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Neubeginn X

Hello, Freunde des Neubeginns X,

was ist schlimmer als pädophil? Religiophil oder klerophil.

„Die AfD missbraucht Christen als Feigenblatt“. (SPIEGEL.de)

„Der SPIEGEL warnt vor Missbrauch der Religionen“: „Weltweit wird Gottes Macht von Politikern benutzt, die noch weiter nach oben wollen, um jeden Preis. Sie wird missbraucht, um Autokraten und Diktatoren zu stützen und Kriege zu rechtfertigen. Und sie dient dazu, aus Menschen lebende Waffen zu machen.“ (Livenet.de)

„Missbrauch der Religion. Warum schweigt die islamische Welt? Man stellt mit Staunen fest, dass nach wie vor ideologischer und religiöser Fanatismus in der Lage sind, aus Menschen Schwerverbrecher zu machen. Was aber ebenso schockiert, ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das Schweigen der islamischen Welt auf den gotteslästerlichen Missbrauch ihrer Religion durch die Islamisten und die Unterstützung, die sie von einzelnen arabischen Staaten wie Katar und Saudi-Arabien gefunden haben. Hängt das vielleicht nicht doch damit zusammen, dass der Islam selber eine aggressive Komponente hat? Immerhin werden im Koran die Gläubigen zum Kampf gegen die Ungläubigen aufgerufen („Tötet die Heiden, wo immer ihr sie findet“ Sure 9.4). („Geißlers Nachschlag“ im BERLINER KURIER)

„Die Religion wird für politische Zwecke missbraucht. Der Konflikt in Zentralafrika lässt sich nicht auf Spannungen zwischen Christen und Muslimen reduzieren.“ (Die ZEIT)

„Weltweiter Missbrauch von Religion. Schon immer und immer wieder wird Religion politisch missbraucht. Politischer Missbrauch von Religion ist uralt. Das muslimische

„Allahu Akbar“ hieß bei christlichen Kreuzfahrern „Deus vult – Gott will es“ und war nicht weniger vulgär. Ähnlich gotteslästerlich wurden alle Religionskriege unter Christen im Mittelalter bis heute in Nordirland gerechtfertigt. Im Ersten Weltkrieg hatten deutsche Soldaten auf ihrer Koppel die fürchterliche Inschrift „Gott mit uns“ und begingen nach diesem Motto Massenmord.“ (SONNENSEITE.de, Ökologische Kommunikation mit Franz Alt)

„Warum Religion zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht wird. Viele, vor allem Muslime selbst, aber auch Wissenschaftler, antworten darauf, dass dies nicht „der Islam“ insgesamt sei, sondern lediglich eine extreme Auslegung dieser 1400 Jahre alten Religion mit mehr als zwei Milliarden friedfertigen Anhängern auf der Welt. Dieser Islam – der schöne, kulturbeflissene, philosophische Islam – habe mit der grausamen Fratze des „Islamischen Staats“ oder von Al Qaida genauso viel oder wenig zu tun wie das Christentum mit den Untaten, die vor Jahrhunderten in seinem Namen begangen wurden: Die Kreuzzüge gehören dazu, aber auch die Verfolgung, Zwangsbekehrung oder Ermordung Andersgläubiger in Europa, Asien, Afrika und Südamerika. Und üben nicht auch radikale Juden immer wieder Gewalt aus, um vermeintliche göttliche Gebote zu befolgen? Einen rechtmäßigen Zustand mit Gewalt erreichen oder sichern: Das wollten auch die Gläubigen bei den Kreuzzügen oder beim Dschihad – beide Kriege waren ursprünglich Kämpfe zur Verteidigung des Glaubens oder des Glaubensgebiets. Hier findet sich die Verbindung zu den Rechtfertigungen von Terrorgruppen wie dem „Islamischen Staat“, der das Kalifat in einem Verteidigungskrieg gegen europäische Kreuzfahrernationen und ihre Angriffen auf die Muslime wähnt. Dies ist so abwegig wie empörend, auch und vor allem für Muslime, denen es in ihrer Religion um etwas anderes geht als vor vielen Jahrhunderten, als sich der Islam gewaltsam ausbreitete oder mit europäischen Soldaten kämpfte. Das Gewicht solcher Episoden in der Geschichte müssen alle großen Religionen tragen. Es richtig einzuordnen und mit den religiösen Grundsätzen in Einklang zu bringen, die für alle Zeiten gelten, hierin liegt die Herausforderung für die religiösen Führer auch und gerade der Religionen, die an einen einzigen Gott glauben. Denn mit Religion sind nicht nur Krieg und Gewalt schon oft begründet worden. Im Verlauf der Menschheitsgeschichte war sie auch eines der wirksamsten Mittel, Frieden zu schaffen.“ (FAZ.NET)

