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Sofort, Hier und Jetzt LXXIV

Sofort, Hier und Jetzt LXXIV,

vor die gleichberechtigte Sinnlichkeit hat Gott die Gleichberechtigung gesetzt.

Mit wem hat Gott Sex? Mit seinen Geschöpfen, die er erniedrigen und bestrafen, erretten und erhöhen muss, um das finale Halleluja oder den Orgasmus eines einsamen Gewaltigen zu erleben, der niemanden hat, welcher ihm gleichberechtigt wäre und sich Kreaturen aus den Rippen schwitzen muss, mit denen er eine Geschichte lang himmelhochjauchzende und zu Tode betrübte Affären erlebt – um am Ende seines missglückten Liebeswerbens sein Fiasko einzugestehen, das wie Triumph klingen soll, allein, es klingt nur so:

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr. Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet als eine geschmückte Braut ihrem Mann.
Und ich hörte eine große Stimme von dem Stuhl, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
Und der auf dem Stuhl saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht zu mir: Schreibe; denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will den Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein. Der Verzagten aber und Ungläubigen und Greulichen und Totschläger und Hurer und Zauberer und Abgöttischen und aller Lügner, deren Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der andere Tod.
Und es kam zu mir einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen voll der letzten sieben Plagen hatten, und redete mit mir und sprach: Komm, ich

will dir das Weib zeigen, die Braut des Lammes.Und er führte mich hin im Geist auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem, herniederfahren aus dem Himmel von Gott, die hatte die Herrlichkeit Gottes. Und ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem hellen Jaspis.“

Heilsgeschichte ist eine missglückte liaison amoureuse zwischen Schöpfer und Geschöpf, Macher und Gemachtem, Genie und Törin, kreativem Erfinder und minderwertiger Erfindung. Alles, was einst sehr gut war: ein komplettes Desaster. Alles, worauf das eitle Genie stolz war wie ein Pfau – ein Bankrott: das Alte ist vergangen, die gesamte Konstruktion muss vernichtet und ausgetauscht werden zugunsten eines Neuen – das wiederum zum Ereignis des Universums hochgejazzt werden muss. Das Neue verlangt den Tod des Alten, sonst kann es nicht kreativ werden.

Die geschmückte Braut, das Weib, die Braut des Lammes: alles nur sexuelle Phantasien eines Übermannes, der davon träumt, die scharfe Braut Natur aus Staub und Schlamm erschaffen zu haben, um sie durch den hieros gamos, die heilige Hochzeit, zu seiner kosmischen Gattin zu erheben.

Kosmischer Sex ist die Vereinigung von Oben und Unten, um die Natur fruchtbar zu machen.

Doch die biblische Genesis ist ein Fiasko, die Zeugung ist missglückt, die Bastarde der Vereinigung müssen zur Hölle, damit eine neue Schöpfung stattfinden kann. Nicht am Anfang der Schöpfung oder während der ganzen Geschichte hindurch werden die Tränen der Leidenden und Geknechteten abgewischt, sondern erst am illusorischen Ende. Nicht aber die tränenlose Qual der ewig Verdammten.

Der Tod wird abgeschafft, als ob Unbegrenztheit des Unglücks Glück bedeuten müsste. Für glückliche Wesen ist der Tod eine Erfüllung, keine Strafe. Quantitäten machen es nicht. Gedenke des Todes – um das irdische Leben zu feiern. Nicht, um die Geworfenheit abzukürzen.

Selbst die Unendlichkeit ist kontaminiert mit dem höllischen Leiden der Vielen und der angeblichen Seligkeit der Wenigen, die zudem die Qualen der Verdammten von Oben betrachten müssen. Nein, dürfen. Wie können sie sich einbilden, selig zu sein, wenn sie die Qualen der Verdammten vor Augen haben?

