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Umwälzung XXVIII

Hello, Freunde der Umwälzung XXVIII,

Stadtluft macht Blei – der Idiotismus des Landlebens wurde Wirklichkeit: der Mensch hat sich die Erde so perfekt untertan gemacht, dass er zwischen Pest und Cholera wählen darf: ersticken in der Stadt oder verelenden im Dorf.

„Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der Stadt unterworfen. Sie hat enorme Städte geschaffen, sie hat die Zahl der städtischen Bevölkerung in hohem Grade vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entrissen.“ (Das Kommunistische Manifest)

„Zurück zur Natur“: Rousseaus Warnruf vor einem Wettrennen in eine selbstmörderische Unkultur wurde von Marx, einem Propheten des städtischen Totalsiegs über das naturnahe Dorf, ins Gegenteil verkehrt. Losreißen von der Natur ist die einzige Möglichkeit des Menschen, sich vom Joch natürlicher Notwendigkeiten zu lösen und das Reich der Freiheit zu erringen. Freiheit und Natur vertragen sich nicht.

„Freiheit besteht … in der auf Erkenntnis der Naturnotwendigkeiten gegründeten Herrschaft über uns selbst und über die äußere Natur; sie ist damit notwendig ein Produkt der geschichtlichen Entwicklung. Die ersten, sich vom Tierreich sondernden Menschen waren in allem Wesentlichen so unfrei wie die Tiere selbst; aber jeder Fortschritt in der Kultur war ein Schritt zur Freiheit.“ (Engels)

Unter dem Einfluss der Schelling‘schen Naturphilosophie war der junge Marx noch zu empathischen Naturaussagen fähig. Je mehr er die Riesenleistungen des Kapitalismus zu bewundern lernte, je mehr wurde für ihn Natur zum Reich der Unfreiheit, das man hinter sich lassen musste. Um den technologischen Vorsprung des kapitalistischen Westens einzuholen und zu überholen, wurde Natur im real existierenden Sozialismus zu etwas, das vernichtet werden musste. Geschichte, das bewusste Reich der

Freiheit, sollte die Herrschaft der unbewussten Natur zertrümmern.

„Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht dass er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muss.“ (Das Kapital)

Marx schillert wie die Bibel, weshalb er von heutigen Marx-Theologen so angebetet wird, wie das Neue Testament von seinen Gläubigen.

„Ich habe natürlich meine Aufstellungen so gehalten, dass ich im umgekehrten Fall auch Recht habe.“ (Marx)

Nun verstehen wir, warum Marx vom materiellen Sein sprach, nicht von der Natur. Wenn alles Tun des Menschen mit Vorstellungen des Kopfes beginnt, wenn die Idee des schlechtesten Baumeisters besser sein soll als die Wachszelle der Biene, so muss man sich fragen, mit welcher Berechtigung der Marx‘sche Materialismus den abendländischen Idealismus erledigt haben will.

Das Sein bestimmt das Bewusstsein? Obgleich das Reich des menschlichen Bewusstseins sich erst durch Vernichten des natürlichen Reichs der Notwendigkeiten bilden kann? Marx attackierte den Geist als göttlichen – und traf den Geist als menschlichen. Indem er das materielle Sein – oder die Natur – zu einer göttlichen Instanz erhob, die das Schicksal der Menschheit bestimmte, war er am Ende wieder identisch mit seinem Lehrer Hegel, den er vom Kopf auf die Füße gestellt haben wollte: das Menschlein bleibt höheren Mächten untertan.

Füße sind keineswegs das Gegenteil des Kopfes, wenn obere und untere Körperteile im gleichen Sinne despotisch den Rest des Menschen kommandieren. Indes entlarvt sein Hauptbegriff Materialismus seine nie aufgegebene, subkutane Sehnsucht nach der mütterlichen Natur: mater heißt Mutter.

Marx glorifiziert geradezu die ideellen Fähigkeiten des Menschen, wenn das mickrigste Produkt des Menschen die vollendeten Produkte der Natur um Welten übertreffen soll. Erst der Mensch, der sich von der Natur löst, soll der wahre Mensch sein? Dann darf man sich nicht wundern, wenn die Lösung darin besteht, die Natur dorthin zurückzuschicken, woher sie kam: ins Nichts. Die Wunder der Natur dürfen vom Menschen nicht gesehen werden – weshalb er sich in naturlosen Städten verbarrikadiert, damit die Wunder der Kultur nicht zu Nichts verblassen.

