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Umwälzung XIV

Hello, Freunde der Umwälzung XIV,

Festhalten: zwei Minuten noch, dann geht die Welt unter. Jetzt zweimal bis sechzig zählen – und arrividerci, ihr Menschen, ade, du schöne Welt. Ach, es war schön mit euch. War‘s nicht zauberhaft, wie wir die Erde zur Sau machten? Und wenn sie noch so flennte und heulte: ihr moralisches Geseire ließ uns kalt. Die verfluchte Welt, wir haben sie platt gemacht. Fini. Etwas Besseres hat sie nicht verdient.

Die Archive des Universums, gleich hinter der Milchstraße rechts, werden die Geschichte des Homo Deus mit Goldrand herausgeben:

„Die Menschheit des Planeten Erde, eine außergewöhnliche Gattung. Vor nichts schreckte sie zurück, nicht mal vor ihrer Selbstauslöschung. Wir werden sie immer in Ehren halten.“

„Eine Forschergruppe sieht eine wachsende Gefahr für den Untergang der Menschheit und hat daher die „Weltuntergangsuhr“ um 30 Sekunden auf zwei Minuten vor Mitternacht vorgestellt“. (Berliner-Zeitung.de)

„Welt, ade, wir sind dein müde,

wir wollen nach dem Himmel zu!
Da wird sein der rechte Friede,
ungetrübt erhabne Ruh.
Welt, bei dir ist Krieg und Streit,
nichts denn lauter Eitelkeit;
in dem Himmel allezeit
Friede, Freud und Seligkeit.“

Alles, lieben Brüdern und Schwestern, was ihr jetzt noch lesen werdet, ist bereits ätherischen Ursprungs. Die Ära der postmundanen Literatur: sie ist hiermit

eröffnet. Tusch, himmlische Drommeten und Posaunen. Die Gattung, die sich vor Tod und Teufel nicht fürchtete, erhält den Entrückungs-Award der Sonderklasse.

Sie hat es sich nicht leicht gemacht. Im Schweiße ihres Angesichtes hat sie gerackert, um den Planeten vor Glück und Selbstzufriedenheit zu bewahren. Ohne Rücksicht auf Verluste sprengte sie alle Grenzen irdischer Lebenserfüllung. Was Kindermund über den goldenen Mann aus dem Weißen Haus sagte: er bewahrt uns vor der Harmonie der Welt, gilt noch mehr für die gottgleiche Menschengattung.

Nie ließ sie sich in Versuchung führen von einem stillen, genügsamen Leben, nie kniete sie vor der Schönheit der Welt, nie glaubte sie an den Menschen als Freund des Menschen, nie sagte sie zum Augenblick: verweile doch, du bist so schön. Unerbittlich ging sie ihren Weg unumkehrbarer Zerstörung, den sie für phänomenal und begnadet hielt.

Jetzt aber stehen wir vor der allergrößten Herausforderung: die bevorstehende, unerträglich ewige Seligkeit müssen wir in Trümmer legen. Erst dann werden sich uns die Tore des Nichts eröffnen. Die ultimative Erneuerung aller Dinge ist die Erfindung ins absolute Nichts. Doch des sollt ihr gewiss sein, meine Geschwister, wenn wir nur hart arbeiten, wird uns alles möglich sein.

Das Nichts – das schaffen wir. Versprochen.

Solange wir aber noch im Leibe verharren, müssen wir uns um die Banalitäten des Irdischen kümmern. Wozu die deutsche Kanzlerin gehört, die schon lange nicht mehr mit uns – ihrem treuen Volk – gesprochen hat. Wie schrecklich leiden Kinder, wenn Muttern sie mit Schweigen bestraft. Ach, was müssen wir verbrochen haben, dass sie uns so verachtet.

Mütterlein, Mütterlein, könnt es doch noch so wie früher sein, als wir noch glaubten, du würdest mit uns sprechen. Oder täuschten wir uns und du hast dich gar nicht verändert? Sehen wir mittlerweilen nur schärfer hin? Ach, Erkennen ist ein Fluch.

Dein treues Volk meidest du. Aber vor den Führern der Welt machst du deinen Kotau. Womit haben wir das verdient? Bist du gekränkt, weil du dir deine Mehrheit nächtens zusammensuchen musst? Fühlst du dich bestraft, weil du nicht mit triumphaler Mehrheit ins Kanzleramt einfahren durftest? Mit den Großen und Starken dieser Welt lächelst und charmierst du – doch wir kriegen dich kaum zu sehen. Uns verschweigst du, was du mit uns vor hast, doch den Zockern dieser Welt machst du deine Aufwartung.

