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Neubeginn XII

Hello, Freunde des Neubeginns XII,

Trump gegen Merkel: eins zu null.

Ist es nicht eine demokratische Trivialität, selbst Verantwortung für sein Tun und Lassen zu übernehmen? „Die Aussagen der Kanzlerin seien „großartig“, sie entsprächen genau dem, „was der Präsident gefordert hat“, sagte Trump-Sprecher Spicer.“

Die New York Times schreibt gar von „tektonischer Verschiebung“, wenn die deutsche Kanzlerin mit Hilfe einer bayrischen Bierdunstatmosphäre den Satz ausspricht, der wie Donnerhall einer Weltenretterin in den letzten planetarischen Winkel dringt: „Wir müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.“

Wirklich? Ein verräterisch Wörtchen. War denn ihre bisherige Politik unwirklich? Und wen meint sie mit „wir“? Hat das ganze deutsche Volk bis zum gestrigen Tag keine Verantwortung für sein Schicksal übernommen? Oder spricht sie bereits im Plural der Selbstanbetung?

Verantwortung übernehmen heißt nicht, sich von Freunden und Verbündeten zurückziehen. Merkels verbale Fehlleistung offenbart die bisherige Verantwortungslosigkeit der deutschen Politik. Trump drangsaliert die Deutschen, endlich erwachsen zu werden. Man sollte ihm ein Denkmal errichten.

Nein, er ist es nicht. Doch wäre Trump ein gewitzter Politpädagoge: seine paradoxe Intervention wäre zur rechten Zeit gekommen. Er pöbelt, randaliert und zerlegt alle scheinrationalen Rituale der Weltpolitik derart gründlich, dass die aalglatten Höflichkeitsmasken sich nun entscheiden müssen, ob sie weiterhin wie ferngelenkte Gipsabdrücke wirken – oder ein wenig aufmucken wollen.

Merkel entschied sich für letzteres. In gottgesegnetem Instinkt hat die Kanzlerin sofort die Rolle erahnt und übernommen, die treue Untertanen ihr entgegen atmen. Ulf Poschardt – erster Minnesänger am Hofe – wuselt beflissen um ihren Thron

 herum, um ihr die Weltenkrone aufs Haupt zu setzen:

„In der vergangenen Woche glänzte die Kanzlerin als inoffizielle Führerin der freien Welt. Merkels Aura lässt auch einen Trudeau um sie wie um den archimedischen Punkt der liberalen Demokratie balzen. Sie selbst bleibt dabei ruhig. Studiert den Pfauentanz der vermeintlich mächtigen Männer um sie herum in Seelenruhe, wie eine Ornithologin. Wer Merkel in der vergangenen Woche als inoffizielle Führerin der freien Welt studiert hat, kann sich schwer vorstellen, dass die Mehrheit der Deutschen etwas wie Wechselstimmung spürt.“ (WELT.de)

Ave maris stella, Meerstern, sei gegrüßet, Gottes hohe Mutter, allzeit reine Tochter, selige Närrin zum Himmel! „Stella Maris, Meeresstern, ist der beliebteste Beiname, mit dem die Seeleute – und Edelschreiber (Zufügung der Redaktion) – von jeher diejenige anriefen, deren Schutz und Beistand sie vertrauen: die Jungfrau Maria. Jesus Christus, ihr Sohn, begleitete seine Jünger auf ihren Fischerbooten, stand ihnen in Seenot bei und beruhigte den Sturm. Stern des Meeres, leuchte uns und führe uns auf unserem Weg!“ (Zwei Päpste)

Erlöser müssen ruhig schlafen – „Merkel selbst bleibt dabei ruhig“ –, damit sie die ungläubige Hektik ihrer Umgebung noch rechtzeitig bemerken und mit Schnipsen des kleinen Fingers abstellen können:

„Und es erhob sich ein großer Windwirbel und warf Wellen in das Schiff, also daß das Schiff voll ward. Und sie war hinten auf dem Schiff und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten sie auf und sprachen zu ihr: Meisterin, fragst du nichts darnach, daß wir verderben? Und sie stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig und verstumme! Und der Wind legte sich, und es ward eine große Stille. Und sie sprach zu ihnen: Wie seid ihr so furchtsam? Wie, daß ihr keinen Glauben habt? Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist die? denn Wind und Meer sind ihr gehorsam“.

