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Umwälzung XLVIII

Hello, Freunde der Umwälzung XLVIII,

willst du Frieden, dann bereite dich vor auf den Frieden.

Wenn du Frieden willst, warum erträgst du ihn nicht?

Wenn du Frieden willst, frag dich, warum er in Gefahr ist.

Willst du Frieden, überleg dir, warum du ihn gefährdet hast.

Wenn du Frieden willst, warum denkst du unfriedlich?

Wenn du glaubst, deine Feinde zu lieben: warum hast du dir Feinde geschaffen? Brauchst du Feinde, um sie als böse Menschen zu diffamieren und dich als Inbegriff des Guten anzubeten?

Willst du Frieden, dann wolle nicht nur. Sondern tue.

Willst du Frieden, dann sag es allen, die es hören oder nicht hören wollen.

Du schämst dich, das Wort Frieden in die Welt zu schreien? Schäm dich, dass du dich schämst.

Frieden? Wie peinlich. Moral? Wie weibisch, wie rückwärtsgewandt. Da ist kein Pep, kein Vorwärtskommen, keine Zukunft. Wer Risiko will, muss das Äußerste wagen.

Krieg ist Genie, brillantes Risiko. Fortschritt ist Vernichten des Alten. Das Neue ist fruchtbare Zerstörung, Kampf um Sein oder Nichtsein. Frieden ist das Unbewegliche und Unkreative, das Verrottete und Hinfällige: das Alte, das auf den Schrotthaufen der Geschichte gehört.

Wer Frieden will, muss reden, streiten, sich auseinandersetzen. Wer streiten will, muss den anderen verstehen. Wer den anderen verstehen will, muss sich

verstanden haben. Wer sich verstehen will, muss sein Werden erfasst, seine Vergangenheit erarbeitet und nicht verdrängt haben. Wer seine Vergangenheit verleugnet und nur in die Zukunft starrt, versteht weder sich noch die anderen.

Was geschah in Deutschland, als die Menschheit – nach einer langen Friedensepoche – zum ersten Mal wieder um den Weltfrieden bangte? Kamen normale Menschen zu Wort? Änderten die TV-Anstalten ihr Programm? Schalteten sie um auf die Marktplätze der Republik? Konnten gewöhnliche Leute ihre Meinung sagen? Gab es spontane Gesprächsrunden – mit BürgerInnen aus allen Schichten? Gab es Fernschaltungen, um Deutsche mit Franzosen, Griechen, Amerikanern – und Russen, Chinesen, Syrern und Israelis zu verbinden? Schlug die Stunde der Laien, der kleinen Leute, der vernachlässigten Malocher? Konnten Jugendliche mit Bürgermeistern, Ministerinnen, Industriebossen, mit Iris Berben und Friede Springer die Weltlage erörtern?

Auch wenn die Welt unterginge: das heilige Wochenendprogramm musste unangetastet bleiben. Listigerweise hatte Trump den Abschuss seiner Friedensraketen mit Anne Wills Urlaubstermin abgleichen lassen, sonst wäre das Weltereignis in Deutschland unkommentiert geblieben.  

„Spaß muss sein“ in deutschen Wohnstuben, auch wenn die Großen mit dem Schicksal der Gattung Roulette spielen. Wenn roma aeterna unterginge, im Kolosseum müssen die wilden Tiere losgelassen werden, damit der Pöbel nicht auf die Idee kommt, seine verantwortungsvollen Eliten zur Verantwortung zu ziehen.

Gibt es Frühschoppen mit internationaler Besetzung? Nur als Ersatz bei tagelangem Sport. In erkenntnislosen Gesprächsrunden sind nur Eliten zugelassen. Das Volk darf Fragen stellen wenn Wahlen anstehen.

Gibt es offizielle Erklärungen der nationalen und internationalen Politik – wie bei Macron? Nicht mal die schreiendsten Widersprüche werden in Berlin mit einem Satz erläutert. Dass Deutschland den militanten Widersinn des Westens befürwortet, sich aber nicht beteiligt, wird in einem tonlosen Nebensatz mitgeteilt. Der Kanzlerin, einer säkularen Mutistin, sind die irdischen Worte ausgegangen. Sie spricht biblisch oder gar nicht. Im Labyrinth ihrer täglich wechselnden Erleuchtungen, gedanklichen Rösselsprünge, Lügen und Antagonismen ist Merkel spurlos verschwunden.