Womit wir in der harten Realität angekommen wären. Was sind die Visionen Merkels, mit denen die mächtigste Frau der Welt gegen ihren neuen Konkurrenten aus Frankreich antreten musste?

Sie hat keine. Das Bestehende verlängert sie in die Zukunft. Quantitativ immer monströser, qualitativ die ewige Wiederholung des Gleichen: Wirtschaft, Wettbewerb, Fortschritt.

Wirtschaftlicher Wettbewerb ist Handelskrieg der reichen und technisch überlegenen Länder gegen die kleinen und zurückgebliebenen. Merkel verkündete die Fortsetzung des Wirtschaftskriegs jedes Landes gegen jedes Land. Der Führungsklassen gegen diejenigen, die nicht mehr mitkommen.

„Was muss Europa in Zukunft leisten?

„Wir müssen vor allem ökonomische Stärke entwickeln“, forderte Merkel mit Blick auf den internationalen Wettbewerb. Dabei müssen aber alle mitgenommen werden, sonst drohe eine Spaltung der Gesellschaft.“ (Bundesregierung.de)

Die Spaltung droht nicht, sie existiert seit Bestehen einer wirtschaftlichen Konkurrenzgesellschaft. Alle werden mitgenommen: ist die beschönigende Formel für knallhartes Auseinanderdriften der Gesellschaft. Sie werden mitgenommen, ob sie wollen oder nicht – und wenn sie an den Haaren hinterher geschleift werden.

„Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vor den Gefahren durch Nationalismus und Protektionismus gewarnt. „Wir glauben, dass Abschottung uns nicht weiter führt. Wir glauben, dass wir kooperieren müssen“, sagte sie. Wenn die Mechanismen des internationalen Handels mal nicht reziprok oder fair empfunden würden, „müssen wir multilaterale Lösungen finden und nicht nationale“.“ (ZEIT.de)

Merkels Rede soll eine Kritik an Trump sein, doch den Namen erwähnt sie nicht. Warum nicht? Hat die Welt keine offene Debatte verdient? Sie kommen im internationalen Rahmen zusammen, um sich auseinander zu setzen – aber öffentlich soll die Auseinandersetzung nicht sein?

Die Epochen der Geheimdiplomatie sind vorüber. Wenn Völker ins Gespräch kommen sollen, müssen sie hören, was ihre Staatsvertreter sich zu sagen haben. Merkel wehrt sich gegen Abschottung – und schottet sich ab von der Öffentlichkeit. Wie kann man „multilateral“ (wer kennt diese Fremdwörter?) miteinander verhandeln, wenn man sich gegen die Völker mit Phrasen abschottet?

Auch die Medien beteiligen sich am Abschottungsspiel nach unten. Sie zitieren nur die Plattitüden, von denen jeder weiß, dass sie trivial oder nicht ernst zu nehmen sind. Genaue Analysen der Reden gibt es nicht. Edelschreiber legen Wert auf feurige Rhetorik, auf druckreifes Reden, doch was die Alphatiere zu sagen haben, übergehen sie in gelangweilter Arroganz.

Merkel warnt vor Nationalismus – und befeuert ihn. Denn wirtschaftliche Konkurrenz ist Konkurrenz der Nationen. Sie warnt vor der Gefahr, überrollt zu werden – indem sie aufruft, andere Länder zu überrollen. Sie warnt vor Protektionismus – und protegiert das eigene Land durch unablässige ökonomische und technische Aufrüstung. Sie warnt vor der Dominanz führender Weltstaaten – indem sie ihre Untertanen auffordert, selbst eine führende Weltwirtschaftsmacht zu werden – oder zu bleiben. Denn noch immer ist Deutschland eine führende Exportnation der Welt.

Das wäre auch dann der Fall, wenn China – in absoluten Zahlen – noch mehr exportieren würde. Denn hier käme es auf die proportionale Größe an. Absurd, eine riesige Nation mit einer kleinen Nation in absoluten Zahlen zu vergleichen. Gemessen an seiner Bevölkerung gehört Nation X auf Platz X. Das wäre ein sinnvoller Vergleich.

Gleichwohl haben absolute Zahlen perverse Macht errungen. Eine gigantisch überlegene Nation überfährt eine kleine ohne Rücksicht auf ihren proportionalen Rang. Was in der Welt zählt, ist schiere Macht. Fairness und Gerechtigkeit spielen keine Rolle. Fernhandel war von Anfang an ein Überrollen anderer Länder mit Hilfe einer überlegenen Wirtschaftsmacht.

