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Neubeginn LXXX

Hello, Freunde des Neubeginns LXXX,

noch 12 Jahre Zeit. Zwölf Jünger Jesu. Die zwölf Artikel der Bauern. Zwölf ist eine heilige Zahl, danach könnte das Unheil kommen, das ersehnte und befürchtete:

„In den nächsten zwölf Jahren müssen die globalen Emissionen um 20 Prozent sinken, wenn die Klimakatastrophe verhindert werden soll. Um das in Paris festgeschriebene 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssten die Emissionen nach 2030 also extrem schnell auf null absinken. Das ist unrealistisch und wäre extrem teuer.“ (TAZ.de)

Kinder, die in diesen Jahren geboren werden, gehen einer vorapokalyptischen Welt entgegen. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte mutet die Menschheit ihren Neugeborenen eine menschengemachte VERWÜSTUNG der Erde mit unermesslichen Folgen zu.

Asiatische und afrikanische Landstriche werden unbewohnbar. Gletscher schmelzen, Meeresspiegel steigen an. Fidschi-Inseln werden verschwinden. Wasser wird knapp und ungenießbar, Stürme, Überschwemmungen, Gluthitze werden Millionen Menschen vertreiben, die in die weniger gepeinigten Erdteile flüchten. Der Fremdenhass der dortigen Privilegierten, identisch mit den Urhebern der Naturzerstörung, wird explodieren und zu Bürgerkriegen führen. Die verschärften Verteilungskämpfe um Land und Lebensmittel könnten atomare Weltkriege entfesseln.

Chor der Neugeborenen: Warum tut ihr uns das an, die ihr uns ungefragt in die Welt gesetzt habt?

Chor der Erwachsenen: Zu Unrecht klagt ihr uns an, wir sind selbst Opfer – der unaufhaltsamen Entwicklung, des Gangs der Geschichte.

Chor der Neugeborenen: Wer sind die Täter? Wen müssen wir anklagen?

Chor der Erwachsenen: Oh ihr Kleinen. Aus euch spricht die Unschuld der Unwissenden. Also wisset: nicht zu allen Taten gibt es Täter.

Chor der Neugeborenen: Oh, ihr Erwachsenen, die ihr wissend und dennoch

unschuldig sein wollt. Habt ihr uns in die Welt gesetzt, nur, um uns zu mitzuteilen, dass wir keine Chance haben?

Chor der Erwachsenen: Ihr habt Recht. So klug, wie wir sein wollen, sind wir nicht.

Chor der Neugeborenen: Wo bleibt die Zukunft, die ihr uns versprochen habt? Wo bleibt der Fortschritt?

Chor der Erwachsenen: Noch ist es zu früh, die Flinte ins Korn zu werfen. Wir haben Maschinen entwickelt, die vielleicht klüger werden als wir. Die werden alle Probleme stellvertretend für uns lösen.

Chor der Neugeborenen: Klüger als ihr? Das kann so schwer ja nicht sein. Habt ihr nicht gerade erklärt, wie wenig klug ihr seid?

Chor der Erwachsenen: So jung und schon so scharfsinnig. Vielleicht schafft ihr, was wir nicht geschafft haben. Dann gibt es möglicherweise doch einen Fortschritt.

Chor der Neugeborenen: Ihr glaubt, ihr glaubt. Kann es sein, dass ihr uns mit eurem Glauben dies Alles hier eingebrockt habt? Wir wollen endlich Taten sehen. Aufs Altenteil mit euch: wir übernehmen.

Chor der Erwachsenen: Hallo, nicht so vorlaut. So war das nun auch wieder nicht gemeint. Zurück in euren Laufstall.

Noch zwölf Jahre – und was macht die deutsche Regierung? Sie spielen Gruppendynamik auf dem Balkon und zeigen mit dem Finger ins Publikum. Habeck, ein aufrechter Grüner, der nichts besser wissen will als das Publikum, fordert die Kanzlerin auf, mehr Führungsstärke zu zeigen. Ist sie als Parteiische zugleich die Führerin aller?

Wie immer wartet sie, bis die Männer ihre Hahnenkämpfe beenden und erschöpft aufs Lager sinken – dann kommt sie als Lichtgestalt aus der Tiefe des Raums und führt, wie die Deutschen wollen, dass sie geführt werden.

Die Deutschen haben keine Lust mehr auf Streit. Keine Lust mehr auf die Probleme der Welt. Katalanien? Keine Merkel, die zwischen Barcelona und Madrid vermittelt hätte. Brexit? Nervt. Griechenland? Verdrängt. Widerstand des rumänischen Volks gegen eine korrupte Politklasse? Uninteressant. Polen, Ungarn, Malta? Ach wie schön ist es im neugermanischen Panama.