Owe, wohin ist sie verswunden, die hohe frowe?

Liute unde lant, dar inn ich von kinde bin erzogen,
die sint mir fremde worden reht als ob ez sî gelogen.

Diu welt ist allenthalben ungnâden vol.
Als ich gedenke an manigen wünneclîchen tac,
die mir sint enpfallen als in daz mer ein slac,
iemer mêre ouwê.   (Walther von der Vogelweide)

Die öffentlich-rechtlichen Circenses versagen, die Politik schweigt oder stammelt in progressiver Wirrnis.

Die Waffen der Deutschen verrotten, doch ihre Leitkultur wird immer militanter.

„Die soziale Marktwirtschaft ist Leitkultur und Erfolgsmodell in Deutschland. Arbeit und Aufstieg gehören zu dieser Leitkultur“ – beschwört ein Arbeitsminister. (BILD.de)

Es gibt a) rationale Arbeit als Überlebens-Mittel und b) fluchwürdige Arbeit als Krieg gegen Mensch und Natur. „Arbeit heißt die Welt vernichten oder fluchen“.

Aufstieg ist a) Verrat der eigenen Herkunft und b) sich ranschmeißen an Führungsklassen, für welche Arbeit und Demokratie unvereinbar sind.

Absteigen von seinem hohen Ross, sich nicht hochmütig absondern, sich stattdessen auf gleicher Augenhöhe auf dem Marktplatz zeigen – das wäre das Ziel einer gleichwertigen Gesellschaft. In einer lebendigen Demokratie gibt es kein Oben und Unten, kein Auf und Ab. Wo immer man steht und ohne Abstiegsängste sein Leben verbringt, da ist der Platz, den man nicht verlassen muss, um sich wohl zu fühlen. Mensch, wo immer du bist, an diesem Platz bist du Mensch, hier kannst du‘s sein. In einer humanen Gesellschaft herrscht bedingungslose Angstfreiheit – oder es ist keine humane Gesellschaft.

Grenzenlose Weltvernichtungs-Arbeit, um unendlichen Bedürfnissen zu gehorchen, verschärft den Endkampf um ausgehende Rohstoffe und ökonomische Vorherrschaft: Rivalen sollen erbarmungslos degradiert werden.

Arbeit als Zweck an sich ist lebenslanges Rennen, um der drohenden Todesstrafe von der Schippe zu springen. Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen: das ist das Damoklesschwert, die Todesdrohung einer religiösen Arbeitstyrannei.

Arbeit als Bestrafung, Aufstieg als Verletzung der Gleichwertigkeit aller Menschen: das sind die zwei Ur-Faktoren einer auf Endkampf angelegten Militanzkultur. Wenn Arbeit und Aufstieg deutsche Leitkultur sein sollen, muss Deutschland eine ökonomische Kampfmaschine sein.

Arbeit und Aufstieg sind friedensfeindliche Zwillinge. Sie sind grenzenlose Gesellen, die an keiner Stelle be-friedbar sind. Doch ohne Be-friedigung keinen Frieden. Deutschland ist besessen von endloser Sucht nach einem erfüllten Leben, das es durch endlose Bedürfnisse selbst verhindert. Die jetzige Aufstiegs-Arbeit befriedigt keine Bedürfnisse, sie erfindet und schafft ständig neue bis ins Grenzenlose. Die Missachtung des Endlichen, die Anbetung des Unendlichen verhindern jeden Frieden auf Erden.

Der Wettbewerb der Klassen und Nationen ist kein friedensstiftendes Mittel. Wenn der bedingungslose Egoismus der Nationen religiöse Pflicht ist, muss jeder Wettbewerb, der nicht gewonnen wird, in Krieg umschlagen.

Wirtschaft ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Die jetzige Weltkrise ist zugleich die Krise des Frei-Handels, den die Ehrgeizigsten gewinnen müssen. Droht ihnen Abstieg, werden sie aggressiv und kriegslüstern, um ihrer drohenden Schande zuvorzukommen.

Die akkumulierende Digitalisierung der Weltwirtschaft wird die Rivalität der Völker noch verschärfen. Sollte der Fortschritt der Technik den Flug zum Mars ermöglichen, sollte zugleich das Ende der Gattung auf Erden drohen, wird der Fortschritt der Maschinen den Wettbewerb der Nationen in ein Finale um Sein oder Nichtsein zuspitzen.

