Kategorien
Tagesmail

Sofort, Hier und Jetzt LIV

Sofort, Hier und Jetzt LIV,

wenn das Heilige Kind versagt – zumal es nur ein Mädchen ist –, muss es von WELT-Männern entzaubert werden.

„Stammte die Rede von Greta? Oder wurde sie ihr eingeflüstert von Erwachsenen? Ersteres wäre ein verzeihlicher Fall von jugendlicher Naivität. Letzteres würfe die Frage auf, wo die Instrumentalisierung von Kindern beginnt. Kinderarbeit, gewissermaßen.“ (WELT.de)

Maria, die Mutter Gottes, hätte Ansgar Graw mit Sicherheit nicht so zu dekonstruieren gewagt. Maria, von Gott als bloße Brutmaschine für seinen Sohn missbraucht?

Zuerst einige glattzüngige Anerkennungen über Gretas Rede, die keine sind, dann schnörkellos zum patriarchalen Verriss.

„Mutmaßlich politisch ausgesprochen reif für ihre 15 Jahre. Geriet zum Höhepunkt der Klimakonferenz. Verdient Beifall in Zeiten, in denen Teenager an Politik wenig interessiert zu sein scheinen.“

Für eine politisch desinteressierte Generation nicht übel. Zumal sie mit einer „alarmistischen Rede“ genau das aussprach, was der geistverlassene Zeitgeist hören will. Ganz schön geschickt für eine Prophetendarstellerin – wenn sie nicht ohnehin das gefügige Werkzeug skrupelloser Erwachsener ist, die sich nicht scheuen, für ihren apokalyptischen Wahn geltungssüchtige Pubertierende einzuspannen.

Wie man in wenigen Sätzen den Wahn der Welteliten darstellen kann, dazu

  bedarf es der Kunst langjähriger Edelschreiberei.

«Veränderungen kommen, ob es euch passt oder nicht. Die echte Macht liegt bei den Menschen», warnte Greta. „Euch“? Das sind offenkundig unterschiedslos alle Erwachsenen.“

Das sind offenkundig nicht alle Erwachsenen, sondern nur jene, die wie Ansgar Graw, die Klimaveränderung noch immer als Humbug betrachten. Von einer unvermeidlichen Generalisierung scheint der Autor noch nichts gehört zu haben.

«Unsere Biosphäre wird geopfert», behauptete das Mädchen, «damit reiche Leute in Ländern wie meinem noch luxuriöser leben. Mit dem Leiden vieler Menschen wird der Luxus der wenigen bezahlt.» Erste Welt gegen Dritte Welt, so die Botschaft.“

Geht’s noch absurder? Werden die Folgen des veränderten Klimas nur die Länder treffen, die die größte Schuld tragen? Oder am unschuldigsten sind? Gretas Botschaft richtet sich an alle, um das Überleben der Gattung zu retten. Botschaften an die ganze Menschheit: das war bislang nur heiligmäßigen Männern vorbehalten, die die Welt vernichten wollen, um eine Handvoll Schafe zu retten.

„Aber nehmen Leiden und Armut nicht gerade dort ab, wo mehr Kapitalismus geprobt wird, etwa in China? Innovative Technologie und erneuerbare Energien entstehen in Marktwirtschaften.“

Sätze aus der „Grabbelkiste des revolutionären Klassenkampfes“? Graw, aufrechter Verteidiger des Kapitalismus, denkt noch immer in Kategorien Dutschkes. Dass nicht eine bestimmte Klasse, sondern die ganze Menschheit gefährdet ist, kann in den Redaktionsräumen der WELT noch nicht angekommen sein.

Schon möglich, dass die Reichen sich in Neuseeland einbunkern und zwei Jahre länger überleben werden als der Pöbel der Welt. Dennoch wird, früher oder später, die gesamte Menschheit dran glauben müssen. Klassenkampfparolen von Oben werden niemanden am Leben erhalten, wenn globale Hitzewellen alles Wasser auf Erden verdampft haben.

