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Sofort, Hier und Jetzt XXXVI

Sofort, Hier und Jetzt XXXVI, 

es waren Frauen, die die Wahlen gewannen. Mister Trump und seine Erektionskumpane werden sich noch wundern, wenn kesse Rivalinnen bei der nächsten Begegnung ganz beiläufig in den präsidentiellen Schritt fassen – um sich mit spöttischem Lächeln abzuwenden.

Erhält die Welt eine Chance, friedlich zusammenzuwachsen und die geschundene Natur zu retten? Ohne universalistische Frauen wird das nicht mehr gehen. Wer für Leben zuständig ist, weiß, dass alles Leben geschützt werden muss, um das eigene zu retten.

Partikularismus – oder technischer, nationaler und religiöser Überlegenheitswahn – ist nicht nur von allen Geistern verlassen, sondern selbstmordgefährdet. Nicht mehr lange und die Amerikaner werden ihren Urkonflikt auskämpfen: Ist Universalismus eine religiöse Angelegenheit oder muss das Heilige dorthin verbannt werden, wo es kein Unheil mehr anrichtet: ins Kämmerchen?

Wer sich und seine kostbare Seele retten will, soll das mit seinem Gott ausmachen.

Wer sich und die Welt retten will, muss das mit der Menschheit ausmachen.

Was hingegen geschieht in Europa, bis vor kurzem das bewunderte Labor der Völkerverständigung in aller Welt?

„Emmanuel Macron fordert die Bildung einer gemeinsamen europäischen Armee. ohne eine „wahre europäische Armee“ könnten die Europäer nicht verteidigt werden. Mit Blick auf „Russland, das an unseren Grenzen steht und das zur Bedrohung werden könnte“, dürften sich die Europäer „nicht allein auf die USA verlassen“. Macron begründete seine Forderung mit der Warnung vor „autoritären Mächten, die an den Grenzen Europas aufsteigen und die sich wieder bewaffnen“. Europa müsse sich verteidigen „mit Blick auf China, auf Russland und sogar auf die USA“. Der von

  US-Präsident Donald Trump angekündigte Rückzug aus dem INF-Abrüstungsvertrag mit Russland sei eine Gefahr für Europa. „Wer ist das Hauptopfer?“, fragte Macron – und gab selbst die Antwort: „Europa und seine Sicherheit.“ (Sueddeutsche.de)

Macron sieht entzaubert aus. Als er furios begann, wollte er Europa reanimieren. Eine mächtige Frau aus deutschen Gauen aber sagte tonlos: Non, mon ami.

Bei der Haudrauf-Truppe hingegen war sie sofort mit von der Partie. Europa wird zum Opfer der Weltmonstermächte. Selbst vor amerikanischen Freunden muss sich der alte Kontinent in Acht nehmen. So ändern sich die Zeiten. Einst ging die Welteroberung von Europa aus. Heute muss Europa sich warm anziehen, damit Chinesen nicht nur Hallstadt und die französischen Weingebiete im Sturmlauf erobern. Durch gemeinsame Feinde will das zerrüttete Europa wieder zusammenfinden.

Der hohen Frau in Berlin steht die Krönung ihrer irdischen Laufbahn bevor. Durch Rückzug wird sie zur Heiligen der Deutschen erhoben, nein, entrückt werden. Der Sankt Jakobsweg für deutsche Pilger wird nicht in Santiago enden, sondern in – Templin.

Was ist der amerikanische Grundkonflikt?

Die amerikanischen Urrebellen gegen den englischen König beriefen sich auf religiöse Gründe, um ihre Revolution zu rechtfertigen.

„Die Steuereintreiber kamen und forderten, was des Königs sei, worauf die Siedler antworteten: „Wir haben keinen König außer Jesus“.