„Missbrauch der Religion. Weshalb wirken die Religionen als Brandbeschleuniger in den Nahostkonflikten? Michael Wolffsohn: Weil diese Konflikte immer noch einen zusätzlichen Legitimationsfaktor brauchen und der Legitimationsfaktor Religion immer auf Gott zurückgeführt wird. Das entzieht ihm die irdische Kontrolle und ist eine gute Motivationsgrundlage. Dabei wird übersehen, dass die Religion sich im Kern genau dafür nicht eignet, weil sie die höchsten ethischen Maßstäbe setzt, die über den jeweiligen irdischen sind. Wer für irdische Konflikte die Religion instrumentalisiert, kämpft nicht etwa für sie, sondern führt zur Perversion der Religion.“ (Publik-Forum.de)

„Den Missbrauch von Religion im Namen von Terror und Gewalt verurteilte Kardinal Marx.“ (Domradio.de)

„Wenige Tage vor der Präsidentenwahl im Iran nimmt Präsident Hassan Ruhani bei der Kritik an seinen politischen Gegnern kein Blatt mehr vor dem Mund. In einer Wahlrede in Sari im Nordiran mahnte er die Iraner, einen politischen Missbrauch von Religion nicht zuzulassen. «Der Glaube sollte nicht für Machtbesessenheit missbraucht werden, sondern die Macht sollte dazu genutzt werden, den Glauben zu stärken».“ (TAG24.de)

„Religion darf nicht für Macht, Gier und Gewalt missbraucht werden. Wir brauchen endlich eine Gemeinschaft der religiösen Menschen, die klarmacht: Wir lassen uns nicht missbrauchen für Macht, Gier und Gewalt! Wir stehen zusammen auf für Respekt und Menschenwürde. Es gibt leider religiösen Irrsinn in der Welt. Aber es gibt auch viele Beispiele von Menschen, die sich über Grenzen hinweg die Hände reichen und gegenseitig für die Freiheit des anderen eintreten. Von denen sollten wir viel mehr sprechen. Wie heißt es in der Bibel: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (3. Mose 19,18) (Margot Käßmann in BILD)

„Die AfD missbraucht das Thema Religion und spaltet damit die Gesellschaft, wie wir dies von vielen anderen extremen Kräften – auch im Ausland – kennen. Sie begibt sich damit geistig auf eine Stufe mit religiösen und politischen Extremisten, zu deren Programm Unfrieden und Chaos gehören. Das Verhältnis der AfD zur Religionsfreiheit erfüllt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Besorgnis.“ (CDUCSU.de)

„Gabriel verwies auf die Grundaussagen aller Religion zu Frieden, beklagte aber zugleich den Missbrauch von Religion zu machtpolitischen Zwecken und der Rechtfertigung von Gewalt. Es gehöre zur Verantwortung der Religionen, „nicht zur Spaltung, Radikalisierung und zu Konflikten beizutragen“. (IslamiQ.de)

Ganze Bücher könnte man mit anti-religiophilen Äußerungen füllen. Schon der Begriff ist ein räudiger Bastard. Philie heißt Freundschaft. Ist ein Kinderschänder der Freund der Kinder? Der Pädophile würde die Frage bejahen.

Wer vor Missbrauch der Religion warnt, hält sich gewiss für einen Freund der Religion: streng genommen ist er religio-phil. Was aber, wenn der Religiophile vor Religiophilie – Religionsschändung oder Religionsmissbrauch – warnt?

Nehmen wir gerontophil. Der Begriff bedeutet greiseschändend als auch greiseliebend.

