Kategorien
Tagesmail

Von vorne XIII

Von vorne XIII,

„Ich wage die Vorhersage, dass die Diskussion über den Klimaschutz in drei Jahren ganz anders geführt wird, falls 400 000 Leute aus der Automobilindustrie entlassen werden müssen.“ (FDP-Lindner)

Wenn die Niederlande verschwunden sind, Hamburg unter Wasser steht, die Böden ausgetrocknet sind, Hitzewellen die Kontinente in Bruthöllen verwandelt haben, schreckliche Kriege um die letzten erträglichen Territorien entbrannt sind, die Menschheit nicht mehr ernährt werden kann – dann wird die Diskussion über den Klimaschutz noch ganz anders geführt werden: denn sie wird gar nicht mehr geführt werden. Das Undenkbare wird zum a-t-e-m-b-e-r-a-u-b-e-n-d-e-n Ereignis geworden sein.

Wie intelligent ist eine Menschheit, die sehenden Auges die Apokalypse herstellt, die sie noch immer als Gruselmärchen beiseiteschiebt?

In jedem Überlebenstest (den es vorsichtshalber nicht gibt) würden die Deutschen – inzwischen zur Derriere-garde der europäischen Klimaschützer abgesunken – die Prädikate debil bis imbezil erhalten. Gängige IQ-Tests messen vor allem mathematische Fähigkeiten, nicht weil Mathematik die logische Verlässlichkeit und Schönheit der Natur spiegelte, sondern weil sie den Kern jener Wissenschaften bildet, mit denen die Natur effektiv stranguliert werden kann. Mathematik ist seit 500 Jahren zur entscheidenden Herrschaftswissenschaft geworden.

Über dem Eingang zur platonischen Philosophenschule soll der Satz gestanden haben:

Kein Zutritt für die der Geometrie Unkundigen.“

Dennoch war es nicht Platon, der dem Abendland die Mathematik als Killerin der Natur überlieferte.

„Wo Mathematiker, wie Eudoxos oder Archytas, die Anwendung der Geometrie im Raum der Mechanik begründeten und geometrische Fragen durch

apparative Experimente zu lösen versuchten, stießen sie auf den mächtigen Widerspruch Platons, der „sich darüber ereiferte und ihnen heftig entgegentrat, weil sie die Reinheit der Geometrie vernichteten, wenn diese vom Unkörperlichen und Ideellen zum Sinnlichen herabsinken und sich darüber hinaus noch der Körper bedienen sollte, die eines gemeinen mechanischen Handwerks bedürfen“.

Für Platon war es ein Sakrileg, den vollkommenen Kosmos mit menschlichen Folterwerkzeugen zu beschädigen. Doch 1000 Jahre später war es soweit. Die Natur, christlich entstellt, durfte ab jetzt vom Menschen systematisch zur Magd abgerichtet werden – ohne Rücksicht auf Verluste:

„Mathematik und Experiment wurden zu chirurgischen Instrumenten, mit denen der Forscher – so Bacon – sich der Natur wie ein Verhörrichter nähert, um sie zu Aussagen zu nötigen, deren Ergebnisse ihm die Macht gaben, sie zu Verhaltensweisen zu zwingen, die sie im Experiment verraten hatte. Der Forscher konnte die Natur nötigen, sich so zu verhalten, dass die Zukunft beherrschbar werden würde. Nicht folgenloses Schauen ist das Ziel der Wissenschaft, sondern Handeln, die ständige Aktivität des Hervorbringens.“ (Friedrich Wagner, Die Wissenschaft und die gefährdete Welt)

„Natur besiegt man durch Gehorsam.“ (Bacon)

Hegels Knecht besiegt den Herrn, indem er ihn abhängig von seinem Herrschaftswissen macht.

Marxens Prolet muss der Geschichte gehorchen, solange es dieser gefällt und sie eines Tages den Zögling in die Freiheit entlässt. Dann erst wird dem Revolutionär gestattet, den Zwängen der Notwendigkeit Ade zu sagen und sich den neuen Freuden der Freiheit zu widmen. Bis dahin gilt es zu gehorchen – um eines fernen Tages zu herrschen.