Nun wissen wir, warum die Gebenedeite so schweigsam ist und sich so schläfrig gibt. Sie wiegt ihre Gegner in Sicherheit und reizt sie zu hektischer Fahrlässigkeit. Dann erst schlägt sie zu. Ein kleiner Schlag genügt, denn die anderen sind längst angeschlagen. Noch wütet der transatlantische Unhold, doch die Domestikation hat schon begonnen. Sollte sie endgültig gelingen, wird sich zur Anbetung der Muttersöhnchen das Fürchten gesellen. (Und sie fürchteten sich sehr und sprachen: wer ist denn die, die aus dem sozialistischen Niemandsland kommt?) Noch sind wir nicht so weit.

Maria, Mutterfigur, war für Pastorensohn C. G. Jung die notwendige Komplettierung einer einseitigen katholischen Vaterreligion. Pastorentochter Merkel wäre für den urigen Schweizer die ideale Verkörperung seines Mutterarchetyps gewesen.

„Der Mutterarchetyp, auch Große Mutter oder Urmutter steht für die insbesondere im männlichen Unbewussten verankerte Vorstellung einer gebärenden, Schutz gewährenden Frau, hat aber auch ambivalente und negative Aspekte, so etwa in der Form der zerstörenden, verschlingenden Mutter. Kennzeichnend für „das Mütterliche“ sind „das Gütige, Hegende, Tragende, das Wachstum, Fruchtbarkeit und Nahrung spendende“, „die Weisheit und die geistige Höhe jenseits des Verstandes“, „die magische Autorität des Weiblichen“. Der Archetyp steht für eine „Stätte der magischen Verwandlung, der Wiedergeburt“, für „den hilfreichen Impuls, das Geheime, Verborgene, das Finstere, den Abgrund, die Totenwelt“, aber auch das „Verschlingende, Verführende, Vergiftende, das Angsterregende und Unentrinnbare“.

Merkel – die Vergiftende und Angsterregende? Noch nicht. Kommt erst, wenn die Anbetung nachlässt und die Bewunderung sich ins Gegenteil verkehrt. Sollte ihr himmlischer Vater – was ER verhüten mag – sie auf dem Gipfel ihrer Welterrettung abberufen und ins Ätherische entrücken, würde sie zur ersten protestantischen Heiligen ernannt. Nein: zur ökumenischen Heiligen. Nachdem lutherische Bischöfe und katholische Kardinäle ökumenisch versagt haben, hat sie alle Chancen, die getrennten Konfessionen, wenigstens im germano-politischen Sinn, wieder zusammenzuführen.

Im Kontrast zum Niedergang des angelsächsischen Puritanismus und Grobianismus wird die weibliche Anima Merkels ganz Europa unter ihren Fittischen vereinigen. Es wird geschehen, was die Franzosen Saint-Simon und Thierry bereits im 19. Jahrhundert an den Deutschen bewunderten:

„Die deutsche Nation ist, vermöge ihrer Bevölkerung, die beynahe die Hälfte von Europa ausmacht, durch ihre Lage im Mittelpunkte Europens, und noch mehr durch ihren edlen und großmütigen Charakter bestimmt, die erste Rolle in Europa zu spielen, sobald sie unter einer freyen Regierung in einen einzigen Körper vereinigt seyn wird. Diejenigen Deutschen, welche man berufen wird, an der gemeinschaftlichen Regierung Theil zu nehmen, werden in ihre Meinungen jene Reinheit der Moral, jenen Seelenadel übertragen, der sie auszeichnet. Und durch die Macht des Beyspiels werden sie Engländer und Franzosen zu sich erheben, die ihrer Ökonomie wegen mehr an ihre eigene Person denken, und sich nicht leicht von ihrem Privatinteresse losmachen können, dann werden die Prinzipe des Parlaments freysinniger, ihre Arbeiten uneigennütziger, ihre Politik den übrigen Nationen günstiger seyn.“

Am deutschen Wesen wird Europa genesen. Mittlerweilen sind die Deutschen vereinigt und zur Macht der Mitte geworden. Ein erstaunliches Phänomen, dass die Franzosen, so lange kulturelle Spitze Europas und Avantgarde der Revolution, ihre Hoffnungen auf das zurückgebliebene und zerklüftete Deutschland setzten, das Madame de Staël spöttisch das Land der Dichter und Denker nannte. Während die Franzosen die griechisch-römische Antike mit deren Betonung des Diesseits zum Vorbild nahmen, verdankte die deutsche Kultur ihre Entstehung dem „Geist des Mittelalters“. Kann man am diesjährigen Luther-Gedenkjahr krass erkennen.

Luther blockierte den neuen Geist der Renaissance durch Rückkehr zum Urchristentum. Die wiedergeborene griechische Freiheit nahm er im Geist Gottes gefangen, der nichts mehr hasste als die heidnische Selbstbestimmung des Menschen.