Wie jubelte Kirchenvater Tertullian in entsetzlicher Schadenfreude des Geretteten über die Schmerzen der Verfluchten:

„Was für ein umfassendes Schauspiel wird das dann sein? Was soll ich da bestaunen? Worüber soll ich lachen? Worauf soll sich meine Freude, mein Jubel richten, wenn so viele Könige in tiefster Finsternis lauf aufstöhnen. Desgleichen die Beamten, die die Jünger Christi verfolgt haben, wenn sie in Flammen zergehen, die noch grausamer sind als diejenigen, mit denen sie voller Hohn gegen die Christen gewütet haben. Wen sehe ich außerdem? Jene weisen Philosophen, wie sie rot werden in Gegenwart ihrer Schüler, die gemeinsam mit ihnen brennen? So etwas anzuschauen, so etwas zu bejubeln: welcher Konsul oder Praetor wird dir das mit seiner Freigebigkeit bieten können? Und doch haben wir das alles schon in gewisser Weise bildlich vor Augen, da es sich der Geist dank des Glaubens vorzustellen vermag.“ (Über die Spiele)

Die Schadenfreude der Gläubigen über die Qualen der Verdammten findet bereits jetzt statt. Nach außen hin Posen der Nächstenliebe, im Innern hämische Bosheit der Sieger über die Loser.

Die Worte der Offenbarung sind Katrin Göring-Eckardts Lieblingsstelle:

„Eine der ganz hoffnungsvollen Texte über das Jenseits unseres Lebens, aber auch des Jenseits in unserem Leben. Diese Gotteswelt ist ein Versprechen, das eingehalten wird. Ich lese den Text in dunklen Stunden, wenn ich Trost brauche oder auch nur die Versicherung des Glaubens.“ (Politikerbibel)

Wer an den Verheißungen des Glaubens zweifelt, lässt sich ausgerechnet von den Urhebern des Glaubens versichern, dass seine Zweifel unbegründet sind – ist das keine sinnvolle Tröstungsmethode?

Die Kosmologien der Heiden sind Begattungsvorgänge. Die Bibel hat sie durch einen natur- und weiberfeindlichen Supermann entsexualisiert. In der Heilsgeschichte wird erst am Ende des Weltspektakels begattet – als Belohnung für die Frommen. Sündige Geschichte ist Sex-Entzug. Es sind nicht nur die Korangläubigen, die den Himmel in einen Harem verwandeln: ein Mann nimmt es spielend mit vielen Jungfrauen auf. Das himmlische Jus primae noctis ist die Belohnung der Männer in Ewigkeit.

Papst Franziskus bemängelt die minderwertige Stellung der Frau in der Gegenwart. Dabei ist Thomas von Aquins Lehre noch immer kirchliches Dogma, jede Frau sei von Geburt an mit Mängeln behaftet und als unvollständiger Mann empfangen worden.

Männer, so ein Kirchenvater, müssten tausend Übel erleiden, wenn sie Frauen anzusehen hätten: „der Frauen Schönheit ist der größte Fallstrick.“ Ein anderer ergänzte charmant: „Warum sollte uns danach verlangen, etwas zu umarmen, das nichts weiter ist als ein Sack voller Mist?“ Noch nicht lange her, dass ein führender amerikanischer Theologe erklärte: „Meine Bibel befiehlt die Unterwerfung der Frau bis in alle Ewigkeit.“

Und wer soll gesagt haben: „Frauen sind Schweine, Schlampen, Hunde?“ Seine tüchtigen Vorfahren kamen aus Kallstadt in der Pfalz. Es wird Zeit, dass die lebensfrohen Pfälzer diesen Ausreißer aus den Listen ihrer Auswanderer streichen.