Der italienische Philosoph Vico behauptete, der Mensch könne nur verstehen, was er selber hervorbringt. Er dachte dabei an Geschichte, die vom Menschen gestaltet wird.

Kant folgte Vico, indem er dessen Maxime auf die Natur anwandte. Der Mensch wollte von der Natur lernen, indem seine Vernunft die Natur nötigt, seine Fragen zu beantworten. Die „Vernunft sieht nur ein, was sie selbst nach ihrem Entwurfe hervorbringt. Sie müsse die Natur nötigen, „auf ihre Fragen zu antworten, nicht aber sich von ihr allein gleichsam am Leitbande gängeln lassen. Die Vernunft muss von der Natur nicht in der Rolle eines Schülers, sondern in der eines bestallten Richters belehrt werden.“

Diese Wende des Denkens bestimmt, dass die „Gegenstände unserer Erkenntnis sich nach dem erkennenden Subjekt richten müssen.“

Das ist die kopernikanische Wende des Denkens durch Kant. Klingt verwirrend. Für Kopernikus war nicht mehr die Erde – und somit der Mensch – Mittelpunkt des Universums, um den sich die Sonne dreht, sondern umgekehrt: die Erde wird ihres Mittelpunkts beraubt und zum bloßen Trabanten der Sonne erniedrigt.

Bei Kant hingegen sollte nicht mehr die Natur, sondern der Mensch den Mittelpunkt des Seins bilden: ab jetzt war der Mensch Zentrum allen Geschehens. Das war ein kopernikanischer Salto mortale rückwärts. Anstatt die Hybris des gottähnlichen Menschen zu dämpfen, wurde er mit philosophischen Ehren zum Mitschöpfer ernannt.

Philosophiehistoriker können nicht genug von der Kopernikanischen Wende schwärmen, die ambivalenten Folgen dieser „Revolution“ sehen sie nicht.

Der vorkopernikanische Christenmensch war Mittelpunkt allen Seins, die Krone der Schöpfung. Gott schuf die Welt um des Menschen willen. Nicht um jedes, sondern um des auserwählten Menschen willen.

Physikalisch vertrieb Kopernikus den Menschen aus dem Mittelpunkt, philosophisch aber rehabilitierte Kant den Menschen wieder zum Zentrum des Seins. Bei Kopernikus wird der Mensch bedeutungslos, bei Kant wird er – fast – zum Schöpfer der Natur. Gewiss, die Natur als Ding an sich existiert unabhängig vom Menschen, doch ihre Gesetze verdankt sie dem Menschen. Das Ding an sich blieb unerkennbar – und bedeutungslos.

Das war die Beschreibung eines Koitus. Der Mann erkennt das Weib, indem er es mit seinem überlegenen Wissen penetriert. Die Frau bleibt für ihn ein Rätsel (Freud: was will das Weib?) – aber ohne Bedeutung.

Und Adam erkannte Eva und sie ward schwanger und gebar Kain. Kain wurde zum Mörder seines Bruders.

Und der Mensch erkannte die Natur und sie gebar ihm viele Kain-Maschinen, deren wichtigster Zweck es ist, Natur und Menschen zu bedrohen und zu zerstören.

„Die Natur selbst soll die Braut sein, die nach Zähmung, Formung und Unterwerfung durch den wissenschaftlichen Verstand verlangt. Die Disziplin der Wissenschaft und die technischen Neuerungen «erfordern keineswegs eine sanfte Führung des Naturverlaufs, sie haben die Macht, die Natur zu erobern, zu unterwerfen und sie in ihren Grundfesten zu erschüttern.»“ (Bacon, in E. F. Keller: Liebe, Macht und Erkenntnis)

Die permanente Vergewaltigung der Natur nennt Bacon „eine keusche, heilige und legale Ehe“, aus der eine „gesegnete Rasse von Helden und Supermännern“ kommen wird.