„Die Bezeichnung wird – entgegen ihrer neutralen Wortbedeutung – auch synonym für die Vergewaltigung oder den sexuellen Missbrauch alter Menschen gebraucht.“ (Wiki)

Wäre gerontophil so eindeutig wie pädophil (im deutschen Gebrauch), hätte die französische Justiz den neuen Präsidenten längst verhaften und anklagen müssen:

„Den jüngsten verbalen Angriff erlaubte sich am Wochenende ein französischer Journalist: Er verglich Präsident Macron mit Napoleon († 1821). Beide seien „Transformatoren“, „Reformer“ und „jung“, meinte Eric Brunet (52) am Samstagabend in einer Diskussionssendung des Senders C8. Um sodann böse nachzulegen: »Die beiden haben viele Punkte gemein, sie sind gerontophil, die beiden«.“ (BILD.de)

Mit dem Missbrauch ihrer vieldeutigen und widersprüchlichen Wörter wird die Moderne sich eines Tages noch das Grab schaufeln. Man müsste von selbstzerstörerischer Logophilie sprechen –, wenn logophil nicht im positiven Sinne sprachliebend bedeutete. Versuchen wir‘s mit Sprachdemenz oder logischem Alzheimer.

Die Saat der theologischen Deutungskunst ist unübersehbar aufgegangen: was hier steht, was dieses Wort bedeutet, welchen Sinn dieser Satz hier hat: das bestimme immer noch ICH, bestimmen immer noch WIR, die allmächtigen Deuter und Interpreten aller Sprachen.

So gehen sie mit ihrer heiligen Sprache um, so gehen sie erst recht mit ihrer Alltagssprache um, die sie malträtieren, verpanschen, unendlich zerfasern und in Widersprüche pressen, bis nur noch Begriffsmaische und weißes Rauschen übrig bleibt. Noch immer stehen sie unter dem Bann eines Götterfluchs, den sie nur mit einem Akt der Blasphemie ungeschehen machen könnten:

„Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist erst der Anfang ihres Tuns; sie werden nicht ablassen von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, laßt uns herniederfahren und ihre Sprache daselbst verwirren, daß keiner des andern Sprache verstehe! Daher heißt ihr Name Babel, daß der HERR daselbst verwirrt hatte aller Länder Sprache und sie zerstreut von dort in alle Länder.“

Nicht Satan, der Tausendkünstige, ist der Sprache-Fälscher und Sprache-Verwirrer, sondern der Schöpfer Himself.

Warum spricht Jesus in Gleichnissen? Nicht aus volkspädagogischen Gründen, um sich verständlich zu machen. Ganz im Gegenteil:

„Warum redest du zu ihnen durch Gleichnisse? Er antwortete und sprach: Euch ist es gegeben, daß ihr das Geheimnis des Himmelreichs verstehet; diesen aber ist es nicht gegeben. Denn wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch das genommen was er hat. Darum rede ich zu ihnen durch Gleichnisse. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht; denn sie verstehen es nicht. Und über ihnen wird die Weissagung Jesaja’s erfüllt, die da sagt: „Mit den Ohren werdet ihr hören, und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen, und werdet es nicht verstehen. Denn dieses Volkes Herz ist verstockt, und ihre Ohren hören übel, und ihre Augen schlummern, auf daß sie nicht dermaleinst mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, daß ich ihnen hülfe.“

Der Akt der Selektion ist nicht nur ein vorzeitlicher Entschluss Gottes (wie bei Calvin), sondern wird vom göttlichen Sohn durch vorsätzliche Irreführung und Verblendung auf Erden doppelt besiegelt. Äußerlich ergeht das Wort an alle, den wahren Sinn der Botschaft aber verstehen nur diejenigen, denen Gott das esoterische Verständnis in privater Zusatzoffenbarung vermittelt. Sie hören dieselbe Worte – verstehen aber völlig Unterschiedliches und Unvereinbares.

Deshalb: wer hat und prädestiniert ist, dem wird gegeben – und er versteht alles. Wer nicht erwählt ist und nichts versteht, wird zusätzlich an der Nase herumgeführt. Die Verworfenen sind nicht nur Loser, sie sind geistig stumm und taub. Die heilige Sprache ist zum seelischen Verderben der Verworfenen da. Es wäre ein eklatantes Versagen des Messias, wenn seine Lehre die Verstockten aufrütteln und zur Seligkeit führen würde.

Das Motiv des an der Nase Herumführens entnimmt Jesus der hellenischen Tradition der Rhetorik, die eine gute Sache zur schlechten, eine schlechte zur guten machen kann.

Sokrates, Gegner der rhetorischen Verführungskunst, erhob den Anspruch, sich und seine Mitmenschen durch strengen Dialog der Unwahrheit zu überführen und sich durch Ausschluss von Denkfehlern, Märchen und Lügen der Wahrheit zu nähern.

Jesus will beide Traditionen in sich vereinen: die Verworfenen führt er in die Irre, den Seinen erzählt er, was sie im Grunde schon ahnen und wissen: die verborgene Wahrheit.