Jesus ist in keinem einzigen Gründungsdokument der amerikanischen Revolution erwähnt. In der Verfassung sind Kirche und Staat strikt getrennt. Wieder einmal sehen wir, wie wahre Demut am Ende ihre verdiente Belohnung erhält: die Absage an eine Staatskirche wurde mit einem flächendeckenden, politik-beherrschenden Sieg des Glaubens belohnt.

Die religiösen Kräfte hatten lange stille gehalten in Gottes eigenem Land. In der Ära Reagan begann nicht nur der Neoliberalismus, sondern die triumphale Rückkehr der Frommen. Doch erst unter dem wiedergeborenen Dabbelju Bush verwandelte sich das Heilige in eisenharte Politik nach innen wie nach außen.

Ein Drittel der „Babyboom-Generation“ akzeptierte die biblische Darstellung der Schöpfungsgeschichte. Die Welt wurde in sieben Tagen erschaffen und die Evolutionstheorie ist eine Versuchung des Teufels. Kreationisten (von creatio ex nihilo: die Schöpfung aus Nichts) begannen gegen gottlose Wissenschaften zu wüten. Heute geben 50% aller Weltraumphysiker an, mit ihren Forschungen den Gott ihrer Kindheit zu suchen.

Es begann die „spirituelle Konfrontation“. „Es wird satanische Kräfte geben, gegen die wir kämpfen müssen. Die Schlacht um die Rückeroberung der Seele wird nicht angenehm werden, aber wir werden sie gewinnen.“

Deutsche Journalisten glauben, Tiefsinniges zu sagen, wenn sie vom gespaltenen Amerika sprechen. Was den Kontinent wirklich spaltet, bleibt unerwähnt. Soziale Konflikte, und seien sie noch so flagrant, können so weltbewegend nicht sein, wenn unsterbliche Seelen um ihre Seligkeit fürchten. Wer nur soziale Probleme zu beklagen hat, wie die Deutschen, will damit sagen: kindische Seligkeitsprobleme sind uns abhanden gekommen. Wir sind erwachsen geworden.

In PHOENIX-TV wurde ein amerikanischer Journalist gefragt, welches Land gespaltener sei: Amerika oder Deutschland? Er konnte nur müde lächeln. Im Vergleich mit seinem Land ginge es hier geradezu gesittet zu. Soviel zum Thema, bei uns spreche niemand mit niemandem mehr.

Wer in Amerika gewählt werden will, kann sich Gottlosigkeit nicht leisten. Sollte der neue Kontinent aber Ernst machen mit dem Kampf zwischen Glauben und Vernunft – wie amerikanische Feministinnen es schon vor Jahrzehnten forderten – wird Deutschland nicht lange abseits stehen.

Es geht nicht um blutleere Auseinandersetzungen, wie man sie hierzulande gerne führt: Gibt es einen Gott? Kann man ihn beweisen? Sondern um die letzte Schlacht am Ende aller Tage. Die Menschheit befindet sich in der Endzeit.

Deutsche sollten das Thema eigentlich kennen. Doch sie bevorzugen den Modus der Totalverdrängung. Vor nicht allzu langer Zeit kämpften sie um den Endsieg der Geschichte. Das sollte man wissen, wenn man, wie heute wieder, den Kampf gegen aufkommenden Antisemitismus führen muss. Leider ohne gründliche Anamnesen.

Der nationalsozialistische Vernichtungskampf gegen die Juden war endgeschichtlich motiviert. Man kann Hitler & Co nicht verstehen, wenn man seine apokalyptische Panik nicht sehen will:

„Ich war vom schwächlichen Weltbürger zum fanatischen Antisemiten geworden. Nur einmal noch – es war das letzte mal – kamen mir in tiefster Beklommenheit ängstlich drückende Gedanken. Als ich so durch lange Perioden menschlicher Geschichte das Wirken des jüdischen Volkes forschend betrachtete, stieg mir plötzlich die bange Frage auf, ob nicht doch vielleicht das unerforschliche Schicksal aus Gründen, die uns armseligen Menschen unbekannt, den Endsieg dieses kleinen Volkes in ewig unabänderlichem Beschlusse wünsche?“

