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lasset die Kindlein zur Demo kommen und wehret ihnen nicht, denn ihrer ist das Reich der Erde.

Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir.

Das Genie ist früh komplett.

«Ich bin für Realitätssinn. Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis», sagte Lindner. In einem alten Video aus Schulzeiten Lindners, das vor anderthalb Jahren aufgetaucht war, hatte sich der damals 18-Jährige noch ganz anders über Schule geäußert: Darin sagt er, dass er die Schulzeit nur abgesessen habe.

Als Schüler haben wir damals in unserer Freizeit Grenzpfosten zersägt: Währung, für eine europäische Umweltpolitik“, so Altmaier.

FDP-Lindner und CDU-Altmaier halten Jugendliche für politisch inkompetent, rühmen sich aber ihrer eigenen frühreifen Politerfahrungen.

Wie oft veranstalten Klassen Bildungsreisen in alle Welt?
Wie oft fallen naturwissenschaftliche Fächer aus, weil es keine LehrerInnen gibt?

In Technik, KI, Sport, Geigen- und Klavierspiel können Genies nicht jung genug sein. Besonders, wenn sie für ihr Land Ehre und Ruhm einheimsen.

Lernt man in Schulen Demokratie und Ökologie?

Also auf in die verheißungsvolle Realität. Welch wunderbare Gelegenheit, Verantwortung in weltumspannender Vernetzung zu lernen und zu demonstrieren. Wenn die Schule versagt, muss das Leben einspringen. Es müsste schulische

Pflicht sein, Politik in globaler Verantwortung einzuüben.

Wunderkinder sind gefragt, besonders wenn sie die Menschheit erlösen. Denkende und wache Kinder, die sich für die Rettung der Menschheit einsetzen, sind weniger gefragt. Sie nehmen die Schuld der Welt nicht stellvertretend auf ihre Schultern und ersparen niemandem den eigenen Einsatz.

Nobelpreise sind reserviert für Männer (besonders für alte und weiße), die der Welt Heil versprechen und nur Unheil bringen. Nicht für Jugendliche mit „apokalyptischem Narrativ“, wie humorvolle WELT-Schreiber zu formulieren pflegen. Hat sich der Nachwuchs die Apokalypse aus den Fingern gesaugt – oder hat er bei Wissenschaftlern gelernt, die rund um die Erde der fast einmütigen Meinung sind, die Natur werde hopps gehen, wenn nichts geschehen wird?

„Hinter den Kindern verschanzen sich Politiker, Unternehmen, ökosoziale Banken, NGOs und jener ökologisch-technische Komplex, der dieses Narrativ bedient und nutzt. „Wir wollen nicht, dass ihr Hoffnung habt“, erklären die jungen Menschen, „wir wollen, dass ihr in Panik geratet.“ Das klingt ebenso sadistisch wie totalitär. „Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen, denn das tut es“, sagte Greta in Davos. Noch mehr Panik.“ (WELT.de)

Der Begriff Panik soll die Erwachsenen nicht abschrecken, sondern zu energischem Tun anstacheln. Die Jugendlichen haben es satt, sich mit folgenloser Hoffnung abspeisen zu lassen. „Prädestinierte“ sind willenlose Roboter Gottes: so sehen Untergangssüchtige ihre Kinder, die ihnen die Gefolgschaft in den Untergang verweigern.

Solch eine aufsässige Rotzlöffelgeneration, die am Gängelband totalitärer Naturretter läuft, muss öffentlich gestäupt werden.

Das Schrecklichste aber ist die Devise der Jugend:

„Die Politik wird als ethische Herausforderung verstanden.“

Das ist die Sünde wider den Heiligen Geist, die niemals vergeben wird. Haben die Schulen etwa fluchwürdige Ethik gelehrt? Dann sollten sie unwiderruflich geschlossen werden. Schulen dürfen nur amoralische Anstalten – oder gar nicht sein.

Hier steht alles auf dem Kopf. Verantwortungslosigkeit soll Aufklärung sein: ein Land mit solch bodenlosen Schreibern ist verloren.

Wenn es aber um pflichtschuldigste Empörung gegen Verbrechen geht, greifen dieselben Blätter tief in die Kiste religiöser Moral:

„Ohne Gott, ohne Scham, ohne Liebe. Europa ist kein Ort für Religionsmörder mehr, für politische Mörder, für die Breiviks und Tarrants dieser Welt und alle ihre heimlichen Sympathisanten. Nathan der Weise verkörpert Europa, und dieses Europa trauert erschüttert um die Toten von Christchurch.“ (WELT.de)

Nathan der Weise soll die Realität Europas darstellen? Das ist an Hybris nicht mehr zu überbieten. Lessing maß alle Offenbarungsreligionen an der Norm der natürlichen Vernunft. Was gegen Vernunftmoral verstieß, konnte noch so furchteinflößend im Talar eines Priesters daherkommen: es war menschenfeindlich.