Es kann auch gar nicht anders sein. Tritt ein Koloss gegen ein Leichtgewicht an, wird niemand erstaunt sein über den Sieger. In der Welt gibt es wenige Kolosse und viele Leichtgewichte. Wen kann es wundern, dass die Abstände zwischen den Nationen immer größer werden? Im Sport wurden Klassen erfunden, um gerechtere Bedingungen herzustellen. Im Wettbewerb der Nationen gibt es keine Klassen. Hier herrscht das Recht der absoluten Überlegenheit.

Die Kapitalisten der ersten Stunde haben das nicht geleugnet. Erst heute wird getan, als ob Konkurrenz und Fairness keine Gegensätze seien. Die Moderne ist, verglichen mit früheren Zeiten, eine Epoche der Bigotterie – die nach dem Zweiten Weltkrieg als durchaus ehrliches Bemühen begann, Brutalität durch internationale Zusammenarbeit und Verteidigen der Menschenrechte zu beschneiden. Dieses Alles-besser-machen-wollen ist vergangen und einer Rückkehr zur blanken Stärke gewichen. Die Menschheit ist ausgelaugt von ihrer politischen Vorbildlichkeit. Sie muss sich erholen durch Rückfall in die Barbarei.

Die Protagonisten des Fernhandels müssen ein schlechtes Gewissen gehabt haben ob der wirtschaftlich-imperialen Überlegenheit der Starken. Also erfanden sie Theorien, die das Gefälle als gerechte Folgen der eigenen Schuld darstellen sollten. Für Pastor Malthus verdankte es das Volk seinen eigenen Lastern, seinem Mangel an Voraussicht, dass es unter die Räder gekommen war. Ein Zeitgenosse sprach den furchtbaren Satz aus: „Es ist gut, dass es in der Gesellschaft eine untere Welt gibt. Die Massen, die sich schlecht aufführen, müssen in dieser Unterwelt versinken. Diese Unterwelt ist das Elend.“

Schuldzuweisungen an die Opfer gelten ungebrochen bis heute. Mit Hartz4 bestrafte Schröder die Überflüssigen, weil sie überflüssig waren. Dass sie keine Arbeit fanden, war für den Aufsteiger die Bestätigung seines Ressentiments, dass der Pöbel keine Arbeit haben wollte.

Die Vorzüge der Konkurrenz sind darwinistisch. „Die Zuchtwahl des Menschen durch Ausjäten der Schwachen war die notwendige Bedingung des Fortschritts, der um diesen Preis nicht zu teuer bezahlt war. Der Glaube an die Vorzüge der Konkurrenz war schon die Verherrlichung des „struggle for life“, des Darwin‘schen Kampfes ums Dasein.“ (Gide & Rist)

Merkel ist eine lutherische Darwinistin, die nicht müde wird, ihre Untertanen zum Wettbewerb, zum Kampf ums Dasein zu motivieren. Zwischen Luther und Darwin gibt es keinen Widerspruch. Merkels Vater zog von Hamburg in die DDR, weil er den Sozialismus für gerechter hielt als den westlichen Kapitalismus. Nur äußerlich ein Widerspruch, dass seine Tochter eine neoliberale Kanzlerin wurde. Die Vorzeichen des gnadenlosen Wettbewerbs musste sie lediglich in Zahlen fassen.

„Wisset ihr nicht, dass die, die in der Rennbahn laufen, zwar alle laufen, aber nur einer den Preis erlangt?“

Ein Schaf der Herde wird vom guten Hirten gerettet, 99 Schafe können zum Teufel gehen. EINPROZENT ergattert den Reichtum der Welt, 99% können zum Teufel gehen. Sie sind selber schuld, hätten sie doch mehr geleistet. Bei Hayek klingt das noch ehrlicher und zynischer: Siegen auf dem entfesselten Markt ist Glückssache. Denn aller Erfolg beruht auf Glück und Zufall.

Merkel weiß, dass sie eine Kriegserklärung ausgesprochen hat. Kriege können auch verloren gehen. Dann wehe den Besiegten:

„Die Gefahr, dass wir zu langsam sind und die Welt über uns hinweg rollt, während wir uns noch ganz philosophisch fragen, wem unsere Daten gehören, ist groß“.