„In der EU oder den USA sinkt der CO2-Ausstoß (wenn auch zu langsam), während Entwicklungs- und Schwellenländer 63 Prozent des Kohlendioxids emittieren, Tendenz steigend. Das ist den Menschen in diesen Ländern nicht vorzuwerfen. Auch sie haben ein Recht auf Autos, Fernseher, Kühlschränke und Klimaanlagen.“

Es seien nicht die Reichen, es seien die Ärmsten, die die Erdatmosphäre am meisten ruinieren. Müssten nicht sie am schärfsten angeklagt werden? Und dennoch: haben sie nicht das dasselbe Recht auf Wohlstand wie die Länder des Luxus?

Primär geht es um Alles oder Nichts, erst sekundär um den Kampf zwischen Arm und Reich. Dass nicht-kapitalistische Länder arm sein sollen im existenzgefährdenden Sinn, gehört zu den Erbauungsdrogen der fortgeschrittenen Nationen, die mit rasendem Fortschritt die Natur zerstören, um die ganze Menschheit suizidal zu bedrohen.

Nehmen wir an, der finale Kollaps sei eingetreten und die Menschheit könnte wunderbarerweise zurückschauen und ihr Schicksal neu entscheiden. Würden sie das naturnahe Leben in vitaler Schlichtheit und Sicherheit nicht dem Untergang in Luxus vorziehen?

Auch wenn die Rede nicht von Greta geschrieben worden wäre: muss sie deshalb ein tumbes Instrument in der Hand anonymer Mächte sein? Dann wäre die deutsche Kanzlerin auch nichts anderes als das gefügige Instrument ihrer Redenschreiber.

Glaubt irgendjemand, dass es unter den noch lebenden Naturvölkern ein einziges gibt, das – vor die Wahl gestellt – lieber im selbstvernichtenden Überfluss dahinsiechen wollte als in geglückter und erfolgreicher Symbiose am Busen der Natur zu überleben?

Kapitalismus ist kein Armutsbeseitigungsmittel, sondern eine Selektion der Tüchtigsten. Einer Selektion, die sich gezwungen sieht, diejenigen eine Zeitlang mitzuschleifen, auf deren ausbeutbare Maloche sie angewiesen ist – bis die Roboter der Zukunft sie überflüssig machen.

„Phänomene, die von linken Politikern als soziale Ungleichheit bekämpft werden, müssen hingenommen werden. Ungleichheit macht Ordnung.“ (Hayek) „In Ungleichheiten kann Hayek nichts Negatives sehen, denn er ist überzeugt, dass Ungleichheit und Vielfalt der gesellschaftlichen Strukturen wesentlicher Bestandteil der abstrakten und spontanen Ordnung sind.“ (H. J. Hennecke)

Ungleiche Vielfalt wird heute Buntheit genannt. Bunt geht die Welt zugrunde. Graw, vom Kapitalismus instrumentalisiert, von trügerischer Buntheit verführt und ungerechter Ordnung verblendet, hat nichts von Greta verstanden.

Da aber Weihnachten vor der Tür steht, muss der fromme Springer-Verlag für den rechten Glauben sorgen. Und der heißt: Kapitalismus und Christentum. Kapitalismus ist Wettbewerb der Christen um die wenigen Plätze im Himmelreich, übersetzt in Geld- und Machtverhältnisse.