Noch schlimmer. Aus der Sicht orthodoxer Juden war Nathan ein Antisemit im Gewand eines Philosemiten. Er verlangte, dass alle Menschen, biblische Christen wie Juden, sich weiter entwickeln müssten zu Menschen, die sich keiner Offenbarung mehr verpflichtet fühlen, sondern nur noch einer autonomen universellen Moral.

Solche Forderungen – der jüdischen wie der christlichen Aufklärung – werden von der immer religiöser werdenden Politik der heutigen Jerusalemer Regierung verworfen. Deutsche Blätter, die moralisch verlässliche Freunde Israels sein wollen, wischen jede moralische Zuverlässigkeit vom Tisch. Wer solche Freunde hat

„Das Beharren der deutschen Juden auf der Bewahrung ihrer Identität verstieß gegen liberale Auffassungen von materiellem Fortschritt, geistiger Aufklärung und den Zielen der nationalen Bestimmung (= der Deutschen). Die Liberalen begannen daher, die Juden als typische Partikularisten zu betrachten, als hauptsächliches Hindernis auf dem Wege zur nationalen und geistigen Einheit.“ (Uriel Tal, israelischer Historiker in Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker)

Goldhagen spricht gar von „wohlwollenden“ eliminatorischen Absichten, die im Verlauf einer stetigen Extremisierung der Deutschen zu „weniger wohlwollenden eliminatorischen Lösungen neigten. Wenn die schmale geistige und politische Elite in Deutschland, die die „positivsten“ Einstellungen gegenüber den Juden hegte, zutreffend als philosemitische Antisemiten bezeichnet werden kann – und philosemitisch war diese Elite nur, solange sie an ihre „Erlösung“ glaubte –, wenn also selbst die besten Freunde der Juden diese für Fremdkörper in der deutschen Gesellschaft hielten, dann ist dies allein schon ein schlagender Beweis für die Existenz eines antisemitischen kulturell-kognitiven Modells in Deutschland.“ (ebenda)

Wenn Nathan der Weise – in den Augen der WELT – Deutschland verkörpert, die es nicht für nötig hält, sich mit der entgegengesetzten Sicht religiöser Juden auseinanderzusetzen, muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, judenfeindlich zu sein. Sie weiß noch nicht einmal von diesem Verdikt der Orthodoxen – das sich übrigens auch gegen die eigenen jüdischen Aufklärer richtet, die das Alte Testament strikt mit den Augen der Vernunft lasen oder die Vernunft über jede Offenbarung stellten.

Die Stimmen der jüdischen Aufklärer kommen heute nirgendwo zur Sprache – auch nicht bei Goldhagen, der Vernunft mit „Erlösung“ gleichsetzte. Greifen wir den jüdischen Aufklärer Moses Hirschel heraus:

„Die Unvernunft des Talmud hat Methode und ist Ausdruck eines monopolistischen Herrschaftswillens schon der antiken Rabbinen.“ So Christoph Schulte über Hirschel in seinem Buch: Die jüdische Aufklärung. Er fährt fort:

„Wenn es einen Autor gibt, für den die Behauptung vom Talmud-Hass der Maskilim (der Aufklärer) zutrifft, so ist dies Moses Hirschel.“

Auch Schulte lehnt den radikalen Aufklärer Hirschel ab und zieht den „versöhnlichen“ David Friedländer vor, der die Vernunft betont, ohne den Talmud zu verwerfen.

Das führt zu einem modern anmutenden Ergebnis:

„Im Grunde verkörpern Hirschel und Friedländer zwei grundsätzlich verschiedene Modelle von Aufklärung: Hirschel einen Typus von recht brachialer, rein normativ-moralisch argumentierender und polemisierender Aufklärung, die Altes und Neues nach dem Gut-Böse-Schema konfrontiert; Friedländer hingegen vertritt eine gelassene, sich selbst reflektierende und eine historisierende Aufklärung, in der das Neue das Alte überwindet und aufhebt, ohne es moralisierend zu verwerfen. Der Umgang des letzeren Typs von Aufklärung mit dem Talmud ist dessen Historisierung, nicht, wie bei Hirschel, dessen Diffamierung.“

Alle drei Erlöserreligionen verfolgen parallele Deutungsmuster.

