische Heilsgeschichte, ist ein totalitäres System.

Von all diesen Gespenstern sind Greta & FFF weltenweit entfernt. Die Nennung eines radikalen Zieles ist nicht gleichbedeutend mit dem Wissen einer alleinseligmachenden Methode. Die Nennung des Ziels aber muss am Anfang stehen, um Einzelschritte zum Endziel auszurichten. Das Radikale ist das Kriterium, an dem alle notwendigen Einzelschritte überprüft werden müssen. Eine Stückwerktechnologie ohne radikales Endziel-Kriterium würde zum blinden Höllentrip.

Mit Pisa kommt nun die Rache der Alten an ihrem aufmüpfigen Nachwuchs, dem sie schwarz auf weiß bescheinigen können, dass er zu dumm und ungebildet ist, um über Angelegenheiten der Erwachsenen mitzureden. Lernt erst mal das ABC, bevor ihr über die Welt mitreden wollt.

Was aber wird getestet? Wie kann man Intelligenz oder Bildung messen? Ist Logos ein quantitatives Phänomen? Da jeder Wissenschaftler seine eigene Vorstellung von Intelligenz mitbringt, ist der Pisa-Test eine kollektive Mogelpackung. Wäre die Klimakrise nicht ideal, um grundsätzlich zu definieren, was Bildung ist? Nämlich die Fähigkeit, sich ein realistisches Bild von der Welt zu machen und jene humane Utopie zu benennen, die die Welt zur Heimstatt aller Menschen machen kann?

Wer garantiert uns denn, dass die Tester gebildet sind – sodass sie qualifiziert wären, die Bildung anderer zu beurteilen?

Bildung wäre die Kompetenz, sich die Ergebnisse der Wissenschaft anzueignen, um in demokratischer Auseinandersetzung Schritte in Richtung Utopie zu entwickeln. Gebildete sind demokratische Utopisten, die der Vernunft des Menschen zutrauen, solche Zielvorstellungen zu klären und in weltweiter Zusammenarbeit zu erarbeiten.

Was hingegen messen die Pisa-Tests? Nur instrumentelle Fähigkeiten, ohne zu klären, welchem Zweck diese Fähigkeiten dienen sollen. Seitdem Wissen zur Macht erklärt wurde, ist jedes Wissen eine Macht, um Rivalen zu besiegen und die Natur zu unterwerfen. Pisa-Wissen steht in der Tradition Francis Bacons:

„Bacon bezeichnet es als höchstes Ziel des Ehrgeizes, die Macht und Herrschaft des menschlichen Geschlechts über das Ganze der Dinge zu errichten und zu erweitern.“ (Franz Vorländer, Moral, Rechts- und Staatslehre der Engländer und Franzosen)

Herrschaft über Mensch und Natur ist das Gegenteil jeder humanen Bildung, die darin besteht, „dass der menschliche Geist weder durch naturwissenschaftliche Beobachtungen und Experimente noch durch Rechnen zur Erkenntnis seiner selbst, seiner Interessen, Pflichten, Rechte gelangt.“ (ebenda)

Wir brauchen keine Rechenmaschinen auf zwei Beinen, keine göttlichen Programmierer: wir brauchen empathische Mitmenschen, die weder andere beherrschen noch sich selbst beherrschen lassen wollen, sondern in utopischer Leidenschaft die Rettung der menschenfreundlichen Erde anstreben.

Pisa-Tests sind hinterlistige Versuche, das Flüchtlingsproblem post hoc doch noch für das absinkende Bildungsniveau verantwortlich zu machen:

„Ein Blick in die Pisa-Studie zeigt: OHNE Kinder mit Migrationshintergrund würde Deutschland international auf Rang 8 liegen, MIT den Kindern auf Rang 20. Nun fordert auch Integrations-Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (53, CDU) verpflichtende Tests. Noch vor der Kita – und zwar für ALLE Kinder in allen Bundesländern. Denn: Auch Schüler ohne Migrationshintergrund können erschreckend oft nicht genug Deutsch.“ (BILD.de)

Wir wollen kein Mittelmaß, erklärt die intellektuell brillante Wissenschaftsministerin Karliczek. Warum kein Mittelmaß, warum wollen die Deutschen wieder an die Spitze? Weil sie an die Spitze der Macht kommen wollen, um andere Nationen und Völker zu dominieren und in den Schatten zu stellen.

Echte Bildung hingegen kennt keine Rivalität um Einfluss und Macht. Sie kennt nur einen Wettbewerb: den solidarischen Wettkampf um die humanste Art des Zusammenlebens.

Die Drohung mit verschärften Tests soll die Jugend einschüchtern, ihr Angst einflössen, sie gefügig machen, um die autoritäre Macht der Erwachsenen abzusichern.

Mit Tests verbessert man keine Bildung, man erzeugt eine Atmosphäre der Unfreiheit und Unterwürfigkeit. Bildung hingegen ist die selbstbestimmte Art, sich mit der Welt vertraut zu machen und mit der Menschheit in freundliche Beziehungen zu kommen.

Die FFF hat bewiesen, dass die Jugend heute – wider alle Weisungen der Schulen – eine wissenschaftliche und moralische Bildung erwerben konnte, mit der sie die Machenschaften der Erwachsenen zu Fall bringen kann.

Wie hingegen sieht eine Pisa-Expertin die Zukunft der Bildung?

