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Neubeginns XIV

Hello, Freunde des Neubeginns XIV,

Wir brauchen das Pariser Abkommen, um unsere Schöpfung zu bewahren.“ (Eine deutsche Kanzlerin)

Die feindliche Übernahme der ewigen Natur durch einen männlichen Schöpfer ist perfekt. Der jüdisch-christliche Glauben an einen Gott, der die Natur zu seinem Werk degradierte, wird zur Grundlage deutscher Politik. Merkel erklärt das deutsche Volk zu einer gläubigen Einheit und entwirft Politik als Willensäußerung eines national verordneten Fürwahrhaltens.

Demokratie, eine Form des Zusammenlebens mit gleichwertigen Weltanschauungen, wird zur unverhüllten christlichen Theokratie in demokratischem Flittergewand. Der Gott in der Verfassung, ein He-Man ohne Eigenschaften, wird zum christlichen Schöpfer und Erlöser.

Auf der Höhe ihrer Macht okkupiert eine Pastorentochter den säkularen Staat und verwandelt ihn vor aller Augen in eine Kampfzelle des Reiches Gottes. Im öffentlichen Handstreich verfälscht Merkel die demokratische Vernunftordnung in ein Gebilde der Offenbarung.

Die deutschen Christen, die bereits die Weimarer Republik in eine eschatologische Führer-Herrschaft – ein 1000-jähriges oder Drittes Reich – verwüsteten, haben erneut zugeschlagen und die von ihren Befreiern vorgeschriebene Herrschaft des Volkes in die Herrschaft eines göttlichen Willens transformiert, der sich dem Buch der Offenbarung unterwirft und die Grundlage einer allgemeinen Menschenvernunft negiert.

Damit spaltet sie die Menschheit und errichtet eine Arena des Kampfes zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen.

Die Zeit der Natur wird zur linearen Geschichte, an deren Ende die Erwählten den Sieg erringen und die Verworfenen einer ewigen Strafe

unterworfen werden. Die Natur wird zum Produkt eines Übermannes erklärt, der ihre Ewigkeit durch Anfang und Ende in der Zeit ad absurdum führen soll. Den Anfang nennen sie Schöpfung, das Ende das Jüngste Gericht, in dem alle Menschen einem willkürlichen Richtspruch unterworfen werden.

Das Gericht ist ein apokalyptisches Schein-Unternehmen. Denn die Seinen hat der Weltenrichter vor aller Zeit zur Seligkeit, die Verdammten zur Unseligkeit vorherbestimmt. Die Heilsgeschichte ist die Vollstreckung dieser Scheidung der Menschheit in Spreu und Weizen.

Um das mechanische Räderwerk der Geschichte zu vertuschen, haben die Priester den freien Willen der Heiden übernommen. Das endgültige Schicksal des Menschen soll auf seinem eigenen Verdienst, auf seiner eigenen Schuld beruhen. Mit der Erbsünde behaftet, die ihn allen widergöttlichen Gelüsten unterwirft, soll er frei genug sein, um eine rechte Wahl zu treffen und sich für Gott zu entscheiden.

Warum sollte ein Geschöpf, dessen Vernunft „sehr gut“ sein soll, sich freiwillig für ewiges Verderben entscheiden? Warum sollte ein vollkommenes Wesen sich sehenden Auges für seine ewige Selbstvernichtung entscheiden? Woher kommt das höllische Reich eines göttlichen Widersachers, wenn das Schöpfungswerk perfekt war?

Den theokratischen Charakter der deutschen Demokratie erkennt man daran, dass solche „Urfragen“ nicht mehr gestellt werden. Diese Urfragen wären Denkübungen einer unbelasteten Vernunft, wenn die Demokratie eine wahre Demokratie wäre, in der jeder Mensch frei von allen religiösen Einschüchterungen seinen eigenen Kopf benutzen dürfte.