Klimakonferenz in Bonn? Die Balkondarsteller wollen an der Kohle, am naturzerstörenden Status quo festhalten. Wg. Arbeitsplätze. Wg. Wirtschaftswachstum. Lindner erklärt, „dass es „mit der FDP … keine Fahrverbote“ für Diesel-PKW geben wird. Und die Luft, so Lindner, sei bei uns ja „schon so gut“. Solche Sätze haben schon fast trumpische Qualität.“ Das „fast“ hätte Prantl streichen können. (Sueddeutsche.de)

Trump wird hier wegen seiner naturfeindlichen Verweigerungshaltung zerrissen. Sie selbst rangieren ökologisch auf den letzten Plätzen in Europa. In einem fulminanten Artikel, der viel zu spät kommt, hat die ZEIT die Kanzlerin zur Klimaheuchlerin Nummer Eins der Nation ernannt. Zu wenig: sie ist eine Heuchlerin in allen Dingen.

„Auf internationaler Bühne präsentiert sich Angela Merkel als Kämpferin gegen die Erderwärmung. Sie hält mahnende Ansprachen und schließt globale Abkommen. Warum verfehlt Deutschland trotzdem seine Klimaziele? Auf den Spuren einer scheinheiligen Politik Nach außen hin steht sie als die Retterin des Klimaplanes da. Tatsächlich hat ihr Kanzleramt dafür gesorgt, dass sich Deutschland kaum verändern muss. Die Frau, die rund um die Welt als Kämpferin für das Klima gilt, ist eben eine gute Schauspielerin. Mit ihren Reden, ihren Initiativen auf internationaler Bühne sorgt Angela Merkel bei vielen Deutschen für das wohlige Gefühl: Mit dieser Kanzlerin gehören wir zu den Umweltschützern, auch wenn wir ein großes Auto fahren und gerne in den Urlaub fliegen. So entlastet sie die Bürger von ihrem schlechten Gewissen – und sichert sich mit ihrer realen Politik die Unterstützung von Industrie, Gewerkschaften und Bauern. Kommende Woche ist wieder Weltklimakonferenz. Angela Merkel wird in Bonn schöne Worte finden. Wieder ein großer Auftritt.“ (ZEIT.de)

Streng genommen ist der Vorwurf falsch: Merkel ist keine Heuchlerin, sie ist Lutheranerin. Ihre Regierungsprinzipien könnte jeder kennen, der die augustinisch-lutherische Einstellung zur irdischen Welt kennt. Das wollen die Deutschen aber nicht wissen. An der Reinheit der Religion, die niemand zur Kenntnis nimmt, lassen sie nicht rütteln. Religion darf nichts mit der Welt zu tun haben. Und wenn doch, nur als Licht, das in die Finsternis scheint, doch die Finsternis hat es nicht begriffen. Wenn schon Heuchelei, dann eine symbiotische zwischen mütterlicher Obrigkeit und folgsamen Kindern.

Merkel hat keine politischen Prinzipien, denn Politik ist das prinzipienlose Hindurchmanövrieren der civitas terrena (der gottlosen Welt) bis an den Tag des Jüngsten Gerichts. Retten kann man die Welt nicht, also hat man sie nur irgendwie durch die Zeiten zu bringen. Nicht die Menschheit, Gott regiert die Welt in amoralischer Willkür.

Die Kluft zwischen schreienden Zeitungsmeldungen und stummer Berliner Arbeitsverweigerung kann größer nicht sein. Täglich werden die Leute mehr mit alarmierenden Meldungen beunruhigt – aus Berlin kein Mucks. Wohnungsnot schreit zum Himmel – Grabesstille in Berlin. Haie aus aller Welt schnappen sich die besten Wohnungen: Berliner Singsang auf den globalen Freihandel. Dass die Krakenfreiheit nur den mächtigen Weltmonopolisten dient und auf Kosten der Schwachen geht – tja, Pech für die Schwachen.

Dass es ganz anders geht, beweist eine kapitalismuskritische neue Regierung in Neuseeland:

„In ihrer ersten Rede als Ministerpräsidentin kündigte Ardern eine Neuregelung an, damit Ausländer in Neuseeland keine bestehenden Immobilien mehr zu Spekulationszwecken kaufen können. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen 100.000 neue Häuser zu günstigen Preisen gebaut werden. Zudem soll der Mindestlohn erhöht werden.“ (SPIEGEL.de)

Selbst wenn die Jamaika-Verhandlungen scheiterten und es zu Neuwahlen käme: was würde sich hier ändern? Nichts. Mangels Alternative würde derselbe Fettklops gewählt werden.