Auch die Alchimisten sahen in der wissenschaftlichen Erkenntnis einen Koitus, eine Vereinigung von Geist und Materie, die Verschmelzung von männlich und weiblich. „Während Bacons Ideal der Supermann war, war das alchimistische Ideal der Hermaphrodit.“

Marx, der nur die Materie (das Mütterliche) anerkennen wollte und den männlichen Geist zum Produkt der Mutter erklärte, wollte zweifellos eine philosophische Revolution. Doch das Ergebnis schlug um ins Gegenteil. Indem der Mensch zum Lakaien der Geschichte degradiert wurde, blieb alles beim Alten.

Es war wie mit der opiaten Religion, die Marx beseitigte, um sie durch das Opium einer materiellen Heilsgeschichte zu ersetzen. Doch es genügt nicht, den Mann durch eine Mater zu ersetzen, sonst aber alles beim Alten zu lassen – wie man heutzutage sehen kann. Die Mütter der Nation sind dazu verurteilt, das Machtgehabe der Männer zu imitieren – wenn sie deren Machtstrukturen nicht mit der Wurzel rausreißen.

Die Alchimisten waren fortschrittlicher als Bacon, der nur die Macht des Mannes ins Unbegrenzte erweitern wollte. Jene dachten wesentlich gleichberechtigter. Am Ende der Naturorgien sollten Mann und Weib auf gleicher Lusthöhe sein. Die Genderdebatte der Gegenwart ist ein schwacher Abklatsch der erstaunlich emanzipierten Haltung der Quacksalber.

Der Massenmord an den Hexen entsprang der Angst der Männer, die ihre männliche Vorherrschaft gegen das hermaphroditische Aufbegehren der Hexen verteidigten. Den männlichen Erkenntnissen wollten sie ihre eigenen entgegenstellen, mit denen sie die Männer zu übertrumpfen gedachten.

Im Kampf gegen die Hexenkünste verwandelte sich der Koitus der Männer mit der Natur zur männlichen Selbstbefriedigung. Die weibliche Natur wurde überflüssig:

„Wissenschaft galt als eine rein männliche und keusche Angelegenheit, die nach Herrschaft über die weibliche Natur suchte und nicht nach Vermischung mit ihr; hier lag das Versprechen für die gleichzeitige Besiegung der Natur und der weiblichen Unersättlichkeit.“

An dieser Stelle der Abkopplung des Koitus von der Frau befinden wir uns heute. Menschenähnliche Maschinen werden erfunden, die dem Mann die Frau ersetzen. Die Kunstfrauen sitzen brav zu Hause, gehen nicht fremd, kennen keine ehebrecherischen Gedanken und ertragen alle Gelüste des Mannes in demütiger Geduld.

Gehorchen, um zu besiegen: das war der Sinn der urchristlichen Umwertung aller Werte. Die Letzten werden die Ersten sein, Gehorchen und Leiden, um zu siegen: das war die Strategie der Christen gegen die Welt, die zur Strategie der modernen Wissenschaften gegen die Natur werden sollte.

Bacon hält Gericht über die Natur wie die Inquisitoren über Ketzerinnen und Hexen. Er beschreibt die Natur als Frau, „die mit mechanischen Instrumenten gefoltert werden muss“. Das erinnert an die Verhöre und mechanischen Vorrichtungen bei Hexenprozessen, die bei der Folterung der Hexen benutzt wurden. Der Natur müsse man die Geheimnisse auf ähnliche Weise entreißen wie die Geheimnisse der Hexen durch inquisitorische Verhöre.“

Hier beginnt die Geschichte des fortschritts-trächtigen Bösen. „Wie Proteus keine verschiedenen Gestalten annahm, wenn man ihn nicht in quälenden Fesseln hielt, so zeigt sich die durch die Kunst mechanischer Hilfsmittel gereizte und gefangene Natur offenbarer, als wenn sie sich frei überlassen bliebe. So, wie der Schoß der Frau sich symbolisch der Zange geöffnet hat, so hegt der Schoß der Natur Geheimnisse, die man ihm zum Besten des Menschen durch Technik entreißen kann.“ (Carolyn Merchant, Der Tod der Natur)

Weil Eva schuldig wurde und die Natur mit sich in die Sünde riss, so war nur „das erbarmungslose Verhör eines anderen Weibes – der Natur – imstande, die Unschuld zurückzugewinnen.“

Bacon will die „vollständige Verfügungsgewalt über die Natur wieder herstellen, die verloren gegangen war, als Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden.“

Das Ziel der Naturwissenschaft ist die Wiederherstellung des Paradieses. Ist das nicht die Vision der Visionen? Jede Phantasterei der Wissenschaft wird abgesegnet, während politische Visionen als Träumereien abgetan werden.

