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Umwälzung XXVII

Hello, Freunde der Umwälzung XXVII,

Auto-nomie ist keine Herrschaft des Autos, sondern Selbst-Bestimmung. Bislang war das Auto noch kein Auto. Es fuhr nicht selbst-bestimmt, sondern fremdbestimmt. Die Fremden hießen etwa Winterkorn, Müller oder Zetsche. Nun stehen wir vor der Epoche des Autos-4.0 oder des Auto-Autos.

Nun kommt die wunderliche Frage: Wer trägt Verantwortung für das Auto-Auto, das von keinem Menschen mehr gelenkt werden muss? Wenn der Auto-Mat einen Unfall verursacht, wenn es zu Verletzten oder Toten gekommen ist?

Wunderlich deshalb, weil bislang immer noch der Verantwortung tragen musste, der einen Vorgang verursacht hat. Was sollte plötzlich anders sein? Wer also ist die Ursache, dass ein Auto-Auto sich in Bewegung gesetzt hat? Immer der, der gewisse Knöpfe drückte, um es in erwünschte Bewegung zu versetzen. Also Winterkorn, Müller oder Zetsche.

Wunderlich ist die Frage deshalb, weil sich im Grunde nichts verändert hat, obgleich Zeitgeistbeobachter – die ihre prophetische Exaltiertheit beweisen müssen – stets so tun, als ob. Warum hat sich nichts grundsätzlich verändert? Weil auch das Auto-Auto kein – autonomes Wesen ist, da können sich ihre Erfinder noch so sehr mit schäumender Genierede inszenieren.

Solange ein Etwas sich nur in Bewegung versetzt, weil ein Mensch prima causa der Bewegung ist, solange bleibt das Auto ein totes Ding ohne jegliche Auto-Nomie.

Doch der Mensch an sich, besonders der moderne, unterlässt keine Anstrengung, die Umstände und Bedingungen des Daseins so zu verwirren und zu verkomplizieren, dass kein Mensch mehr durchblickt – eben dies ist der Grund ihrer Rede, dass

es immer unmöglicher wird, klare Kausalitäten und eindeutige Verantwortungsträger festzustellen.

Das Prinzip galoppierender Verantwortungslosigkeit beherrscht fast alle Parteien und die gesamte Berliner Regierung. Obgleich das Problem der krankmachenden und tötenden Autoabgase seit Dezennien bekannt ist, unternehmen jene fast nichts, um die Massentötung durch ihre bewunderte Autoindustrie zu beenden.

Jetzt muss die Dritte Gewalt die Versäumnisse der zwei anderen Gewalten beenden. Eins lässt sich schon jetzt sagen: selbst, wenn das Gericht Klardeutsch sprechen sollte, wird keine Ministerin, keine Kanzlerin sich vor Gericht wegen heimtückisch-fahrlässig-vorsätzlicher Untertanenentsorgung verantworten müssen.

Das kapitalistische System produziert überdimensionale Katastrophen, sodass kein Mensch sich für fähig hält, diese teuflischen Ereignisse verursacht zu haben. Wie immer haben wir es mit einer Asymmetrie zu tun. Für überdimensionale Wohltaten ihrer Kreativität wollen sie gefeiert werden, für überdimensionale Übel fühlen sie sich nicht zuständig. Sie handeln wie Gott, der für seine ideale Schöpfung gefeiert werden will, für seine Übeltaten aber einen dämonischen Pappkameraden erfunden hat.

Wie autonom kann das Auto werden? Kann es zur künstlichen Intelligenz perfektioniert werden, die sich vollständig vom Menschen löst – oder wird es immer abhängig bleiben vom Menschen?

Alle Parteien wollen sich beim futurischen Digitalisieren des Landes übertreffen. Niemand spricht über die Schattenseiten des Fortschritts. Werden die Massen der „Ungebildeten“ ihre Arbeitsplätze verlieren? Sind ausgerechnet diejenigen, die am „ungebildetsten“ sind, am besten geeignet, neue Arbeitsplätze zu erfinden?

Ist es nicht ein Hohn, technische Fachidiotie als Bildung, die Vaganten des Fortschritts als die Gebildetsten zu bezeichnen? Inzwischen gilt als ungebildet, wem die Tricks und Finessen der Hedge-Fonds ein ewiges Rätsel bleiben.

Je schneller der Fortschritt, je gigantischer die Begriffsverfälschungen. In Orwells 1984 sind es staatliche Stellen, die die Archive nachträglich umschreiben. Heute sind es die Intellektuellen und Edelschreiber, die diesen Job freiwillig übernommen haben.