„Mit rund 250 Metern Länge und einem Gewicht von 130 Tonnen stellte dieser Fettberg im Londoner Abwassersystem alles bis dahin Bekannte in den Schatten. Nun ist das Ungetüm verschwunden, Spezialkräfte haben den riesigen Fettberg in neun Wochen harter Arbeit abgebaut. Das Gebilde im Untergrund des Stadtteils Whitechapel bestand aus einem Mix von gehärtetem Kochfett und sanitären Abfällen wie Windeln und Feuchttüchern.“ (SPIEGEL.de)

Woraus besteht der deutsche Politfettklops? Nicht aus einem Mix von gehärtetem Kochfett und sanitären Abfällen, sondern aus dem Wärmetod ewiger Kompromisse ohne Zufuhr grundlegender Gedanken – gepaart mit endlosen Widersprüchen und der Sucht, sich durch wirtschaftliche Erfolge einen Platz auf dem Weltpodest zu sichern.

Es gibt keine grundlegenden Debatten, weil es keine grundlegenden Positionen mehr gibt. Eben noch feierten sie Luther als unbeugsamen Besserwisser, der seine Meinung furchtlos gegen Kaiser und Adel verteidigte. Jetzt wird in den Verhandlungen jeder zur Minna gemacht, der nicht windschlüpfrig seine Meinung der Macht opfert.  

Widersprüche lähmen. Man würgt den Motor ab, wenn man gleichzeitig aufs Gas und auf die Bremse tritt. Aus dem Zustand progressiver Lähmung der Regierung kann man die endlose Zahl gedanklicher Unverträglichkeiten erahnen.

Wenn das Vaterland zu den Fahnen ruft, darf sich niemand weigern, die nationale Ehre zu verteidigen. Alle drängeln sich an Mamas Rockschösse. Göring-Eckardt, Pastorin, und die Pastorentochter sollen sich blind verstehen. Die Grundlage ihrer Blindheit ist ihr gemeinsamer Glaube. Mit einem Körnchen Salz gilt das für alle Fragmentaristen der deutschen Einheitspartei. Sie treffen sich alle unendlich oft auf allen Etagen, da bleibt ihnen nur noch der liebgewordene Familienzoff, ohne den man nicht mehr leben kann. Jeder kennt das Reiz-Reaktionsschema von jedem aus dem Effeff. In willfährigen TV-Talks schäkern sie miteinander, um ihre Bedeutung in politlosen Zeiten nicht vergessen zu machen.

Reden wir nicht länger um den heißen Brei: die deutsche Politklasse ist nicht mehr satisfaktionsfähig. Das gesamte Personal ist gedankenarm und machtverseucht. Aus den Grundgedanken der Demokratie müsste sich die deutsche Demokratie runderneuern.

Doch woher nehmen, wenn man Gedanken als kompromissallergische Konterbande verabscheut? Kompromisse haben ihre Zeit, doch wenn die Zeit der Kompromissler vorbei ist, müsste eigenes Denken zur Sprache kommen, dass sich niemand die Butter vom Brot nehmen lässt – außer durch bessere Gedanken und schlagendere Argumente. Wer den Diskurs aus dem Geist der Wahrheit für Seifenblasen hält, wird seine Quittung früher oder später bekommen. Oder – zu spät.

Es ist nicht nur Merkel, die heuchelt. Schulz hat in seinem Wahlkampf das Thema Klima mit keiner einzigen Silbe erwähnt. Nachträglich moniert sein bester Freund Gabriel, man hätte nicht auf Gerechtigkeit setzen dürfen. Auch vom Klima keine Rede. Dass Gerechtigkeit und naturverträgliche Wirtschaft unlösbar verbunden sind – übersteigt den Gewerkschaftsverstand der Genossen.

Wenn Natur nicht gerecht behandelt wird, kann es unter Nutznießern der Natur keine Gerechtigkeit geben. Gerechtigkeit gegen Natur ist ihre pflegliche Erhaltung. Scholz fordert seine Partei zur grundsätzlichen Revision auf, indem er alles Grundsätzliche meidet wie die Pest. Kein Wörtchen zur Natur.