„Es waren diejenigen, die ihr Kapital angehäuft und sogar verdoppelt hatten, zu denen der Herr sagte. „Wohlgetan, du guter und getreuer Knecht, du hast über weniges treu gewaltet, ich will dich über vieles setzen: nimm teil an der Freude des Herrn.“ (Andrew Carnegie, Das Evangelium des Reichtums)

Die Feier der Geburt Christi ist deutsch, weshalb staatliche Weihnachtsfeiern ohne Ochs und Esel im Lande Merkels schlechthin ausgeschlossen sind. Fassungslos schreibt BILD-Wagner an die Integrationsministerin:

Unsere besinnliche Zeit heißt Weihnacht. Sie sagen dieses Wort nicht, als wäre es vergiftet. Warum sagen Sie nicht, dass in Deutschland Weihnachten gefeiert wird? Es ist die Weihnachtszeit. So viele Flüchtlinge leben mit uns. Die Lichter auf den Weihnachtsmärkten, die Darstellung der Krippen. Jesus wurde in einem Stall geboren. Warum sagt die Staatsministerin für Integration nicht das Wort Weihnacht?“ (BILD.de)

Dabei ist Weihnachten überhaupt keine christliche Feier. Ein kurzer Blick in ein theologisches Lexikon würde genügen:

„Weihnachten ist nicht das ursprüngliche Geburtsfest Christi. Die Feier des Weihnachtsfestes in der alten Kirche beginnt erst im 4. Jahrhundert. Bis dahin war der Widerstand gegen das Fest bei den Kirchenvätern stark. Man hielt es für eine heidnische Sitte. Dass der römische Bischof den 25. 12. zur Feier der Geburt Christi bestimmte, hatte seinen Grund darin, dass Kaiser Aurelian diesen Tag zum Fest der Sonne ausersehen hatte. Der Sieg Christi, der wahren Sonne, über den heidnischen Kult sollte auf diese Weise verkündet werden.“ (Religion in Geschichte und Gegenwart)

Fast alle kirchlichen Feiern waren heidnischen Ursprungs. In der Überlagerung heidnischer Rituale durch christliche erkennt man das Sieges-Schema des Christentums über die Welt. Die Missionierung der Völker erfolgt nicht zaghaft und allmählich, sondern in direkter Attacke auf die vitalen Zentren der Völker. Die Römer verehrten die Sonne als einen der höchsten Götter, also musste der Erlöser das Allerheiligste der Ungläubigen im kürzesten Sturmlauf erobern und zum wahren Licht der Welt erklären.

Entweder Oder, Alles oder Nichts. Mit Umwegen, Kleinigkeiten und Halbheiten geben sich die neuen Eigentümer der Welt nicht zufrieden. Wer nicht für sie ist, ist gegen sie. Eigentümer der Welt?

„Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt kannte es nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, die an seinen Namen glauben; welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.“

Schon die Kinder Israels waren das „Volk des Eigentums“. Jesus, der seine Botschaft ursprünglich nicht als Perlen unter die heidnischen Säue werfen wollte, entschloss sich, sein Heil in ein Angebot an alle Völker zu verwandeln. Das war kein Universalismus und keine Gleichheit vor Gott, der die Seinen in unergründlicher Willkür schon längst ausgewählt (prädestiniert) hatte. Es war nur ein Scheinangebot, um die Verwerfung der Meisten mit dem Image der Gerechtigkeit zu versehen. Sie waren selbst schuld, wenn sie die Stimme der Verheißung nicht ernst nahmen.

Israel wurde als Volk des Eigentums verworfen. Ab jetzt waren Christen die wahren Kinder Gottes. Diese Bestrafung Israels wurde zum theologischen Urgrund des abendländischen Antisemitismus. Die judenhassenden Christen fühlten sich als Werkzeug Gottes, die den Zorn des Herrn in vorauseilendem Gehorsam exekutierten.

Warum ist der Kapitalismus christlich? Weil Christen die ganze Erde, ihr an den Satan verlorenes Eigentum, im Lauf der Geschichte zurückerobern müssen, um es Gott wieder vor die Füße zu legen.

„Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daß ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ (Petrus-Evangelium)

„So hat er uns ja in ihm erwählt vor Grundlegung der Welt.“ (Epheser)

Die Welt ist Eigentum des Mannes, der sich für omnipotent erklärt. Gegen diese unfassliche Dreistigkeit der Männer haben die Frauen bis heute kein Gegenmittel gefunden, weshalb die Loslösung von der Religion noch nicht zur Loslösung vom Manne führte.

