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Umwälzung VI

Hello, Freunde der Umwälzung VI,

besser keine Regierung als keine Regierung! Die deutschen Milch&Honig-Champions, Sehnsuchtsort-Bewohner, schwarze Nullisten und Export-Artisten: ratlos in der Wohlstandskuppel. Es geht nicht um Regierungen; die Politeliten haben fertig. Es geht um das Bruttosozialvolk, das nun kassiert, was es eingezahlt hat.

Wer stets lau wählt, den wird der Herr aus dem Munde spucken – der wird mit lebenslänglicher GROKO bestraft. GROKO ist eine vordemokratische, metademokratische und postdemokratische Hautkrätze, anfänglich ohne sichtbare Symptome, doch wenn sich die schwarz-rot-goldenen Eiterpickel zeigen, ist es für alles zu spät.

Aberwitzig, diese mediale Balkon- und Portal-Brünstigkeit: nun geht es aber wirklich los. Nein, doch nicht. Aber jetzt – oder immer noch nicht? Jawoll, Ulrich Wilhelm: mehr Volksknete für die öffentlich-rechtlichen Brot&Spiele-Sender – oder die Berichte um die BER-Regierung werden bedingungslos eingestellt. Statt teurer, kriecherischer Ante-portas-Fragen: Was drang durch die Ritzen? könnten preiswerte Quiz-Sendungen gebracht werden: Wie gut kennen Sie Ihre Kanzlerin wirklich? Was tut eine Physikerin am liebsten: Kartoffeln anpflanzen oder Luther im Original lesen?

Wozu benötigen Paradies-Bewohner eine Regierung? Wenn einem die gebratenen Vögel ins Maul fliegen, hat die Stadt Gottes sich über die Stadt des Widersachers endgültig hinweggesetzt und ist im Standby-Modus angekommen. Schlaraffenland ist programmierbar, eine aufwändige und teure Regierung überflüssig.

Zukunftsfest ist eine Gesellschaft, wenn sie zur digitalen Maschine mutierte. Wir stehen kurz vor dem finalen Abendmahl, der wundersamen Verwandlung analoger Rohstoffe in geistbegabte Algorithmen. Ersetzt euer morsches Gehirn, eure minderwertigen Organe durch Implantate mit Silicon Valley-Ewigkeitsgarantie. Die deutschen Regierungen haben ihre Mission vorbildlich erfüllt, sie haben sich

überflüssig gemacht. Die vierjährige Legislaturperiode willkürlich gewählter Zufallskandidaten wird abgeschafft zugunsten maschinenkompatibler Beamter mit lebenslänglicher Gewissensgarantie auf binärer Basis.

Die Stadt der Zukunft besteht aus dekorativ verdichteten Container-Gebirgen, jeder Container eine vollkommen-kahle Monade, die – je nach industrieller Verwertbarkeit des voll verkabelten Bewohners – durch ein Gewimmel von Röhren quer durch die Republik, ja über den ganzen Planeten, per rasender Geschwindigkeit disloziert werden kann, um sie an die Stelle ihrer maximalen Effizienz zu verfrachten.

Lasset allen Kleinmut fahren, ihr heulenden und jammernden Waldgermanen: die Tage eurer natürlichen Rohheit sind gezählt. Bald werden sich die Tore der goldenen Gottesstadt öffnen – und ihr werdet schauen, was ihr bislang nicht mal geglaubt.

Prästabilierte Harmonie wird das Gesetz der neuen Menschheit sein:

„Von den erschaffenen Dingen kann sich keins von der allgemeinen Verknüpfung loslösen, ein Deserteur der allgemeinen Ordnung sein. Aber nicht bloß Körper und Seele, sondern alle Substanzen (Monaden) stehen in dieser Harmonie miteinander, die von dem Urheber aller Dinge vorherbestimmt, »prästabiliert« ist. Jeder Körper empfindet die Nachwirkung alles dessen, was im Universum vor sich geht, sodass jemand, der alles sieht, in jedem einzelnen lesen könnte, was im gesamten Weltall geschieht und sogar, was geschehen ist oder geschehen wird. Und, »wie wir oben eine vollkommene Harmonie zwischen zwei natürlichen Reichen, dem der bewirkenden und dem der Zweckursachen, festgestellt haben, so müssen wir hier noch eine zweite Harmonie zwischen dem physischen Reiche der Natur und dem moralischen Reiche der Gnade hervorheben, d.h. zwischen Gott, dem Erbauer der Maschine des Universums, und Gott, dem Monarchen des göttlichen Staates der Geister« Die »Wege der Natur« sind dazu da, die göttlichen Endzwecke zu erfüllen, »Gott der Baumeister« tut »Gott dem Gesetzgeber« durch die »mechanische Einrichtung der Dinge« in allem Genüge. Vermöchten wir die Ordnung des Universums hinlänglich zu begreifen, so würden wir finden, dass sie »alle Wünsche der Weisesten übertrifft und unmöglich besser gemacht werden kann«. (Leibniz)