Hitler war solange ein zitternder Schwächling und Weltbürger, solange er unsicher war, ob das unergründliche Schicksal nicht doch diesem „kleinen Volk“ zum Endsieg verhelfen würde. Dann wär‘s um ihn und die Deutschen geschehen. Sein oder Nichtsein, Juden oder Deutsche? Diese entsetzliche Frage musste beantwortet werden. Die Antwort war das schrecklichste Völkermorden der Geschichte. Weltbürger, Kosmopolit, wurde zum Schimpfwort im Dritten Reich.

Auch Amerikas Biblizisten denken eschatologisch (Eschatologie = die Lehre von den letzten Dingen). Aber in einer anderen Variante. Die amerikanische Apokalypse ist geprägt von den Prophezeiungen John Darbys, eines englischen Pastors aus dem 19. Jahrhundert:

Eine Folge von bestimmten Ereignissen werde die letzten Tage unserer Welt ankündigen. Zu ihnen gehören Krieg, das Aufkommen einer neuen politischen und weltwirtschaftlichen Ordnung (Globalisierung ist aus amerikanischer Sicht nicht nur ein profanes ökonomisches Geschehen) und die dem Abraham verheißene Rückkehr der Juden ins Heilige Land.

Plagen werden über die Erde kommen, der Antichrist wird die Macht über die Welt an sich reißen. Nach der Schlacht von Armageddon werde Christus zum zweiten Male wiederkommen und das Endreich Gottes auf Erden errichten. Das glückliche Ende aber hänge von der Bekehrung der Juden ab, von denen sich Gott seit Jesu Tagen abgewandt hatte.

„Die Bekehrung der Juden aber kann nur stattfinden, wenn die Juden im Besitz des gesamten Landes sind, das Gott ihnen geschenkt hat.“ „Mit anderen Worten, diese Christen unterstützen die Juden, um sie abschaffen zu können.“

Der amerikanische Antisemitismus ist ein scheinbarer Philosemitismus. Israel wird deshalb so vehement und einseitig unterstützt, damit die Juden möglichst bald zum christlichen Glauben konvertieren. Sie sind nur Mittel zum Zweck. Was aber, wenn sie sich „störrisch“ weigern? Dann käme der „Dritte Weltkrieg“.

Zu den vielen Anhängern dieses schein-heiligen Philosemitismus gehört auch Michael Greerson, der die Reden für Dabbelju Bush schrieb und im Weißen Haus sein Büro unmittelbar neben dem des Präsidenten hatte. Kann es jemanden verwundern, dass fundamentalistische Christen die islamischen Führer von Saladin bis Saddam Hussein als möglichen Antichrist betrachteten?

Unter Rückgriff auf Darby hieß es weiter: „Nach sieben Jahren satanischer Herrschaft werden Christus und die Heiligen, vermutlich repräsentiert durch George W. Bush und seine Mitarbeiter, zurückkehren und in der Schlacht von Armaggedon, einem antiken Schlachtfeld bei Haifa, über das Böse triumphieren. Christus wird anschließend in Jerusalem das von diesen Gläubigen ersehnte „1000-jährige Reich“ errichten und 1000 Jahre friedlich regieren.“

Das 1000-jährige Reich ist identisch mit dem Dritten Reich. Bei Hitler hieß es: die Juden oder wir, die Deutschen. Die amerikanische Lösung klingt judenfreundlicher. Die einstigen Feinde Jesu werden sich bekehren und zusammen mit den gläubigen Christen den Endsieg in Jerusalem feiern. Hier die Katastrophe, dort die Harmonie – aber nur als Illusion. Platzt die Illusion, verlieren die Endzeitchristen die Geduld mit ihren bislang Verbündeten, die Folgen werden schrecklich sein.