Freud verlässt nicht die biblische Spur, wenn er der Frau einen Penisneid andichtet, um sie nicht aus ihrer Unterlegenheit zu entlassen:

„Man kann dem Gedanken nicht widerstehen, dass Frauen eine andere Auffassung von normaler Moralität haben. Ihr Über-Ich wird nie so unerschütterlich, so unpersönlich und von seinem affektiven Ursprung unabhängig sein, wie wir es von einem Mann erwarten. Seit undenklichen Zeiten haben Kritiker die Frauen wegen gewisser Charakterzüge getadelt: weil sie weniger Sinn für Gerechtigkeit zeigen als die Männer, weil ihre Bereitschaft, sich den großen Notwendigkeiten des Lebens unterzuordnen, geringer ist.“

Justament die Frauen, die aus den innersten Tempeln des Kapitalismus ausgeschlossen sind, können es in Gerechtigkeitsfragen nicht mit Multimilliardären aufnehmen. Sapristi. Ja, es gibt immer mehr weibliche Politikerinnen in führender Stellung – die aber noch lange keine alternative Politik entwickeln. Noch sind sie damit beschäftigt, männlicher, härter und unnachgiebiger als Männer zu sein.

Das Reich der Mütter war erfüllt von kosmischem Sex. Die unendliche Fruchtbarkeit der Natur: muss sie nicht Frucht der Begattung von allem mit allem sein? In Naturreligionen gibt es nur Sex. Nicht nur bei Pflanzen und Tieren, sondern auch in der „unbelebten“ Natur, die keineswegs tot sein muss. Sex unter Gerippen ist noch nicht beobachtet worden.

„Außer Erzen und Metallen werden auch die Steine und Edelsteine „sexualisiert“. Bergwerke, Höhlen und Quellen werden mit der Vagina der Erdmutter verglichen. Alles, was sich im Mutterleib der Erde befindet, ist lebendig, wenn auch erst im Stadium der Schwangerschaft. Die aus Bergwerken geförderten Erze sind gewissermaßen Embryonen, sie wachsen langsam, nicht im Rhythmus der tierischen und pflanzlichen Organismen, sie reifen in tellurischer Finsternis. Ihr Hervorholen aus dem Schoß der Erde mit Werkzeug und Maschinen ist also eine Prozedur, die zu früh erfolgte.“ (Mircea Eliade, Schmiede und Alchimisten)

Beim technischen Aussaugen der Natur könnte man von künstlicher Abtreibung reden. Was in der Erde ist, braucht Zeit zum Reifen. Wer diese Zeit missachtet, schändet nicht nur die Mutter durch Verletzen ihrer Vulva, sondern beschädigt auch ihre verborgenen Früchte. Schon das Pflügen des Ackers durch die weißen Männer war für die Naturreligionen eine Vergewaltigung der Mutter Natur.

Wie sieht es in der deutschen Gegenwart aus? Ein Schwangerschaftsabbruch ist noch immer ein Delikt und alle Frauen, die solches tun, gelten als Gesetzesbrecherinnen. Dennoch lassen die Patriarchen großmütig Gnade vor Recht ergehen, wenn die Frauen ihr sündiges Begehren bei Nacht und Nebel durchführen. Nebenbei kommt heraus, dass Informationen schädliche Werbung sind, während Werbung mit sachlichen Informationen nichts zu tun haben muss. Zum Schwängern gehören immer zwei. Doch wenn die Tat erfolgreich war, steht die Frau plötzlich allein auf weiter Flur, um mit den Folgen der Begierde fertig zu werden.

Die Auffassung der Natur als sexualisiertes Gesamtgeschehen war die Voraussetzung der ökologischen Kompetenz der Naturvölker. Man muss alles reifen lassen im Rhythmus seiner natürlichen Zeit: nur dann kann man in Eintracht mit der Natur ihre Früchte ernten.

Wenn der Frühling kam, paarten sich alle Naturanbeter mit allen auf den Äckern, um die Natur zur Nachahmung zu reizen. Orgien waren Gottesdienste zur Anbetung der Natur. Der rheinische Karneval ist das letzte Relikt dieser Pan-amorie unter den Augen der Priester, die wissen, dass man Menschen nur gewinnen kann, wenn man ihre Sündhaftigkeit nicht allzu sehr einschränkt.

Sexuelle Skandale im Papismus gibt es immer wieder. Doch auch hier haben die Frauen abzuwarten, bis die heiligen Männer geruhen, ihre penislosen Vorzüge in Augenschein zu nehmen. Nicht Nonnen dürfen Bischöfe, nur Bischöfe dürfen Nonnen mit fleischlichen Gelüsten überfallen. Auch in der Sünde muss es eine Ordnung geben.