Man müsste ja keinen Gegensatz zwischen Mensch und Natur konstruieren. Nach Hörensagen soll auch der Mensch ein Geschöpf der Natur sein. Doch die transzendenten Religionen können sich gar nicht genug aufblähen in Naturfeindschaft. Mein Reich ist nicht von dieser Welt – also muss sie entsorgt werden.

Nehmen wir an, wir wüssten, dass die Tage der Menschheit gezählt wären: wie würden wir rückblickend die untergegangene Epoche des homo stupidus bewerten? Würden wir den Bankrotteur der Evolution noch immer als Krone des Seins bewundern, obgleich es ihm nicht gelungen war, mit der Natur in Einklang zu leben? Die Natur – oder wir: das ist die Vernichtungsparole des Fortschritts oder des jenseitigen Menschen.

Ist der Mensch die Krone der Evolution? Dafür gibt es keine plausiblen Gründe. Der scheinbare Beweis liegt in der fortschrittlichen Linearität der Evolution, die der Mensch mit dem Hintersinn erfand, den letzten Sprössling der aufsteigenden Entwicklung als ihren vollendetsten zu betrachten.

Sinnvoller wäre es, die geglückte Eintracht mit der Natur als Maßstab einer gelungenen Symbiose zu wählen. Transzendente Religionen haben aus ihrer Unfähigkeit, mit der Natur zu leben, die Sehnsucht nach einem naturüberlegenen Himmelreich abgeleitet. Aus Rache am ungelebten Leben wird ein ewiges Leben in der Übernatur erfunden.

Vorne ist nicht minderwertig, hinten nicht vollendet. In weniger futurischen Zeiten kann man die Wertung auch umdrehen: früher war alles besser. Wer die kommenden Zeiten als Krönung der Gattungsentwicklung ansieht, erwartet – ob ers weiß oder nicht – den kommenden Herrn des Jüngsten Gerichts. Wer auf die Verklärung der Zukunft nicht angewiesen ist, für den ist das Hier und Jetzt der erfüllte Mittelpunkt seines Daseins. Für wen das Paradies der unübertreffliche Beginn der Gattung darstellt, für den ist das sündige Jetzt an Verwerflichkeit nicht zu übertreffen.

Erst die Wiederherstellung des Anfangs am Ende der Geschichte kann die Folgen der post-paradiesischen Degeneration wieder aufheben. Aber nicht ungeschehen machen. Denn die idyllische Einfalt des Beginns wird sich nicht mehr einstellen. Es ist nicht die ewige Wiederholung des Gleichen nach einem missratenen Ausrutscher, sondern die Zementierung eines Endzustandes mit zwei irreversiblen Ausgängen: der ewigen Seligkeit und der ewigen Verdammnis.

Wer die Humanität der Moderne aus dieser Geschichtsauffassung ableitet, muss das zweipolige Ende mit Verdammung und Seligkeit ausgeblendet haben. Wer sich heute auf seinen Glauben beruft, beruft sich vor allem auf subjektive Erbaulichkeit. Die objektive Dogmatik des Glaubens wird ausgeblendet.

Im SPIEGEL stellt Dirk Kurbjuweit die interessante Frage, ob heute wirklich alles schlimmer sei als in früheren Zeiten. Seine Antwort:

„Ich lese alle seine Biografien amerikanischer Politiker, zuletzt die von Alexander Hamilton, dem ersten Finanzminister der Vereinigten Staaten. Da geht es um die Gründungsjahre der ersten neuzeitlichen Demokratie. Edle Zeiten? Man könnte eher sagen, dass es seitdem immer besser geworden ist. Wie sich Hamilton mit seinen Widersachern um Thomas Jefferson und James Madison bekämpft hat, war eher Krieg als Politik. Übelste Beschimpfungen, Intrigen, Verleumdungen, von Sex bis Korruption. Am 11. Juli 1804 wurde Hamilton in einem Duell vom amerikanischen Vizepräsidenten Aaron Burr erschossen.“ (SPIEGEL.de)

Auch das von Bill Gates als bestes Buch aller Zeiten gerühmte Werk das Harvard-Psychologen Steven Pinker „Aufklärung jetzt“ ist von der Überlegenheit der Gegenwart überzeugt:

