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Weltdorf LXI

Hello, Freunde des Weltdorfs LXI,

ins Guiness-Buch der Rekorde kommt DDT (Donald Trump) mit seiner Schandmauer nicht. Schon vor Jahrtausenden beherrschten die Chinesen die Kunst der architektonischen Separierung weitaus besser.

Möglichkeiten des Übertrumpens aber gäbe es noch viele. Gegen atlantische Monsterwellen müssten die Riesenstädte im Osten mit Mauern aus Stahl und Beton in Wolkenkratzerhöhe geschützt werden. Gegen fluchtartiges Auswandern in den liberalen Norden hülfe ein 9000 Kilometer langer kanadisch-amerikanischer Grenzwall. Klimaschäden von Oben könnten mit einer atmenden Digitalmembrane – durchlässig nur für Sonne und Regen – der exzeptionellen Art abgewehrt werden. Neu-Kanaan, das verheißene Land, wird seinem Vorbild, dem Goldenen Jerusalem, immer ähnlicher:

„Und er führte mich hin im Geist auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem, herniederfahren aus dem Himmel von Gott, die hatte die Herrlichkeit Gottes. Und ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem hellen Jaspis. Und sie hatte eine große und hohe Mauer. Und der Bau ihrer Mauer war von Jaspis und die Stadt von lauterm Golde gleich dem reinen Glase.“

Donald & Bibi, zwei Verehrer des Ewigen Jerusalems, verbünden sich gegen den unheiligen Rest der Welt – gegen Heiden und Loser der Moderne. Vor wenigen Tagen erklärte Claus Kleber mit grauem Gesicht, sie – die Journalisten und Auslandskorrespondenten – hätten sich über Gottes eigenes Land geirrt. Mit keinem Wörtchen verriet er, warum und worüber sie irrten.

Lange Zeit galt in Deutschland die kleinste Kritik an Amerika als sekundärer Antisemitismus. Verständlich, ja notwendig, dass Nachkommen einer Verbrechernation wegen Wiederholungsgefahr scharf unter die Lupe genommen

werden. Doch die Crux war, dass jede Kritik an Amerika oder Israel umstandslos als sekundärer und primärer Judenhass verdammt wurde. Stillschweigende Voraussetzung war, dass der politische Kurs Amerikas identisch sein musste mit dem israelischen. Eine präzise Definition des Antisemitismus gab es nicht.

Läppische Wortwiederholungen des NS-Vokabulars reichten aus, um Kritiker der israelischen Menschenrechtsverletzungen aus dem Verkehr zu ziehen. Inkorrekte Gefühlsausbrüche wurden nicht als „ehrliche“ Reaktionen auf menschenrechtsverhöhnende Worte und Taten der israelischen Eliten aufgenommen, die den Beginn einer – gewiss schwierigen und emotional aufrührenden – Debatte hätten sein können. Wie kann nach solch schrecklichen Ereignissen die absurde Forderung nach einer klinisch temperierten Debatte erhoben werden?

Hass an sich ist kein Antisemitismus. Er muss von einer historisch genauen Botschaft getragen werden. Gefühle haben ihre Geschichte. Bei den Nationalsozialisten war Hass gegen die Juden längst zur eiskalten Ideologie erfroren. Über sentimentale Gefühle fühlten sie sich erhaben: die Vollstrecker des heiligen Dritten Reichs, die sich im Besitz der messianischen Wahrheit wähnten. Mitten in den schlimmsten Massakern an ihren Opfern wollten sie kaltblütig und „anständig“ geblieben sein.

Anstand ist auch das heutige Lieblingswort deutscher Edelschreiber, die jegliche Moral als idealistische Heuchelei ablehnen. Müsste der übermäßige Gebrauch des Himmlerwortes Anstand nicht auch als latenter Antisemitismus gedeutet werden?

Im finalen Stadium des Bösen gibt es so gut wie keine Möglichkeiten verbaler Auseinandersetzung. Hier gilt nur noch die Sprache der Gewalt: Recht hat, wer die Macht hat. Die wissenschaftlichen Antisemitismus-Experten hielten es nicht für nötig, die uralten religiösen Wurzeln des Antisemitismus auszugraben. Der mühsam ausgehandelte Status quo zwischen Christentum und Judentum sollte durch historische Erhellungen über die christlichen Wurzeln des Judenhasses in seiner giftig brodelnden Dumpfheit nicht aufgerührt werden.