Die Neuzeit hat den Respekt vor einer weisen Natur verloren. Sie will die Natur erlösen, indem sie sie vergewaltigt und ihre Früchte raubt.

Die Urquelle der modernen ökologischen Verwüstung ist die Degradierung der Natur. Zur Strafe für ihre Überheblichkeit muss Eva sich dem Mann unterordnen. Die Ausbeutung der Natur ist eine gerechte Strafe für ihre Frechheit, gottähnlich sein zu wollen. Nur der Mann ist Ebenbild Gottes; das Weib muss sich dem Mann unterstellen, um an dessen Gottähnlichkeit sekundär teilzunehmen.

Der Koitus des Menschen mit der Natur war nur möglich, wenn niemand aus der erotischen Ordnung ausgeklammert wurde. Als die Sünde diese pansexuelle Ordnung vernichtete, wurde die Frau ausgeschlossen. Die „Vereinigung der Seele mit Gott“ war ab jetzt dem Manne vorbehalten. Nur in sexueller Abstinenz von der Frau, so Numenius von Apamea, war es dem Manne möglich, die Verbindung mit Gott aufrechtzuerhalten.

„Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben ist nicht vom Vater.“

Die moderne Technik will nicht nur Unsterblichkeit, sondern ein Leben, das Frauen und natürliche Zeugung überflüssig macht. Kinder der natürlichen Lust mit Frauen sollen der Vergangenheit angehören. Der Mann strebt der apokalyptischen Vernichtung des Alten zu, wozu Frauen und Kinder gehören.

Das Neue ist die technische Kreation der Männer, die eine inzestuöse Verbindung mit ihren selbsterfundenen Maschinen und Robotern anstrebt: die Genesis beginnt von vorne. Der einzigartige Mann will unter sich bleiben. Nur dann kann er sich vor der überlegenen Schönheit und Sinnlichkeit der Frau geschützt fühlen.

Für Freud war der Ödipuskomplex das Pendant zur Sünde wider den Geist. Warum war das Begehren des Sohnes nach der Mutter so schrecklich? Nicht wegen der belanglosen sexuellen Tat. Sondern wegen des Verrats des heranwachsenden Sohnes am Geschlecht der Männer. Der Sohn will seiner Mutter aus Dankbarkeit und Anhänglichkeit das Gefühl vermitteln, noch sei sie nicht überflüssig. Für erwachsene Männer ist das ein Akt der Blasphemie – gegen ihre angestrebte frauenlose Zukunft. Wer auf Frauen nicht verzichten will, ist ein Feind des technischen Fortschritts und der zukünftigen Gottähnlichkeit des Mannes.

In allen Dingen wurde die Frau degradiert – unter dem Vorwand, ihre Emanzipation zu fördern. Indem sie sich dem Mann im Kapitalismus unterordnet, soll ihr suggeriert werden, sie sei selbständiger geworden.

Gewiss, finanziell sollte sie vom Mann unabhängig sein. Doch da müsste die Kanzlerin ausnahmsweise Gerechtigkeit üben gegen – jedefrau. Die Frau ist ja nicht untätig. Sie bringt noch immer die Kinder zur Welt und versucht sie zu Menschen zu erziehen. Für diese Petitessen sollte sie fordern, was ihr zustände: mindestens die Hälfte des männlichen Einkommens. Dass nur männliche Naturvernichtungsarbeit lohnwürdige Arbeit sein soll, ist nicht zu fassen.

Das degradierte Heimchen am Herd wäre noch immer jedem „Sklaven“ des Kapitalismus um Welten überlegen – wenn es sich nicht von den Märchen der Männer gefangen nehmen ließe. Das Leben mit Kindern ist noch immer das freiest mögliche – und politischste, wenn man privates Leben als selbstverständlichen Bestandteil des politischen Lebens auffassen würde.