Im heutigen Kampf gegen den Antisemitismus werden nur lärmende Aggressionen gegen das Judentum als Symptome des Antisemitismus gewertet. Zumeist in Form absoluter Gewissheit. Wiederholt jemand Schlagwörter der Nazis, muss er selbst ein Nazi sein. Das ist hölzern, unbeholfen und kann völlig falsch sein. Was zumeist nur Verdacht sein kann, wird aus politischen Verwertungsgründen als Gewissheit dargestellt. Wer etwa Lügenpresse skandiert, muss Antisemit sein, denn auch die Nationalsozialisten hatten jüdische Presseorgane als Lügenpresse beschimpft.

Das ist die Crux mit dem Bösen. Solange keine eindeutigen Taten vorliegen, verbleibt alles im Modus des Ahnens und Verdächtigens. Taten jedoch sollten unbedingt verhindert werden. Was ist zu tun?

Wir haben es hier mit „psychoanalytischen“ Deutungen zu tun, die auf mehrere Symptome angewiesen sind, damit der Patient sie nachvollziehen kann. Der beste Beweis für eine treffliche Analyse wäre das psychische Aha-Erlebnis, gefolgt vom Gefühl der Befreiung und der Symptomreduktion. Im Feld der Öffentlichkeit aber sind solche Reaktionen nicht zu erwarten.

Naturwissenschaftliche Beweise für die Richtigkeit dieser Deutungen kann es keine geben – solange kein genialer Hirnforscher den Ödipuskomplex in der Amygdala entdeckt. Wer sich bei Freud kundig macht, wird feststellen, dass psychische Deutungen auf plakative Eindeutigkeiten verzichten müssen. Aggressive Äußerungen können antisemitisch sein, sie könnten aber auch nur eine Form „ehrlicher Selbstreinigung“ sein, die den Hass nach ventilierender Tat in Wohlgefallen auflöst.

Umgekehrt kann demonstrativer Philosemitismus eine besonders vertrackte Form von Antisemitismus sein – wie wir an BILDs Hass gegen die Palästinenser erkennen, der nichts anderes sein kann als ein Ersatz-Hass für einen tief verdrängten Antisemitismus. Umkehrung ins Gegenteil: oft sind Symptome nicht, was sie zu sein scheinen. Wer Israel liebt und dessen Feind hasst, kann auch Israel nicht lieben. Der Welt vermittelt er ein Bild von Israel, das bei den Völkern auf Hass und Ablehnung stoßen muss.

Die wirksamste Prophylaxe gegen Antisemitismus wäre eine sinnvolle Aufklärung aller historisch-religiösen Ursachen in Schulen und gesellschaftlichen Debatten. Wenn blanker Judenhass gewalttätig wird, ist bereits unendlich Vieles in einer Biografie schief gelaufen.

Die notwendige religiöse Erinnerungsarbeit aber unterbleibt in unserer Gesellschaft. Das Christentum hat sich erneut mit zeitgeist-kompatiblen Nachdeutungen der Schrift aus der Affäre gezogen und ist wieder unschuldig wie am Ersten Tag.

Verschärfend kommt hinzu, dass kritische Äußerungen an Israel zunehmend als antisemitische Äußerungen gedeutet werden. Solche Deutungen sind nicht auszuschließen. Wer sie aber vorträgt im Stil der Unfehlbarkeit, erweckt den ebenso plausiblen Gegenverdacht, er wolle mit Hilfe des Antisemitismus-Vorwurfs alle Kritik an Israel delegitimieren. Besonders dann, wenn diejenigen, die Kritik an Israel gnädig gestatten, selbst keine üben.

Das trifft auch auf die deutsche Regierung zu, die es – aufgrund unbearbeiteter Schuld – nicht wagt, frisch und frei Netanjahus verheerende Politik zu kritisieren. (Den brasilianischen Präsidenten Bolsonaro, der mit faschistischen Tönen den Wahlkampf gewann, nennt Netanjahu „meinen Freund“). Feigheit, resultierend aus unbearbeiteten Schuldgefühlen, führt zu maßlosen Loyalitätsschwüren, die alle kritische Distanz zum Schweigen bringen.