Womit bewiesen, dass die Erfinder der amerikanischen Zukunft deutsche Vorsehungs-Philosophen sind. Zur Not könnte man sie als Uhrwerk-Theologen bezeichnen. Deutsche Denkleistung hat Bill Gates‘ Zukunftsstadt vorweggenommen. Kein Neid, Amerikaner, deutsche Genialität dürft ihr materialisieren und digitalisieren.

„Jetzt soll Gates eine Smart City in der Wüste Arizonas planen. In der intelligenten Stadt soll es künftig digitale Hochgeschwindigkeitsnetze, Rechenzentren, neue Fertigungstechnologien und Distributionsmodelle sowie autonome Fahrzeuge und autonome Logistikzentren geben. Ungefähr ein Sechstel der Fläche soll für Büros, Läden und Fabriken zur Verfügung stehen, auch öffentliche Schulen werden gebaut. Außerdem soll es Platz für 80.000 Wohneinheiten geben. Die neue Stadt könnte also mindestens 150.000 Einwohner haben.“ (t3n.de)

Von Wüste zu Wüste: das ist der Zirkel der Erlöser, die aus fast-Nichts alles machen. Fruchtbare Erde kann jeder Dödel bebauen. Doch minderwertige Natur durch eine technische ersetzen: das können nur Visionäre der Zukunft.

Zuerst die Erde in Wüste verwandeln, dann wird auf ihr die Stadt der Milliardäre errichtet. Dem Motto ist auch die deutsche Regierung verpflichtet. Zuerst muss Deutschland in eine CO2-versiffte, faunafreie, gülle- und glyphosatvergiftete Öde vernichtet oder vollkommnet werden. Dem technischen Fortschritt ist Vervollkommnen wie Vernichten. Auf der Öde werden sich perfekte Städte der Zukunft erheben, in denen der homo novus als rundum abgeschlossene Monade funktionieren wird. Monaden sind psychische Atome, die keinerlei Kontakt untereinander haben. Nur Gott wird an seinem Universalrechner alle Atome miteinander vernetzen und unter Kontrolle halten.

Der deutsche Zukunftsstaat zeichnet sich bereits in Grundrissen ab. Er ist gekennzeichnet durch eine strenge Hierarchie – die nur von Ausländern wahrgenommen wird. Die amerikanische Philosophin Susan Neiman in der ZEIT:

„Es gibt noch immer Reste des obrigkeitsstaatlichen Denkens, die mich ärgern. Zum Beispiel, dass bei jeder Veranstaltung zuerst die höchste anwesende Hoheit begrüßt wird, dann die zweithöchste, dann die dritthöchste und irgendwann, ganz zum Schluss, der Pöbel, die „Damen und Herren“. Der Umgang mit Amtsträgern hat fast etwas Kriecherisches – diese Unterwürfigkeit, sogar bei selbstbewussten Sozis und Liberalen, wenn sie einem Minister oder nur einem Staatssekretär begegnen.“ (ZEIT.de)

Unterwürfig ist die gesamte deutsche Außenpolitik. Vor allem gegen Amerika und Israel. Amerika haben wir unendlich viel zu verdanken. Doch die kritiklose Unterwürfigkeit gegenüber unseren Befreiern tarnt sich als Dankbarkeit. Israel gegenüber stehen wir in unermesslicher Schuld. Die kritiklose Unterwürfigkeit gegenüber Israel tarnt sich als Reue, Buße und Wiedergutmachung – soweit Schuld wieder gut gemacht werden kann.

Wenn Trumps nationale Überheblichkeit aggressiver und militanter wird, wagen die Deutschen nur kleinlaut, seinen Weg als Verhängnis zu bezeichnen und einen konträren friedensfördernden Kurs einzuschlagen. Plötzlich wird auch bei uns der Wehretat erhöht, expandieren die Waffenexporte, werden Stimmen machtgesteuerter Weltstrategen immer schriller.

