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Von vorne LXXXIV

Von vorne LXXXIV,

„zeitgleich warnen mehr als 11.000 Wissenschaftler, darunter rund 900 aus Deutschland, in einer gemeinsamen Erklärung vor einem weltweiten „Klima-Notstand“. Wenn sich das menschliche Verhalten beim Treibhausgasausstoß und anderen den Klimawandel begünstigenden Faktoren nicht grundlegend und anhaltend verändere, sei „unsägliches menschliches Leid“ nicht mehr zu verhindern, heißt es. „Wissenschaftler haben eine moralische Pflicht, die Menschheit vor jeglicher katastrophaler Bedrohung zu warnen“, sagte Co-Autor Thomas Newsome von der University of Sydney.“ (SPIEGEL.de)

Trumps endgültiger Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen wird von seinen biblischen Anhängern bejubelt: die Apokalypse, sie zeigt sich, sie steht schon vor der Tür. Herr komm, ach komme bald!

Seine biblischen Kohorten stehen umso getreuer zu ihm, je mehr die gottlose Welt ihn attackiert:

„Wer Nein zu Trump sagt, sagt Nein zu Gott.“ (WELT.de)

Wer das menschenfreundliche Klima zerstört, zerstört das Überleben der Menschheit und muss als Menschheitsverbrecher vor ein globales Tribunal.

Die westlichen Verbündeten Amerikas müssen sich von der Trump-Regierung lossagen, ihn vor aller Welt des Menschheitsverbrechens anklagen und ihn in Den Haag vor den Internationalen Gerichtshof stellen. Wer auch immer dort verurteilt wurde: im Vergleich mit Trump, dem Zerstörer der menschlichen Lebensgrundlagen, ist er ein Nichts. Es geht um Sein oder Nichtsein.

Das unsägliche menschliche Leid wartet nicht, an vielen Stellen des Globus hat es sein schreckliches Werk längst begonnen.

Aus Berlin kein Mucks. Eine Politik zur Ächtung des Präsidenten, zur Verhinderung des Undenkbaren, ist nicht erkennbar. Berlin ist tot. Das Land lässt sich von einem Mausoleum regieren.  

Begriffe sind verbraucht, Sprache ist tot, die Kunst des klaren Denkens

verschwunden. Der Glaube an den allmächtigen Kompromiss von allem mit allem führte zur Akzeptanz des Unvorstellbaren und Selbstzerstörerischen.

Wissenschaftler der Welt haben den deutschen Werturteilsstreit ad absurdum geführt. Wissenschaftler sind Menschen, keine Bewohner eines Kristallpalasts. Für das Überleben ihrer Mitmenschen sind sie genau so verantwortlich wie alle anderen Menschen. Gesinnung und Verantwortung sind keine feindlichen Brüder. Was man für richtig hält, muss man tun, was man tut, gesinnungsmäßig verantworten können.

In Sachen Politik und Moral gibt es für Demokraten kein Entweder-Oder. Beides muss aus einem Guss sein.

Nicht nur Wissenschaftler haben die moralische Pflicht, für eine Politik des Überlebens zu sorgen. Der Mensch ist eine Einheit, er soll eine sein: wer sich für moralische Politik einsetzt, kann privat nicht das Gegenteil tun. Wer Politisches und Privates gegeneinander ausspielt, ist mit sich nicht im Reinen. Wer sich widerspricht, zerstört mit der Linken, was er mit der Rechten aufgebaut hat.

Durch Moralfeindschaft und Widersprüchlichkeit im Denken und Handeln ist die deutsche Demokratie dabei, sich selbst zu zerlegen.

Wer die moralische Kompetenz des Menschen negiert, negiert seine politische. Politik ist Fortsetzung der privaten Moral mit gesellschaftlichen Mitteln. Eine Demokratie kann nicht human sein, wenn ihre Mitglieder inhuman eingestellt sind. Wer für Unvereinbarkeit von Politik und Moral plädiert, fordert eine kollektive Schizophrenie. Wer dem Einzelnen nicht zutraut, moralisch zu denken und zu handeln, spricht ihm jede demokratische Kompetenz ab: er entmündigt ihn, degradiert ihn zum Untertanen.