Die Welt schaut auf uns, sagt Gabriel. Für die Welt sind wir ein Sehnsuchtsort. Die Welt wird uns gnadenlos überrollen, sagt seine geliebte Kanzlerin, wenn wir sie zuvor nicht selbst überrollen. (WELT.de)

Merkel verachtet Philosophie als brotlose Kunst. Was immer man tut, es muss einen ökonomischen Nutzfaktor aufweisen. Denken ist Müßiggang und aller Laster Anfang. Der Hass des Evangeliums auf die griechische Philosophie ist der Hass einer frommen Magd auf alles, was nach Kant klingt. Merkel ist, wie Marx, eine Gegenaufklärerin. Arbeiten, arbeiten, malochen, malochen – und beten: Merkels Lebensmelodie besteht aus ora et labora.

„Wer kann englisch, wer russisch“, fragt sie die Kinder einer Kita mit gönnerhaften Stimme. Ihr werdet doch nicht nur zum Spielen hierher kommen, lautet ihre unausgesprochene Frage.

Vor nicht allzu langer Zeit forderte Merkel eine demokratische Kontrolle über alle Datensammelwut gewisser Weltmonopole. „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht.“ Heute unterstützt sie ihren Innenminister, der aus polizeilichen Gründen alle Daten ihrer Untertanen sammeln will, die bei drei nicht auf den Bäumen sind. Es ist nicht Schulz allein, der im Vorbeigehen sein Wort bricht. Merkel macht es nur wesentlich geschickter. Sie wartet, bis die saisonalen Erregungen abgeklungen sind. Zwischen: Wir bemühen uns und wir haben uns mit aller Kraft bemüht, lässt sie dann ein unscheinbares Sätzchen fallen – und die Kanzlerin hat sich wieder einmal neu erfunden.

„Wir sind gut in vielen Disziplinen, aber bei der Digitalisierung besteht die Gefahr, dass wir zu langsam sind.“

Natürlich liebt Merkel ihre Nächsten wie sich selbst, weshalb sie alle mitnehmen und niemanden zurücklassen will. Doch das wird nur gelingen, wenn sich die geliebten Nächsten gehörig anstrengen. Alle mechanischen Arbeitsplätze werden ausgemerzt und durch Roboter ersetzt. Also muss sich jeder bemühen, einen genial-kreativen Arbeitsplatz zu ergattern – oder selbst zu schaffen. Wem dazu aber die Begabung fehlt? Pech gehabt.

Über zufällig verteilte Begabungen wird heute nicht mehr gesprochen. Zufallsbegabungen stören die Ritualforderung nach gleichen Bildungschancen. Lernen und Bildung wurden zur lebenslangen Fachidiotie-Ausbildung.

Politisch werden die Menschen immer ungebildeter. In demokratischen Schulen muss man alles büffeln, nur Demokratie wird nicht gelehrt. Jetzt soll sich das ändern, weil zu viele Randalierer zur AfD überliefen. Also wird es jetzt wöchentlich eine Stunde Politik geben – die benotet wird. Setzen sechs, du bist ein Linker. Lehrer tun nichts, was sie nicht zensieren dürfen. Noten geben ist Macht über menschliche Objekte.

Merkels Glaube an den Fortschritt muss alles versuchen, um ihr Volk zu digitalen Genies zu trimmen. „Wenn uns das nicht gelingt, wird es uns gehen wie im frühen Kapitalismus mit den Maschinenstürmen.“ Das ist eine unverhohlene Drohung. Wer nicht mitkommt, wer sich dem Fortschritt verweigert, ist nicht nur ein Ewiggestriger, er ist auch ein maschinenstürmender Terrorist.

Fortschritt gehört zu den tabuisierten Göttern der Gegenwart – die von niemandem gewollt oder abgelehnt werden können. Ungefragt rollt er über alle hinweg. Das passt zur nächsten Forderung der Kanzlerin:

„Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen und unser Schicksal selbst in die Hand nehmen.“

Wir übernehmen mehr Verantwortung, indem wir sie an übermenschliche Kräfte delegieren. Werfet alle Sorgen auf ihn, heißt in neoliberalem Merkelismus: werfet alle Verantwortung auf die Geschichte. Was den Automatismus der Geschichte betrifft, gibt es nicht den kleinsten Unterschied zwischen Marx und Kapitalismus. Weshalb es der Pastorentochter so leicht fiel, aus lutherischem Sozialismus in den Kapitalismus zu wechseln.