So muss man sich den Kurs der Schlafwandler vor dem Ersten Weltkrieg vorstellen. Jedes europäische Land folgte der verhängnisvollen Devise: unsere erwählte Nation zuerst. Dann lang lang nichts. Längst befinden wir uns in der Wiederholungsschleife der Schlafwandler-Epoche. Weder Deutschland, noch die führenden europäischen Länder können schuldig gewesen sein an dem furchtbaren Massaker. Im Halbschlaf schlidderten sie in die Schlachtfelder von Verdun.

Auch heute tragen sie keine Schuld an nichts. Weder an globalen Finanzkrisen, noch am Hungertod unendlich vieler Kinder. Der Kapitalismus ist noch immer die beste aller möglichen Welten. Ohne ihn wäre die Menschheit bereits ausgestorben. UNO-Entwicklungschef Achim Steiner gibt zu, dass allzu viele Menschen in Not sind. Doch ohne den gegenwärtigen Kapitalismus wäre alles noch schlimmer.

„Über 800 Millionen hungernde Menschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind völlig inakzeptabel. Aber wer den langfristigen Trend betrachtet, sieht: Der Anteil der absoluten Armut und der Hungernden sinkt. Viele Länder haben sich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten stark entwickelt, sonst wäre die Zahl der Hungernden heute vielleicht bei zwei Milliarden.“ (SPIEGEL.de)

Dennoch muss er zugeben: „Es gibt eine enorme Ungleichheit: Heute besitzt ein Prozent der Weltbevölkerung die Hälfte des Reichtums – da läuft etwas schief. Die Wirtschaftspolitik des 20. Jahrhunderts war nur auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet und hat dabei wachsende Ungleichheit und ökologische Probleme in Kauf genommen. Das geht im 21. Jahrhundert, mit bald neun bis zehn Milliarden Menschen, nicht mehr.“

Dass es zu keiner größeren Hungerkatastrophe gekommen ist, liegt an den Almosen der reichen Länder, die jederzeit wegfallen können. Ein intaktes Wirtschaftssystem zeigt sich daran, dass jedes Land sich selbst ernähren kann. Wenn Reichtum sich zunehmend in den Händen kleiner Cliquen konzentriert, bedeutet dies Beraubung und Entmächtigung der ungeheuren Mehrheit der Menschen.

Eine gerechte Wirtschaft wäre kein Selektionsspiel, das ungeheure Vorteile für wenige und unermessliche Nachteile für viele bringt. Gesetze der Wirtschaft sind keine Naturgesetze mit unvermeidbaren Kollateralschäden.

Die Europäer – einst eher sozialdemokratische Länder – hätten sich dem Einbruch des angelsächsischen Neoliberalismus nicht beugen müssen. Aus Großmannssucht wollten sie in der ersten Reihe spielen und plagiierten Margaret Thatcher und Ronald Reagan. Auch die GROKO kennt nur Wirtschaftswachstum und sieht Deutschland an der Spitze Europas – gnadenlos gegen ökonomisch schwächere Länder.

Wie geht man um mit Schuld? Indem man durch kritikloses Schweigen, das man als bedingungslose Loyalität deklariert, neue Schuld auf sich lädt? Daniel Barenboim ermahnt die Deutschen, sich auch für die unterdrückten Palästinenser einzusetzen und die Besatzer aufzufordern, die Menschen- und Völkerrechte der unterdrückten Nation wieder herzustellen:

„Bislang hat die Welt nichts Maßgebliches dagegen getan, aber Deutschland und Europa müssen das Ende der Besatzung und die Einhaltung der Grenzen von vor 1967 einfordern. Es wird eine Zwei-Staaten-Lösung gefordert – dafür muss Palästina endlich als unabhängiger Staat anerkannt werden. Es muss eine gerechte Lösung für die Flüchtlingsfrage gefunden werden. Das Rückkehrrecht der Palästinenser muss anerkannt werden, dessen Implementierung in Absprache mit Israel umgesetzt werden. Die faire Verteilung von Ressourcen und die Garantie grundsätzlicher Menschen- und Bürgerrechte der Palästinenser müssen durchgesetzt werden. Dies zu gewährleisten ist Europas Aufgabe, insbesondere jetzt angesichts der sich verändernden Weltordnung.“ (WELT.de)

Deutschland hat gegenüber Israel besondere Verpflichtungen. Aber nicht die Pflicht, eine Ausnahme vom allgemeinen Völkerrecht gelten zu lassen. Die Pflicht zur Humanität duldet keine Ausnahme. Wenn bedingungslose Loyalität bedeutet, zu allen Taten und Untaten Ja zu sagen, dann ist sie eine bedingungslose Inhumanität. Generelle Gesetze kennen keine Ausnahme.