Klarheit war für Franzosen die größte Auszeichnung des Menschen, während in Deutschland das „Mysterium“ das Faszinosum der deutschen Literatur und Philosophie ausmachte. „Die Deutschen“, schrieb de Staël, „gefallen sich in Dunkelheiten: oft hüllen sie, was klar am Tage lag, in Nacht, bloß, um den geraden Weg zu meiden.“ An den deutschen Philosophen bemäntelte sie das mangelnde politische Engagement: „Die aufgeklärten Köpfe in Deutschland streiten sich um die Herrschaft im Gebiet der Spekulation – doch alles Reelle im Leben überlassen sie den Mächtigen der Erde. Die größte Kühnheit im Denken verbindet sich mit dem folgsamsten Charakter.“

Nach einer kurzen Nachkriegsphase, in der sich die Intellektuellen in die Politik einmischten, haben sich die uralten Verhältnisse wieder hergestellt. Aus Kunst und Philosophie ist kaum eine ernsthafte Stimme zu vernehmen. Die Feuilletonisten, die keine anderen Götter neben sich dulden, spenden vergiftetes Lob.

Eines aber hat sich grundsätzlich verändert: die Kühnheit der Denker ist abhanden gekommen. Mangelnde politische Leidenschaft auf geistig inferiorer Ebene: das ist die Kultur, die einen Stern des Meeres erst möglich macht. An die Stelle der kühnen Dichter und Denker ist die geistlose Walze der Ökonomie getreten. Wie empfinden die heutigen Franzosen ihre erfolgreichen Nachbarn?

„Macron und seine Regierung werden in Frankreich deshalb oft spöttisch „génération modèle allemand“ genannt – die Generation, die das deutsche Modell bewundert. Nicht zufällig betitelte die Tageszeitung Le Monde ihren Leitartikel zwei Tage nach Macrons Wahl: „Paris – Berlin: der Mythos der Unterwerfung“. In diesem Artikel beklagte sie eine Haltung, man könnte fast Neurose sagen, die im vergangenen Jahrzehnt einen großen Teil des öffentlichen und medialen Diskurses in Frankreich bestimmt hat: die Angst, sich den Deutschen zu unterwerfen. Diese Angst lässt sich zunächst mit den tiefen sozialen Rissen und wirtschaftlichen wie identitären Unsicherheiten der französischen Gesellschaft erklären.“ Schreibt Cécile Calla in der ZEIT.

Sind es nur wirtschaftliche Unsicherheiten, die Frankreichs Minderwertigkeitskomplex begründen? Der Mensch lebt nicht von Brot allein. In Frankreich schon gar nicht. „Leben wie Gott in Frankreich“ war einst die Formel des deutschen Unterlegenheitsgefühls. Leben, um zu arbeiten: das waren die fleißigen Deutschen, die ihren Beruf als göttliche Berufung vergötzten. Arbeiten, um zu leben, das waren ihre vor Geist und Lebenslust sprühenden ehemaligen Erbfeinde. Heute hat die amerikanische hard-work- und moneymaking-Kultur Europa und die Welt überflutet.

Gegenüber dieser lutherisch-angelsächsischen Kooperation stand die französische Lebenskunst auf verlorenem Posten. Cécile Calla hofft auf den neugewählten, jungen Präsidenten:

„Am 7. Mai hat eine Mehrheit der Franzosen doch Vernunft und Aufklärung statt Chaos gewählt. Diese Worte haben auch deshalb so viel Gewicht, weil der Ton der Deutschen gegenüber Frankreich in den letzten Jahren oft herablassend war. Allerdings setzt sich diese Herablassung jetzt mitunter fort. Manche sind skeptisch wegen Macrons jungen Alters, aufgrund seiner Erfahrung als Bankier oder seiner Elite-Laufbahn. Andere verweisen auf die „Reformunfähigkeit“ Frankreichs: „Die Gewerkschaften werden sowieso alles blockieren“, hört oder liest man regelmäßig in deutschen Medien. Vielleicht sollte man Macron eine Chance geben, und nicht alles nur durch die deutsche Brille betrachten.“

Die Herablassung der Deutschen gegenüber den Franzosen ist selbst eine Kompensation ihres kulturellen Unterlegenheitsgefühls, das man am stereotypen Satz erkennen kann: die Franzosen sind arrogant.

L’art de vivre lässt sich mit noch so vielen Euros nicht kaufen. Das deutsche Modell „Leben, um zu arbeiten“ – die Unterwerfung unter den paulinischen Satz: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen – ist die sklavische Imitation des american way of life: lutherische Arbeitsreligion plus anglikanische Geldgier.