Doch jemanden ankohlen, ihm Illusionen erzählen – und jemanden erleuchten oder auf den Pfad des Heils führen: das sind unvereinbare Widersprüche. Das ist der Grund, warum Erlöserreligionen nicht missbraucht werden, wenn Gewalttätigkeiten in ihrem Namen durchgeführt werden.

Bloße Logik genügt, um das Reinwaschen der Religionen als Lügengespinst zu entlarven:

Widersprüchliche Systeme führen zu widersprüchlichen Konsequenzen. Wenn ein System aus A und non-A besteht, kann nach Belieben A und non-A gefolgert und in die Praxis übersetzt werden.

Erlöserreligionen sind Mischsysteme. Sie entstanden in jenen Jahrhunderten, in denen die Vernunft der Menschen erwachte und sich durch mühsame Denkarbeit zu demokratischen Menschenrechten durchkämpfte. Nicht ohne erbitterten Widerstand klerikaler Mächte, die diese Emanzipation als teuflische Empörung mit Unseligkeitsstrafen vernichten wollten.

So konnte es kommen, dass im Alten und Neuen Testament das Gebot zu lesen ist: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Gleichzeitig wurde das Liebesgebot in den Rahmen einer Heils- und Unheilsgeschichte gepresst, die jegliche Liebe ins absolute Gegenteil verkehrte.

Wer nicht den rechten Glauben hatte, konnte seinen Nächsten 1000-mal lieben wie sich selbst – er war verloren. Nicht das Tun, die Moral, die Ethik entschieden, sondern blinde und devote Rechtgläubigkeit. Wer sich nicht dem wahren Gott unterwarf, der landete im Feuer. Nicht erst im Jenseits, sondern – wenn immer möglich – bereits auf Erden.

„Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündlein, daß man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuer. Des Menschen Sohn wird seine Engel senden; und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse und die da unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird sein Heulen und Zähneklappen.“

Wenn in einem System Gutes und Böses gleichwertig nebeneinander stehen, gibt es keine Nötigung, das Gute zu tun. Wenn das Gute und Böse zudem nicht in Taten bestehen, sondern in Gesinnungen, die rechte Gesinnung aber der Glaube ist, können Gläubige tun, was immer ihnen beliebt: ihre verborgene, nur dem Vater sichtbare Gesinnung wird alles heiligen.

‚Du siehst mich‘, lautet das Motto des Kirchentages. Gott sieht nicht auf Äußerlichkeiten, er sieht das Herz an. Ist das Herz vorbildlich devot und gehorsam, gibt es keine moralischen Restriktionen mehr. Der Gläubige kann sich im Dienst des Nächsten aufopfern, er kann aber auch den Nächsten in Stücke reißen. Stets gilt: liebe – und tu, was du willst. Sündige tapfer – wenn du nur glaubst.

Moralisierendes Herumklügeln hingegen wäre die Anmaßung einer autonomen Vernunft. Der Glaube ist kein Moralsystem, sondern die Unterwerfung unter einen allmächtigen Willen. Sokrates akzeptierte das Todesurteil aus Respekt vor dem menschlichen Gesetz (Nomos). Der christliche Glaube ist eine Anti-nomie, eine alles erlaubende und nichts verbietende Gesetzlosigkeit.

Die deutschen Aggressionen gegen Gutmenschen sind Früchte dieser Antinomie. Wer sich außerhalb klarer Spielregeln wähnt, kann trefflich auf Moralisten herabschauen. Nietzsche, der Antichrist, war noch vollständig im Bann des väterlichen Glaubens, als er seine Übermenschen jenseits von Gut und Böse ansiedelte.

Der totalitäre Clou der Erlöserreligionen besteht in der Identifizierung des Guten mit dem Bösen. Ich liebe den Nächsten, wenn ich ihn mit Zwang und Gewalt selig mache. Zwangsbeglückung, in Platons Politeia vorgeglüht, wird im Christentum zur Berechtigung, Andersgläubige und Ungehorsame mit allen inquisitorischen Höllenmethoden zum rechten Glauben zu zwingen. Besser gefoltert und gepfählt in den Himmel, als glücklich und zufrieden in die Hölle.

„Ärgert dich aber dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf’s von dir. Es ist dir besser, daß eins deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde. Ärgert dich deine rechte Hand, so haue sie ab und wirf sie von dir. Es ist dir besser, daß eins deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.“

Selbstkritischere Verteidiger des Glaubens räumen gelegentlich einen bösen Kern der Religion ein. Doch mit Liebe und Sanftmut sollte der vergiftete Kern eingedämmt, umzingelt oder gar unschädlich gemacht werden.