Springer-Chef Döpfner gibt sich gern als liberal denkender Zeitungsmann. In derselben WELT, in der Barenboim seine israelkritische Meinung schreiben durfte, attackiert er die Deutschen, weil sie einen „Paradigmenwechsel“ unternommen und Israels Jerusalempolitik – zusammen mit vielen Ländern – kritisiert hätten.

„In der Vergangenheit hat sich Deutschland in der berechenbar antiisraelischen Weltorganisation zumindest immer enthalten, wenn es um unsere Freunde ging, deren Existenzrecht angeblich deutsche Staatsraison ist. Jetzt erteilen wir – während auf deutschen Straßen der Antisemitismus sein immer aggressiveres Gesicht zeigt – ausgerechnet in israelischen Hauptstadtfragen Lektionen. Aber wenn Prinzipienlosigkeit zum Prinzip wird, dann muss man sich auch darüber nicht mehr wundern. Nur ein wenig schämen.“ (WELT.de)

Nur ein wenig schämen – wenn es wirklich prinzipienlos wäre? Wie nachsichtig Döpfner mit seiner Kanzlerin – der Freundin seiner Freundin Friede Springer – umgeht. Ihr Name bleibt unerwähnt.

Döpfner ist unfähig, die israelischen Rechtsverletzungen wahrzunehmen. Er stilisiert den jungen Staat zu einem vollkommenen, der zu keiner Untat fähig ist. Seine perverse Vorstellung von Schuld und Sühne verdammt den Bußfertigen zur Missachtung der wichtigsten Gesetze. Wer hartnäckig gegen Gesetze verstößt, muss hartnäckig kritisiert werden. Nenne man dies „Lektionen erteilen“ – oder nicht.

Der notwendige Kampf gegen Antisemitismus wird durch Duckmäuserei gegen Netanjahu nicht unterstützt. Döpfner hält sich für einen vorbildlichen Philosemiten, weil er israelische Machtpolitik absegnet. Alle anderen Juden, die diese Politik verurteilen – wie Barenboim und viele andere – werden von ihm nicht als echte Juden akzeptiert. Diese hält er vermutlich für „Selbsthasser“ – eine polemische Formel in der Hand derer, die sich erkühnen, freihändig zu bestimmen, wer ein wahrer Jude ist.

Überidentifikation mit der unfehlbar gehaltenen Jerusalem-Regierung ist die typisch deutsche Anbetung einer göttlichen Obrigkeit, projiziert auf eine externe Regierung, die man glaubt, paternalistisch und demütig zugleich zu schützen zu müssen – obgleich man sie vor der Welt wie einen despotischen Popanz darstellt. Gerade dadurch werden alle antisemitischen Vorurteile über den intransigenten Juden bestätigt.

Bei näherem Hinsehen entlarvt sich Döpfners Philosemitismus als umgeleitete deutsche Anbetung eines starken Staates – verbunden mit Sonderwegallüren. Denn das Recht soll überall gelten, nur nicht bei jenen, bei denen man seine Schuld abtragen will. Weil Döpfners Philosemitismus dem Staat Israel nicht zutraut, die Wahrheit zu ertragen, macht er ihn – vor den Augen der Welt – zu einem Gebilde, das viele Menschen für einen Heuchelstaat halten dürfen. Was Döpfner bewusst vermeiden will, tut er unbewusst: er hält Israel nicht für fähig, ein vitaler demokratischer Rechtsstaat zu sein. Das ist Antisemitismus im Gewand des Philosemitismus.

Würde man BILD nach dem gleichen Muster beurteilen, wie das Blatt andere beurteilt, hätte die antisemitische Selbstentlarvung des Blattes bereits begonnen. Es ist zwar nur ein Zitat, aber eines, dessen Brisanz von BILD nicht gesehen und entlarvt wird. In einer Story über den Trump-Entzauberer Michael Wolff zitiert BILD die NEW YORK POST:

„Der dicklippige Schürzenjäger wird bald Single sein.“

Antisemitische Bewertungen werden hierzulande mit mechanischen Wortschablonen verfertigt. Wer ein typisches Wort der NS-Zeit benutzt, muss selbst ein Nazi sein. Dicklippig gehörte zum Hass-Vokabular der Antisemiten:

„Dabei fallen die spärlichen gekräuselten Haare, das dicklappige Ohr, die arrogant hochgezogene Augenbraue, schwere Lider, eine extrem überzeichnete krumme Nase, ein breiter dicklippiger Mund, sowie ein schwammiges, unrasiertes ungepflegtes Gesicht auf.“ (Julia Schäfer, Vermessen – gezeichnet – verlacht, Judenbilder in populären Zeitschriften 1918 bis 1933)

Mit Springers kontaminiertem Philosemitismus beschäftigt sich keine deutsche Gazette. Obwohl es mittlerweilen immer mehr netanjahu-kritische Stimmen gibt, lassen die deutschen Medien das bigotte Philosemitismus-Gehabe des Springerverlags auf sich beruhen. Mut vor Freunden gilt hierzulande als Verrat.