In Deutschland verschärft sich die Friedlosigkeit von Tag zu Tag. Der Angriff der Westmächte gegen syrische Gasproduktionsstätten – von dem alle wussten, er wird kein einziges Problem lösen, sein „Symbolcharakter“ kann nur Demonstration der Stärke und Ablenkung von internen Schwierigkeiten sein – wird von BILD-Horn hymnisch besungen. Trump wird vom Image des unberechenbaren „Hipsters“ befreit und zum Moral-Heros der freien Welt ernannt.

Was absehbar war, ist Ereignis geworden. Trump ist die Inkarnation einer verlässlichen Tugend, die nicht Moral heißen darf, sondern Anstand genannt werden muss:

„Stärker als meine Angst ist aber meine Scham über meine Heimat Deutschland, die es nicht schafft, klare Kante gegen Assad und Putin zu zeigen. Stattdessen zeigt uns jetzt zum zweiten Mal ausgerechnet Möchtegernpolitiker Trump, was Anstand ist. Anstand ist keine Kosten-Nutzen-Rechnung. Man hat ihn oder man hat ihn nicht. Die USA, Großbritannien und Frankreich haben ihn.“ (BILD.de)

Man hat Anstand – oder nicht: das ist Anstands-Rassismus einer Nation, die sich täglich überschlägt beim Verfluchen der Moral und sie aus Feigheit als Anstand verhökert.

„Der gute, ehrbare Anstand ist ein äußerer Schein, der andern Achtung einflößt (sich nicht gemein zu machen). Überhaupt ist Alles, was man Wohlanständigkeit (decorum) nennt, von derselben Art, nämlich nichts als schöner Schein.“ (Kant)

Nun dürfen wir gespannt sein, welch reichen und skrupellosen Gigolo BILD erwählen wird, um ihn durch alle Skandale hindurch zum deutschen Trump zu immunisieren und zu promovieren. Ein gewisser Schröder, schon lange jenseits von Gut und Böse, wäre genau der Richtige – wäre er nicht dummerweise ein Spezi Putins.

Deutschland weiß nicht, woran man einen Christen erkennt. Wie Gott steht Trump über allen Gesetzen dieser Welt: daran erkennt der Herr die Seinen. Vorsichtshalber wird auch BILD frömmer von Tag zu Tag. Ein BILD-Parade-Christ wehrt sich, dass die Kirchen sich für befugt halten, Trumps Liebesaktion zu verwerfen und für alle Christen zu sprechen.

„Die Katholiken und Protestanten haben damit offiziell zu den Luftangriffen gegen Assad gesprochen. Aber nicht für mich! Kein Christ wird Bomben und Raketen gedankenlos bejubeln. Aber ob man den Angriff für richtig hält, vielleicht sogar christlich – das entscheiden keine Kirchen-Politiker, sondern jeder Gläubige für sich selbst in seiner Verantwortung vor Gott.“ (BILD.de)

Unschwer zu erkennen ist hier die postmoderne Relativität des christlichen Glaubens. Jeder Gläubige entscheidet allein für sich – vor Gott. Der Gewissens-Elitismus der Abgeordneten ist hier zum Gewissens-Adel aller Frommen geworden. Eine verbindliche Morallehre scheint es nicht zu geben:

„Denn DIE EINE christliche Antwort gibt es hier nicht. Die Bibel macht es uns nicht leicht. Seit Jahrhunderten streiten Theologen (ich bin keiner) über eine Haltung zum Krieg. Ich weiß nicht in jeder Situation, was Gottes Wille ist. Auch ich kann nur beten, die Bibel lesen, nachdenken.“

Wie kommt der fromme Schreiber dazu, seine Haltung christlich zu nennen, wenn er nicht weiß, was christlich ist? Wenn es verbindliche Direktiven gar nicht zu geben scheint? Und dennoch weiß er, dass seine Mordswut eine göttliche, ja eine nächstenliebende sein muss:

„Ich finde es richtig, dass Assad mit Bomben und Raketen angegriffen wird. Nicht aus Mordlust, Vergeltung oder Bestrafung. Sondern aus Liebe zu den Menschen – unseren Nächsten, die er abschlachtet.“

Womit BILD erfolgreich zurückgekehrt ist in die Epoche der kirchlichen Kreuzzüge: Deus lo volt: das Zurückerobern der heiligen Stätten, das Abschlachten der Andersgläubigen geschah nicht aus Hass, sondern aus dem liebenden Willen Gottes. Die westlichen Raketen waren Liebesbotschaften an Assads Regime. Nicht an Assad persönlich. Sonst hätten sie ihn mitten in seinem Palast heimsuchen müssen, um ihn von seinem sündigen Leben zu befreien. Assads Gas-Experten arbeiten längst in unbekannten Erdbunkern, ihre unwichtigsten Labore haben sie den Feinden überlassen.