Doch der Gott in der Verfassung ist zum religiösen Denkverbot geworden. Wäre der Gott ein Gott der Natur oder der Vernunft, hätten Indoktrinierungen keine Chancen, die Menschen am Gebrauch ihres Verstandes zu hindern. Der desolate Zustand des Westens zeigt sich auch daran, dass die logischen Denkfähigkeiten der Menschen verkümmern und selbst die weltlichen Elemente der Gesellschaft immer mehr torpedieren.

Der abendländische Glaube, geschützt in der unsichtbaren Kirche Gottes oder der civitas dei, wird zunehmend unfähiger, die Logik der sichtbaren Welt des Teufels oder der civitas diaboli immanent zu bedienen. Das entspricht dem Willen einer Heilsgeschichte, deren triumphales Ende durch Vernichtung der Welt erst möglich wird. Die Vernichtung der Natur ist die selbsterfüllende Prophezeiung eines Glaubens, der seinen Endsieg über die Welt durch deren Untergang und die Erschaffung einer ganz neuen Welt demonstriert.

Wenn das ganz Andere und Neue die Zerstörung der bekannten und vertrauen Welt ist, muss die Wirklichkeit als das Alte verstanden werden, das untergehen muss, um einem Neuen Platz zu schaffen. Die Modeformeln: in die Zukunft schauen, nach vorne gehen, nach vorne schauen, sich ständig neu erfinden, sind Übersetzungen theologischer Dogmen in politische Imperative, die ihre fromme Herkunft verschleiern.

Es geht nicht um Glaubensfragen – sofern unter Glauben eine private Welterklärung verstanden wird. Wenn der Glaube die Politik des Abendlandes, mittlerweilen der ganzen Moderne, dominiert, hat er den Bereich des Privaten verlassen und ist zum entscheidenden Faktor der Weltgeschichte geworden.

Es gehört zu den Larvierungskünsten des Glaubens, dass er sich als harmlose private Erleuchtung ausgibt, um seine weltpolitischen Anmaßungen zu kaschieren. Der Glaube spricht von der unsterblichen Seele und meint die totale Beherrschung des sterblichen Menschen.

Wenn eine Erlöserreligion eine ausgeklügelte Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zum apokalyptischen Ende erzählt, dann will sie sich mit Erleuchtungen im privaten Kämmerlein nicht abfinden. Man kann den Erlöserreligionen nicht den Vorwurf machen, sie sprächen nicht klar und deutlich vom weltpolitischen Zweck ihres Predigens. Ihr allmächtiger Schöpfer begann das Ganze, ihr allmächtiger Zerstörer wird das Ganze beenden. Der Herr hat‘s gegeben, der Herr wird’s wieder nehmen.

Der Schöpfer aus dem Nichts wird seine Schöpfung ins Nichts zurückbefördern, um seine Allmacht stets neu zu erfinden. Natur und Menschen sind nur Spielfiguren seines Machens und Vernichtens aus Nichts ins Nichts. Erlöserreligionen sind Erzählungen eines politischen Weltbeherrschungswillens, der vom Anfang bis zum Ende nicht das kleinste Detail seiner dominium terrae – seiner Herrschaft über die Erde – dem Zufall überlassen will.

„Machet euch die Erde untertan“: lautet der Auftrag; „sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben Gottes“: lautet die Zusicherung und Verheißung der Weltherrschaft.

Die Bergpredigt ist kein ethisches Manifest, sondern eine instrumentelle Anleitung, um das Reich Gottes auf Erden zu erringen. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden die Erde besitzen. Selig sind die geistlich Armen, denn ihrer ist das Himmelreich. Freuet euch und frohlocket, denn euer Lohn wird groß sein in den Himmeln.