Gabriel fordert eine wirtschaftsverträgliche Umweltpolitik, keine umweltverträgliche Wirtschaftspolitik. Reichtum ist ihm wichtiger als Überleben. Mit Wohlstandsbauch in den Abgrund. Das soll er mal seinen Kindern erklären. Stegner rüffelt alle anderen Parteien, die ökologische Misere rügt er mit keinem Wort.

Am allerschlimmsten die Mahnung Ernst Ulrich von Weizsäckers an die Grünen, das Ende des umweltschädigenden Autos nicht abrupt zu fordern. Der Sohn des berühmten Quantenphysikers gehörte zur ideellen Gründergarde der Ökobewegung und schrieb grundlegende Werke über die Schonung der Natur. Als er in die SPD eintrat, war nichts mehr von ihm zu hören. Eine typisch deutsche Intellektuellenbiografie. In der Jugend radikal, mit dem Aufstieg zur Macht hört man nichts mehr von ihnen. Die Großsippe derer von Weizsäcker mit vielen Gelehrten und Politikern ist das Paradebeispiel einer deutschen Vorzeigefamilie, die sich allen Regimes wendig zu akkomodieren verstand.

Solches ist auch SPD-Proleten nicht fern, seitdem sie ihre pazifistischen Überzeugungen dem deutschen Kaiser opferten. Als der Neoliberalismus das deutsche Vaterland heimsuchte, waren sie – schwupps – auf der Seite eines gewissen Tony Blair, der einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus fand: den dritten Weg der Steigbügelhalter des Kapitals.

Wer war schuld am „kranken deutschen Mann“? Die Ärmsten. Wer musste zusammengestaucht und gedemütigt werden, damit das deutsche Kapital sich wieder aufs Profitmachen versteht? Die Schwächsten. Indem die Kleinen gerupft wurden, sollten die Großen wieder mehr Geld verdienen, um zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Nun verdienen sie wieder seit Jahr und Tag Unsummen – und was tun sie? Sie denken gar nicht daran, mehr zu investieren. Ihren Profit stecken sie ein, um in die Liste der Weltmogule aufzusteigen.

Fast alles, was Eliten sagen, um ihre Machtverhältnisse auszubauen, ist Lug und Trug. Solange die Medien sich verpflichtet fühlen, der Machtideologie des Tages zu folgen, wird sich an dieser knechtischen Haltung nichts ändern.

Dabei ist die Bevölkerung wacher, als man es an nach ihren Wahlergebnissen vermuten dürfte. Fast 70% will mehr Umweltschutz, danach erst die Interessen eines „florierenden Wirtschaftsstandorts“. Die Grünen sind vollständig desolat. Das Wort Natur nehmen sie nicht mehr in den Mund, um die lieben Deutschen nicht mehr zu sekkieren.

Bei deutschen Edelschreibern scheint sich Neues anzubahnen. Vor kurzem noch Apologeten des deutschen Garten Edens, entdecken sie plötzlich das Elend in ihrer Heimat. Wer ist zuständig für einstürzende Autobahnen und Schulen? Woher so viele stinkende Obdachlose in Berliner U-Bahnen? Wie viele ausgebrannte Mütter gibt es, die fertigbringen sollen, was kein Vater überhaupt versucht: die Verträglichkeit von Leben mit kapitalistischer Lebensfeindlichkeit?

Vor kurzem noch überwog in deutschen Gazetten ökologische Stumpfheit oder gar klimaskeptische Abwehr aller Umweltpolitik: kann man wirklich nachweisen, dass Klimaveränderungen auf menschliche Ursachen zurückzuführen sind?

Dümmer und trostloser kann eine Frage nicht sein. Liegt es in der Hand des Menschen, die zunehmenden Schäden der Natur generell einzudämmen? Ja oder Nein?

Wenn Ja, wäre es belanglos, ob die Schäden von Menschen oder rülpsenden Kühen verursacht werden. Die Menschen hätten die unbedingte Pflicht, ihre Überlebenschancen durch Erhalt der Natur zu wahren.

Wenn Nein, hätten sie ohnehin keine Chance gegen die evolutionären Veränderungen der Natur. Sie müssten die Entscheidungen der Natur akzeptieren wie den Ausbruch unterirdischer Vulkane oder den unvermeidlichen Zusammenprall mit einem Meteoriten.

Die gesamte Geschichte der abendländischen Technik von Roger und Francis Bacon bis heute beruhte auf dem Gefühl menschlicher Macht über die Natur. Dabei wusste jeder, dass die Natur nicht vom Menschen geschaffen war. Dennoch hatten sie nicht den geringsten Zweifel, sich als Lieblinge des Schöpfers die Erde untertan zu machen. Ihr technischer Fortschritt war Macht-Rausch über eine fremde Natur. Da fragte niemand: haben wir die Erde erschaffen, dass wir die Erlaubnis hätten, sie zu unterjochen?