„Alles geht den Bach hinunter? Blödsinn, sagt der Harvard-Psychologe Steven Pinker und hält den Pessimisten und Schwarzmalern eine gewaltige Sammlung positiver Fakten entgegen. Das Buch ist, wenn Sie so wollen, eine große Verteidigungsschrift gegen all die Untergangspropheten, und ich habe mir bewusst vorgenommen, kein einziges Thema auszulassen, das von Schwarzmalern gern als Drohszenario verwendet wird. Unsere Vorfahren haben den Glauben an Dogmen und Autoritäten ersetzt durch Vernunft und die Suche nach Wahrheiten. Ein Wertesystem, das sich an Rasse, Stamm, Nation oder Religion orientierte, wurde zurückgedrängt zugunsten eines Humanismus, der das Wohlergehen des einzelnen Menschen ins Zentrum rückt. Aberglaube und magisches Denken wichen dem Geist der Wissenschaft, dem Denken, das auf Evidenz und Zahlen basiert und belastbare Theorien über die Wirklichkeit hervorbringt. Nur eine Gesellschaft, die diesen Idealen nacheifert, erlebt Fortschritt.“ (SPIEGEL.de)

Die Fortschritte des Menschengeschlechts sind mit Händen zu greifen und sollten Ermutigung sein, nicht so schnell die Flinte ins Korn zu werfen. Wer so viel in wenigen Jahrhunderten gelernt hat, der hat seine Kapazitäten noch lange nicht erschöpft.

Und dennoch fehlt ein wesentlicher Aspekt bei dieser historischen Selbstvergewisserung. Woran soll der Fortschritt gemessen werden?

Wenn verschiedene Epochen schlicht miteinander verglichen werden, kann man wohl staunen über die Entwicklungsmöglichkeiten des menschlichen Geschlechts. Misst man aber die Lernfähigkeiten an den akkumulierenden Gefahren, die ebenfalls vom Menschen produziert wurden und von ihm bewältigt werden müssen, muss der rosige Optimismus einer schärferen Diagnose weichen.

Heute ist es ein Leichtes für die Mächtigen dieser Welt, ein atomares Inferno zu entfesseln. So leicht allerdings, wie Trump phantasmagoriert, ist es nicht, nach dem Dessert ein fremdes Land von der Landkarte zu löschen. Dennoch wäre dieser satanische Leichtsinn viel einfacher zu realisieren, als ein ganzes Volk aufzuhetzen, um in der Ferne einen Krieg zu führen. Völker in kriegerische Stimmung zu versetzen, ist heute wesentlich schwieriger, als wenige Eingeweihte dazu zu bringen, geheime Knöpfe zu drücken.

Dasselbe trifft auf die ökologische Gefahr zu, die von den Menschen bislang nicht mit der erforderlichen Entschlossenheit bekämpft wurde. Innerhalb weniger Jahrzehnte könnten viele Landstriche unbewohnbar werden. Millionen von Menschen würden sich auf die Flucht in wohlhabendere Länder aufmachen. Deren Bewohner fühlen sich überrannt und bedroht, drängen die Massen der Notleidenden zurück. Viele Flüchtende könnten die Strapazen nicht ertragen und kämen bei der Flucht um. Die humanistische Leitatmosphäre der Nachkriegszeit verwandelt sich – wie momentan zu erleben – in nationalistische Feindschaft. Der wirtschaftliche Wettbewerb der Völker weitet sich aus zu einer gnadenlos-militärischen Konkurrenz aller gegen alle.

Es genügt also nicht, die Lernfortschritte der Menschheit zu bilanzieren. Fortschritte müssen gemessen werden an den ebenfalls gewachsenen apokalyptischen Gefahren, die der Mensch produziert hat. Was kann der Mensch, gemessen an dem, was er können müsste, um seine rasanten Weltprobleme in den Griff zu kriegen?

Es geht um das Verhältnis von Herausforderungen und Antworten. Diese Aspekte kommen bei Kurbjuweit und Pinker zu kurz. Dennoch ist es wichtig in schnell umkippenden, himmelhochjauchzenden, zu Tode betrübten Zeiten, einmal nüchtern auf die Lernfortschritte der Menschen hingewiesen zu haben.

In aufklärungsfeindlichen Zeiten mutiert der Mensch zur sündigen Bestie, die es nicht besser verdient hat, als sich in Staub und Asche zu verwandeln. An einem Tag fühlen sie sich wie im Land, wo Milch und Honig fließt. Es „sprudeln die Gewinne“, Wirtschaft boomt und brummt, Exportquoten steigen. Andere Indizien des guten Lebens gibt es für sie nicht mehr. Am nächsten Tag stehen sie abrupt vor Armageddon.