Moralfeindschaft der Eliten ist in Wahrheit eine politische Entmündigung des Volkes, ein Versuch der Führungsklassen, die Herrschaft des Volkes in eine Herrschaft der Mächtigen, Demokratie in Elitokratrie, die Macht der Mehrheit in die Macht winziger Cliquen zu verwandeln.

Demokratische Mündigkeit besteht nicht darin, am Stammtisch alles anzuprangern, gelegentlich ein Kreuzchen zu machen und von Gewählten eine richtige Politik zu fordern. Sie besteht in der Fähigkeit, die Lage der Dinge zu beurteilen, richtige Schlussfolgerungen zu ziehen und selbst zu tun, was sie von anderen fordert.

Die herrschenden Eliten, überrascht vom politischen Aufwachen der Jugend, werfen ihr privates Fehlversagen vor, das ihre politische Glaubwürdigkeit in Frage stellen würde. Gleichzeitig verhöhnen sie jeden Versuch, private und politische Kompetenz in Übereinstimmung zu bringen.

Was für Politik gilt, gilt für alle Leitbegriffe der Gesellschaft, die sich auf den deutschen Werturteilsstreit berufen: sie gilt für Fortschritt und Wachstum, für die Durchsetzung aller Interessen, für gnadenlosen Erfolg, für Technik und Wissenschaft, für Wirtschaft, Kunst und Medien. Alle wollen durch Exklusion der Moral endlos wachsende Macht über die Gesellschaft.

Deutschland, das Land dialektischer Harmonie, spaltet, trennt und zerschneidet alles und bewundert seine undialektischen Widersprüche und Unvereinbarkeiten. Es rühmt sich seiner bizarren Disharmonien und lächerlichen Selbstwidersprüche. Noch immer untersteht es der religiösen Paradoxie: was ich will, das tue ich nicht, was ich aber nicht will, das tue ich.

Bei Deutschen ist alles antagonistisch. Nichts gibt es bei ihnen, das sich durch widersprüchliche Regungen nicht selbst zum Stillstand verurteilte.

Abendländischer Urwiderspruch ist die Unvereinbarkeit von Vernunft und Glauben. Von daher kommt die Unversöhnlichkeit von Denken und Tun, Denken und Fühlen, Denken und Wollen.

Ihrer Weisheit dürfen sie nicht trauen, denn sie ist Torheit vor Gott. Ihre Tugendhaftigkeit müssen sie verachten, denn sie ist heidnische Werkerei. Ihre moralische Lernfähigkeit müssen sie verurteilen, denn alles Wollen und Vollbringen liegt bei Gott. Alles, was gut ist, kommt nicht von ihnen. Was von ihnen kommt, ist alles des Teufels.

Rationalismus darf kein Voluntarismus, Voluntarismus nicht rational sein. Ihren Empfindungen und Sinneswahrnehmungen dürfen sie nicht trauen. Wollen sie wissen, was sie fühlen, müssen sie Maschinen befragen, die es ihnen auf objektiver Zahlenbasis mitteilen.

Zum Steuern ihres irdischen Geschicks sind sie unfähig, denn an ihnen ist nichts Gutes. Weshalb sie von außen gesteuert werden müssen durch allpräsente Reize und gesteuerte Sprache. Ihr Inneres ist dunkel und unerrkennbar. Weshalb sie durch Experten von außen konditioniert und dorthin manövriert werden müssen, wohin sie nicht wollen.

Da sie keinen vernünftigen Maßstab besitzen, mit dem sie sich beurteilen können, hat ihr Gott den Erfolg erfunden – den technischen, wirtschaftlichen und politischen Machterfolg –, mit dem sie sich objektiv bewerten können. Zeig mir, wo du wohnst, welches Auto du fährst, wie viele Arbeitsplätze du geschaffen hast, wie viele Steuern du auf den Bahamas hinterziehst, welch schenkelklopfendes Vergnügen du hast bei der Verhöhnung deiner Mitmenschen – und ich sage dir, was für ein aufgeblasener Schnösel, pardon, was für ein ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft du bist.