Dabei war unumstritten, dass die Menschen sehr wohl die Umwelt verändern könnten. Was also war der Sinn der idiotischen Frage: ist die Klimakatastrophe von Menschen verursacht? Wenn die Evolution selbst die Naturveränderung wollte – wäre da eine menschliche Gegenintervention überhaupt sinnvoll?

In christlichen Worten: wenn Gott selbst die Naturkatastrophen zur Strafe der Menschen schicken würde, wäre es da nicht vermessen, Ihm ins Handwerk zu pfuschen? Oder mit ganz anderen Worten: wenn Klimaveränderung die Realisierung der gottgewollten Apokalypse wäre – was dann? Wäre nicht jeder Versuch, das Endgericht zu verhindern, eine unerhörte Blasphemie?

Kein Zufall, dass der ökologische Gedanke im eschatologischen Amerika ursprünglich auf erbitterten Widerstand traf. Trumps treueste Anhänger sind überzeugt, dass der Herr noch zu ihren Lebzeiten kommen wird. Jeder, der die konkreten Vorboten des Jüngsten Gerichts verhindert oder bekämpft, muss ein Anhänger Satans sein.

Es ist apokalyptischer Untergrund, von dem sich der Klimaskeptizismus nährt. Wer nicht an Gehirnschwund leidet, sollte seinen Verstand einschalten und sagen: was immer wir dazu beitragen können, die suizidalen Klimaphänomene einzudämmen, sollten wir tun. Liegt es in unserer Macht, die Natur zu schänden, so liegt es auch in unserer Macht, die Schändung zu beenden.

Auf seiner Reise nach Asien ließ sich das Sprachrohr des biblischen Gottes in bekannter Demut vernehmen:

„Wir dominieren den Himmel, wir dominieren das Meer, wir dominieren das Land und das Weltall!“ (SPIEGEL.de)

Wenn er schon Sonne, Mond und Sterne dominiert, warum nicht das Klima auf der winzigen Erde?

Der Mensch kann nicht nur alles verändern, was er selbst in die Welt setzt. Seine 800-jährige Geschichte der wachsenden Naturbeherrschung hat in schreckenerregender Weise bewiesen, dass er Herrscher über Vorgänge sein kann, die nicht auf seinem Mist gewachsen sind. Was also ist der Sinn der Frage: beruhen die gefährlichen Naturveränderungen auf menschlichen Ursachen oder sind sie von der Natur selbst zu verantworten?

Natürlich sind sie von der Natur zu verantworten. Denn der Mensch ist Natur. Gerade als Naturwesen ist er fähig, auf die Natur einzuwirken. Nicht im Sinne einer bedenkenlosen Despotie, sondern im Einvernehmen zwischen Mensch und Natur. Hat er seine Macht über Natur bislang nicht in erschreckendem Maße bewiesen?

Der Sinn der Frage ist der hinterlistige Versuch, den scheinbar gottlosen Menschen der Moderne unters Joch des himmlischen Herrn zurückzuzwingen. Seid demütig und kehrt zurück unter die Botmäßigkeit des Himmels. Die Rettung der Erde ist der teuflische Versuch, biblische Untergangsprophetien zu unterlaufen. Wenn aber der Herr persönlich das Ende herbeiführt, ist kein Mensch legitimiert, ihm ins Handwerk zu pfuschen.

Der Glaube an das nahe bevorstehende Weltende ist nicht neu. Er ist so alt wie die christliche Botschaft. Noch zu ihren Lebzeiten sollten die ersten Gläubigen die Wiederkunft des Herrn erleben. Der lähmende Verzug dieser Prophezeiung führte zum paradoxen Phänomen, mit menschlicher Kraft zu erreichen, wozu Gott selbst – wie es schien – nicht in der Lage war. Dies aber in der Überzeugung, nur im Auftrag Gottes zu handeln.

Der Glaube an eine überirdische Macht wurde zur selbsterfüllenden Prophezeiung des christlichen Abendlandes, das sich in Hektik, Beschleunigung und futurische Illusionen stürzen musste. Zu welchem Zweck? Um ihre heilsgefährdende Glaubensskepsis durch grenzenlosen Aktivismus in den Tiefen ihrer Seele zu begraben. Ihren Erlöser, der bislang in allen Dingen versagte, wollen sie durch eigene Taten – erlösen.

 

Fortsetzung folgt.