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Sofort, Hier und Jetzt XXVI

Sofort, Hier und Jetzt XXVI,

die Menschheit wächst zusammen – in steigender Empörung. Weltweit kocht es. Empörung weiß, dass es so nicht weitergehen kann, nicht weitergehen darf. Noch weiß sie nicht, wie es weiter gehen soll.

Die Diskrepanz zwischen dürfen und sollen ist gefährlich, sie kann in einer allgemeinen Tragödie enden.

Dennoch ist die schmerzlich gefühlte Kluft zwischen Sein und Sollen unerlässlich und überlebensnotwendig: nur wer weiß, dass es so nicht weiter gehen kann, ist fähig, Auswege aus der Gefahr zu suchen.

Wo Gefahr ist, ist das Rettende noch nicht. Von selbst wird es sich nicht einstellen. Doch der Leidensdruck der Kreatur drängt zur Einsicht. Mitteninne zwischen universellem Gefühl des Scheiternkönnens und universeller Erkenntnis des Rettenden: da stehen wir, diese Kluft müssen wir überbrücken.

Kosmopolitische Ethik war nicht erfolglos. Sie hat es zum weltweiten Gefühl des Ungenügens gebracht, zur Empfindung des Mangels, der unausbleiblichen Kehrseite des Fortschritts. Dem Leiden ist unbekannt, wie es überwunden werden kann – und will dennoch überwunden werden. Das Gefühl des Leidens ist dabei, die Menschheit miteinander zu verbinden.

Die Mächtigen haben sich zur Internationalen des Erfolgs zusammengeschlossen und tun, als konkurrierten sie miteinander.

Die Abgehängten haben es zur internationalen Solidarität noch nicht geschafft. Erfolg verbindet, Misserfolg trennt – bis jetzt.

Doch allmählich beginnt das Gesetz, sich zu verändern. Wenn jeder Mensch weiß,

  wie es jedem Menschen auf Erden ergeht, wird sich globales Wissen in globale Solidarität verwandeln.

Fortschritt ist von seinem Erfolg so geblendet, dass er seine Schattenseiten verleugnet. Stets wurden die Nachteile der technischen Weltverbesserung vernachlässigt oder unterschlagen. Inzwischen haben sie sich zu einer gigantischen Selbstvernichtungswoge aufgetürmt und drohen, die Menschheit zu überschwemmen. Stets konnte der Fortschritt mit summierten Vorteilen überzeugen, die getrennte Nachteile in den Schatten stellen würden.

Jetzt, zum ersten Mal in der Geschichte, haben sich die Nachteile so addiert, dass sie die Vorteile überholen und das Ganze vernichten können. Befürworter des Fortschritts haben die Nachteile der technischen Erfindungen stets getrennt, um sie als isolierte zu verharmlosen.

Die Klimakatastrophe aber ist mehr als die einzelne Kehrseite eines weiteren Fortschritts-Schubs. Sie ist die SUMMA aller bislang verleugneten Nachteile. Ein Fortschritt, der grenzenlos sein will, muss irgendwann seine grenzenlosen Nachteile offenbaren. Der Fortschritt ist so maßlos geworden, dass er sich in einen irreversiblen Rückschritt verwandeln wird, wenn er nicht zur Raison kommt.

Fortschritt ist die ununterbrochene Steigerung des Komplexen. Das einfache Leben muss kompliziert werden, damit es überlebensfähig wird. Wenn alle Völker im Wettbewerb liegen, kann sich niemand aus der Hatz ausklinken, wenn er nicht Gefahr laufen will, von einem komplexeren Fortschritt ins Abseits gedrängt, ja von ihm gelöscht zu werden.

Fortschritt brillierte bislang mit der Verheißung wachsender Freiheit. Doch Fortschritt ist galoppierendes Wissen und Wissen ist Macht. Macht aber ist Erzfeind der Freiheit – und eines wahren Wissenwollens.

Das ist der Geburtsfehler der Moderne. Solange Macht gebändigt werden kann, dient sie dem Menschen. Entgleitet sie aber der demokratischen Kontrolle, wird sie zur Bedrohung der Ohnmächtigen.

Wird Macht zur führenden Klasse, ohne von der Gesellschaft korrigiert zu werden, droht sie, zur Allmacht zu werden. Totalitarismus ist nur möglich bei einer gigantischen Akkumulation der Macht. Sei es durch Religion, sei es durch religionsgleiche Technik. Für Fellachen war der Pharao nicht weniger mächtig als die technische und ökonomische Macht der gegenwärtigen EINPROZENT für die Massen der Abhängigen.