Wie ihr Erlöser Herr über jede Gewalt und Macht und Kraft und Hoheit ist, so werden die Gläubigen zur Rechten des Pantokrators als Miterben und Mitherrscher über die ganze Schöpfung sitzen. Das Reich Gottes ist im Himmel, doch dieser beginnt bereits auf Erden. Arm und machtlos sein ist nicht der Endzweck des Daseins, sondern nur welt-düpierendes Mittel, um sich am Ende ins Gegenteil zu verkehren. Die Macht der Heiden soll lächerlich gemacht werden, wenn sie am Ende durch vermeintlich Arme und Ohnmächtige abgeurteilt wird. Es ist eine Art göttlichen Foppens und Beschämens, wenn just die Letzten und Verachtetsten am Ende die Nase vorn haben.

Mehr als 1000 Jahre abendländischer Geschichte haben die Allmachtsgelüste der Christen in eine Gesamtkultur politischer Hegemonie über die Welt verwandelt. Je mehr es gelang, den Glauben in politisches Herrschaftswissen zu verwandeln, umso weniger waren die Abendländer auf Lippenbekenntnisse angewiesen, um ihren Glauben zu leben. Seid getrost, ich habe die Welt überwunden, wurde zum Geschenk des Herrn an seine Erwählten.

Heute ist man Christ, wenn man die weltbeherrschende Politik der Moderne widerstandslos hinnimmt. Der Unglaube ist so lange irrelevant, solange er sich christlichen Machtgelüsten über Mensch und Natur nicht widersetzt. Ob jemand seinen Kinderglauben verloren hat oder aus der Kirche ausgetreten ist, bleibt irrelevant – solange er der Klimaverschärfung keinen Widerstand entgegensetzt.

Glaubensstreitigkeiten über die Beweisbarkeit eines Gottes sind lächerlich, solange die Gottgläubigen sich mit allen Mitteln die Erde untertan machen. Die politischen Strukturen der Gegenwart haben sich mit apokalyptischem Geist vollgesogen. Sage mir, was du tust, und ich sage dir, ob du ein Christ bist. Deine Glaubensbekenntnisse kannst du dir an den Hut stecken. Nicht jeder, der Herr Herr sagt, ist ein Frommer, nicht jeder, der Ja sagt, tut auch Ja. Der eine sagt Ja und tut das Gegenteil, der andere Nein und unterwirft sich brav dem Herrn.

Wer sich für eine ökologische und menschenfreundliche Welt einsetzt, mag noch so mit biblischen Sprüchen um sich werfen: er ist, ob er will oder nicht, ein antichristlicher Humanist. Wenn auch im Widerspruch zwischen Denken und Handeln. Seine Rede ist verblendet, sein Tun aber vorbildlich.

Heuchelei ist der Widerspruch zwischen vorbildlicher Rede und verwerflichem Tun. Es gibt eine positive Form der „Heuchelei“, wenn das Tun exemplarisch und das Reden fromme Torheit ist.

Der Grund für diese verwirrenden Phänomene ist der abendländische Kampf zwischen Aufklärung und Religion, Vernunft und Glauben. Das kindliche Gemüt muss viel Religiöses inhalieren, der erwachende Kopf aber spürt und ahnt die Erkenntnis der eigenen Vernunft, deren Verführungskraft er nicht widerstehen kann.

So sind fast alle Zeitgenossen gespaltene Wesen. Was sie glauben mussten, haben sie nie verstanden und ihre Zweifel unterdrückt. Wie sie die ungeschminkte Wirklichkeit erleben, hat mit Lippenbekenntnissen nichts zu tun – selbst, wenn sie sich auf biblische Sätze berufen, die sie ernsthaft nie überprüfen konnten.

Das Christentum ist eine grenzenlose Projektionsfläche für alle Gedanken – und Gegengedanken. Da die Schrift in fast allen Dingen eine positive und eine negative Aussage enthält, fällt es Gottesgelehrten nicht schwer, je nach Zeitgeist-Anpassung die angemessene neueste Theologie aus dem Hut zu zaubern.

Wissenschaftliche Thesen müssen nach Popper so widerspruchsfrei und scharf formuliert werden, dass sie die Chance haben, widerlegt zu werden. Was unwiderlegbar ist, kann nicht wissenschaftlich sein.