Allein die gefühlte Kompliziertheit des deutsch-jüdischen Verhältnisses belastet die Beziehungen mehr, als wenn die Menschen über alle Aspekte aufgeklärt wären. Das Gefühl der Belastung verstärkt die Schuld, die Schuld wiederum die Belastung, bis eines Tages die ganze Verschärfungsspirale explodieren wird.

Und sie wird. Was unbearbeitet ist, wiederholt sich. Die Undurchschaubarkeit des Problems verschärft die Antisemitismus-Problematik. Dass man nicht fertig wird mit diesem leidigen Komplex, wird am Ende wem angelastet? Den Juden.

Die Deutschen haben keine Ahnung von der Geschichte der Juden, vom Alten Testament und vom Neuen Testament, von ihren vermeintlichen Unterschieden, von der christlichen Religion. Bei solchen psychischen Pfropfenbildungen und Ignoranzen kann es keine Problembefreiung geben.

Ab der Romantik versuchen protestantische Alttestamentler, sich von der „judaisierten und aufgezwungenen“ Form des christlichen Glaubens zu lösen, indem sie sich vom jüdischen Alten Testament distanzieren. Aber nicht durch eine komplette Lösung von der Bibel, sondern durch scharfe Entgegensetzung des Alten Testaments vom Neuen Testament.

Angesteckt durch die Graecomanie der Klassiker nähern sie die Figur des Jesus dem Vorbild Sokrates. Paulus, der Jude, habe den Inbegriff eines reinen Menschen wieder in jüdische Vorstellungen zurückgeholt und verfälscht. Das Neue Testament müsse vom jüdischen Einfluss gereinigt werden, um den hellenischen Gehalt vor allem der Bergpredigt wieder herzustellen.

Die Theologen schafften es nicht, sich radikal von der Heiligen Schrift zu trennen und zur heidnischen Autonomie der Griechen überzugehen. Ihre Jesusverehrung unter Verachtung alles Jüdischen ließ den Antisemitismus der Urchristen neu vitalisieren. Dies führte zur zunehmend hasserfüllten Ablehnung alles Jüdischen. Alttestamentler gehörten zu den fanatischsten Unterstützern der Nationalsozialisten.

Von diesen Vorgängen will die Kirche heute nichts mehr wissen. Was sie verdrängen will, verleugnet sie mit allen Mitteln einer Wissenschaft, die von den Gemeinden fern gehalten wird. Die Gemeinden werden so unmündig gehalten, dass sie alle neuen Pseudoerkenntnisse ihrer Hirten als Offenbarungen empfinden.

In den USA erleben wir nicht weniger tückische Varianten des christlich-jüdischen Verhältnisses, die weltpolitische Auswirkungen haben. Denn die geradezu identische Politik von USA und Israel wird von der Welt als hinterlistige Leistung übermächtiger Juden verstanden, die die Christen am Nasenring führen. In Wirklichkeit geht es um eine verhängnisvolle Scheinsymbiose aus Juden und Christen.

Die theologische Unterstützung Israels durch amerikanische Fundamentalisten beruht auf wörtlicher Bibelexegese. Christliche Zionisten erklären, nur dem Ruf Gottes im Alten Testament zu folgen, wenn sie die Idee eines Großisraels unterstützen, die die Annexion der seit 1967 besetzten Gebiete rechtfertigt.

Die Verteidigung der israelischen Menschen- und Völkerrechtsverletzungen ist bei amerikanischen Biblizisten oft heftiger und unduldsamer als in Israel selbst. Wie kommt das bei kritischen Juden an?