Die Grünen dürfen träumen, war eine Schlagzeile von Stefan Aust. Träumer kann man ertragen, wenn hartgesottene Realisten die Wirklichkeit zusammenhalten – die die Vision aller Visionen träumen dürfen: die Herrschaft über die frauenlose Welt mit Robotern.

Und Thomas Schmid assistiert dem WELT-Chef mit der Behauptung:

„Es ist keineswegs sicher, dass sich der fliegende Teppich, auf dem die Grünen sitzen, noch lange in der Luft hält. Sie setzen sich, zumindest in ihrer Selbstdarstellung, einem wesentlichen Dilemma der Moderne nicht aus. Dem Dilemma, dass den hohen Kosten der industriellen Lebensweise stets ebenso beträchtliche Wohlstands- und Freiheitsgewinne gegenüberstehen.“ (WELT.de)

Wohlstand wird gleichgesetzt mit Freiheit. Was umgekehrt bedeutet: wer nicht reich ist auf Kosten der Natur, kann nicht frei sein. Alle „wilden“ Kulturen müssten dann unfreie sein, weil sie keinen Wohlstand kennen.

Die wildesten Kulturen könnten gleichwohl die freiesten sein, weil sie nicht nötig haben, eine erschwindelte Konsum-Freiheit zu Lasten der Natur zu etablieren.

Wer kennt nicht die Worte des Indianers Smohalla, der um 1800 den Europäern entgegenschleuderte:

„Ihr verlangt von mir, dass ich den Boden pflüge? Soll ich ein Messer nehmen und die Brust meiner Mutter zerfleischen? Dann wird sie mich, wenn ich sterbe, nicht an ihren Busen nehmen, dass ich mich ausruhe.“

Warum sind amerikanische Biblizisten die aggressivsten Ökologiegegner? Weil sie nicht nur an die Vernichtung der minderwertigen Natur glauben, sondern partout nicht an die Ausrottung der Urbevölkerung erinnert werden wollen. Trump verhöhnt ohnehin alle Naturrettungspolitik. Sollten die Herren der Welt plötzlich ihre Schuld am Untergang vorbildlich-naturkonformer Eingeborener anerkennen?

Würden amerikanische Gläubige ökologisch werden, käme das einer schrecklichen Niederlage gleich. Ihr religiöses Credo könnten sie den Hühnern geben:

„Das animistische Glaubenssystem der Indianer und ihre Ehrfurcht vor der Mutter Erde empfanden sie als Gegensatz zum jüdisch-christlichen Erbe der menschlichen Verfügungsgewalt über die Natur.“ (Merchant)

Geschlechterkampf besteht darin, dass Männer die größere Naturverbundenheit der Frauen nicht ertragen. Sie müssen sich ununterbrochen beweisen, dass sie die Natur mit Macht überbieten können. Warum gibt es so wenige Frauen in den Naturwissenschaften und in den Leitungsetagen des Kapitalismus? Weil sie sich nicht beweisen müssen, dass sie der ganzen Welt überlegen sein müssen.

Warum haben Männer nichts Besseres zu tun, als Frauen an die Ketten des Kapitalismus zu legen und die Verträglichkeit des Unverträglichen zu beschwören?

Wie unerträglich für Männer, wenn ihre Frauen schalten und walten können nach Belieben. Also erfanden sie die Ehe als Sippengefängnis, damit sie die Frauen aus Distanz vor fremder Lust und orgiastischer Freiheit bewahren könnten. Man muss die fürchterlichen Ehegesetze der Erlöserreligionen betrachten, um den „Sündenfall“ von der matriarchalen Sippe in die totale Abhängigkeit der Frau vom Mann zu ermessen.