Was sie denken, tun sie nicht, was sie fühlen, wollen sie nicht, was sie wollen, halten sie für unvernünftig, was sie für unvernünftig halten: das bewundern und vergöttern sie. Für nichts geraten sie mehr in Ekstase als für alles Morbide, Selbstzerstörerische und Amoralische, mit dem sie die „Spießer und Moralisten“ ihrer Gesellschaft düpieren können.

Von daher ihre Unfähigkeit zur moralischen und politischen Autonomie, ihre Leugnung der Wahrheit, ihr Widerstand gegen rationales Streiten und Verständigen, ihr Verbot, Vergangenes zu erinnern und aus der Geschichte zu lernen, ihre Abneigung, Fremde als Bereicherung zu empfinden.

Moral ist Besserwisserei für sie. Sie, die sie untrüglich wissen, dass Amoral die wahre Moral ist. Moralisch wollen sie nie recht haben, die sie im kritiklosen Absegnen der Zeit moralisch unfehlbar wurden.

Plötzlich sind sie gezwungen, recht zu behalten, weil Naziwiedergänger auftauchten, von denen sie sich abkoppeln müssen. Was soll die Welt von ihnen halten, wenn sie ergebnisoffen mit Faschisten kungelten?

Die Natur dürfen sie nicht erkennen, das würde sie nur abhängig machen von der Außenwelt. Weshalb sie selbst alles a priori konstruieren und herstellen müssen, bevor sie sich herablassen, es gnädig zu erkennen. Ihre ganze Erkenntnis ist autistische Selbsterkenntnis. Nur ihr Selbst ist es wert, erkannt zu werden, die nichtswürdige Natur muss ausgeblendet werden. Wie kann man eine unerkennbare Natur retten?

Da sie mit sich unzufrieden sein müssen, stellen sie Maschinen und Roboter her, die Erkennen, Fühlen und Wollen stellvertretend für sie übernehmen. Das ist das Prinzip pro nobis ihres Erlösers. Was auch immer er tat, er tat nichts für sich, sondern stellvertretend für die, die sich vor ihm auf die Knie warfen.

Weil ihr Reformator ihnen gute Werke verbot, ist ihnen moralische Selbstbestimmung verboten. Das staatliche Lutherjahr bläute ihnen ein, dass sie nichts sind ohne das Jenseits. Zur Belohnung für ihre Ich-Verneinung wurde ihnen eine Magd des Himmels geschickt, die nichts von ihnen fordert – außer Arbeiten, Malochen und Geldmachen, damit sie in der Welt mit Wirtschaft auftrumpfen können.

Je unzufriedener sie mit sich selbst sind, desto zufriedener ist die himmlische Magd mit ihnen, denn selbst-zufrieden, selbst-bewusst, selbst-gesteuert sind Generalsünden wider den Geist. Wer stolz ist auf sein Selbst, dem kann nicht mehr geholfen werden.

Die dialektischen Deutschen sind die zerrissensten, mit sich im Clinch liegenden Antidialektiker des Universums. Darauf sind sie stolz.

Die Welt liegt im Argen. Wer sagt denn sowas? Wissen sie doch besser: die Welt – ist unerkennbar. Läge sie im Argen, könnte das nur bedeuten: a priori wurde sie falsch „konstituiert.“ Alles muss bei ihnen konstituiert sein; konstituiert ist das geheimnisvollste Wort ihrer Denker, der besten Denker des Universums.

Konstituieren steht für schaffen aus dem Nichts. Genial aus dem Nichts erschaffen, das macht sie gottgleich, weshalb sie das Wort nicht an die große Glocke hängen dürfen. Zwar wollen sie sein wie Gott, doch in Demut und Bescheidenheit. Deshalb vermeiden sie das Schaffen aus dem Nichts und benutzen lieber das Fremdwort konstituieren.