Mag der Fortschritt den Kleinen gewisse Vorteile bringen: letztendlich liegt er in den Händen der Mächtigen, die die Freiheit der Machtlosen mühelos deformieren können. Die Macht der Vorteile der Eliten wird, gemessen an den geringen Machtzuwächsen des Demos, proportional immer überlegener. In totalitären Staaten wird die Kontrolle über die Massen verhängnisvoll perfekt. Sollte China zur führenden Macht der Welt werden, werden seine Überwachungsmethoden in allen Staaten der Welt eingeführt. Sei es aus Faszination, sei es aus Opportunität.

Komplexität ist die Nachfolge-Kategorie der göttlichen Allmacht. Gott sieht alles, hört alles, weiß alles, durchschaut das Innere des Menschen. Nichts bleibt ihm verborgen. Die Menschen kennt er besser als sie sich selbst. Allwissenheit ist die notwendige Folge seiner Allmacht und Allgegenwart. Omniszienz, Omnipotenz und Omnipräsenz: das ist die trinitarische Formel seiner Unfehlbarkeit, der kein irdisches Wesen entkommen kann.

Eben das sind Ziele des technischen Fortschritts. Der Mann will Gott werden. Er ist überzeugt, die Unüberbietbarkeit eines Gottes zu besitzen. Er ist worden wie Unsereiner: so erstaunt ein Gott über seine Geschöpfe, die in selbsterfüllender Prophezeiung Gott werden wollen.

Wenn Eliten dem Volk die Fähigkeit absprechen, komplexe Abläufe zu begreifen, spielen sie Gott, der die Weisheit der Heiden zur Torheit erklärt. Es ist die Zivilisation der Eliten, von ihnen erfunden, von ihrer Kreativität am Reißbrett entworfen. Die Maloche aber, mit der ihre phantastischen Ideen konkretisiert wurden, musste der Pöbel leisten.

Der Knecht leistet niedrige Arbeit, doch es gelingt ihm nicht – wie Hegel behauptet –, mit der Macht des Wissens den Herrn ans Kreuz zu binden. Hegels Glorifizierung der dienenden Arbeit – die zur Herrschaft über den Herrn führen sollte – wurde zur Glorifizierung der arbeitenden Proleten, die eines fernen Tages, aber nicht durch eigene Kraft, die Herrschaft der Herren abservieren würden.

„Wir waren die ersten, die erklärt haben, dass die Freiheit des Individuums um so mehr beschränkt werden muss, je komplizierter die Zivilisation wird.“ (Mussolini)

So weit sind wir bereits, dass ein führender italienischer Politiker den ersten Faschisten Europas in aller Öffentlichkeit als Vorbild preist. Auch deutsche Führerverehrer glauben, der wachsenden Komplexität des Alltags nicht anders Herr zu werden als durch einen despotischen Führer der Komplexität.

Komplexität ist das Undurchschaubare, dem man ausgeliefert ist. Es übersteigt das Fassungsvermögen der Einfachen, die man abfällig als Simpel bezeichnet. Dabei war Einfalt oder das Einfache einst das Wertvolle und Herausgehobene.

„Edle Einfalt und stille Größe“ war die charismatische Formel Winkelmanns für die griechische Kunst. Heute gilt das genaue Gegenteil: Kunst ist diabolische Vielfalt und lärmende Trivialität. Da die äußere Welt täglich wüster wird, droht die Kunst überflüssig zu werden. Mit der Bestialität der Wirklichkeit kann sie nicht mithalten.

Naivität war Einfalt des Herzens, die von Priestern als heilige Einfalt in Besitz genommen wurde. Doch Naivität, die natürliche Reinheit des Herzens, verträgt sich nicht mit angeborener Erbsünde.

Wenn Säuglinge ungetauft starben, wanderten sie bis vor kurzem in die Zwischenhölle. Das Bild des Kindes schwankt noch heute zwischen Engel und Teufelchen. Sind sie Engel, müssen sie nicht erzogen werden. Sind sie Teufelsbraten, können sie nicht erzogen werden, denn das Böse ist unkorrigierbar. Nur Wirkungen eines Sakraments sind in der Lage, den kleinen Gottseibeiuns zu zähmen.

Genetiker wandeln auf den Spuren der Theologen, wenn sie jede Erziehung der Kinder für Kokolores halten. Gott ist für sie in die DNA geschlüpft, die das Verhalten des Menschen dominiert.