Das ist ein Trugschluss. Aus dem Blickwinkel des Glaubens gibt es keinerlei Notwendigkeit, ein Böses einzudämmen. Was immer Gott gebietet und durch eigene Taten vormacht, kann nicht böse sein. Das unvereinbare Böse und Gute ist nur für Heiden. Für Fromme gibt es kein Entweder-Oder. Im Bann der Antinomie lieben die Medien die Farbe grau und verabscheuen schwarz-weiße Kriterien. Grau ist die Lizenz, sich durch klare Kriterien nicht beurteilen zu lassen. Durch Glauben sind Christen unfähig geworden, eine Sünde zu begehen. Für sie gibt es kein Böses. Non posse peccare, sie können nicht sündigen. Im Gegensatz zu den Heiden, für die das Gegenteil gilt: non posse non peccare, sie sind nicht fähig, nicht zu sündigen.

Es gibt keinen Grund, die Heilige Schrift nach himmlischen und teuflischen Parolen auszusieben. Solche kann es in einem Buch nicht geben, das durch Verbalinspiration unfehlbar ist. Verbalinspiration ist die Lehre, dass jedes Wörtchen von Gott den biblischen Protokollanten in die Feder diktiert wurde. In einer unfehlbaren Schrift kann‘s nichts Vorzügliches und Verwerfliches geben: alles ist gleichermaßen heilsnotwendig.

Nun wird eingewendet, jeder Glaube könne sich fortentwickeln. Theoretisch wäre das denkbar – aber nicht für Anhänger der Verbalinspiration oder sonstiger autoritärer Offenbarungen. Zuerst müssten sie die Schrift als unfehlbare Offenbarung eines Gottes widerrufen.

Nun gab es zwar die Aufweichung der Verbalinspiration in Realinspiration: nicht jedes Wort, nur relevante Glaubensaussagen wurden von Gott diktiert. Doch welche Aussagen sind relevant? Bultmann wollte alle realen naturwissenschaftlichen Aussagen entmythologisieren. Modernen Menschen könnte man keine 6-Tage-Schöpfung mehr zumuten.

Wenn man alle wissenschaftlich überprüfbaren Aussagen aus der Schrift ausschaltet, was bleibt dann noch? Vage emotionale Erbaulichkeiten, die sich jeder subjektiv zurechtlegen kann.

Schleiermacher definierte Religion als „Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit“. Von Schleiermacher zu modernen Pastoren, die an ein unbestimmtes Etwas glauben, ist es nur ein Schrittchen. Das Subjekt, der Mensch, hat sich den Glauben einverleibt und bestimmt ihn unumschränkt. Die Objektivität eines göttlichen Wortes, dem die Kreatur sich zu unterwerfen hat, ist dahin. Die hermeneutischen Despoten des Wortes sind zugleich die unfehlbaren Herren über den dogmatischen Inhalt des Glaubens.

Selbstmordattentäter folgen einem göttlichen Befehl. Sie glauben noch an eine unfehlbar verbalinspirierte Heilige Schrift. Indem sie Glaubensfeinde durch Selbstzerstörung vernichten, tun sie ein frommes Werk.

Wenn Christen hier erstaunt und schockiert tun, vergessen sie, dass es christliche Märtyrer gab, die sich aufopferten, um einen heidnischen Staat zu bekämpfen. Das römische Reich war für Urchristen das Reich des teuflischen Drachens, das im apokalyptischen Endkampf vernichtet wird. Schon zu Lebzeiten könnten wahre Christen ein Zeugnis ablegen, um durch kompromisslosen Widerstand die satanische Struktur Roms aufzudecken.

Märtyrer sind Zeugen für Gottes Willen, der in einer teuflischen Welt mit allen Mitteln exekutiert werden muss. In der Offenbarung des Johannes wird in mythologischen Bildern der Kampf zwischen Erwählten und Heiden, Kirche und Staat geschildert. Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen: der Satz des Sokrates – der unter Gott die Stimme der Vernunft verstand, die sich in der Demokratie keiner gesetzlosen Stimmung des Mobs ergeben sollte – wurde vom Urchristentum in eine gnadenlose Vernichtungsparole der Erwählten gegen die Verworfenen umgemünzt.