Das sind keine wahrnehmungsgesättigten Erkenntnisse, das sind biblizistische Stimmungsumschwünge der kaum erträglichen Art. Wenn die Menschheit den evolutionären Kollaps vermeiden will, muss sie nüchtern bilanzieren, was sie kann und was sie noch lernen muss, um die objektiven Probleme zu lösen, die sie selbst produziert hat. Zum Lernen gehört die Lektion, selbsthergestellte Gefahren zu minimieren, die Kapazitäten der Gefahrenbekämpfung zu maximieren.

Die deutsche Regierung beschäftigt sich nicht mit solchen Weltperspektiven. Ihr Gesichtskreis ist beschränkt auf das Heimische. Die Deutschen, so touristisch sie in der Welt unterwegs sind, so borniert ist ihr Denkhorizont geblieben. Undenkbar, von der Kanzlerin je einen philosophisch-politischen Überblick über die Weltlage zu hören. Ihre Demut ist nationalistische Blickverengung, ihre Wortkargheit Desinteresse am Gesamt-Blick auf die Situation, in der sich die Menschheit befindet. Solche Aspekte sind für sie Auswüchse einer sündigen Verworfenheit, die sich nicht damit begnügen will, die von Gott geschaffenen Tagesprobleme so gut es geht zu händeln – ohne den hybriden Versuch, die Probleme elementar zu lösen.

Hier denkt Merkel wie der Ossi-Theologe Richard Schröder, der die neoliberale Warnung vor utopischem Denken hervorgekramt hat, um der linken Schelte an den Armutsverhältnissen der BRD Grundsätzliches entgegenzusetzen:

„Die Verachtung des bestehenden Guten führt schnell auf die schiefe Ebene, die den Himmel auf Erden verspricht und die Hölle auf Erden installiert. Ich denke dabei an Hitler, Stalin, Mao und Pol Pot. Die Aufzählung ist nicht vollzählig.“ (WELT.de)

Eine typisch theologische Verharmlosung des existierenden Elends, die allerdings in Worte fasst, was die Kanzlerin nur auratisch vermitteln kann. Niemand verachtet das Gute, wenn er das Schlechte angreift.

Wer einen Himmel verspricht, ist tatsächlich in der Gefahr, eine totalitäre Hölle auf Erden zu installieren. Theologen in ihrer himmlischen Nächstenliebe haben aber noch nie bemerkt, dass eine Vernunft-Utopie einen göttlichen Himmel, Hölle inklusive, per se ausschließt. Hitler, Stalin, Marx und ihre Schüler waren theologische Geschichtsgläubige, die einen Himmel versprachen und eine Hölle entfesselten.

Die deutsche Kanzlerin, brillante Machtvirtuosin und politische Legasthenikerin, in dreifachersozialistischer, kapitalistischer, physikalischer, ergo christlicher Naturverachtung ausgebildet, sieht keine Grundsatzprobleme unserer Kultur, wenn sie die industriellen Massenmorde kommentieren soll: sind ja nur zwei Städte, die eventuell, vielleicht, möglicherweise die Lieblingsmordsmaschinen der Deutschen aus dem Verkehr ziehen müssen.

Anstatt in Sack und Asche um Vergebung zu bitten, greift die Autoindustrie das Urteil des Hohen Gerichts mit den Worten an:

„Es gelte, das Eigentum von Millionen Dieselhaltern zu beachten.“

Das ist ein brachialer Verstoß gegen das Grundgesetz. In Artikel 14 steht unmissverständlich:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Eigentum untersteht nicht der egoistischen Alleinverfügung des Eigentümers. Dieseleigentümer dürfen nach Belieben andere Menschen gesundheitlich schädigen, ja sie zu Tode bringen? Wem hier der Atem nicht stockt …

Es müsste ein Tribunal gegen alle Verantwortlichen der Regierung – in allersterer Linie gegen die Kanzlerin – eingesetzt werden, um die schwerwiegenden Versäumnisse der Gewählten minutiös zu rekonstruieren und die Schuld der Verantwortlichen aufzuzeigen. Verantwortung übernehmen kann nicht mehr aus der üblichen Folgenlosigkeit bestehen.

Wenn Einzeltäter lebenslänglich bestraft werden, dürfen vorsätzliche Polittäter nicht mit hohlen Floskeln davonkommen: Wir haben uns bemüht, wir hoffen, wir appellieren, wir glauben: wir schaffen das.