a) die radikale Lösung: Vernunft steht in unversöhnlichem Widerspruch zu den jeweiligen heiligen Schriften. Ergo werden letztere zugunsten der Vernunft verworfen.

b) die kompatible oder versöhnliche Lösung: Widersprüche sind belanglos und werden nicht weiter beachtet. Die Urtexte der Offenbarung können endlos verändert und gedeutet werden, ohne dass sie durch Vernunft negiert werden müssen.

c) der Widerspruch wird bemerkt, aber durch eine allegorische oder symbolische Deutung der Urtexte überdeckt und für unwirksam erklärt. Argument: die Urtexte hätten die vernünftige Bedeutung schon in sich gehabt – aber in der alten Sprache nicht formulieren können. Gott meinte das Vernünftige, musste sich aber der unvernünftigen Sprache der Alten bedienen.

These a) führt zu radikaler Religionskritik: entweder Religion oder Vernunft.

These b) führt zu den „modernen Theologen“ aller drei Religionen, die die widerspruchslose Logik der Griechen verabscheuen und Widersprüche als „dialektische Bereicherung“ empfinden. Gottes Botschaft sei so komplex, dass sie nur in Gegensätzen formuliert werden könne. Vor Hegels Dialektik waren keine Widersprüche sicher. Am Ende hat der Weltgeist alle Widersprüche geschreddert und in Wohlgefallen aufgelöst.

Auch These c) wird von den meisten Gottesgelehrten der drei Religionen vertreten. Sie sehen die Widersprüche, glauben aber, dass der von Gott gemeinte Sinn „in, mit und unter“ dem Wortlaut des Textes verborgen liegt und durch allegorische Deutung entbunden werden kann. Allegorisch heißt: der buchstäbliche Sinn der Texte muss nach seiner „eigentlichen“ Bedeutung abgehört werden. Es ist wie in der Psychotherapie: der Therapeut glaubt, den Patienten besser zu verstehen als dieser sich selbst.

Anhänger der These a) verwerfen die heiligen Texte als unfehlbare Stimmen Gottes. Nicht, was ein Gott befiehlt, ist verbindlich, sondern was die eigene Vernunft erkannt hat. Göttliche Schriften sind menschliche Literatur, nichts sonst.

Anhänger der Thesen b) und c) glauben, Vernunft und Offenbarung harmonisieren zu können. Widersprüche seien belanglos oder können durch Tiefendeutungen aus dem Weg geräumt werden.

Für Schulte entspricht Friedländer den Positionen b) und c). Dessen Versöhnung von Urtext und Vernunft hält er für gelungen. Ein Entweder-Oder zwischen Schrift und Vernunft gebe es nicht.

Hirschel, Vertreter von a), ist für Schulte zu radikal. Ein radikaler Vernünftler müsste sonst seine Religionszugehörigkeit aufgeben, ein Gläubiger auf seine Vernunft verzichten.

Schultes jüdische Position entspricht der Position deutscher Christen, die christlich und vernünftig sein wollen.

Radikale Religionskritiker à la Hirschel halten die Harmonisierungsversuche à la Friedländer für faule Kompromisse. Für sie ist Vernunft gut, alles, was ihr widerspricht, muss böse sein. Nicht böse als satanische Verblendung, sondern als Irrtum, der durch selbstkritisches Lernen überwunden werden kann. Das wäre Lernen durch Versuch und Irrtum.

Die meisten deutschen Medien hassen das Entweder-Oder, das Gut-Böse-Schema. Sie bevorzugen die versöhnlichen Grauzonen. Im Grunde sei alles gut und könnte bleiben, wie es ist, wir müssten nichts verändern.

Doch der graue Segen endet abrupt, wenn externe Feinde eindringen und den faulen Frieden des Westens stören.

Wir befinden uns auf dem Boden der bislang siegreichen Staaten des Westens. Inzwischen aber ist eine gewaltige Wende eingetreten. Die bislang unterdrückten – vornehmlich muslimischen – Staaten haben aufgeholt und schlagen zurück. Sei es, dass sie wirtschaftlich und militärisch aufholen, sei es, dass sie aus der Position der noch immer Unterlegenen zu „bösen“ Mitteln greifen, als da sind terroristische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung des Westens.

Der Westen will nicht verstehen, was die Gründe des Terrors sind. Er schäumt vor moralischer Überlegenheit über die amoralisch-terroristische Brut der Palästinenser oder anderer Muslime, die „ohne Gott, ohne Scham, ohne Liebe“ sind.

Hier stock ich schon: wo ist die Grauzone geblieben? Sie ist spurlos verschwunden und einem unversöhnlichen Entweder-Oder gewichen. Das Gerede von der Grauzone hat sich selbst entlarvt. Alles ist gut – solange die Überlegenheitsordnung der jüdisch-christlichen Nationen respektiert wird. Alles wird böse, wenn diese angegriffen wird.