Der Westen musste sich wieder beweisen, dass seine Waffen himmlische Boten sind. Wo ferngelenkte Adventskugeln einschlagen, da hat der Geist zugeschlagen, der weht, wo er will. Das ist das bezaubernde Charisma der christlichen Religion, dass sie alles und nichts ausschließt, alles und nichts vorschreibt – und dennoch weiß der Christ, dass er jeden Glaubensfeind im Namen seines Herrn massakrieren darf.

Was war die „symbolische“ Botschaft der ferngelenkten Nächstenliebe? Ungläubige Welt, zieh dich warm an, wenn du dich den Interessen des Westens nicht unterwirfst. Jeder Punkt auf dieser gottgesegneten Erde könnte der nächste sein, der von Gottes Liebe getroffen wird. Was war das Fazit der nächtlichen Aktion? Dass Assads Position noch sicherer geworden ist.

Es gibt unzählige Tote im syrischen Bürgerkrieg – und kein Westen fühlte sich bislang getrieben, das Morden zu beenden. Warum ausgerechnet soll der Tod durch Gas die rote Linie sein, die kein Despot straflos übersteigen darf? Es hängt mit der deutschen Vergangenheit zusammen:

„Der Grund dafür, dass die zivilisierte Welt sich darauf geeinigt hat, den Einsatz von Gas nie wieder hinzunehmen, ist die deutsche Geschichte. Assads Nervengas Sarin wurde von Nazi-Wissenschaftlern zusammen mit Zyklon B entwickelt.“ (BILD.de)

Nicht die Schrecklichkeit der Waffen wird primär ins Feld geführt, sondern die böse Innerlichkeit der Erfinder. Auch hier entscheidet der Glaube, die Gesinnung. Warum werden nicht alle atomaren Allvernichtungswaffen geächtet? Warum keine ferngelenkten Drohnen? Keine selbstentscheidenden Killer-Roboter? Die Leiden der Opfer werden nur vorgeschickt, um die wahren Motive der Vergeltung zu verdecken.

Umso schlimmer die Verweigerungshaltung Berlins? Haben Merkel und Co nichts aus der Geschichte gelernt? Mit gewaltiger prophetischer Scheltrede antwortet Bundeswehr-Historiker Wolffsohn:

„«Wir sind dafür, doch nicht dabei», klagt Bundeswehr-Historiker Michael Wolffsohn. Mehr als 80 Prozent der Deutschen seien, wie die Bundesregierung, GEGEN Militäreinsätze. Wolffsohn: «Auf der einen Seite hören wir seit Jahrzehnten ,Nie wieder Auschwitz!‘. Über die damals von deutschem Gas Ermordeten wird heute in Deutschland geweint, gegen die jetzige Auschwitz-Variante wird nichts getan. Unsere Hauptverbündeten beklagen schon lange diese bundesdeutsche Drückebergerei. Jetzt fragen sie bei uns nicht einmal mehr an.»“ (BILD.de)

Sind Holocaust-Vergleiche in Deutschland nicht verboten? Auch wenn Wolffsohn nur von einer Auschwitz-Variante spricht: er verstößt gegen ein deutsches Tabu.

Das Verbot eines Holocaust-Vergleichs ist nur sinnvoll, wenn der Vergleich die Schuld der Deutschen relativieren soll. Jede Schuld ist absolut. Sie mag so klein oder groß sein, wie sie will. Denn jede Schuld ist einmalig. In jeder anderen Hinsicht sind Vergleiche unvermeidlich. Allein dadurch, dass etwas unvergleichlich sein soll, wurde es schon verglichen.

Wenn Militäraktionen, die von höherer Warte befürwortet werden, rechtfertigt werden sollen, sind Auschwitz-Vergleiche seltsamerweise gestattet und geboten. Wenn Joschka Fischer die deutsche Teilhabe am umstrittenen Balkan-Krieg rechtfertigen will, darf er sagen: Nie wieder Auschwitz. Doch bei allen Schrecklichkeiten in Sarajewo: mit Auschwitz hatten sie nichts zu tun.