Deutsche Gazetten verabscheuen Trump. Kaum aber erscheint ein furioser Kritiker Trumps, wird er mit ähnlichen Antigefühlen unter die Lupe genommen wie der amerikanische Präsident.

„Wolff ist noch nie davor zurückgeschreckt, verbrannte Erde zu hinterlassen und sich mit den Mächtigen anzulegen, die er gleichzeitig verehrt. Und er ist – wie Donald Trump – ein New Yorker, über den es heißt: „Er hat große Eier.“

Dass ein Edelschreiber sich wirklich mit Mächtigen anlegt, scheint hierzulande so selten zu sein, dass er sich sogleich selbst verdächtigt macht.

Im SPIEGEl ist Wolffs Porträt ambivalent:

„Wolff schert sich wenig um Reporter-Gepflogenheiten. Er beschreibt intime Szenen, als wäre er dabei gewesen, zitiert Dialoge, als hätte er sie stenografiert, zeichnet innere Qualen nach, als könnte er Gedanken lesen. Auch interessieren ihn Absprachen zwischen Informant und Autor nicht: Ihm ist es egal, ob er seine Quellen verbrennt, was sich am dramatischsten an Bannon zeigt. Doch vielleicht ist so etwas auch mal nötig, um den staubigen, politisch überkorrekten US-Journalismus aufzumischen: Wer jemandem beikommen will, der aus Prinzip Tabus bricht, muss selbst bereit sein, Tabus zu brechen.“ (SPIEGEL.de)

Wenn Journalisten behaupten, ein Angriff gegen Mächtige müsse bereit sein zum Tabubruch, was sagt das über das schreibende Gewerbe? Dass es eine absolute Ausnahme sein muss, Eliten mit Furor zu dekonstruieren. Im Normalfall bleibt Kritik ein hintergründiger Schutz. Indem die Medien sich scheinkritisch gebärden, wollen sie die Kirche im Dorf belassen. Scheinkritik nach Oben soll gegen echte Kritik von Unten abschirmen.

Wie die deutsche Regierung sich nicht traut, ihren Freunden die Meinung zu geigen, so sind deutsche Medien zu feige, der Regierung heimzuleuchten. Wen wundert es da, dass deutsche Untertanen a) sich in hasserfüllten Shitstorms gegen die Mächtigen entladen, b) und dennoch nicht die Courage aufbringen, die bestehende GROKO in die Wüste zu schicken. Deutschland will hören, was Merkels Appeasement-Politik seit Jahren verströmt: Alles paletti, weiter so, keine Experimente.

Ein Wunder, wenn die nächste GROKO nicht käme. Die Gesichter der Protagonisten strahlen bereits vor inniger Versöhnung. Das dialektische Schauspiel lieben die Deutschen. These, Antithese, Synthese. In der These waren die Politiker eine gut funktionierende GROKO, die die Mehrheit der Gesellschaft repräsentierte. Im Wahlkampf gab es die von Abscheu geprägte Antithese. Zeiten verändern sich, Schwüre werden Makulatur. Zeit der Synthese. Nach dem Streit die lang ersehnte Versöhnung. Ruhe und Versöhnung sind die ersten Bürgerpflichten.

Versöhnung ist mitten im Streit, dichtete Hegels einstiger Busenfreund Hölderlin. Hegel, Deutschlands wirkmächtigster Philosoph, war ein Denker der allseitigen Versöhnung: „Versöhnung ist das allgemeine Interesse der Wissenschaft.“ Am Ende der Geschichte hat Gott – in Berlin – „sich mit der Welt versöhnt.“

Einsichtslose Versöhnung aber ist Selbstbetrug. Kommt es zur Fortsetzung der GROKO, erleben wir vier weitere Jahre Harmonie-Theater. Das genaue Gegenteil bräuchten wir.

Wir müssen uns ändern.

 

Fortsetzung folgt.