Der Glaube will keine Wissenschaft sein, gewiss aber eine einleuchtende Ethik. Auch moralische Sätze müssen widerlegbar sein. Ihre theoretischen Sätze müssen logisch, ihre praktischen Folgen evident und schlüssig sein.

Wer beliebiges Verhalten mit denselben heiligen Texten dekoriert, dessen Begründungen sind Schall und Rauch. Eine Moral, die demokratisches und undemokratisches Verhalten gleichzeitig predigt, kann weder in Worten noch in Taten authentisch sein.

Authentisches Verhalten ist Übereinstimmung zwischen Reden und Tun. Wer seine Moral den Stürmen der Zeit unterwirft, bleibt ein Windbeutel. Heute Demokrat – morgen Faschist, heute solidarisch – morgen karriere- und eigensüchtig: das sind Phänomene der Verkommenheit und keine Zeugnisse lernender Offenheit. Wer heute – ohne hinzugelernt zu haben – seiner Moral untreu wurde und sich dabei neu erfunden haben will, ist ein amoralischer Geck des Zeitgeistes.

Die Nachkriegsdeutschen mussten lernen, nie wieder Mitläufer einer aufkommenden Ideologie zu werden. Heute sind sie zu Mitläufern des Futurismus geworden. Sie schauen immer nach vorn, um nicht durch Rückblick auf die Vergangenheit ihre charakterliche Verkommenheit wahrzunehmen.

Merkel ist eine der wendigsten Zeitgeist-Mitläuferinnen, doch im festen lutherischen Schritt und Tritt: hier steh ich und kann nicht anders. Es sei, der Zeitgeist selbst nötigt mich dazu. Dann bin ich unschuldig.

Die Pose mütterlicher Beständigkeit lieben die Deutschen, auf deren ständig wechselnde Inhalte schauen sie nicht mehr. Sie könnten dabei ihre eigene Windigkeit entdecken. Wenn Muttern täglich neu herumflunkert, ohne die Facon zu verlieren, fühlen sie sich in ihrer eigenen Unbeständigkeit gerechtfertigt. Muttern befreit sie von ihren peinigenden Selbstzweifeln.

Naturreligionen und -philosophien kennen keine Schöpfung. Schöpfung ist die Hybris eines Mannes, der sich als omnipotenter Macher definiert. Wenn Gott alles aus Nichts macht und der Mensch sein Ebenbild ist, kann der Mensch ebenfalls alles aus Nichts machen.

Damit wird Natur, die Mutter allen Seins, degradiert und langfristig vernichtet. Wenn der Mensch den Ehrgeiz besitzt, alles neu zu machen, ist er auf das Alte nicht mehr angewiesen. Das Alte aber ist die Natur, die ausgelöscht werden muss, um die grenzenlosen Macherqualitäten des Mannes unter Beweis zu stellen.

Das war eine Kurz-Beschreibung der Moderne, die die Endlichkeit des Menschen überwinden und unsterblich werden will. Unsterblichkeit war bislang das Privileg der Götter. Der Fortschritt der Moderne ist die unaufhaltsame Entwicklung des Menschen zu einem Gott.

Das christliche Abendland fühlt sich seit Roger Bacon im Besitz des Heiligen Geistes und daher befugt, die Folgen des Sündenfalls durch Wissen und Macht zu tilgen. Der Tod ist der Sünde Sold, also wird der neue Mensch den Tod überwinden. Arbeiten im Schweiße seines Angesichts war eine Strafe, die durch geniale Maschinen überflüssig wird. Der Garten Eden kann auf Erden bereits zurückerobert werden.

Das Reich Gottes kann schon hienieden errichtet werden. Anders hätte Amerika nie Gottes eigenes Land sein können. Anders hätten die Kinder Israels nie das Land erobern können, in dem Milch und Honig fließen.