Die Welt wird auf den Kopf gestellt, die Massen erwartet ein unsicheres Schicksal – an dem sie selber schuld sein sollen. Warum hatten sie keinen Plan B im Hinterkopf, um bei Veränderung der Welt nicht ins Bodenlose zu fallen? Überspannte Cliquen sitzen am Drücker des Planeten – und alle lassen sich von ihnen ins Ungewisse treiben.

Dabei sind es nur die Ohmächtigen, die sich auf eine unsichere Zukunft einlassen müssen. Die Oberen müssen nie etwas fürchten. Gleichgültig, in welcher Zeit sie leben, gleichgültig, welche Technik die Zeit bestimmt: sie sind oben, bleiben oben – und kassieren. Für sie ist es ein possierliches Treiben, dem Wettrennen der Überflüssigen zuzuschauen. Arbeitsplatzverlust oder Armut müssen sie nie fürchten. Ob sie Menschen oder Maschinen ausbeuten, ist ihnen gleichgültig.

Wer wird den Profit der neuen Maschinen einstreichen? Nicht diejenigen, die durch sie ihren Arbeitsplatz verloren haben. Woran erkennt man Eliten? Daran, dass sie unter allen Umständen oben schwimmen. Dieses diametrale Ungleichgewicht wird von keinem Politiker erwähnt. Durch drohenden Arbeitsplatzverlust werden die Kleinen gezwungen, sich schnell die futurische Technologie anzueignen, um sich der Illusion hinzugeben, sie könnten mit der Zeit mithalten.

Schuldvorwürfe der Führungsklassen liegen bereits vor, mit denen die fußkranken und unbeweglichen Charaktere von Unten für ihr abstürzendes Schicksal selbst verantwortlich gemacht werden.

Selbst wenn die Mehrheiten sich zu digitalen Großmeistern entwickeln würden: sie blieben überflüssig. Wenige Spezialisten genügen, um den Maschinenpark der Zukunft in Schuss zu halten. Da die Roboter fast alle mechanischen Tätigkeiten des Menschen übernehmen und die menschlichen Kapazitäten bei weitem übertreffen werden, gibt es keinen Bedarf mehr, ständig neue kreative Start-ups zu erfinden, um ihren Mitmenschen Bedürfnisse zu suggerieren, die sie nicht haben.

Ursprünglicher Sinn der Wirtschaft war die Befriedigung der Überlebensbedürfnisse. Inzwischen ist es zum Bedürfnis geworden, sich immer neue zwanghafte Bedürfnisse aus dem Ärmel zu ziehen. Der Mensch darf keine invarianten Grundbedürfnisse haben, sondern muss seine Bedürfnisse als unendlich erweiterungsfähig betrachten.

Das Äquivalent unendlicher Weltraumeroberung ist die Entfaltung unendlicher Bedürfnisse, die mit unendlich vielen Befriedigungen gestillt werden sollen. Wobei Be-Friedigungen nichts mit Frieden zu tun haben, sondern damit, den Menschen in ständigen Unfrieden mit sich zu versetzen. Unendliche Friedlosigkeit, getarnt von endlosen Befriedigungen, die keine sind, ist das Gesetz der Zeit.

Es ist wie die Rechtfertigung der beginnenden Weltraumfahrt, die vom Pionier Oberth entweder mit faustischem Streben begründet wurde, oder mit dem Satz des Papstes Pius XII., den er auf dem Astronautenkongress 1956 in Rom äußerte:

„Der Herrgott, der ins Menschenherz den unerschütterlichen Wunsch nach Wissen legte, hatte nicht die Absicht, dem Eroberungsdrang des Menschen eine Grenze zu setzen, als er sagte. Macht euch die Erde untertan.“ (Nach Friedrich Wagner, Die Wissenschaft und die Gefährdete Welt)

Die Grünen, zu Kreuze gekrochen, sind erblindet, was die naturzerstörende Unendlichkeit des biblischen Herrschaftsgebotes betrifft. Die Aufklärer waren nicht frei vom besessenen Fortschrittsglauben durch wissenschaftliche Erkenntnisse. Gleichwohl übersahen sie nicht die Kehrseite der grenzenlosen Machtanhäufung:

„Der Besitz der Gewalt verdirbt unvermeidlich das freie Urteil der Vernunft.“ (Kant)

„Wenn Privatvermögen wachsen und sich in wenigen Händen konzentrieren, wenn die Gesellschaft vom Überfluss bestimmt wird; dann wird die Tugend bald nur noch als schmückendes Anhängsel des Reichtums gelten und der Staat wird sich von seinen republikanischen Idealen entfernen.“ (Alexander Hamilton)