Der Verfall der Demokratie ist so weit vorangeschritten, dass demokratisches Engagement nicht mehr für notwendig und sinnvoll gehalten wird. Die Herren der Schöpfung wollen ihre Frauen nicht als freie Wesen sehen, die ihr Leben in Eigenregie souveräner und autonomer gestalten können als unter der Knute von Vorgesetzten und eines zwanghaft wachsenden Wohlstands.

Im sexuellen Verhalten der Geschlechter spiegelt sich ihr Rollenspiel in der politischen Arena. Hier ein selbstkritischer Bericht einer Frau über ihr sexuelles Verhalten, das ihr bestimmt scheint vom männlichen Blick:

„Immer mehr Frauen schauen Pornos, doch die meisten bevorzugen immer noch Filme, die für Männer gemacht sind. Die Pornos, die ich sehe, haben alle etwas gemeinsam. Der männliche Blick, der in der feministischen Theorie und auch abseits davon mittlerweile berühmt-berüchtigte male gaze, wird durchexerziert von vorne bis hinten. Die Kamera, das Set und der Darsteller gehen bei allen Filmen meiner Auswahl eine Komplizenschaft miteinander ein. Die Frau kommt von außen dazu, in den Casting-Couch-Sequenzen etwa als vermeintliche Amateurin, die als Einzige im Raum nicht weiß, wie heftig es gleich zur Sache gehen wird, während sie noch harmlose Fragen nach ihrem Boyfriend und ihren Haustieren beantwortet. Sie ist das Ding, auf das sich die Aufmerksamkeit und die Action in der Folge richtet.“ (ZEIT.de)

Der Verfasserin Anna Gien fiel es nicht auf, dass sie weibliche Sexualität in einer typisch männlichen Überlegenheitspose zu beschreiben versucht: in einer elitären Sprache, in der es von hochgestochenen und intellektuellen Begriffen nur so wimmelt. Schlichte Heimchen am Herd – die es nicht mehr gibt – werden solchen Artikeln kaum folgen können. Man darf den Verdacht haben: die Schreiberin will vor allem von Männern oder von Frauen verstanden werden, die in den Dandy-Slang der Männer eingeweiht sind.

Dass Frauen Sex erleben mit dem Blick der Männer – den sie eigentlich überwinden wollten –, ist nichts anderes als das Verhalten politisch erfolgreicher Frauen. Sie glauben, die Männerdominanz besiegen zu können, indem sie sich männlicher als die Männer geben. Theresa May scheint dem Motto eines Westernhelden zu folgen: ein Mann weiß, was er will und davon lässt er nicht ab, bis er entweder sein Ziel erreicht – oder heldenhaft untergegangen ist.

Merkels Verhalten ist kaum anders, nur in der äußerlichen Darstellung gibt sie sich weiblich demütig und zurückhaltend. Doch wehe den Männern, die die trügerische Ambivalenz ihrer Demut missverstehen. Längst liegen sie auf dem Friedhof der Namenlosen. Momentan ist Macron an der Reihe, der mit verliebten Blicken zum Narren gehalten wird. Doch es könnte sein, dass er den gefährlichen Sirenengesang der Kanzlerin allmählich durchschaut und sich von seiner Freundin zu distanzieren beginnt. Merkels Politik ist keine weibliche, wenn darunter eine humane Alternative zum bornierten, siegesfixierten und fremdschädigenden Politstil der Männer verstanden wird.

In dieser Sackgasse steckt der Feminismus. Er will den Mann bekämpfen, indem er noch männlicher sein will als er. Hier wiederholt sich die Wirkung des Urchristentums auf die ausgebeutete Frau der Antike, die gegen die Überlegenheit der Männer zu rebellieren begann durch Flucht zum Mann aller Männer, zu Gott. Mit Hilfe des omnipotenten Gottes sollte der potente Mann in die Schranken verwiesen werden. Deshalb die Attraktivität des Erlösers, der Frauen als Bewunderinnen seiner Unvergleichlichkeit nicht zurückwies. Dass sie vor allem seine Füße küssen und salben sollten, fiel ihnen nicht auf – so ausgehungert waren sie nach jeder Verheißung, ihre unhaltbare Situation zu beenden.