Das Komplexe wurde nicht nur zum Vorwand der Faschisten, unterkomplexe Massen an die Leine zu legen. In Form des Überwältigenden, Rasenden und Gewalttätigen wurde es zum Kern der modernen Kunst:

„Wir wollen preisen die angriffslustige Bewegung, die fiebrige Schlaflosigkeit, den Laufschritt, den Salto mortale, die Ohrfeige und den Faustschlag.

Wir erklären, daß sich die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennwagen, dessen Karosserie große Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichenein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.

Zeit und Raum sind gestern gestorben. Wir leben bereits im Absoluten, denn wir haben schon die ewige, allgegenwärtige Geschwindigkeit erschaffen.

Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt –, den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.

Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören und gegen den Moralismus, den Feminismus und gegen jede Feigheit kämpfen, die auf Zweckmäßigkeit und Eigennutz beruht.

Die starke und gesunde Ungerechtigkeit wird hell aus ihren Augen strahlen. Denn Kunst kann nur Heftigkeit, Grausamkeit und Ungerechtigkeit sein.“

Marinetti, Verfasser des Futuristischen Manifests, war ein glühender Verehrer Mussolinis. Seine Ideen beherrschen heute die Welt des Fortschritts. Alles muss futuristisch, von rasender Beschleunigung, antifeministisch, moralfeindlich, militant, vergangenheits-allergisch und absolutistisch sein. Der Macht des Menschen sind keine Grenzen gesetzt.

Geistesbeschränktheit, Krankheit und Tod sind bereits durch KI überwindbar – oder es steht kurz davor. Der Mensch kann das Universum erobern und unsterblich werden. Seinem Ausbeutungswillen sind keine irdischen Grenzen gesetzt. Wenn irdische Natur ihren letzten Seufzer tut, sind die Rädelsführer des Absoluten unterwegs in ihr neues Kanaan im Universum.

Amoralismus und Rausch der Geschwindigkeit sind auch die Wahnideen führender Schlechtmenschen, die – wie WELT-Poschardt – den Hauch des Abgrunds herbeisehnen. Am Steuer eines neuen Ferrari kommt er dem Kitzel am nächsten, dem Abgrund noch einmal davon gekommen zu sein.

„Wo Mobilität ist, ist Stau. Eigentlich, so wissen auch die leidenschaftlichsten Autofahrer, ist es vorbei mit der Idylle freier Straßen im sonnigen Licht. Autobahnen sind verstopft, Flughäfen sind verstopft, Radwege sind verstopft, Fußgängerzonen sind verstopft. Wo Mobilität ist, drohen Chaos und Stillstand. Dennoch werden die Autos schneller, rasanter, wilder, so als wäre die Welt voller leerer Rennstrecken. In den neuen Fahrzeugen materialisiert sich eine Sehnsucht nach der für immer verlorenen goldenen Zeit der Fortbewegung und des Reisens. Dafür ist der Portofino das ideale Spielzeug. Auch bei hohem Tempo bleibt es hinter der Scheibe friedlich.“ (WELT.de)

Auch bei hohem Tempo ist es hinter der Scheibe friedlich. Besser lässt sich die Logenperspektive der Medien nicht beschreiben. Draußen wütet es zur gruseligen Unterhaltung, drinnen in der Redaktion muss wohltemperierter Anstand herrschen. Freie Fahrt den Tüchtigen – ist endgültig vorbei. Selbst die Süchtigsten wissen, dass die zivilisierten Gegenden verstopft sind. Gerade deshalb beten sie Geschwindigkeit an als das letzte Mittel, den Verstopfungen auf den letzten unberührten Wegen der Natur zu entgehen. Militante träumen davon, mit Karacho die unerträglichen Staus dieser Welt von hinten her aufzurollen.

Stau entsteht, wenn man glaubt, alles erreicht zu haben – wie in Bayern, wo Heimatplakate vom Paradies von allen Parteien gezeigt wurden. Wer beschleunigten Progress gewöhnt ist, den graut‘s vor utopischen Blockaden. Der muss die erbärmliche Zufriedenheit der Vielzuvielen mit Hunderten PS demolieren, damit der blockierte Zug ins Unbegrenzte wieder Fahrt aufnehmen kann.