Jetzt soll die Intervention in Syrien als heilige Notwendigkeit dargestellt werden und erneut muss der Auschwitz-Vergleich die deutschen Drückeberger an den Pranger stellen.

Wäre Merkel Pazifistin, hätte sie die Aktion nicht gutheißen dürfen. Sie gutzuheißen und dennoch die Teilnahme zu verweigern, ist ein Versagen allen Denkens. Die deutsche Regierung entlarvt hier den Rest ihrer Glaubwürdigkeit.

Die Bevölkerung verurteilt mehrheitlich den Raketenangriff und dennoch gibt es kein Aufbegehren gegen die neue Regierung. Was sagt das über die Integrität der Bevölkerung?

Wolffsohn verstößt gegen seine eigenen Grundsätze, wenn er einen Krieg, den er par force unterstützt, mit befremdlichen Auschwitzvergleichen befürwortet. Auch hier: Doppelmoral, wohin man blickt.

Für Alan Posener war der Angriff nur eine halbherzige Alibiaktion. Er fordert die deutsche Regierung auf, sich an Israel zu orientieren:

„Die Luftschläge gegen Assads Chemiewaffenindustrie waren notwendig, aber nicht ausreichend. Es ist nicht einzusehen, warum seine Einflüsterer ungeschoren davonkommen sollten. Israels jüngste Militärschläge in Syrien weisen den Weg.“ (WELT.de)

Was fordert Posener konkret?

„Maulheldentum reicht nicht. Raketen und Bomben reichen nicht. Der Preis für Russlands Griff nach der Weltmacht muss viel höher sein.“

Viel höher? Das klingt mehr als gefährlich. Schließt Posener einen direkten russisch-amerikanischen Zusammenstoß nicht aus? Weshalb sind Israels Militärschläge vorbildhaft für den Westen?

Vielleicht gibt ein ZEIT-Artikel die rechte, von Posener nicht ausgesprochene, Antwort:

„Israelische Kabinettsmitglieder heizen den Syrien-Konflikt weiter an: „Wir werden dem Iran nicht erlauben, sich in Syrien festzusetzen“, warnt ein israelischer Minister. Der Minister für innere Sicherheit, Gilad Erdan, sagte im Armeeradio, wenn sich der Iran in Syrien militärisch festsetze, bedeute dies eine „Bedrohung für Israels Sicherheit“. Bildungsminister Naftali Bennett erklärte, Israel gestehe sich „vollständige Handlungsfreiheit“ zu. „Wir werden dem Iran nicht erlauben, sich in Syrien festzusetzen“, fügte er hinzu.“ (ZEIT.de)

„Vollständige Handlungsfreiheit“ heißt: Israel wird sich an keine Völkerrechte halten. Wenn Netanjahu den richtigen Zeitpunkt für gekommen hält, wird er sich von keinem UN-Beschluss an einem Angriff gegen iranische Streitkräfte in Syrien, möglicherweise gegen den Iran direkt, behindern lassen. Das könnte zur totalen Konfrontation mit Russland führen – mit unausdenkbaren Folgen.

Erneut entlarven sich die Heuchelorgien zwischen Deutschland und Israel. Netanjahu verachtet die Duckmäuserei der Kanzlerin, die Kanzlerin missbilligt ohne Worte die aggressive Militanz des Landes, dem sie bedingungslose Loyalität geschworen hat. Was nichts anderes heißen darf als bedingungslose Kritiklosigkeit und blinde Gefolgschaft. Dieselbe Haltung wie bei BILD, die ihre Unterwürfigkeit unter eine sich unfehlbar gebende Regierung als Philosemitismus auszugeben wagt.

Das ist der wahre Missbrauch aller notwendigen Lehren aus dem Holocaust, welche lauten: Um die Wiederholung des Grauens zu verhindern, hilft nur das kategorische Einhalten der Menschenrechte. Von jedermann. Von jeder Nation. Dazu gehört die einhellige Kritik an allen Menschenrechtsverletzungen. Von wem auch immer – und seien es die besten Freunde. Unter Freunden muss Kritik besonders unmissverständlich sein, wenn behutsame Formen der Kritik nicht die leiseste Wirkung zeigten.

Willst du Frieden, beginn mit dem Aussprechen der Wahrheit. Davon ist die deutsche Regierung weltenweit entfernt.

 

Fortsetzung folgt.