Auch Mutter-Kind-Beziehungen müssen zerstört werden, weil der kapitalistisch verdorrte Mann seine Eifersucht nicht anders beherrschen kann als durch Zerstören der freien Entfaltung der Kinder. Ist Kindern kein Kita-Besuch zumutbar? Oh, sie werden es überleben, wenn sie sich heulend verabschieden müssen. Kinder sind außerordentlich „resilient“ – doch spätere Charakterdeformationen wären vermeidbar, wenn sie selbst entscheiden dürften, wann sie reif sind zum Gang in die Welt.

Indem Mutter & Kind in ein Familiengatter eingesperrt werden, müssen sie mit anderen um die beste Familie, das frühreifste und erfolgreichste Kind konkurrieren.

Inzwischen werden die Kinder dazu verlockt, im Unterhaltungsprogramm der Erwachsenen die goldige Konkurrenz für erkaltete Erwachsenen-Witzbolde zu spielen. Das ist Pädophilie im Event-Revier. Oh doch, Kinder wollen gefordert werden. Aber nicht zum Amüsement gelangweilter Erwachsener, denen sonst nichts mehr einfällt.

Da jede Familie mit jeder konkurrieren muss, werden Frauen gezwungen, sich in allen Dingen gegenseitig zu übertrumpfen. Sie dürfen nicht mal daran denken, sich zusammenzuschließen, um – wie die Ecclesiazusen bei Aristophanes – eine Generalrebellion gegen die Männer anzuzetteln. Nichts fürchten Männer mehr als die Solidarität der Frauen. Kein Zufall, dass alle empathischen Tugenden des „Staates“ als linker Sozialklimbim verhöhnt werden.

Gerechtigkeit, jedem alles, was er zu einem guten Leben benötigt, ist weiblichen Ursprungs. Rechts sind die harten Männer, die Weltstrategen, die Fortschrittsheroen, die Monderoberer, die Master of Universe. Links sind die Schwächlinge und Effeministen.

Durch streng isolierte Kleinfamilien und Ehebrecher-Strafen gelang es dem Mann, die Phalanx der Amazonen durch permanenten Kleinkrieg zu zerstören:

„Frauen haben nie aufgehört, freundschaftlich zusammenzuhalten, einander zu helfen und zu kooperieren. Was sie jedoch nicht vermochten, war, sich in einer Weise zusammenzuschließen, die es ihnen hätte ermöglichen können, selbst Macht zu erlangen oder die vereinte Macht der Männer in Frage zu stellen. In dem Maße, wie Frauen heute allmählich in die Institutionen der Männermacht vordringen, bezahlen sie dafür – auf dem Wege der Anpassung an die von diesen Institutionen erzwungene Vereinzelung – mit der Fähigkeit zur Freundschaft.“ (Marilyn French)

Oh doch, die Familie kann heute das geborgenste und freieste Nest der kalten Gesellschaft sein. Vor nicht allzu langer Zeit musste die Frau ihren Mann noch um Erlaubnis bitten, einen Beruf ergreifen zu dürfen. Vorbei. Gerade weil die Familie – verglichen mit kapitalistischen Hierarchien – eine der freiesten Solidargruppen der Gesellschaft ist, hat das den Mann auf den Plan gerufen, um diese „Idylle“ zu zerlegen. Justament unter einem Chef soll frau ihre Selbstwertgefühle am besten erringen können. Ein voller Erfolg für die werbetechnisch überlegenen Männer. Nun ist die Frau überlastet, zerrissen zwischen allen Fronten – und dennoch abhängig vom Einkommen des Mannes. Das ist wahre Verträglichkeit – von Stuss und Unsinn, von Abhängigkeit und Überforderung.

Noch immer sind wir bei ökologischen Grundsatzfragen. Naturfragen sind Frauenfragen, weil Natur ein Weib ist. Wie Männer ihre Frauen penetrieren, so penetrieren sie die Natur, um abzuschöpfen, was abzuschöpfen ist. Der Rest des Dings an sich kann im Dunkel bleiben und negiert werden.