Als die Deutschen noch keine Konjunkturritter waren, hatten sie gegenüber Franzosen und Amerikanern gleichweite Distanz. Von den Franzosen schied sie die Freude am Dasein als hedonistische Sünde, von den Amerikanern die gotteslästerliche Gier nach Reichtum.

Obwohl sie in Kirchensteuern schwimmen, predigen ihre Bischöfe: selig sind die Armen, denn ihrer ist das Reich der Himmel. Für den antikapitalistischen Geist von Blüm und Geißler und aller Protestanten, die in ihrem „Beruf oder Stand bleiben“ sollen, ist Reichtum eine Verführung des Teufels. Dass ihr arm-seliger Herr Pantokrator ist, Eigentümer der ganzen Schöpfung, davon wollen die dogmatisch-ignoranten Deutschen nichts wissen.

Je reicher und mächtiger sie werden, umso mehr verblasst ihr Heuchelbekenntnis zum Armsein. Inzwischen wird der Neoliberalismus von nicht wenigen Gottesgelehrten beider Konfessionen mit Inbrunst vertreten. Wieder einmal unterwirft sich die Theologie dem Zeitgeist der herrschenden Ideologie.

Die Deutschen haben sich mit Haut und Haaren den Amerikanern unterworfen. Es ist unsinnig, den Deutschen einen blinden Antiamerikanismus zu unterstellen, wie John Kornblum und Michael Wolffsohn regelmäßig deklamieren. Jahrzehntelang haben sie die amerikanische Kultur geradezu inhaliert. Natürlich nicht ohne emotionale Ambivalenzen. Doch erst seit Trump könnte sich die Ambivalenz in eindeutige Verachtung verwandeln.

Die deutschen Medien haben es nicht nötig, das andere, kritische und urdemokratische Amerika so darzustellen, dass die Germanen ein differenziertes Bild des riesigen Kontinents erhalten. Michael Moore, der rabiate Kritiker seines Landes, wurde von deutschen Feuilletonisten als Windmacher niedergemacht. Noam Chomsky, unerbittlicher Ankläger aller Inhumanitäten seines Landes, ist hierzulande fast unbekannt. Es ist wie im Falle Israel. Wer es wagt, das Heilige Land nicht bedingungslos zu bewundern, ist Antisemit. Wer es wagt, Amerika den Spiegel vorzuhalten, ist Antiamerikaner. Das kann man deutsche Splitter- und Balken-Bigotterie nennen.

Mit den Franzosen – die ihre Daseinsfreude ebenfalls zugunsten wirtschaftlichen Mühens und Jagens aufgegeben haben, ohne die Exportweltmeister einzuholen – können sie nichts anfangen und beginnen, auf sie herabzuschauen. Merkel und Hollande waren unfähig, die tief liegenden Konflikte zwischen den beiden Nationen anzusprechen. Merkels Zahlenfetischismus ist keinem philosophischen Argument zugänglich. Sie kennt nur die Verkommenheit der civitas terrena (des Teufelsstaates), deren Macht bis zur Wiederkunft des Herrn ungefährdet bleiben muss – und die Macht der Demut, die im finalen Triumph des Gottesstaates ihre Erfüllung finden wird.

Was soll aus der europäischen Phalanx gegen Trumps Amerika werden, wenn die beiden wichtigsten Staaten der EU nicht zueinander finden? Gibt es eine neue Chance, wenn eine Epoche der archetypischen Mutter folgen wird? Wie wird der junge Held, verheiratet mit einer älteren alma mater, mit der deutschen mater dolorosa auskommen? Stehen wir an der Schwelle der endgültigen Emanzipation der Frau? Gar einer Wiederkehr des Matriarchats?

Für C. G. Jung ist das Weib die komplementäre Ergänzung des Mannes – auf keinen Fall ein selbständiges Wesen. Während für den Mann gilt: „Die Liebe zur Sache ist eine männliche Prärogative“, gilt für die Frau: „Der Kampf der Gegensätze, der sich in der europäischen Männerwelt im Gebiet des praktischen Geistes abspielt und sich auf Schlachtfeldern und in Bankbilanzen ausdrückt, ist bei der Frau seelischer Konflikt.“

Die Frau ist zur Sache nicht fähig. Rational und sachlich sein kann nur der Mann. Bei der Frau spielt sich alles auf seelischer Ebene ab. Die Innenwelt ist ihr Reich, die äußerliche Welt bleibt die Arena des Mannes. Wozu ist die Frau fähig? Das Mütterliche ist „das Gütige, Hegende, Tragende, das Wachstum, Fruchtbarkeit und Nahrung spendende“, „die Weisheit und die geistige Höhe jenseits des Verstandes“, „die magische Autorität des Weiblichen“. Der Archetyp steht für eine „Stätte der magischen Verwandlung, der Wiedergeburt“.