Wie ihre Theologie Glaubensartikel kennt, die zu groß und geheimnisvoll sind, als dass der Pöbel sie verstehen dürfte, so geheimnisvoll wurden ihre Philosophen – die in weltlichen Metaphern oft nichts anderes zu sagen hatten, als die früheren Prediger auf der Kanzel: es muss nur anders geheimnisvoll klingen.

Denn sie wissen nicht, was sie tun. Wüsste heute im Straßenverkehr jemand nicht, was er tut, würde er so schnell wie möglich aus dem Verkehr gezogen werden.

Doch was im Kleinen verboten ist, wird im Großen zur staatsbürgerlichen Pflicht. Wir dürfen nicht wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen. Also bilden wir uns ein: wenn wir nach vorne schauen, erblicken wir das Land unserer Sehnsucht.

Nach vorne heißt: weg vom Jetzt, weg von der Gegenwart. Wir sind jetzt mal weg. Nicht stille stehen, nicht rasten und Atem holen, nicht orten, wo wir sind. Wir müssen die Zeit vernichten, das Hier und Jetzt, den Augenblick, da wir uns sahen und uns gegenseitig erkannten, die erfüllte Zeit des Angekommenseins. Nein, die Welt ist nicht unsere Heimat, die künftige aber suchen wir – im atemlosen Tempo der Entfremdeten.

11 000 Wissenschaftler aus aller Welt, allein 900 aus Deutschland, warnen die Menschheit vor den selbstgemachten Klimagefahren.

Wo bleiben da die Einwürfe der Klimaskeptiker? Des adligen Meteorologen von Storch, der noch vor wenigen Tagen im SPIEGEL tremolieren durfte:

„Nein. So schnell wird die Menschheit schon nicht untergehen. Gefüttert wird das um sich greifende Ohnmachtsgefühl leider durch manche meiner Forscherkollegen, die vor einer bevorstehenden Endzeit warnen. Solche Leute tun der Wissenschaft keinen Gefallen, weil sie die kritische Distanz aufgeben. Auch wir Klimaforscher liefern stets nur vorläufige Erklärungen und müssen bereit sein, diese möglicherweise wieder über den Haufen zu werfen, wenn neue Daten das erfordern. Wir schaffen Wissen, keine endgültigen Wahrheiten.“ (SPIEGEL.de)

Wo bleibt die Nachfrage des SPIEGEL bei Herrn von Storch zu den neuen Thesen der 11 000 Kollegen? Haben seine Kollegen keine kritische Distanz? Können sie nicht unterscheiden zwischen vorläufigen Erklärungen, Wissen und endgültigen Wahrheiten? Woher stammt die Überzeugung, die Menschheit werde schon nicht untergehen? Ist das ein unwiderlegbarer Glaube oder gibt es Daten, die dieses – allen Erkenntnissen widersprechende – Dogma von einer unkaputtbaren Welt stützen?

Herr von Storch spricht wie ein biblischer Creationist, der unbeirrt an die Erschaffung der Welt aus Nichts glaubt – und wenn alle Wissenschaftler das Gegenteil behaupten.

Noch bizarrer als die Selbstwidersprüche eines Meteorologen klingen die Ergüsse eines CDU-Historikers, der an die Bewahrung der Schöpfung glaubt. Da Gott diese Bewahrung geboten habe, könne sie auch nicht widerlegt werden. Mächtiger als die Erkenntnisse der Wissenschaft ist der Glaube an einen allmächtigen Gott.

„Es gibt zweifellos eine Schnittmenge zwischen Umweltschützern und Konservativen, die die Schöpfung bewahren wollen. (Berliner-Zeitung.de)

Was hat sich dem gegenüber der fromme Romantiker Novalis gedacht, dessen Credo hieß:

„Sollen wir Gott lieben, muss er hilfsbedürftig sein.“

Soll das Geschöpf das Werk des Schöpfers retten, weil der Creator ex nihilo dazu nicht mehr in der Lage ist? Wie soll er dies schaffen, wenn am Ende der Geschichte der hilflose Schöpfer höchstselbst alles in Stücke schlägt?