Wie lange schon gibt es systematische Naturschändung? Auf seinen Forscherreisen durch die ganze Welt hat einer der überragendsten Aufklärer der Deutschen schon vor mehr als 200 Jahren die Wunden der Natur erblickt:

„Nachdem er 1800 sah, welche verheerenden Schäden koloniale Plantagen am Valenciasee in Venezuela angerichtet hatten, warnte Humboldt als erster Wissenschaftler vor den dramatischen Folgen des vom Menschen verursachten Klimawandels. Durch Abholzen war das Land unfruchtbar geworden, der Wasserstand des Sees war gefallen, nach dem Verschwinden des Buschwerks hatten heftige Regenfälle die Böden von den umliegenden Berghängen gewaschen. Als Erster wies er darauf hin, dass der Wald die Atmosphäre mit Feuchtigkeit anreichern und kühlen könne und sprach von der großen Bedeutung der Bäume für die Wasserspeicherung und den Schutz vor Bodenerosion. Er warnte davor, dass die Menschen sich in die Natur einmischten und dies unvorhersehbare Folgen für die kommenden Geschlechter haben könnte.“ (Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur)

Die Beziehung des Menschen zur Natur ist eine moralische Frage. Das Problem des Überlebens ein moralisches Problem. Aber keine Sache des Fortschritts, wie Thomas Schmid in der WELT meint, der das männliche Ekelwort Moral nicht in den Mund nimmt. Macht Fortschritt – und ihr seid frei: so klingt der Ruf eines Nicht-Präsenten. Moralische Kompetenz ist unabhängig von Fortschritt und Maschinen. Jeder kann seinen Kopf und seine Sinne einschalten und sehen, wo Gefahren die Türen eindrücken. Werkzeuge kann man benutzen, um den Unrat von Werkzeugen wegzuräumen, aber sie ersetzen nicht das eigene Denken und die eigene Verantwortung.

„Anstatt als autonome Persönlichkeit zu handeln, wird der Mensch ein passives, zielloses, von Maschinen abhängiges Tier werden, dessen eigentliche Funktionen nach Ansicht ihrer Erfinder der Maschine übertragen werden. Ich will zeigen, dass nicht nur Marx irrte, als er den materiellen Instrumenten die wegweisende Funktion in der menschlichen Entwicklung einräumte.“ (Mumford, Mythos der Maschine)

Homo sapiens ist kein homo faber, sondern ein homo ludens. Das Leben will er nicht als Dauerzwang zu Effizienz, Macht und Erfolg betrachten, sondern als Einladung zum spielerischen Leben.

Im Neuen Testament wurde eine griechische Kinderszene übernommen:

„Wem soll ich die Menschen dieses Geschlechts vergleichen, und wem sind sie gleich? Sie sind gleich den Kindern, die auf dem Markte sitzen und rufen gegeneinander und sprechen: Wir haben euch gepfiffen, und ihr habt nicht getanzt; wir haben euch geklagt, und ihr habt nicht geweint.“

Doch aus dem messianischen Freund der Kinder wurde ihr Feind:

„Jeder, der Weib oder Kinder um meines Namens willen verlässt, wird es vielfältig empfangen.“

Frauen und Kinder sind Hindernisse auf dem engen Pfad in den Himmel. Weg mit dem Ballast. Eben dies, die Verabschiedung von Frauen und Kindern wird durch Erfindung humanoider Roboter vollstreckt. Roboter sind gefügigere Kinder und pflegeleichte Penetrationsobjekte.

Was ist ein Hauptproblem der Naturverwüstung?