Plötzlich verliert der Westen seine gräu-liche Scheinharmonie. An seine Stelle tritt jenes Gut-Böse-Schema, das sonst als „dualistisch oder manichäisch“ abgelehnt wird. Die bösen Taten der Feinde reißen dem Westen die joviale Maske vom Kopfe.

Terror ist eine Kriegsaktion ohne nominelle Kriegserklärung. Sie ist nicht böser als die unendlich vielen Brutalitäten des Westens gegen die Völker der Welt – die inzwischen zurückzuschlagen beginnen. Das will der selbstgefällige Westen nicht wahrhaben. Jahrhundertelang war er terroristischer Täter, weil er die meisten Völker ohne Kriegserklärung überfiel. Nun, da diese Opfer zurückschlagen und die ehemaligen Täter zu Opfern machen, reagieren diese selbstmitleidig und überheblich: wir sind die Guten und werden von bösen Terroristen unschuldig angegriffen. Wir sind mit Gott, Scham und Liebe, den anderen fehlt jeder Funken Menschlichkeit.

Was unmenschlich sei, könne man nicht verstehen. Daher die hilflos-lächerlichen Verurteilungen der Bösen: ein „Angriff gegen unsere gesamte Kultur“, ein „Attentat gegen unsere Werte“, „ein Anschlag gegen unser System“.

Die Kategorie Verstehen wird getilgt. Wie aber soll man etwas bekämpfen, dessen Entstehung man nicht versteht? Welche Therapie soll ein Mediziner wählen, wenn er keine Diagnose hat? Diagnostizieren heißt verstehen. Scharfe Worte der Regierung wie: Schluss mit Antisemitismus, mit Hass und Gewalt in unserer Gesellschaft, sind eine Farce. Sie werden die Situation noch verschärfen.

Plötzlich doch Moral? Was die eigene Bonhomie betrifft, steht man jenseits von Gut und Böse, doch wehe, wenn man angegriffen wird: dann werden Gott und Teufel aus der Kiste geholt, um sich selbst als Gottes Diener, die Angreifer als Kohorten des Teufels zu deklarieren.

Es gibt zweierlei Arten von Dualismen.

a) das theologische Entweder-Oder: extra ecclesiam nulla salus, außerhalb der Kirche nur Hölle. Gott oder Teufel. Ist Gott aber nicht identisch mit Vernunft – wie etwa bei Spinoza –, kann er auch nicht identisch sein mit einer logisch klaren Moral. Was Ihm heute gut dünkt, könnte morgen böse sein. Pro und contra Gott ist nicht identisch mit einem pro und contra Vernunftmoral. Ist Gott alles erlaubt, weil er die menschliche Vernunft verspottet, muss auch seinen Frommen alles erlaubt sein, um sich der irdischen Vernunft überlegen zu fühlen. Bin ich pro deo, bin ich noch lange nicht für eine humane Moral. Gott ist kein Freund der Menschen im Allgemeinen. Er liebt nur die Seinen, die anderen müssen ins Feuer.

b) das Entweder-Oder der Vernunft. Theoretisch: entweder richtig oder falsch, wahr oder unwahr. Oder aber das Eingeständnis: ignoramus, wir wissen es nicht. Moralisch: entweder gut oder böse. Natürlich gibt es graue Zwischenstufen, die aber nur entschlüsselt werden können, wenn Gut und Böse prinzipiell definierbar sind.

Ökologisch sind wir alle Grauwesen, dennoch in der Lage, unsere Einzeltaten als naturverträglich oder –unverträglich zu definieren. Der Mensch ist kein ausgeklügelt Buch, sondern ein Wesen in seinem Widerspruch. Psychologisch ist der Satz richtig. Wenn wir aber unsere Widersprüche überwinden wollen, weil sie uns Verderben bringen, müssen wir sie an scharfen und eindeutigen Kriterien messen: an Gut und Böse.

Aus all dem ergibt sich das Dickicht der Moderne. Die gegenwärtigen Gegner der Moral werden plötzlich zu Supermoralisten, wenn sie ihre Gegner klein machen wollen. Oder wenn sie selbst zu bejammernswerten Opfern von Angriffen werden. Ihre Angreifer müssen dann von tiefer Unmoral erfüllt sein. Um den Begriff Moral zu vermeiden, sprechen die Platzhalter der Macht lieber von totalitärem Verhalten.