Doch schlau, wie der Historiker ist, lässt er das biblische gebotene Wirtschaftswachstum nicht verkommen:

„Die Vorstellung der Bewahrung der Schöpfung aus christlich-konservativen Gründen geht immer einher mit dem biblischen Satz: „Macht euch die Erde Untertan.“ Die konservativen Umweltschützer verbinden mit ihrem Engagement immer zugleich auch die Nutzung der Natur. Linke Ökoaktivisten sehen diesen Aspekt nicht. Sie verfallen vielmehr einer ökologischen Romantik, die unter dem Schlagwort „Zurück zu Natur“ auch einen Protest gegen die moderne Industriegesellschaft beinhaltet.“

Das Ebenbild Gottes kann alles: Natur bewahren und ausbluten, unterjochen und verstümmeln, dies alles in einem Akt. Selbst knallharte Ökonomen rufen mittlerweilen zum Konsumverzicht auf, damit natürliche Ressourcen geschont werden:

“Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir weniger Ressourcen verbrauchen müssen und Investitionen in Innovationen tätigen“, sagte Holtemöller. Beides ginge allerdings nur über Konsumverzicht, da bekannte Verhaltensweisen dann nicht mehr möglich wären.“ (TAGESSPIEGEL.de)

Dagegen wirkt FDP-Lindner wie ein verwöhnter Trotzkopf, der auf seinen täglichen Luxusbrei mit Trüffel und Kaviar partout nicht verzichten will:

„Ich will nicht verzichten und will auch nicht, dass andere verzichten müssen“.

Was wirft CDU-Rödder den jungen FfF-Aktivisten vor?

„Die Klimaaktivisten akzeptieren andere Meinungen nicht, weil sie ihre eigene Meinung für wissenschaftlich alternativlos halten. Die Klimabewegung ist undemokratisch. Die Klimaaktivisten erheben – mit Verweis auf das, was sie für objektive Wissenschaften und unbestreitbare Befunde halten – einen Anspruch auf Wahrheit, den sie mit dem Konzept des allgemeinen Willens des Philosophen Jean-Jacques Rousseau verbinden. Das heißt: Sie erheben einen uneingeschränkten Deutungsanspruch, das Gemeinwohl zu kennen. Demokratie besteht aber immer aus dem Wettbewerb von unterschiedlichen Meinungen.“

Hier wird der Blumengarten mit dem Dampfhammer planiert. Hier gibt es keinen Satz, der auch nur annähernd richtig wäre.

Demokratischer als die Klimademonstranten kann man gar nicht sein. Denn sie kritisieren, was sie zu kritisieren haben und fordern eine rigide Klimapolitik. Die Zeit drängt. Eine Alternative zu ihren Forderungen kennen sie sehr wohl, es ist die falsche Ökopolitik der Mächtigen, die sie bekämpfen. Mit dem allgemeinen Willen Rousseaus – dem totalitären Willen einer sozialistischen Diktatur – haben sie nicht das Geringste zu tun.

Tatsächlich erheben sie den Anspruch auf Wahrheit. Und das ist unerlässlich. Ja, sie wollen sogar recht haben mit ihrer Wahrheit. Auch das ist unerlässlich. Sollen sie ihre Behauptungen und Forderungen ad absurdum führen mit der Begleitmelodie: bitte nicht ernst nehmen, wir glauben selbst nicht, was wir sagen?

Demokratischer Disput lebt vom Anspruch, mit Wahrheit recht zu haben. Die Mehrheit muss letztlich entscheiden, was sie für Wahrheit hält. Können Mehrheiten über absolute Wahrheit entscheiden?

Da die Wahrheitssuche des Menschen in den meisten Dingen nur vorläufig ist, hat die Demokratie die Prozedur der allmählichen Wahrheitssuche durch Mehrheitsentscheidungen erfunden. Was sie als vorläufige Wahrheit anerkennt, muss den folgenden Praxistest durchlaufen. Entscheidet sich das Volk gegen die Thesen der FfF, wird es am eigenen Leib spüren, ob jene recht hatten oder nicht. Allerdings könnte es zu spät sein, den praktischen Gegenbeweis anzutreten.