„Die Verarmung, Verwitterung und Vergiftung landwirtschaftlicher Nutzflächen ist eines der gravierendsten Ressourcenprobleme der Menschheit. Von den Great Plains der USA über ostdeutsche Äcker bis zum indischen Punjab: Vielerorts sind weite Ländereien ausgelaugt oder vom Winde verweht, geht der Boden schneller verloren, als er sich erneuern kann. Oft ist dies eine Folge schierer Not, weil arme Bauern Wälder roden und ihre Felder übernutzen. Aber auch der industrielle Intensivanbau verzehrt seine eigene Grundlage, immer neue Mengen Kunstdünger übertünchen das nur.“ (ZEIT.de)

Weil landwirtschaftliche Böden überlastet und vergiftet sind, durch panzerähnliche Maschinen platt gemacht werden, sterben unendliche viele Tierarten. Verschwinden die Böden, ist es mit der Zukunft des Menschen vorbei. Wir müssen abrücken von Agrarfabriken und zurückkehren zur autarken Bodenbearbeitung. Je unabhängiger von CO2-Importen und Plastikobst, desto besser die Luft, desto selbständiger die Gemeinschaften und lächerlicher die gigantischen Monopole:

„Mit naturnahen Anbautechniken und ohne den Einsatz von Maschinen erzielt ein Paar auf einem Gemüsehof in der Normandie erstaunliche Erträge. Einen Traktor oder Pflug sucht man an diesem Ort ständigen Wachstums und Verfalls vergeblich. Charles Hervé-Gruyer und seine Frau Perrine bearbeiten die Beete ihres Betriebes ausschließlich von Hand. Sie wollen keinen fossilen Treibstoff einsetzen, ebenso wenig wie Kunstdünger und Pestizide. So weit wie das Ehepaar geht kein Biobauer. Geräte wie den oben beschriebenen Boden-Belüfter mussten sie sich selbst konstruieren. Die Handarbeit spart nicht nur Kosten und verbessert die Klimabilanz ihres Gemüses. Sie ermöglicht Techniken und Kniffe, die Maschinen nicht zulassen. Auf einer dicken Humusschicht wächst eine naturnahe Vielfalt voller komplexer Wechselwirkungen. Die Pflanzen nutzen in unterschiedlichen Höhen das Sonnenlicht, spenden sich gegenseitig Schatten, bereiten einander mit ihren Wurzeln den Boden vor, binden oder verbrauchen Nährstoffe. Nützlinge schützen sie vor Schädlingen.“ (Berliner Zeitung)

Seit Beginn der Neuzeit negiert der Mensch die selbständige Natur. In Etappen schwingt er sich auf zu ihrem Bestimmer und Mitschöpfer. Dass er allseits von ihr abhängig ist, will er verdrängen. Durch scheinbaren Gehorsam will er sie beherrschen, durch Prägung der Natur will er von sich selbst lernen, was er eigentlich von ihr lernt. Alles will er künstlichen Maschinen zu verdanken haben, nichts der Weisheit und Großherzigkeit der Natur.

„Zum ersten Mal im Laufe der Geschichte steht der Mensch nur noch sich selbst gegenüber, andere Partner oder Gegner findet er nicht mehr. In früheren Epochen sah sich der Mensch der Natur gegenüber. Die Natur war ein Reich, das nach eigenen Gesetzen lebte, in die sich der Mensch integrieren musste.“ (Heisenberg, Das Naturbild der heutigen Physik)

Dass der Mensch durch Abschaffen der Natur nur mit sich selbst zu tun haben will, verdankt er seiner Gottähnlichkeit, die nichts neben sich duldet, wovon er abhängig sein könnte:

„Als er am Morgen in die Stadt zurückkehrte, hatte er Hunger. Da sah er am Weg einen Feigenbaum und ging auf ihn zu, fand aber nur Blätter daran. Da sagte er zu ihm: In Ewigkeit soll keine Frucht mehr an dir wachsen. Und der Feigenbaum verdorrte auf der Stelle. Als die Jünger das sahen, fragten sie erstaunt: Wie konnte der Feigenbaum so plötzlich verdorren? Jesus antwortete ihnen: Amen, das sage ich euch: Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt, dann werdet ihr nicht nur das vollbringen, was ich mit dem Feigenbaum getan habe; selbst wenn ihr zu diesem Berg sagt: Heb dich empor und stürz dich ins Meer!, wird es geschehen. Und alles, was ihr im Gebet erbittet, werdet ihr erhalten, wenn ihr glaubt.“      

Natur, die den Bedürfnissen des Menschen nicht just in time zur Verfügung steht, verdient den Tod.

 

Fortsetzung folgt.