„Wir brauchen eine pädagogische Vision: Wie wollen wir lernen? Alles Weitere baut darauf auf – die Fortbildungen, die Geräte. Wichtig ist auch technisches Personal, damit die Ausstattung funktioniert. Wenn Lehrer sich erst darum kümmern müssen, dass alle Geräte laufen, bekommen sie ein Zeitproblem. Dann nützt das beste pädagogische Konzept nichts. Lehrer leisten ohnehin schon so viel, Computer reparieren kann nicht auch noch dazugehören.“ (SPIEGEL.de

Die Mathematikerin hat die Katze aus dem Sack gelassen. Es geht vor allem um Maschinen. Um technische Brillanz. Deutschlands digitales Hinterherstolpern soll durch verschärften Drill in den Schulen „zukunftsfest“ gemacht werden. Die Jugend wird zum bloßen Rekrutierungsmaterial für den Wettkampf der Nationen. Für die gesellschaftlichen Ursachen der „Bildungsmisere“ interessiert sich ohnehin kein Staat. Dass die globale Gesellschaft immer lese- und denkfeindlicher wird: daran ist nicht die Jugend schuld. Während die Ergebnisse des Pisa-Tests vorgestellt wurden, eröffnete Staatsministerin Dorothee Bär rein zufällig eine Konferenz für die Digitalisierung der Gesellschaft.

„Die Kultusminister diskutieren meist hinter verschlossenen Türen. Das große öffentliche Zugpferd der Debatte ist Dorothee Bär, ihres Zeichens Staatsministerin für Digitales. Als am Dienstag die horriblen Pisa-Ergebnisse verkündet wurden, hatte sie parallel zu einem Event über digitale Lehrmethoden eingeladen. Während in der Bundespressekonferenz also der rasante Anstieg smartphonetragender Risikoschüler verkündet wurde, feierte Bär wenige Hundert Meter einen „Chancenkongress“ – im Kanzleramt.“ (WELT.de)

Wer hat im Test am besten abgeschnitten? Die Jugend des totalitär überwachten China. Ein versteckter Hinweis der hiesigen Bildungstechniker, darüber nachzudenken, ob das Modell Demokratie noch lange verteidigt werden kann. Oder ob wir post-demokratische Visionen entwickeln müssen, um nicht von jedermann abgehängt zu werden.

Bald werden Tests für Säuglinge entwickelt, um früh die Besten von der Massenware zu trennen. Die schulische Schichtenbildung per Zensuren ist die Vorschule der Klassengesellschaft, in der die Erfolgreichsten zugleich die Gebildetsten sein wollen. Was Gentrifizierung der Gesellschaft durch separate Wohnverhältnisse, sind Spaltungen der Gesellschaft durch bessere und schlechtere Schüler, vornehme und ordinäre Schulen zur Ermittlung der künftigen Eliten. Nein, Eliten bilden sich unabhängig von humaner Bildung, allein durch ihre Herkunft von – elitären Eltern. (Siehe Michael Hartmanns Untersuchungen zur Elitenbildung)

Es ist eine trügerische Fata Morgana, dass gute Leistungen an die Spitze der Gesellschaft führen sollen.

Während Wirtschaft sich jede unnötige Einmischung des Staates verbittet, gilt das Laisser-faire-Prinzip im Bereich der Jugend immer weniger. Immer mehr greift der Staat in das Leben der Familien ein, zwingt die Eltern zur Vernachlässigung ihrer Kinder. Mit der kaltblütigen Lüge, in Kitas und Schulen seien die Kinder besser aufgehoben als in engen familiären Bindungen.

Einzelne Mutige wagen es inzwischen, die wahren Kita-Verhältnisse offen zu legen:

„“Wenn du nicht leise bist, schneide ich dir die Zunge ab.“ In bayerischen Kitas sollen Erzieherinnen und Erzieher regelmäßig gegenüber Kindern psychische Gewalt anwenden. Eltern und Erzieherinnen berichten von drastischen Fällen.“ (Bayerischer-Rundfunk.de)

Geben wir Rainer Stadler das Schlusswort, der in seinem Buch: „Vater, Mutter, Staat“ schreibt:

Die Nötigung der Kinder in Kitas hält Stadler für eine „Machtübernahme des Staates. Denn der Staat schwingt sich damit zu einer Instanz auf, die für sich beansprucht, besser als das Individuum beurteilen zu können, was vernünftig ist und was nicht. Die Bewegung gegen Eltern, die ihr Kind nicht möglichst bald nach der Geburt in die Hände des Staates geben wollen, ist global. Ein wesentliches Charakteristikum der neuen Sozialpolitik ist kollektives Misstrauen gegen die Eltern. Der Verfassungsrechtler Fritz Ossenbühl hält es für anmaßend, wenn der Staat vorgibt, in Erziehungsfragen den Stein der Weisen gefunden zu haben. Eine derartige Einmischung in die Belange der Eltern führe zur Fremdbestimmung der Erziehung, an dem gemessen ganze Bevölkerungsgruppen für erziehungsunfähig erklärt werden. Die Pisa-Studie von 2000, Auslöser des sogenannten Pisa-Schocks, machte überforderte und unfähige Eltern dafür verantwortlich.“

Das schulische Drillsystem ist die Grundlage der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Nationen. Wer China einholen will, muss chinesische Verhältnisse kopieren. Die Greta-Generation steht diesem Ehrgeiz der Deutschen im Weg. Zwangsbildung muss die Widerspenstigen wieder gefügig machen.  

 

Fortsetzung folgt.