Warum sind nichtchristliche Utopien verboten? Damit die christliche Utopie des zweiten Paradieses nicht gefährdet wird. Einerseits ist der Mensch unverbesserlicher Sünder, der nichts zustande bringt, andererseits ein Geschöpf Gottes, dem keine Aufgabe unlösbar ist. Diese beiden Gruppen voneinander zu trennen, ist der Sinn der Heilsgeschichte.

Die Griechen kannten keine Schöpfung. Sie hätten es für kosmische Pietätlosigkeit gehalten, die ewige Natur als Mach-Werk zu denken.

Heraklit verneint vehement, dass der Kosmos von einem der Götter oder gar einem Menschen geschaffen sei. „Natur war immer, ist und wird sein.“ Für Parmenides galt erst recht, dass das „wahrhaft Seiende niemals aus dem Nichtseienden entstanden ist oder zerstört werden könne.“ Bei Platon gab es einen Werkmeister – Demiurg –, der das schon immer existierende Chaos in einen wohlgeordneten Kosmos verwandelte. Für seinen Schüler Aristoteles waren Himmel und Materie ewig und ungeworden. Auch für die Stoa war die Materie ohne Anfang, sie konnte niemals aus dem Nichtseienden entstehen.

Da die Griechen keinen Anfang kannten, kannten sie auch kein Ende der Natur – deshalb auch keine Heils-Geschichte zwischen Anfang und Ende. Die Zeit der Natur war zyklisch und nicht linear.

Seit dem Aufkommen der Evolution wird von gläubigen Wissenschaftlern viel Wirbel gemacht, dass auch die Natur eine Geschichte habe (siehe C. F. von Weizsäcker: Die Geschichte der Natur). Damit soll die lineare Geschichte der Erlöser als plausibles Phänomen bewiesen werden.

Doch ein Zyklus ist kein Stillstand. Werden und Vergehen gehören zum Kreislauf der Zeit. Die Linearität der Heilsgeschichte soll die Grenzenlosigkeit der menschlichen Hybris erst möglich machen. Wenn die Natur sich unaufhörlich entwickelt, kann der entgrenzte Mensch die Natur grenzenlos weiter entwickeln.

Creatio continua, die immer fortlaufende Schöpfung, ist die Voraussetzung, dass der Mensch die Schöpfung in eigener Regie übernehmen und fortführen kann. Der Blick in die grenzenlose Zukunft ist der Blick eines allmächtigen Schöpfers, der sich durch nichts aufhalten lässt. Gott, der Alte, ist müde geworden. Seine ihm ebenbürtigen Geschöpfe übernehmen den Auftrag, das Werk der Schöpfung ins Unabsehbare weiterzuführen.

Je berauschter der Mensch von seinen Erfolgen wird, umso mehr fühlt er sich von der alten Natur in seinem Wirken beeinträchtigt. Umso größer wird der Furor, die erste Natur zu zerstören, um eine nagelneue hervorzuzaubern.

Die „idealistischen“ Philosophien hatten der Verachtung und Abwertung der primären Natur schon vorgearbeitet. Ist Natur wirklich? Können wir Wirklichkeit erkennen? Oder sind wir auf die vorhandene Natur gar nicht angewiesen? Ist wissenschaftliches Erkennen abhängig von der Natur – oder ist der Mensch in der Lage, die Objekte seiner Erkenntnis selbst hervorzubringen?

Bei Kant war die Natur das unerkennbare Ding an sich, dem der Mensch seine apriorischen Qualitäten vorschreiben kann. Für Vico war nur zu erkennen, was der Mensch selbst hervorbrachte. Erkennen und Produzieren fließen ineinander und prägen die Eitelkeit der Produzenten, die in ihren Mach-Werken die wahre Welt erkennen.

Was der Mensch nicht selber machen kann, kann er nicht erkennen. Versteht sich, dass die unverstandene Natur so lange zertrümmert werden muss, bis der Mensch alles selbst hervorbringen kann. Indem er seine eigenen Wahrheiten produziert, kann er auf Erkennen der fremden Natur verzichten.