Der römische Geschichtsschreiber Plutarch, mit dessen Schriften viele amerikanische Gründerväter vertraut waren, hatte bereits davor gewarnt, dass „ein Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich der älteste und tödlichste Fehler aller Republiken ist.“ (Zitate nach Al Gore; Angriff auf die Vernunft)

Wie kann man – von marxistischer wie kapitalistischer Seite – leugnen, dass der ungebändigte Kapitalismus bereits die antiken Demokratien zerstört hat? Selbst Marxisten, die schärfsten Kapitalismuskritiker aller Zeiten sein wollend, bewundern den grenzenlosen Fortschritt auf Kosten der Natur – wenn nur die Proleten an einem Sankt Nimmerleinstag zu Gesamtsiegern des Geschichtsrennens gekürt werden.

Von einer Verständigung der Klassen unter gerechten Umständen kann keine Rede sein. Am Ende der Tage gibt es keine Klassen mehr. Die Ausgeraubten und Demütigen werden den Lohn ihrer Unterdrückung durch Ausrotten ihrer Peiniger erhalten. Oben und Unten entsprechen sich: Lumpenproletariat und Lumpenausbeuter werden dem Erdboden gleich gemacht. Nur die erwählte Klasse hart arbeitender Proleten kassiert den Lohn ihrer Entbehrungen.

Inzwischen wurden die Reichen derart exorbitant reich und mächtig, dass sie mächtiger und reicher sind als viele Staaten der Welt zusammen. Selbst ihre Heimatstaaten jagen sie nach Belieben vor sich her. Die Übersetzung dieser Too Big to fail-Monopolisten lautet: unkaputtbar, unersetzbar, unfehlbar.

Auch wenn sie die schlimmsten Fehler begehen, die Finanzen der Welt ruinieren, viele Staaten in Schieflage bringen: sie wissen, dass sie davonkommen werden. Sie sind einzigartig und unsterblich. Unter allen Umständen müssen sie gerettet werden, um nicht noch mehr Not unter den Völkern zu verbreiten.

Kapitalismus will aus Nachfrage und konkurrierendem Angebot oder aus gnadenlosem Wettbewerb bestehen. Welch ein Scherz. Der heutige Monopolkapitalismus ist Herrschaft der Einzigen, die keinen Wettbewerber fürchten müssen. Sie bestimmen, ob sie Steuern zahlen, sie sind zuständig für die Einhaltung nationaler Gesetze in ihren internationalen Netzwerken. Folgenlos dürfen sie von faschistischen Inseln träumen, wo sie die Abhängigen mit undemokratischen Schikanen traktieren dürfen.

Je mehr Daten sie von ihren Kunden erfahren, je mehr werden die Kunden von ihnen abhängig. Zwar wissen sie viel, doch wollen sie alles wissen, um alle in ihre Gewalt zu bringen. Noch tun sie, als ob sie ihr Wissen nationalen Geheimdiensten vorenthalten wollten. Allein, es ist abzusehen, dass diese Koketterie ein baldiges Ende haben wird. China gründet seine alles einschüchternde Weltmacht auf der Totalüberwachung seiner Bevölkerung. Natürlich werden andere Staaten, die in den Sog Chinas kommen, der Versuchung nicht mehr lange widerstehen, ihre Bevölkerung im selben Maße zu durchleuchten und einer perfekten Gesamtkontrolle zu unterwerfen.

Was folgt daraus? Die Monopole der Welt müssen rücksichtslos zerschlagen werden.

ZEIT ONLINE: Im Guardian schrieben Sie neulich, die größten Plattformen müssten eigentlich verstaatlicht werden.

Srnicek: Ich glaube, dass die Überführung dieser Firmen in einen irgendwie gearteten öffentlichen Besitz die Ideallösung wäre. Aber sobald man das sagt, gerät man in ziemliche Schwierigkeiten: Google oder Amazon dem Staat unterstellen, wie soll das technisch, ökonomisch und rechtlich funktionieren? Ich denke jedenfalls, wir müssen darüber sehr ernsthaft nachdenken und neue Modelle entwickeln, wie eine öffentliche, gemeinnützige Kontrolle aussehen könnte. Das Thema drängt, aber die Diskussion hat noch gar nicht richtig begonnen.“ (ZEIT.de)

An allen Ecken und Enden wuchert die Macht ins Endlose. Sei es mit militärischen, ökonomischen oder technischen Mitteln. Die Erfinder der Roboter, besoffen von ihrer Gottähnlichkeit, schwärmen von der baldigen Überlegenheit ihrer Maschinen über die Menschen. Strategisch weichen sie gelegentlich zurück und spielen die Nüchternen: natürlich werden ihre Maschinen die Menschen nie einholen. Es ist wie bei der Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor, einer zurück, um morgen wieder das Blaue vom Himmel zu versprechen, pardon, anzudrohen.