Sie muss ein schlechtes Gewissen haben ob ihrer unendlichen GroKo-Brautschau. Also mussten sie Nächte durchmachen, um ihre Inkompetenz durch harte Arbeit zu kompensieren.

„In den Monaten des Stillstands sei ihr klar geworden, mit welcher Geschwindigkeit sich die Welt verändere. „Und dass ein Land, das gestalten will, rund um die Uhr einsatzfähig sein muss.“

Alles ist disruptiv, was auf Deutsch zerstörend heißt, weshalb Merkel ein Fremdwort benutzt, um ihre deutschen Sensibelchen nicht zu verstören. Zudem klingt disruptiv nach einem ehernen Weltgesetz und nicht nach einer hinterlistigen Methode, die Abhängigen noch abhängiger zu machen, indem man sie in regelmäßigen Abständen aus ihrem gewohnten Leben herausreißt, ihr Sicherheitsgefühl unterminiert, ihre Ängste vor dem Abstieg anfeuert, damit sie keinen Widerstand gegen den Futurfaschismus der Eliten aufbringen.

Disruptiv ist alles nur für den Abhängigen, der das Rattenrad noch schneller treten muss, um nicht unterzugehen. Die Oberen bleiben, was sie sind, die Meister der Geschichte. Der Profit der neuen Maschinen geht – an sie. Die Leitung der roboterisierten Fabrikhallen geht – an sie. Wenn Wirtschaft brummt, so brummt sie vor allem für sie, um die Kluft zwischen den Klassen noch weiter zu vergrößern. Es gibt keine Gesamt-Wirtschaft, die rund läuft. Denn sie nützt nur wenigen, die anderen gucken in die Röhre.

Merkel erweckt den Eindruck, alles werde sich ändern und dennoch bleibe alles gleich. Weshalb sie Wert auf Erhaltung der sozialen Marktwirtschaft legt. Wenn auch einer dubiosen: einer Marktwirtschaft 4.0. Keine Erklärung. Eine soziale Marktwirtschaft können wir nicht erhalten, denn wir haben keine. Wir tun, als ob wir eine hätten.

Ein Land, in dem es 100 000e von Obdachlosen gibt, Millionen von Zuwenigverdienern, die von ihrem Lohn kein achtenswürdiges Leben führen können, Millionen verzweifelter alleinerziehender Mütter, Vereinsamter und Depressiver, wo Wohnungsnot und Pflegenotschaft herrscht, wo Schulen marode sind: ein solches Land mag für Außenstehende verlockend scheinen, bei denen es noch schlimmer aussieht, es kann auf keinen Fall eine soziale Marktwirtschaft sein. Es ist eine asoziale Marktwirtschaft.

4.0 soll auf eine digitalisierte Wirtschaft verweisen. Hängt es von Maschinen ab, ob eine Gesellschaft sozial sein will? Wenn Maschinen alles effizienter machen, wächst der Profit. Ohnehin wird Deutschland – pardon, die oberen Ränge – immer reicher.

Der Reichtum eines Landes ist von allen erarbeitet und gehört allen. Welche Probleme könnte es demnach geben, wachsenden Wohlstand unter allen zu verteilen? Der soziale Ausgleich müsste immer leichter fallen, je mehr eine Gesellschaft Reichtum scheffelt.

In der ZEIT wird die kühne These vertreten:

„Extremer Reichtum geht neben ökonomischer Macht oft mit politischer Macht einher. Das spricht dafür, die Konzentration von Vermögen zu begrenzen. Ein förmlich beschlossenes Ziel – etwa: „Halbierung des extremen Reichtums bis zum Jahr 2030“ – erscheint abwegig. Aber der weiteren Ballung ungeheurer Vermögen entgegenzuwirken ist nötig. Klar ist auch: Damit ist noch keiner armen Familie in Afrika geholfen. Am oberen Ende der Verteilung etwas zu ändern löst die Probleme unten nicht.“ (ZEIT.de)

Die Frage nach gerechter Verteilung wird gar nicht gestellt. Warum es abwegig sein soll, den „extremen Reichtum zu halbieren“, wird mit keiner Silbe begründet. Wenn Reichtum Macht bedeutet, muss er bedingungslos reduziert werden. In Demokratien gibt es nur drei legitime Mächte. Alle anderen sind ungewählt, illegal – und müssen radikal beseitigt werden. Das erfordert der bloße demokratische Machtteilungsimperativ. Längst haben die Besitzeliten der Welt die Staaten im Griff. Vor allem die Demokratien. Das muss geändert werden.