Geschwindigkeit ist Aggression gegen den Menschen und Krieg gegen die Natur. Der Meditation der Natur überlässt sie nicht, wie die Dinge sich entwickeln können. Die Entwicklungsgeschwindigkeit der Evolution muss im Labor rasant erhöht werden. Kaufet die Zeit aus, war der Leitspruch Benjamin Franklins, der nichts mehr dem Zufall überlassen wollte. Zeit ist Geld: wer die Zeit zum Rasen bringt, kann sich vor sprudelnden Gewinnen nicht mehr retten.

Man kann den Stau der Menschheit entweder mit magischer Fulguration zu durchbrechen suchen oder man kann die ersten Todesmeldungen der Gattung abdrucken:

„Die schrumpfenden Mittelschichten der Industriestaaten krallen sich mit aller Kraft an ihren verbliebenen Wohlstand – und wählen zunehmend Populisten, die eine Rückkehr zu goldenen Zeiten vergangener Jahrzehnte versprechen. Seriöse Politiker fürchten sich derweil davor, dem Wähler radikalen Wandel zuzumuten. Die notwendigen Reaktionen erfolgen in keinem der beiden Fälle. Fest steht nur eines: Den Kampf gegen den Klimawandel haben wir auf diese Weise schon verloren.“ (SPIEGEL.de)

Wenn Elitisten grenzenlosen Wohlstand propagieren, sind sie Hüter des irdischen Hauses. Wenn andere die Rückkehr goldener Zeiten versprechen, sind sie – Populisten. Jeder, der führende Klassen als Bedrohung empfindet, ist Populist, selbst wenn er dasselbe verspricht wie seine Konkurrenten, die er vom Sessel der Macht stoßen will.

Seriöse Politiker sollen sich fürchten, dem Wähler einen radikalen Wandel zuzumuten? Lächerlich. Seriöse Politiker tun nichts anderes, als ihre Schäfchen ins Unbekannte zu führen. Fortschritt ist Staatsreligion. Indem sie auf ungebremsten weiteren Fortschritt setzen, tun sie nichts anderes, als – radikalen Wandel zu blockieren. Denn Fortschritt ist uraltes Gesetz seit dem Beginn des christlichen Abendlands. Wer Wandel durch Fortschritt will, will keinen Wandel, sondern den – alten Fortschritt, der nie ausgebremst werden darf.

Die Zeit ist kurz, die Zeit der Ernte ist kommen. Wachet, denn ihr wisst nicht die Stunde, da der Herr kommen wird.

Wachen ist Beschleunigen, um die Wartezeit abzukürzen. Wer das Gaspedal tritt, sieht den Herrn früher, denn die Zeit des Wartens hat er abgekürzt.

Komplexität ist handeln – ohne zu wissen, was man tut. Das Handeln des Fortschritts ist so kompliziert geworden, dass man sich in „Demut“ schicken und der Hybris entsagen muss, zu wissen, was man tut.

Denn sie wissen nicht, was sie tun: für Sokrates war das ein Vorwurf an die Menschen und die Aufforderung, sich zu besinnen auf die Grundsätze einer autonomen Moral.

Für Jesus war das eine Verdammung der Menschen, die unfähig sind, ihre Sündenlust zu durchbrechen und sich selbst zu erkennen. Nur Er kennt die Seinen.

Die Menschheit kann nicht wissen, was sie tut. Voraussagen als hochgerechnete Prognosen des Gegenwärtigen sind deshalb unzulässig. Als der Club of Rome seine ersten Warnungen aussprach, war es ein weltbekannter Ökonom, der die Prognosen des ökologischen Clubs zerriss:

„Es ist ein Beispiel jener Arroganz der Intellektuellen, dass sie glauben, sie können – oder müssen – voraussagen, wie sich die Dinge in Zukunft entwickeln werden. Das Verlangen, dass wir sehen sollen, wie die Welt in hundert Jahren ausschaut, ist einfach absurd.“ Sprach Hayek im Kreise von Nobelpreisträgern, die sich beim Papste trafen.

Hayek rief auf zu intellektueller Bescheidenheit und betonte, es sei Aufgabe der Preisträger, vor der Zerstörung menschlicher Werte durch wissenschaftliche Arroganz zu warnen. Stattdessen sollte man die Bedeutung des in Tradition und Religion gespeicherten Wissens achten. Olof Palmes Buchtitel „Die Zukunft ist machbar“ erschien ihm als gefährlicher Ausdruck eines hybriden Sozialismus, der sich durch Vernunft am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen wolle. Die heutige Debatte um eine irreversible Klimakatastrophe würde er für einen Wahn der Aufklärung halten.