Exemplarisch die widersprüchlichen Aussagen von Jürgen Schmidhuber, einem der renommiertesten Erfinder von Robotern:

„In Manno bei Lugano TI arbeitet Jürgen Schmidhuber daran, den Menschen als Krone der Schöpfung abzulösen. (BLICK.ch)

Menschen ablösen, heißt, sie überflüssig machen. Arrividerci, du missglückter Homunculus Gottes, der selbst einen zusammenpfuschen will. Soll doch ja niemand meinen, Silicon Valley habe mit der „idealistischen Hochkultur“ der Deutschen nichts zu tun. Unsere hohen Dichter und Denker hielten sich schadlos für ihre politische Ohnmacht. Ein christliches Volk hat in hunderten von Jahren wahrlich gelernt, seine irdische Bedeutungslosigkeit zu transzendieren, was auf Deutsch übersteigen heißt. Übersteigen wohin? Ins Gottähnliche, was bedeutet: die Natur übersteigen, um sie hinter sich zu lassen und zu zerstören:

„Es leuchtet! seht! – Nun läßt sich wirklich hoffen,
Daß, wenn wir aus viel hundert Stoffen
Durch Mischung – denn auf Mischung kommt es an –
Den Menschenstoff gemächlich componiren,
In einen Kolben verlutiren
Und ihn gehörig cohobiren,
So ist das Werk im Stillen abgethan.
Es wird! die Masse regt sich klarer!
Die Ueberzeugung wahrer, wahrer!
Was man an der Natur Geheimnisvolles pries,
Das wagen wir verständig zu probiren,
Und was sie sonst organisiren ließ,
Das lassen wir krystallisiren.“  (Faust)

Schmidhuber modelliert seine Maschinen wie Kinder, um sie „sympathischer“ zu machen. Klarer kann er nicht zu erkennen geben, dass Maschinen Kinder zu ersetzen haben.

Warum ist iCub einem Kind nachempfunden?
So schaut er lieber aus, das macht ihn sympathischer.“

Viel schneller als die biologische Evolution wird die technische sein:

„Die technische Evolution läuft viel schneller ab als die biologische. In nicht sehr ferner Zukunft wird sich diese Entwicklung verselbständigen und KI das Weltall kolonisieren.“

Die Frage nach der moralischen Grenze der Forschung versteht der Gott der Roboter gar nicht. Das ist konsequent, schließlich gibt es für Götter keine moralischen Grenzen:

Moralische Grenzen gibt es nicht?
Sie meinen, ob man eine KI einfach abschalten darf, wenn sie einmal klüger ist als der Mensch?

Ich meine eher: Werden die Roboter Menschen versklaven – wie in manchen Filmen?
Kaum. Wir Menschen geben miserable Sklaven ab. Wir versklaven ja auch keine Ameisen, obwohl wir klüger sind. Und für die KI werden wir ein wenig wie Ameisen sein.“

Übersetzen wir die Slapstick-Szenerie: Roboter werden Menschen übertreffen. Das war allerdings für Maschinen noch nie eine Kunst. Deswegen erfand man sie ja, um die dürftigen Fähigkeiten der Menschen zu übertreffen. Wie anders könnte man Menschen entlasten, als durch effektivere Kapazitäten der Maschinen? Nicht nur, was Körperkräfte betrifft, sondern auch Intelligenz?

Gegenfrage: Was ist Intelligenz? Intelligenztester beantworten diese Frage mit der dreisten Antwort: Intelligenz ist, was der Intelligenz-Test misst. Solange Intelligenz nur mechanisches Rechnen und Kombinieren betrifft, kann jede KI den Menschen überflügeln. Heißt das gleichzeitig, Intelligenz könnte Bewusstsein werden, sodass das psychische Alleinstellungsmerkmal des Menschen verloren ginge? Oder anders: können Menschen maschinenähnliche Wesen mit Bewusstsein werden, ja, menschen-überlegene Maschinen?