Wenn junge Demonstranten vorbildlich demonstrieren und argumentieren, werden sie mit Hitler und Stalin verglichen. Der helle Wahn. Solch demokratie-feindlichen Gazetten sollte die Lizenz entzogen werden.

Der Terrorakt in Neuseeland war eine Reaktion auf die Reaktion. Muslime als Totengräber des Westens sollten selbst getötet werden.

Den Medien erschien der Terrorakt wie ein Gnadengeschenk. Sie konnten wieder in bad news baden und lästige good news in den Hintergrund schieben. „Wir müssen heute mit einem entsetzlichen Verbrechen beginnen“, so oder so ähnlich die Formel der ModeratorInnen in den TV-Nachrichten. Dann eine hochwichtige „Schalte“ zum Auslandskorrespondenten, der alles wiederholen musste, was bereits zu hören war. Was wissen wir, was wissen wir noch nicht über den Attentäter?

Danach erst die lästigen Nachrichten von der Weltrevolution der Jugend. Gab es jemals eine Bewegung rund um den Planeten, die in so kurzer Zeit so mächtig in Erscheinung trat? Die Fridays for Future wurden mit wenigen summarischen Sätzen abgetan.

Über Christchurch gab‘s einen Brennpunkt, über die empörte Jugend keinen. Bis heute keine einzige Talkshow zum wichtigsten Thema der Zeit. Eine nationale Schande, eine Bankrotterklärung der Medien.

Kaum hat die Jugenderhebung begonnen, schon spekulieren die Medien über ihr baldiges Nachlassen oder Ende. Sie wisse ohnehin nicht, was sie will. Die Medien ertragen nicht, dass die Menschen nicht dem sündigen Menschenbild ihrer Religion entsprechen. Der Mensch muss dem Menschen ein Wolf sein, nur so gerät das Bedürfnis der Beobachter nach Fakten, Fakten, Fakten in Wallung.

Nun beginnt der Krieg der Generationen. Die Erwachsenen hassen ihre Kinder, die ihnen ab jetzt zurückspiegeln werden, wie sie ihre Zukunft zerstören.

Wenn in der Vergangenheit Mächtige Angst hatten, dass Kinder heranwachsen könnten, die sie töten werden, weil sie selbst Unrecht taten, ließen sie die bedrohlichen Rivalen prophylaktisch aus dem Weg räumen. Herodes oder König Arthus ließen alle Kinder umbringen, die ihnen eines Tages hätten gefährlich werden können.

Die Erwachsenen fürchten die schreckliche Rache ihrer Kinder, wenn diese das wahre Ausmaß ihrer Naturverwüstung nach und nach aufdecken werden. Um der Rache vorzubeugen, unternehmen die Alten alles, um ihre Nachkommen einzuschüchtern und zu disqualifizieren. Ab jetzt werden die Jugendlichen für dumm und inkompetent erklärt, obgleich ihr Denkvermögen die dialektischen Verquastheiten der Alten an Schärfe und Klarheit um ein Vielfaches übertrifft.

Ihre Religion kommt ohne das heilige Kind als Erlöser nicht aus. Ihre eigenen Kinder machen sie zu verführten Verführern, die den paradiesischen Zustand der westlichen Wirtschaft nicht zu schätzen wissen und aus reiner Bosheit apokalyptische Visionen ausbrüten. Kinder werden zu Totengräbern des Abendlandes.

Einst waren es Frauen, die das Unheil über Europa brachten und als Hexen dran glauben mussten. Jetzt rüsten sich die Kinder, die Nachfolger der Hexen zu werden.

Lasset die Kindlein zu mir kommen: ist das Gegenteil eines kinderfreundlichen Satzes. Warum sollen sie zum Erlöser kommen? Um das Reich der Himmel zu erringen. Mit anderen Worten, um die Welt zu verlieren. Erlösen heißt: der Welt entziehen, die Welt liquidieren. Die Welt muss zugrunde gehen, damit die Überwelt erscheinen kann. Erlösen heißt vernichten.

Der Kapitalismus war immer ein kinderhassendes System. Sein Reichtum für Wenige tötet viele Millionen Kinder:

„An vermeidbaren Ursachen wie Mangelernährung und fehlender Gesundheitsversorgung könnten einem Medienbericht zufolge bis zum Jahr 2030 etwa 56 Millionen Kinder sterben.“ (SPIEGEL.de)

Nun erheben sich jene Kinder, denen es noch einen Augenblick gut gehen könnte. Danach das Ende:

„Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.“

Die Kinder der Erde wollen ihr Leben erhalten. Dafür werden sie bestraft: sie sollen es verlieren. Deus lo volt.

 

Fortsetzung folgt.