Wie lange sind die luftvergiftenden Emissionen der Autos bekannt? Zu den Hauptverantwortlichen zählt CSU-Dobrindt, der vom SPIEGEL eine schwarze Null genannt wird. Das ist zu harmlos. Er gehört zur Riege deutscher Trumpisten, die kein amerikanisches Vorbild mehr benötigen, um ihre dauergrinsende Selbstgefälligkeit vor jeder Kamera zu beweisen.

„Die Fakten lagen also seit Monaten, wenn nicht gar Jahren auf dem Tisch. Und auch die Folgen für die Bürger wurden schon früh nach dem Bekanntwerden des Skandals diskutiert: Fahrverbote. Ein Albtraum für alle Autofahrer, die sich im Glauben an die Versprechen der Hersteller vermeintlich umweltfreundliche Autos gekauft hatten und nun fürchten mussten, damit nicht mehr in Städte einfahren zu können.“ (SPIEGEL.de)

Die kriminelle Autoindustrie verfährt nach dem Prinzip schwarzfahrender Frankfurter Banker. Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist Erwischtwerden ziemlich unwahrscheinlich, also billiger, als sich eine Jahresfahrkarte zu leisten. Wird man entdeckt, zahlt man wortlos 60 Euro und hat die Stadt erfolgreich betrogen.

„Die Banker aber, die sich die Karten locker leisten können, haben sich offenbar ein eigenes Gesetz geschaffen, mit dem sie billiger davonkommen: das Gesetz der Wahrscheinlichkeit. Es beruht auf einer einfachen Rechnung. Es ist deutlich billiger, ein paar Mal im Jahr beim Schwarzfahren erwischt zu werden, als ein Jahresticket zu kaufen.“ (WELT.de)

Gesetze kennen die Meister des Universums nicht. Sie stehen außerhalb aller Normen, die eine Gesellschaft zusammenhalten. Moral verachten sie. Statt demokratische Regeln zu beachten, kalkulieren und rechnen sie. Wie wahrscheinlich ist es, beim Betrügen nicht erwischt zu werden – und was kostet es?

Nach diesen Zynismen richten sich auch die Autohersteller. Sie wissen, ihnen geschieht nichts, solange die Kanzlerin ihre Lieblingskapitalisten nicht im Regen stehen lässt. In Italien agiert die Mafia im Verborgenen. Bei uns agieren kriminelle Banden ganz offiziell Hand in Hand mit der gewählten Regierung.

Unerwachsen, wehleidig, voller Selbstmitleid, kritiklos, ohne geringstes Schuldbewusstsein einer Unmündigen, die über alles informiert war und dennoch nicht handelte: so ist der BILD-Kommentar:

„Wie sehr können wir uns in Deutschland eigentlich noch selbst schaden? Jahrzehntelang wurde uns der Diesel als der heilige – halbwegs erschwingliche – Gral verkauft. Jetzt ist es plötzlich der schmutzige Graus. Dieses Urteil gefährdet Existenzen. Die Autofahrer müssen dafür zahlen, was Autobauer und Politik seit Jahren versäumt haben. Gesund sein und bleiben wollen wir alle. Doch auf Kosten derer, die nichts dafür können – das ist einfach nur rücksichtslos.“ (BILD.de)

Wir armen Verführten. Jahrzehntelang wurde uns etwas verkauft, was wir nicht durchschauen konnten. Ahnungslos wurden wir an der Nase herumgeführt. Den Mächtigen glaubten wir blind aufs Wort und nun werden wir für ihre hinterlistigen Sauereien bestraft. Wir waschen unsere Hände in Unschuld.

Plötzlich wurde aus Wohltat Plage, aus Wohlstand Selbstschädigung. Der kleine Mann auf der Straße muss für die Untaten der Oberen bezahlen. Er war ja nur seit Jahr und Tag informiert. Er lebt ja nicht in einer Demokratie, um selbst zu überprüfen, was die schwarzfahrenden Eliten sich an tödlichem Schabernack erlauben.

Der Untertan hat hart gearbeitet, die Augen fest geschlossen, das Maul gehalten. Obrigkeit, was willst du mehr? Noch immer verfügt Deutschland über den am besten funktionierenden Malocher und den schweigsamsten Untertanen. Die Kanzlerin hüllt sich in Stummheit, ihre anhängliche Klientel desgleichen. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.

Wie steht es mit dem deutschen Lernen?

„Schränkt sich das Lernen auf ein bloßes Empfangen ein, so wäre die Wirkung nicht viel besser, als wenn wir Sätze auf Wasser schrieben.“ (Ein schwäbischer Philosoph aus Stuttgart, der autoverseuchtesten Stadt Deutschlands)

 

Fortsetzung folgt.