Zusammen mit Niklas Luhmann verwahrte sich Hayek gegen die These des Club of Rome von der Verknappung der Rohstoffe. „Das sei einfach Unsinn und nicht wahr. Durch die Entdeckung neuer Lagerstätten würden fast alle bekannten Rohstoffvorkommen stets zunehmen.“

Und zu Hambach würde er sagen: „Wenn wir wirklich vor der Kohle so viel Angst haben, können wir uns auf die viel gesünderen und viel weniger gefährlichen Atomkraftwerke verlassen.“

Dass sein Neoliberalismus dazu beitrug, die Kindersterblichkeit in der Welt nicht zu reduzieren – ja zu vergrößern: dazu hatte er auch eine dezidierte Meinung:

„Wenn wir garantieren, dass jeder am Leben erhalten wird, der erst einmal geboren ist, werden wir sehr bald nicht mehr in der Lage sein, diese Versprechen zu erfüllen. Gegen die Überbevölkerung gibt es nur die eine Bremse, nämlich dass sich nur die Völker erhalten und vermehren, die sich auch selbst ernähren können.“

Hayeks Biograf H. J. Hennecke (dessen Biografie alle Zitate entnommen sind) hält folgende Worte für angemessen, um Hayeks Wirtschaftsrassismus zu charakterisieren:

„In Bezug auf das Bevölkerungswachstum vertritt Hayek eine Auffassung, die ihm den Vorwurf des Sozialdarwinismus einträgt, die er aber konsequent verteidigt, weil er davon überzeugt ist, dass sie die einzig verantwortliche und einlösbare moralische Position ist: „Für eine Welt, die auf egalitäre Ideen gegründet ist, ist das Problem der Überbevölkerung unlösbar.“

Wenn man etwas konsequent verteidigt, muss es richtig sein?

Wir rätseln, woher die „hasserfüllten, fremdenfeindlichen, identitären Parolen der Rechten“ herkommen? Aus dem Bauch des bösen Volkes, das nicht bis Drei zählen kann?

Oh, gewiss, Massen bestehen aus vielen Individuen, die alles sein können: gut und böse und alles, was dazwischen liegt. Nur: Waren es Eliten, die im Hambacher Forst auf die Bäume kletterten? Waren es Eliten, die sich in Berlin zu vielen Tausenden Fremden- und Naturfeinden entgegenstellten? Waren es Eliten, die den Flüchtlingen eine Willkommenskultur bereiteten? (Und Schleppern eine zynische Freude bereiteten, weshalb sie inzwischen vor den Kadi gestellt werden – gell?)

Eliten halten sich für allein kompetent, die komplexen Probleme der Zeit – nicht zu lösen. Denn wer sie lösen wollte, die halten sie für hybride Vernünftler, faschistische Gutmenschen. Es genügt ihnen, wenn sie komplexe Probleme in die Welt setzen. Den Rest überlassen sie höheren Mächten.

Komplexität ist das Ziel einer Moderne, die das Universum erobern will, aber zu keiner menschenfreundlichen Moral fähig ist. Den Himmel erobern, indem man die Erde preisgibt: das ist die Ideologie der Elitisten, die ihr chaotisches Verhalten als „Demut“ bezeichnen.

„Religionen stellen für Hayek moralische Zustände dar, deren Erfolg letztlich davon abhängt, dass sie die richtigen Moralvorstellungen vermitteln: Religionen sind Hüterinnen der moralischen Grundlagen einer Zivilisation.“

Und welche Religionen sind das?

„Nur solche Religionen haben langfristig überleben können, die wie das Christentum den Privatbesitz und die Familie als zentrale Werte geschützt haben.“ „Nur der wirtschaftliche Erfolg der Völker sei es gewesen, der über die Ausbreitung der Religion entschieden habe. Religionen konnten sich nur erhalten, weil sie eine Wirkung hatten, die sie selbst nicht mehr verstanden.“

Das Christentum eroberte die Welt, weil es die richtige Wirtschaft predigte: den göttlichen Neoliberalismus – sagt eine Stimme, die höher ist denn alle Vernunft: Wer hat, dem wird gegeben, wer nicht hat, dem wird noch genommen, was er hat.

„Die Herrschaft über die Welt ist unserem Herrn und seinen Gesalbten zuteil geworden und er wird herrschen in Ewigkeit.“

 

Fortsetzung folgt.