In der neuen Marktwirtschaft 4.0 muss das ganze Land rund um die Uhr einsatzfähig sein. Damit ist die Katze aus dem Sack. Der ominöse Sinn des Lebens ist futurisch festgelegt. Der Mensch lebt, um zu arbeiten. Rund um die Uhr ist er im Einsatz. Wirtschaftswachstum und Wohlstand dienen nicht der Lebensfreude, sondern sind Waffen des Existenzkampfes. Wer schwächelt, tändelt, zu viel denkt, seine Rechte verteidigt, für seine Lieben da sein will, sich politisch engagiert, der hat im deutschen Merkantilismus und Merkelismus nichts verloren. Schutz vor Staatstrojanern, wo Gott ohnehin alles sieht? Lächerlich.

Wieder einmal sind die Deutschen rückständig, um nationale Anstrengungen zu provozieren. Merkwürdig, dass ein Roboterfachmann dies ganz anders sieht.

„Der Maschinenbau und die Industrie sind international Spitzenklasse. Außerdem kommen wichtige Grundlagen in der Informatik ebenfalls aus der Bundesrepublik, an die nun angeknüpft werden könne. Das sagte Jürgen Schmidhuber. Schmidhuber ist Informatiker und einer der führenden Fachleute für Künstliche Intelligenz auf der Welt: «Kein Ort ist besser aufgestellt als wir.»“ (FAZ.NET)

Der Einsatz von Robotern made in Germany werde viel Elend in der Welt beenden: „Dann werden zum Beispiel keine armen Kinder mehr unter sklavenähnlichen Bedingungen T-Shirts nähen oder Cobalt schürfen und durch ihre kurzen Leben unsere Zivilisation unterstützen. Das werden dann Roboter erledigen.“

Okay – und wovon werden arme Kinder auf der Welt leben, wenn sie keine Arbeit mehr haben? Dürfen sie dann verhungern? Ein merkwürdiger Fortschritt. Hochspezialisierte Experten erkennt man daran, dass sie alles erklären können, nur nicht die Trivialitäten des Elends, mit denen sie nichts zu tun haben wollen.

Was es bedeutet, rund um die Uhr dem kapitalistischen Moloch zur Verfügung zu stehen, kann man in Walldorf beobachten. Dort ist der Sitz von SAP, dessen milliardenschwerer Besitzer den Deutschen grundlosen Neid vorwirft. In Walldorf leben viele junge Eltern, die bei SAP ihren Arbeitsdienst absolvieren. Ihre Kinder werden entsorgt in Ganztagsschulen, die von morgens 7.00 Uhr bis abends 17.30 Uhr geöffnet sind.

„Manche Kinder werden schon um sieben Uhr früh gebracht – die kommunalen Betreuer stehen eine Stunde vor Unterrichtsbeginn bereit. Die Schüler kommen im Dunkeln und gehen in der Dämmerung. Betreuung bis zu zehneinhalb Stunden am Tag, 50 Stunden in der Woche. Für manche Berufstätige mag das ein Traum sein. Und für die Kinder?“ (TAZ.de)

Das sind nordkoreanische Verhältnisse. Die totalitäre Kinderverwahrung des Sozialismus rund um die Uhr hat gesiegt. Eltern haben die Verantwortung über Kindererziehung an staatliche Stellen abgeschoben. An Stellen, die in hohem Maße unqualifiziert sind.

Kinder brauchen ein ganzes Dorf, um die Welt kennen zu lernen – aber freiwillig und nicht gezwungen. Die Jüngsten sind Hauptopfer der Merkel‘schen Zukunftsorgien. Für Merkel sind Kinder nur Nachwuchs-Marionetten der Zukunft. Der Kapitalismus hat sein Ziel erreicht: die verlässlichen Beziehungen der Familie sind zerstört. Mütter sollen Kinder werfen, die so früh wie möglich an Externe abgeschoben werden. Bei Kindern kann die mächtige Tante nur ein süßliches Lächeln aufsetzen. Kinder werden vereinnahmt, Kinder werden nicht gefragt. Die Zukunft der Kinder wird durch roboterisierte Naturzerstörung eliminiert.

Lasset die Kindlein nicht zur Merkel kommen, in ihnen sieht sie nur – zukünftige Kapitalisten, die die Natur überwältigen, die Welt besiegen oder Versager, die ihr Elend verdient haben.

Festhalten, in zwei Minuten geht die Welt unter.

 

Fortsetzung fraglich.