Die Gründe sind nicht schwer nachzuvollziehen. Als der römische Kapitalismus, der von saturierten Gelehrten der Gegenwart noch immer nicht als schlimmster Deklassierungs- und Ausraubungskapitalismus der Geschichte anerkannt wird, die Völker ausgesaugt hatte, dass das Volk, zumindest in Rom, auf tägliche Massenfütterung angewiesen war, gehörten die Frauen zu den Schwächsten der Schwachen. Da das Evangelium versprach, die Brutalität der weltlichen Macht aufzulösen, gehörten die Frauen zu den ersten und glühendsten Nachfolgerinnen des Heilands, dessen Leiden am Kreuz zudem ihre Mutterinstinkte hervorriefen.

Doch die versprochene Freiheit wurde zur größten Unfreiheit, weil der Heiland der Sohn jenes Gottes war, der zum bedingungslosen Gehorsam unter die von Ihm eingesetzten Obrigkeiten verpflichtete. Das war aus dem Regen in die Traufe.

Wen Jesus erwählt, der ist nicht mehr das Erzeugnis seiner biologischen Mutter, nicht mehr Fleisch von ihrem Fleisch, nicht von einem irdischen Vater erzeugt, sondern von Gott geboren. In der Taufe wird der alte Mensch vernichtet und in einen neuen umgewandelt. Die Taufe wird wiederholt im kannibalistischen Abendmahl, wenn Leib und Blut Jesu, nicht nur im metaphorischen Sinn, in der Gestalt von Brot und Wein den Empfänger zur neuen Kreatur macht.

Gab es den historischen Jesus? Es gibt keinerlei historische Belege. Fast alle Jesusgeschichten sind Übernahmen von heidnischen Göttergeschichten.

Die abendländische Kultur der Fakten, Fakten, Fakten und der kühlen Ratio beruht auf Mythen, Legenden und einem unfassbaren Numinosen. Noch heute muss man beim Lesen heiliger Schriften nicht seinen Verstand aktivieren und die übliche Bedeutung der Buchstaben und Wörter entschlüsseln, sondern mit übermenschlicher Deutungskunst die alten Texte nach Belieben in jede erwünschte Zeitgeistphilosophie verwandeln. Wer nicht vom Heiligen Geist beseelt ist, sollte sich an der Schrift nicht in profaner Torheit vergreifen.

Während die technische Fortschrittskultur sich zur endlosen instrumentellen Vernunft weiterentwickelt, versinken ihre Standbeine im Sumpf von Magie und Märchen.

„Wie Adonis war Jesus von einer geweihten Tempeljungfrau in einer Grotte geboren worden. Wie Adonis und Osiris wurde er in Form von „Brot“ rituell gegessen. Daher nannte er sich „Brot Gottes.“ Wie der phrygische Frühlingsgott Attis starb Jesus zur Tagundnachtgleiche im Frühling den Opfertod, aus dem er nach drei Tagen wiederauferstand, zu Gott wurde und gen Himmel fuhr. Wie Orpheus und Herakles erlitt er Höllenqualen, lüftete er das Geheimnis des ewigen Lebens und versprach, alle Menschen zu sich in die Ewigkeit zu holen. Wie Mithra und andere Sonnengötter feierte er seinen Geburtstag zur Wintersonnenwende. Auch Osiris und Tammuz wurden „gute Hirten“ genannt. Aus Dionysos, Vishnu, Mithra, Adonis und anderen Göttern wurde die Mixtur Jesu‘, des Erlösers.“

Celsus, römischer Philosoph und Religionskritiker, notierte, „dass im ganzen Reich Bettler und Vagabunden vorgäben, Wunder zu tun und gottgleich zu sein.“ Sie simulierten Anfälle, die das Ende der Welt prophezeiten und gaben sich als Erlöser aus:

„Jeder erzählte das gleiche: «ich bin Gott» oder «ein Sohn Gottes und bin gekommen, weil die Welt untergehen wird und auch Du, Mensch, wirst an deiner Ungerechtigkeit zugrunde gehen. Ich aber will Dich erretten und Du wirst mich, mit himmlischen Kräften ausgestattet, wiederkehren sehen. Gesegnet, wer mich jetzt verzehrt. Auf alle anderen, auf ihre Städte und Länder werde ich immerwährendes Feuer werfen. Die Menschen, die ihre Strafe jetzt bagatellisieren, werden umsonst bereuen. Jene aber. Die an mich glauben, sollen ewig leben.»“

Diese Heilandsschwemme erinnert an die deutschen Verhältnisse am Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Dritten Reiches, wo „an jeder Straßenecke ein vollbärtiger Prophet und Wundermann den nahen Untergang des Reiches behauptete“.

Oswald Spengler machte aus dieser Stimmung des Wechsels aus Nihilismus und Heil seinen Weltbestseller „Untergang des Abendlandes“. In den 20er Jahren verdichtete sich die Heilandsschwemme zur Figur dessen, der da kommen soll: zum Sohn der Vorsehung, der den Heiligen Geist über sein Volk ausschütten würde. So C. F. von Weizsäcker, der sich als 12-Jähriger dem Geist der Bergpredigt und als Erwachsener dem Führer verschrieb. Für ihn eine Konsequenz des Heiligen Geistes.

Zauberer und Wundermänner gab es auch im römischen Reich an jeder Straßenecke. Jesus erklärte, er könne jederzeit mehr als 12 Legionen (72 000) Schutzengel anfordern. Die Fähigkeit, übers Wasser zu gehen, gehörte zum Standardrepertoire orientalischer Heiliger.

Das Wunderklima erhitzte sich zusehends an sich selbst, sodass es bald nichts mehr Unerhörtes gab, das nicht von irgendjemandem versprochen wurde. Dies alles kulminierte in Tertullians Satz: Je absurder, umso glaubhafter; je unmöglicher, umso gewisser.

Auch die verschiedenen Predigtinhalte Jesu waren zumeist Übernahmen aus anderen Kulturen. Das Vaterunser stammt aus alten ägyptischen Gebeten an Osiris. Auch die Bergpredigt enthält kein Originalmaterial.

Fassen wir zusammen: „Trotz jahrhundertelanger Forschung ist ein historischer Jesus noch nicht ans Licht getreten. Seine Geschichte scheint nicht bloß von Mythen überlagert, sondern im Kern mythisch zu sein.“ (Barbara Walker)

Vom Mythos zum Logos: so beschrieb Wilhelm Nestle die Entwicklung der griechischen Kultur von Homer bis zur Vernunft der demokratischen Aufklärung. Heute hat sich alles ins Gegenteil verkehrt. Der mühsam erkämpfte Nachkriegs-Logos der UN-Menschenrechte wird mehr und mehr verabschiedet. An seine Stelle treten Mythen, Legenden oder – Lügen.

Fake-News sind Willkür-Aussagen der Mächtigen, die die Wahrheit zu ihren Zwecken domestiziert haben.

Zuerst hatte sich die theologische Willkür-Hermeneutik erkühnt, die unfehlbare Wahrheit der Offenbarung in Wünschdirwas-Ideologien zu verwandeln.

Dann kam die Postmoderne und begann, die Wahrheit in beliebig viele subjektive Meinungen zu zersplittern.

Schlusspunkt ist das Schleifen der Fakten-Bastion. Wenn schon jeder seiner eigenen Wahrheit oder Unwahrheit frönt, sollten wenigstens die empirischen Fakten stimmen. Das ist der letzte objektive Stützpunkt, an dem sich die Medien verkrampft festhalten. Vergeblich.