„Die meisten führenden Juden haben sich entschlossen, achselzuckend die Unterstützung der Christen zu akzeptieren und sie lange auf ihre Bekehrung warten zu lassen. Doch nicht alle teilen diese Haltung:

«Sie lieben das echte jüdische Volk nicht, erklärte Gershom Gorenberg. Sie lieben uns als Figuren in ihrer Geschichte, in ihrem Stück, und das sind wir nicht. Wenn man sich das Drama anhört, das sie schildern, geht es im Grund um ein Stück in fünf Akten, bei dem die Juden im vierten Akt verschwinden.»“

Nicht Trump ist der erste, der biblische Weltpolitik betreibt. America first ist kein ordinärer nationaler Egoismus, sondern Auserwähltheitspolitik, die die Heilige Schrift als Agenda einer modernen Weltmacht benutzt. In den Worten eines Beobachters:

„Ist es möglich, im 21. Jahrhundert zu glauben, ein vor 3500 Jahren von einem kleinen Stamm semitischer Nomaden designierter Gott könne den Amerikanern diktieren, wie sie ihre Außenpolitik zu führen haben?“

Trump ist Fundamentalist mit den Manieren eines Rüpels, der sich der Gnade seines Herrn sicher ist. Uri Avnerys Kennzeichnung der Bush-Politik passt auch vollständig auf Trump. (Nur Bushs persönliches Verhalten war über-ich-gesteuerter als das des jetzigen Präsidenten):

„Der Stil ist eine Mischung aus Größenwahn, Arroganz, Ignoranz und Oberflächlichkeit. Eine explosive Mischung.“

In der WELT lehnt Hannes Stein es entschieden ab, als Jude den christlichen Antisemitismus bekämpfen zu müssen:

„Am wichtigsten dürfte aber die Einsicht sein, dass Antisemitismus kein jüdisches Problem ist: Es handelt sich um eine Krankheit und ein Problem der Nichtjuden. Erstens in dem Sinne, dass der Antisemitismus lediglich das Medium ist, in dem sie versuchen, ihre eigenen und inneren Krisen zu bewältigen. Zweitens ist der Antisemitismus ein Problem der Gojim, weil sie sich damit am Ende selber schaden: Spanien etwa leidet im Grunde bis heute darunter, dass es 1492 – in einem Anfall von katholischem Wahnsinn – seine gesamte gebildete jüdische Mittelschicht von der iberischen Halbinsel vertrieben hat. Drittens: Es ist ganz einfach nicht die Aufgabe der Juden, den Judenhass zu bekämpfen. Es ist vielmehr die moralische Aufgabe, vor die sich all jene Nichtjuden gestellt sehen, die keine Antisemiten sind.“ (WELT.de)

Das ist realitätsflüchtig und demokratie-unverträglich. Antisemitismus ist eine Inhumanität der Gesellschaft, die von allen Demokraten analysiert und bekämpft werden muss. Was wären das für Staaten, die sich nicht um ihre Unangepassten, Opfer und Verbrecher kümmerten? Was wären das für Ärzte, die ihre Kranken nach Hause schickten mit der Bemerkung: für die Entstehung der Krankheiten seien sie nicht zuständig?

Eine humane Gesellschaft versucht alles in ihrer Macht Stehende, gesetzeswidriges Verhalten schon in statu nascendi zu verhindern – oder post festum die Chance der Reintegrierung zu schaffen. Kein Sozialarbeiter käme auf die Idee, seine Hilfestellung würde das Fehlverhalten seines Delinquenten erst verursachen.

Schon aus Selbstschutzgründen muss eine Gesellschaft alles tun, um Schaden von ihren Menschen fernzuhalten. Der Schwur der Kanzlerin ist der Schwur jedes humanen Demokraten:

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

Man kann sich für unfehlbar erklären, um sich mit abstoßenden Defiziten der Gesellschaft nicht zu besudeln. Das wäre Partikularismus, das Gegenteil universeller Moral.

 

Fortsetzung folgt.