Eindeutige Antwort: Maschinen werden Menschen übertreffen. Aus diesem Grund wurde Schmidhuber ja zum Entwickler von Robotern:

„Als Bub überlegte ich mir, wie sich am meisten bewirken lässt. Damals wurde mir klar, dass ich die grösste Wirkung entfalte, indem ich etwas baue, was klüger ist als ich.“

Wie lässt sich vermeiden, dass überlegene Roboter Menschen versklaven? Die Antwort Schmidhubers hätte kein utopischer Romanautor erfinden können: „Wir Menschen geben miserable Sklaven ab. Wir versklaven ja auch keine Ameisen, obwohl wir klüger sind.“ Haben die Sklavenhalter der Weltepochen dies auch gewusst – und dennoch Menschen zu ihren Sklaven gemacht? Wie viele Tiere haben wir schon versklavt, wie viele ausgerottet? Wem bei solchen Antworten nicht der Atem stockt

Könnten überlegene Roboter Menschen töten? „95 Prozent der KI-Forschung zielen darauf ab, die Menschen gesünder und glücklicher und abhängiger von ihren Smartphones zu machen. Aber natürlich gibt es auch fünf Prozent Militärforschung. Man muss sich dessen bewusst sein und versuchen, frühzeitig gegenzusteuern, wenn die Dinge ausufern.“

Spätestens hier müssten bei den glühendsten Maschinenanbetern die Alarmglocken klingeln. Frühzeitig müsse man gegensteuern, wenn die Dinge ausufern? Ufern sie nicht aus, seitdem es sie gibt? Ist seit Francis Bacon nicht jedes Wissen dazu bestimmt, zur Macht zu werden? Welche Erfindung wurde nicht missbraucht? Naiver und gefährlicher kann man nicht daher schwadronieren als der in seine Geschöpfe verliebte Creator, der keine Probleme hat, zu seiner Gottähnlichkeit zu stehen:

Viele werden sagen, Sie spielen die Rolle eines Schöpfers. Sie spielen Gott.
Es gibt keinen Grund, warum wir Menschen die Krone der Schöpfung bleiben sollten. Unsere Forschung dient als Steigbügelhalter für das Universum, das bald eine neue Stufe von Komplexität erklimmen und intelligent werden will.“

Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Sie scheint bereits so selbstverständlich zu sein, dass Interviewer und Antwortender nicht die geringsten Schwierigkeiten haben, die Gottähnlichkeit der Maschinenerfinder zu konstatieren. Im Gegensatz zu den meisten heuchelnden Politikern kennt Homo Deus keinerlei Scheu, die Folgen der Roboterisierung in der Welt anzusprechen:

Viele Jobs werden wegfallen …
… und viele neue entstehen. Ich vermute aber, dass die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens – mit der ich sympathisiere – immer mehr Anhänger finden wird. Roboterbesitzer werden Steuern zahlen müssen, um die Mitglieder unserer Gesellschaft zu ernähren, die keine existenziell notwendigen Jobs mehr ausüben. Wer dies nicht bis zu einem gewissen Grad unterstützt, beschwört geradezu die Revolution Mensch gegen Maschine herauf.“

Homo Deus wird mit unvergleichlich neuen Geschöpfen das Weltall erobern. Doch der Schwachen und Armen im Geiste wird er sich mit einem gnädigen BGE erbarmen.

Die neue Regierung ignoriert alle katastrophalen Aspekte der zukünftigen Roboterisierung. Fortschritt kennt in Deutschland keine Gegner. Wer auf der Höhe der Zeit sein will wie Merkel & Co, sieht nur die Schokoladenseiten der Digitalisierung. Wenn alle rundum gebildet sind, kann die Chose nicht schlimm werden. Doch Vorsicht, was Bildung betrifft: das rät Al Gore:

„Bildung allein genügt nicht. Dass man trotz einer hervorragenden Bildung auch falsch informiert werden kann, beweisen zahlreiche Vertreter des Geisteslebens in der deutschen NS-Zeit, die trotz ihrer Bildung in Literatur, Musik, Mathematik und Philosophie in die NSDAP eintraten und zu überzeugten Nazis wurden. Trotz aller Bildung gingen sie scharweise der totalitären Propaganda auf den Leim und ließen für verbrecherische Zwecke einspannen.“

An den Sätzen Al Gores ist nur ein einziges Wörtchen falsch: nicht trotz, sondern wegen aller Bildung ließen sich die Deutschen für verbrecherische Zwecke einspannen. Diese Zwecke hielten sie für den Gipfel der Bildung und der Moral.

In bestimmter Weise gilt das noch heute: trotz freiheitlicher Spielregeln lassen sich Demokraten kritiklos auf demokratie-vernichtende Verheißungen des technischen Fortschritts ein.

Es lebe der grenzenlose Wille zur Macht, es lebe Homo Deus – auch wenn homo sapiens dabei unterginge.

 

Fortsetzung folgt.