Selbst, wenn Fakten richtig sind, können sie lügen. Wie das? Indem irrelevante Fakten erhoben werden, die nichts beitragen zur Erkenntnis der Zeit, erwecken sie die trügerische Illusion, zur Durchdringung der Gegenwart beizutragen.

Beispiel: über die verhängnisvolle Rolle der Religion wird nicht recherchiert. Unglaublicher geht es nicht: das Abendland brüstet sich, ein christliches zu sein. Doch das Christentum wird in keiner historischen Analyse zur Erkenntnis der Gegenwart unter die Lupe genommen.

Es ist noch verhängnisvoller. Die Geschichte soll sich nicht wiederholen, also könne man sie ignorieren. Unter wiederholen wird eine Eins-zu-Eins-Rekapitulation verstanden, was Nonsens ist. Das Unbearbeitete wiederholt sich: das war der Wirkungskern der Freud‘schen Psychotherapie, die längst zur Bedeutungslosigkeit verkommen ist.

Vergangenheits-feindliche Therapien wie die Verhaltenstherapie nach Muster der Skinner‘schen Konditionierung bestimmen die heutige Therapieszenerie. Wir schauen nicht zurück. Das Innere des Menschen ist eine unerkennbar-belangslose black box. Der Mensch funktioniert wie eine programmierte Maschine. Die KI der Roboter ist vor allem durch die Verwandlung des Menschen in einen Reiz-Reaktions-Mechanismus vorbereitet worden.

Was hat Jesus mit Ödipus zu tun? In älteren heidnischen Religionen wurde der Vater in regelmäßigen Abständen durch Mutter & Sohn vom Thron gestürzt, womit der Epoche tyrannischer Väter das allmähliche Ende bereitet wurde. Ödipus wusste es nicht, doch er tat es: er heiratete die Mutter und tötete einen Fremden, der sein Vater war.

Jesus war zum Vatermord zu schwach. Er wurde vom Vater zum Kreuzgang und Martertod verurteilt, aber er wehrte sich nicht: Lass diesen Kelch an mir vorübergehen, doch dein Wille geschehe.

Während im ödipalen Griechenland die Macht der Väter geschrumpft wurde, um die Gleichheit aller Söhne – und später aller Menschen – zu erkämpfen, verstärkte die fehlgeschlagene Rebellion des Sohnes die Macht des Vaters ins Unermessliche: sie eroberte die Welt und bestimmt immer mehr die Prinzipien der Weltpolitik.

Den Amerikanern ist die Bedeutung der Religion klar. Die führende Rolle der Religion ist für sie unabdingbar, sie halten es für ihre Pflicht als Kinder Gottes, die Prophezeiungen der Schrift in die Realität umzusetzen.

In Sachen Religion verhalten sich die Deutschen wie der Lümmel in der Klasse. Er stänkert gegen alles, doch wehe, ein Neuer spricht Schlechtes über den Lehrer, dann gibt’s Saures: der Lehrer ist der Vater des Lümmels.

Weihnachten steht vor der Tür, das Fest des Kindes, der Lügen, Legenden und Fake-News. Trump wird wegen seiner Lügen gescholten, obgleich er mit der Wahrheit nicht anders umgeht als die Deutschen mit der Heiligen Schrift: was wahr ist, bestimmen immer noch wir.

Zwei Entwicklungsströme scheinen irreversibel auseinanderzubrechen: die instrumentelle Ratio der Technik – und die suizidale Irrationalität politischer Ziele. Nur technische Visionen dürfen heute erdacht und realisiert werden. Humane Utopien gelten als totalitär. Dabei wäre es lebenserhaltend, dass humane Ziele Technik, Fortschritt und Wirtschaft vollständig kontrollieren würden.

Das endgültige Auseinanderbrechen der beiden Strömungen wird zusammenfallen mit dem Zusammenbruch der Menschheit.

 

Fortsetzung folgt.