Die Bigotterie der Christen beim Verdammen des Islam, die die „Familienähnlichkeit“ aller drei Erlöserreligion unter den Tisch kehrt, ist nicht mehr zu überbieten. „Sie lieben den Tod, wir lieben das Leben“: so murmelte die Kanzlerin, als sie neben ihrem amerikanischen Freund saß und das protestantische Forum zu Wahlkampfparolen benutzte. Das Thron&Altar-Bündnis feierte fröhliche Urständ. Solche Selbstverblendungen und theologische Lügen sind nicht mehr zu übertreffen und vergiften durch einseitige Verleumdung des Islam den Konflikt des Westens mit den muslimischen Ländern. Worin besteht die Verleumdung? Dass nur der Koran Intoleranz und Hass gegen Andersgläubige predigen würde. In Wirklichkeit predigen alle drei Heilsreligionen das Unheil gegen alles, was sich ihrem jeweiligen Gott nicht unterwirft.

„Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.“

„Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis an den Tod.“

„Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt’s allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. Wer sein Leben liebhat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt haßt, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.

“Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele?“

Das irdische Leben ist nichts. Der Christ muss dem ewigen Leben nachstreben, indem er sein irdisches vernichtet oder durch feindliche Mächte vernichten lässt. In suizidalem Endzeitrausch übergaben sich die Christen den römischen Machthabern, um durch Verhöhnung des Staates zum Tode verurteilt zu werden. Solches widerstrebte den meisten Statthaltern. Sollen sie sich doch selbst ins Messer stürzen, sagte einer von ihnen, wenn sie das irdische Leben für nichts erachten.

Religionen werden von Menschen nicht missbraucht. Sie missbrauchen selbst die Menschen, wenn sie ihre Glaubensfeinde vernichten, um ein gottwohlgefälliges Werk zu tun.

Äußerlich ist das Christentum milder geworden als der Islam, der seine mittelalterliche Aufklärungsepoche längst begraben hat und seine sonstigen Vorzüge verdrängt, um seinen Widerstand gegen den heuchlerischen Westen mit Märtyrertaten zu rächen. Doch es tut sich unendlich viel in muslimischen Staaten. Die Kräfte der Aufklärung regenerieren sich, die Kritik muslimischer Theologen am Koran wird immer schärfer. Vergessen wir nicht, Selbstmordattentate sind Taten winziger Gruppen. Die Mehrheiten der muslimischen Völker billigen diese Taten nicht mehr. Den Geist der Rache und des Hasses gegen Andersgläubige haben sie in erstaunlichem Maße überwunden.

Dennoch fehlt ihnen, was allen drei Religionen fehlt. Um ihren humanisierten Glauben auf eine solide Grundlage zu stellen, müssten sie sich vom Bekenntnis zu autoritären Schrift-Instanzen lösen. Deutungen, die kritisch sein wollen, ohne sich von autoritären Instanzen zu lösen, bestärken nur die Macht des giftigen Kerns. Sie unterwerfen sich einem Text, den sie per Deutungen ablehnen. Sie nennen sich Christen, Muslime oder Juden, obgleich sie mit dem Originalbuchstaben ihrer Schriften nichts mehr zu tun haben wollen. Die Fixierung an eine Religion ist bloße Feigheit, wenn deren Inhalte nicht mehr ex cathedra gelten sollen.

Wenn es um Menschlichkeit geht, muss es gleichgültig sein, ob Christen, Muslime oder Juden sie vertreten. Wer mit dem eigenen Kopf denken will, hat sich allein auf diesen zu verlassen. Man kann aus allen Büchern lernen. Eins aber kann man nicht: sich kritiklos oder mit scheinkritischen Deutungen anderen Meinungen unterwerfen. Und seien sie noch so heilig.

„Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, brauche ich mich ja selbst nicht zu bemühen.“ Das schrieb vor mehr als 200 Jahren ein Königsberger Aufklärer. Jetzt feiern sie mit Pomp und Pathos das Lutherjahr, als ob Luther ein früher Aufklärer gewesen wäre. Dabei war Vernunft für ihn eine Hure, autonomes Denken eine Sünde wider den Geist.

Die Erinnerung an Kants Todestag im Jahre 2004 war für die Deutschen ein akademisches Nichts. Ein Jahr später übernahm eine lutherische Pastorentochter das Regiment in Berlin. Seitdem füllt sich das Nichts in rasender Schnelligkeit – mit religiophiler Grabesruhe.

 

Fortsetzung folgt.