Wiedergeburt? Die Frau steht für natürliche Geburt. Wiedergeburt ist die neidische Erfindung des Mannes, der die natürliche Geburt entwerten will. Wie die Wiedergeburt eine zweite bessere Natur, so repräsentiert die Technik eine neue Übernatur. Alle Attribute des Mütterlichen beziehen sich auf natürliches Behüten und organisches Wachsenlassen. Die Männerwelt des gnadenlosen Wettbewerbs, der Trump’schen Disruption, der Vernichtung des Alten zugunsten eines futurisch Neuen, ist der gütigen und behütenden Mutter absolut fremd.

Jung‘s weibliche Anima ist in der Moderne noch nicht angekommen. Zwar ist sie vorhanden, aber nur als archaisches Überbleibsel, unfähig, dem Mann als eigenständiges Wesen gegenüberzutreten. Moderne Frauen würden vom Heimchen am Herd als psychologische Urkategorie sprechen. Diese Mutter ist jenseits des Verstandes und bedient sich magischer Zauberkünste. Während der Mann die seelenlose Ratio verkörpert, stellt das Weib die irrationale Seele dar. Das klingt nach dem Spruch eines alten Alchimisten: „Der Mann ist der Himmel der Frau, die Frau die Erde des Mannes.“

Damit ist die Komplementarität der Geschlechter als unendliche Kluft oder Hierarchie entlarvt: der Mann in missionarischer Stellung, die Frau darf ihn als über-natürliches Wesen bewundern, das sich in Gnaden zu ihr beugt, um sie zu beglücken. Wohl braucht der Mann die seelischen Hütequalitäten der Frau, aber nur zur Stabilisierung seiner technischen und wirtschaftlichen Seelenlosigkeit.

Der maskulinen Realität das ganz Andere einer matriarchalischen Utopie entgegenzusetzen, ist für C. G. Jung ausgeschlossen. Mann und Frau gehen gemeinsam in eine männliche Zukunft, wenngleich auf völlig unterschiedlichen Ebenen. Der göttliche Mann beugt sich vom Himmel zur Erde – „Gott ist Mensch geworden“ –, die Frau dient dem Mann als hütende und bewahrende Magd.

Das Matriarchat, von männlichen Wissenschaftlern schmählich verleugnet, von emanzipierten Frauen schamhaft ignoriert, ist eine Realität der Vergangenheit, die als Utopie einer humanen Zukunft dienen kann.

Das Utopieverbot gehört zur Wagenburg-Mentalität der Männer, die ihre brachiale Konkurrenzwelt ins Grenzenlose oder ins Reich der Unsterblichkeit fortsetzen wollen. Dieses ist die Utopie der Männer, die sie als heilige Religion anbeten. Wenn sie an die technische Überwindung des Todes glauben, ist es für sie der Glauben an die göttliche Intelligenz der Männer.

Angela Merkel, Theresa May, Hillary Clinton, Dilma Rousseff, Michelle Obama, San Suu Kyi e tutti quanti: sind diese mächtigen Frauen die Vorboten einer endgültigen Gleichstellung der Frau?

Man kann es nicht ausschließen. Sollte aber nicht die Kleinigkeit übersehen, dass sie zumeist Männer in Frauengestalt sind. Merkels Weltsicht ist purer Neoliberalismus, der sich nur im palliativen Tröstungs-Stil von rabiater Männermacht unterscheidet.

Die Unruhen der Menschen rund um den Globus sind elementare Empörungswellen gegen den MANN. Trump ist Inbegriff des Mannes, der alles verspricht und nichts hält. Seltsamerweise nennt ihn niemand einen populistischen Master of Universe. Wie auch immer die Ära Trump zu Ende gehen wird: danach wird die Macht der phallischen Rabauken gebrochen sein.

Unter diesem Aspekt sind die mächtigen Frauen der Gegenwart gefährlicher als die Männer. Die männliche Herrschaft über Mensch und Natur wird von ihnen in listiger Demut und mütterlicher Scheinfürsorge – ins Unabsehbare verlängert.

Verantwortung für das Leben übernehmen, war seit jeher die Kompetenz des Weibes. Das bloße Leben zu erhalten, langweilt den Mann bis zum Erbrechen. Er muss Leben und Natur überwinden – und koste es die Menschheit den Tod.

 

Fortsetzung folgt.