Das ist der Kern des Geschlechterkampfes. Der Mann versteht das fremdartige Weib nur, wenn er es zu seinem Spiegelbild geformt hat. Die Emanzipation der Frau wird nur gelingen, wenn das Spiegelbild hinter dem Spiegel hervor tritt und dem gottgleichen Schöpfer aller Dinge die souveräne ungewordene und nie einzuholende Natur vor die Nase hält.

Erkennen ist keine passive Imitation der Natur, wie der Mann unterstellt, um durch sinnloses Machen und Produzieren der Abhängigkeit von der Natur zu entgehen. Wie der Mensch seine Befindlichkeit nur durch Erinnern an die ozeanische Identität mit der Mutter erkennt, so kann der Mensch die Natur nur durch Erinnern an die ursprüngliche Einheit mit ihr erkennen.

Diese utopische Erinnerung ist notwendig, um eine politische Utopie zu entwerfen, in der alle Menschen Brüder und Schwestern sind. Wie kann der Mensch sich in der Natur zu Hause fühlen, wenn er sie als fremdartig und unerkennbar empfinden muss?

Fichte lehnte die Annahme einer göttlichen Schöpfung ab, weil der Wille des Menschen selbst der wahre „Weltschöpfer“ sei. Höher kann der Titanismus des Abendlandes nicht steigen. Wie bei Nietzsche wird Gott abserviert, weil der Mensch selbst der eigentliche Gott ist.

Marx ist ein treuer Schüler des deutschen Idealismus, auch wenn er sich kokett Materialist nennt. Auch er kennt keinen Schöpfergott, weil er die „Selbst-Schöpfung des Menschen“ propagiert. Die kapitalistische Evolution hat durch grenzenlose Naturbeherrschung erst das Bett zu bereiten, das die Proleten eines fernen Tages für sich erobern werden. Puritanische Ausbeuter erwarten am Ende der Tage das Reich Gottes, gottlose Proleten das Reich der Freiheit. Für neucalvinistische Kapitalisten sind die Reichen und Mächtigen die Erwählten der Heilsgeschichte, für Marx die Proleten, die zuvor die Demütigungen der Ausbeutung erleiden mussten, bevor sie überschwänglich belohnt werden.

Die Endsieger der Geschichte sind bei Kapitalisten und Marxisten verschieden, doch der Verlauf der Geschichte zum gottgleichen Wesen ist identisch. Feuerbach ist noch der kritischste unter ihnen. Für ihn ist Schöpfung das Zeichen für den nach Allmacht strebenden Menschen, der sich von der Natur unterscheidet, sich über sie stellt und sie beherrscht. Wer etwas beherrscht, kann sich mit ihm nicht gleichsetzen. Herren verachten ihre Knechte.

Die christliche Schöpfungslehre hat die Vermessenheit des Fortschritts und die Machtgier der Moderne hervorgebracht.

Woran krankt die ökologische Debatte der Gegenwart? Dass es keine gibt. Es werden nur quantitative Gefahren der Naturverwüstung betont, um ökologische Kursänderungen zu begründen. Die theologischen Ursachen der Naturfeindschaft werden nicht thematisiert.

Wo steht das Wort: „Und Gott nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre“? Im Schöpfungsbericht – vor dem Sündenfall! Was gibt es zu bewahren, wenn Sünde den Garten Eden nicht bedroht und alles im Zustand der Vollkommenheit liegt?

Vor der ökologischen Bewegung hat die Theologie nicht im Traum daran gedacht, dieses Wort der Genesis als Kritik an der Naturbeherrschung des Menschen einzusetzen. Im Gegenteil: Natur war seit jeher eine durch Sünde entstellte Schöpfung Gottes, die man nach Belieben drangsalieren darf und die sehnlichst auf Erlösung wartet. Erst der erlöste Mensch wird die Natur von ihren Seufzern und Ängsten befreien.

„Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Sintemal die Kreatur unterworfen ist der Eitelkeit ohne ihren Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung. Denn auch die Kreatur wird frei werden vom Dienst des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß alle Kreatur sehnt sich mit uns und ängstet sich noch immerdar.“

Amerikanische Fundamentalisten hassen die Bemühungen der Menschen zur Rettung der Natur. Sind sie doch fest davon überzeugt, dass apokalyptische Katastrophen kommen müssen. Gott selbst hat sie prophezeit. Wer sie verhindern will, stellt sich Gottes Willen entgegen.

Trumps ökologie-feindliches Treiben basiert auf der Erwartung eschatologischer Erdverwüstungen, in denen die christliche Feindschaft gegen Frau und Kinder einen schrecklichen Höhepunkt erfahren wird:

„Denn es wird alsbald eine große Trübsal sein, wie nicht gewesen ist von Anfang der Welt bisher und wie auch nicht werden wird. Und wo diese Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzt. Weh aber den Schwangeren und Säugerinnen zu der Zeit!“

Wenn „aufgeklärte“ deutsche Christen die Schöpfung bewahren wollen, widersetzen sie sich dem Willen ihres Gottes. In den Augen ihrer amerikanischen Geschwister sind sie Empörer gegen Gott.

Zudem stellt sich die Frage: welche Schöpfung wollen sie denn bewahren? Die Natur der Jäger und Bauern, die ausgelaugte Natur der Neuzeit, die mit Robotern besiedelte Natur der Zukunft – oder gar die durch einen möglichen Atomkrieg verwüstete Natur? Jeder theologische Apologet von Silicon Valley wird darauf hinweisen, dass der geniale Mensch die creatio continua auf ungeahnte Höhen fortentwickeln kann.

Mit dem Motto Schöpfung bewahren „wird aber nicht klar, ob damit die Perspektiven der westlichen, christlich geprägten Zivilisationen mit Globalisierung, der Klimaänderung und dem Atomzeitalter maßgeblich sind, oder ob die Schöpfung in einem Zustand der Postindustrialisierung, in einem naturnäheren, mystischen Zustand, vergleichbar dem dunklen Mittelalter (siehe Aufblühen der Mittelalterfeste, Wallfahrten in Europa) oder anders unter globaler christlicher Hoheit, der Weltmission erhalten werden soll. Diese Interpretation der Bibel ist keineswegs universell; viele christliche Kirchen, gerade auch außerhalb Deutschlands, sehen es nicht als Aufgabe der Kirchen, sich beim Umweltschutz zu betätigen“. (Wiki)

Wenn der Berliner Kreis der CDU Merkels ökologische Hektik mit dem Argument kritisiert, sie würde die positiven Aspekte der Klimaveränderung ignorieren, zeigen sich die klaffenden Widersprüche der Christen auch bei diesem Thema.

Merkel okkupiert die Natur als Eigentum der Christen: unsere Schöpfung liegt in den Händen der Frommen. Wie immer deutet sie nur an und verschweigt das Wichtigste. Ungesagt verbreitet sie die Botschaft: nur Christen können das Seufzen der gefallenen Natur beenden. Damit macht sie den Bock zum Gärtner. Die Schöpfungslehre aus dem Nichts ist der Grund der Naturzerstörung ins Nichts.

Merkel hat den Rubikon überschritten, die autonome Vernunft verabschiedet und die Natur in die Hände der Frommen gelegt. Luther, der ständig an den lieben Jüngsten Tag dachte, wollte noch ein Apfelbäumchen pflanzen, wenn er wüsste, dass morgen der Herr käme. Was würde seine treue Schülerin machen? Sie würde das BIP der Deutschen so in die Höhe schrauben, dass alle Konkurrenten vor Neid erblassen und sie zur Königin der Welt küren würden.

 

Fortsetzung folgt.