Die Rolle des Erlösers wird heute vom kapitalistischen System übernommen. Die Frauen wollen die Überlegenheit der ökonomisch herrschenden Männer brechen, indem sie sich selbst unter die Knute der Ökonomie begeben.

Man könnte auch sagen, die Frauen wollen sich nicht länger im Privaten und Sexuellen vergewaltigen lassen, indem sie sich von der Wirtschaft und Politik der Männer vergewaltigen lassen. Woher die zwanghaft-passiven Vergewaltigungsphantasien?

„Es gibt eine interessante Theorie zu Vergewaltigungsfantasien, die besagt, dass es sich um verkappte Triumphfantasien handelt. Die Frau folgt mit der Inszenierung einem Unwiderstehlichkeitsparadigma: „Der will mich, weil ich so attraktiv bin.“ Er kann gar nicht anders! Die Vorstellung „Ich bin so unwiderstehlich, dass der andere nur über mich herfallen kann“ ist grandios und macht es so erregend.“ (ZEIT.de)

Wer vergewaltigt wird, erlebt den schmerzlichen Triumph seiner verführerischen Unwiderstehlichkeit. Indem die Frau verliert, kann sie sich einbilden, den Mann besiegt zu haben. Bliebe die Frau bei dieser Strategie, wäre sie unfähig, die Dominanz des Mannes zu beenden. Das Siegel ihrer Mündigkeit kann nicht darin liegen, den Mann zum Gewalttäter zu verführen – durch unwiderstehliche Schwäche, der triumphierenden Demut der Magd Gottes.

Mündigkeit ist Selbstbestimmung, die keine projektiven und gegenprojektiven Siegesposen benötigt. Nicht der Beifall des Mannes – in welchen neurotischen Maskeraden auch immer – darf ihr Kriterium sein. Sondern allein die Beantwortung ihrer Frage: Was halte ich für richtig? Kann ich vertreten und rechtfertigen, was ich tue und denke, ohne dass ich die Zustimmung der Männer erlisten, erpressen oder provozieren muss?

Wie die Frau zum Mann, so verhält sich der Fromme zu Gott. Der Allmächtige soll keine Freiheit haben, den Menschen nicht zu erlösen. Also ist der Mensch gezwungen, sich in seiner Schwäche so verführerisch zu geben, dass der Herr das Angebot nicht zurückweisen kann und sagen muss:

„Fürchte Dich nicht, denn ich habe Dich erlöst; ich habe Dich mit Deinem Namen gerufen. Du bist mein.“

Herr, nimm mich, ich bin Dein, tu mir Gewalt an und erlöse mich, denn ich bin zuverlässig schwach und werde mich nicht zur Wehr setzen.

Du willst es doch auch: sprechen Männer, die Gewalt als Aphrodisiakum verstehen. Du willst es doch auch, spricht der Erlöser, wenn er den Menschen überwältigt und seines Weges führt.

Frauen werden die Männer erst überwinden, wenn sie den Männergott überwunden haben. Sinnliche Erfüllung kann es nur in einer angstfreien Gesellschaft ohne Not geben. Sex in einer ungerechten Gesellschaft bleibt ein punktuelles Vergnügen, von dem wir wissen, dass ihm die Ernüchterung auf dem Fuße folgt. Nach dem Koitus ist das kapitalistische Tierchen leer.

Der sokratische Eros erweiterte die Sinnlichkeit zum gemeinsamen Lernen und Erkennen, um die Gesellschaft zu erotisieren – oder zu verbessern. Sinnlichkeit ist kein isolierter Akt. Die Lust der Begegnung zweier Menschen ist Vorschein auf den Orgasmus einer freien Welt.

Vor die gleichberechtigte Sinnlichkeit hat Gott die wirkliche Gleichberechtigung gesetzt.

 

Fortsetzung folgt.