Nicht die Jugend hat die Klimadaten erfunden, sondern die Mehrheit der Klimawissenschaftler wurde von eindeutigen Daten überflutet. Wer glaubt, sie täuschen sich alle, müsste tun, was die Wissenschaft für den Fall einer Kritik vorgesehen hat. Er muss die Wissenschaft eines Besseren überzeugen – mit wissenschaftlichen Methoden.

Doch Rödder hat überhaupt keine Argumente. Er redet abstrakt, um nicht zu sagen: theologisch. Seine Skepsis ist blasierter Selbstzweck, von scharfsinnigen Gegenargumenten keine Spur.

„Ich stecke ja selbst in diesem Dilemma. Als Historiker bin ich einerseits extrem skeptisch gegenüber wissenschaftlichen Absolutheitsansprüchen. Einen solchen Absolutheitsanspruch hat auch der Marxismus im sowjetischen Kommunismus erhoben. Auf der anderen Seite leuchtet mir ein, dass die klimawissenschaftlichen Aussagen mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig sein dürften.“

Es gibt keine wissenschaftlichen Absolutheitsansprüche. Alles von Newton bis Einstein ist jederzeit überprüf- und widerlegbar. Aber mit Experimenten und mathematischen Argumenten. Und nicht mit christlicher Wahrheitsallergie, die der untrüglichen Offenbarung Gottes nicht widersprechen darf. Diese jederzeit überprüfbare Wahrheit der Wissenschaft mit der totalitär-theologischen Unfehlbarkeit des Stalinismus zu vergleichen ist – schändlich.

Haben frühere Alarm-Prognosen denn nicht geirrt?

„Sie wurde mit der Attitüde kommuniziert: „Es ist fünf vor zwölf.“ Oder auch: „Es ist schon fünf nach zwölf. Und wenn wir nicht sofort handeln, ist alles zu spät.“ In den Neunzigern zeigte sich dann: Der Wald ist gar nicht gestorben.“

Rödder kann nicht unterscheiden zwischen von Sorge getriebenen Alarmrufen und immer wahrer werdenden Langzeit-Prognosen. Wenn Feuer ausbricht, wird niemand ein geruhsames Nickerchen machen mit der Bemerkung: wer weiß, wann das Feuer über uns hereinbricht?

Seit 40 Jahren warnen die Wissenschaftler. Von Mal zu Mal erwiesen sich ihre Prognosen evidenter und bedrohlicher. Inzwischen wissen wir, die Langzeitprognosen haben sich in lebensgefährlicher Weise als wahr erwiesen. Die ungewöhnlichen Wettermeldungen, die ökologischen Wald- und Ackerschäden, die überhand nehmenden Katastrophenmeldungen aus aller Welt sind der sinnlich-alltägliche Beweis für die Richtigkeit der naturwissenschaftlichen Daten.

Ein wissenschaftlicher Historiker hat von elementaren Grundprinzipien der Wissenschaftstheorie nicht die leiseste Ahnung. Sollten seine creationistischen Wirrsätze symptomatisch sein für den geistigen Zustand der deutschen Wissenschaft, können wir langsam einpacken.

In letzter Minute erkennen die heutigen Wissenschaftler, dass der Werturteilstreit der Max Weber-Generation nichts anderes war als Moralverweigerung und politische Bankrotterklärung der damaligen Wissenschaftler. Mit der niederen Welt der Politik wollten jene nichts zu tun haben. Ihr Reich der abstrakten Wahrheiten war nicht von dieser Welt.

Je mehr demokratische Überzeugungen aufkamen, je heftiger mussten die Intellektuellen und Gelehrten sich prophylaktisch jeder demokratischen Verantwortung entziehen. Dies ausgerechnet unter der Parole: gesinnungslose Verantwortung. Bis zum heutigen Tage hat sich nichts geändert.

Deutschland hat keinen ewigen Bestand,
Es ist kein kerngesundes Land!
Mit seinen Eichen, seinen Linden
Werden wir es nie mehr wiederfinden.    

 

Fortsetzung folgt.