In Zeiten des Rückfalls in nationale Egoismen können Religionen keine negative Rolle spielen. Sie haben allesamt den Status untadeliger Heiligkeit erreicht. Da Juden sich gewöhnlich als Volk und Religion definieren, gilt jede Kritik an jüdischer Religion als Antisemitismus. Doch es ist falsch, von den Juden zu sprechen, als seien sie seit Jahrtausenden identisch mit einer Religion.

Fast ununterbrochen in ihrer erstaunlichen Geschichte gab es einen Kampf zwischen denen, die sich der Religion entzogen und den Hütern des reinen Glaubens. Wie viele Juden waren in der Seleukidenzeit von der Weisheit der Hellenen fasziniert? Wie viele besuchten griechische Gymnasien, ja beteiligten sich an sportlichen Wettkämpfen im nackten Zustand – einem Frevel an rabbinischen Sexualvorstellungen? Die Geschichte vom Goldenen Kalb, als die Kinder Israels es wagten, einen selbst erfundenen Gott anzubeten, zeigt beispielhaft die ewige Auseinandersetzung zwischen ultraorthodoxen und autonom denkenden Juden. Zornig will Gott die Abtrünnigen vernichten. Erst nach Bitten des Mose reute es den Herrn, „dass er seinem Volk Unheil angedroht hatte“. Wie endet die Geschichte?

„Aber zu meiner Zeit will ich ihre Sünde an ihnen heimsuchen. Und der Herr brachte eine Plage über das Volk, dafür, dass sie das Kalb angebetet, das Aaron gemacht hatte.“

Mit der Plage war es nicht getan. Gott verschob seine Rache – an das Ende der Geschichte. In Reaktion gegen die hellenische Aufklärung führte die verschobene Rache zur Übernahme iranischer Apokalypsen. Die heidnische Welt war so verderbt, dass sie im Ganzen untergehen musste. Bis dahin aber lasset das Unkraut stehen, formulierte Jesus später die aufsummierte Rache am Ende der Geschichte. Erst im Finale wird alles Unkraut vertilgt werden. Die Strafe betraf nicht alle Juden, sondern nur die Abgefallenen, die sich von der Stimme der heidnischen Vernunft angezogen fühlten.

Die Pendelbewegung zwischen „Öffnung zur Welt“ und rigorosem „Heimholen der Gottlosen durch die braven Söhne, die beim Vater verharrten“, war der ständige Grundkonflikt zwischen Freidenkern und starr gehorchenden Gesetzeshütern. Die deutsch-jüdischen Aufklärer und die zionistischen Gründerväter des Staates Israel waren die letzten kraftvoll areligiös denkenden Juden.

Die fundamentalistischen Rabbiner, die den atheistischen Staat anfänglich abgelehnt hatten (nur der Messias dürfe den eschatologischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt gründen), sahen den glänzenden Lauf des jungen Staates – und begannen, sich durch unermüdliche Infiltration das verheißungsvolle Gebilde unter den Nagel zu reißen. Leider mit so durchschlagendem Erfolg, dass die Majorität der israelischen Gesellschaft heute wie gelähmt erscheint, um sich dem religiösen Furor zu entziehen: die Hauptursache für die absolute Weigerung Netanjahus, eine überzeugende Friedenspolitik in Form der Zweistaatenlösung anzustreben. Das Land soll in seinem biblischen Urzustand wieder hergestellt werden: das ist das unerbittliche Ziel des ultrarechten Lagers.

Erneut hat der „heilige Rest“ Israels die assimilierten Weltliebhaber mit dem Lasso eingefangen und gebärdet sich als unbesiegbare Phalanx gegen die verdorbene Welt. Der Transformation der Religion in Politik entspringt Netanjahus unversöhnliche Haltung gegen die Palästinenser und seine ostentative Verachtung der Welt – mit Ausnahme des religiösen Lagers in Amerika.

Der Erfolg der Ultras über alle weltlich Gesonnenen ist nicht schwer zu verstehen. Der Holocaust hat derart tiefe Wunden in den Seelen aller Juden hinterlassen, dass selbst die Areligiösen den Verdacht nicht völlig zurückweisen konnten, den die Ultras als Erklärung für die Katastrophe anboten. Wie in der Geschichte vom goldenen Kalb sei die Assimilierung besonders der deutschen Juden – vielen von ihnen war gar nicht mehr bewusst, dass sie Juden waren: erst „Hitler musste es ihnen durch seine Verbrechen in Erinnerung rufen“, unter ihnen der rebellische Freigeist Theodor Lessing – für Jahwe ein Gräuel gewesen, den er unerbittlich strafen musste. Für ultrarechte Rabbiner ist Hitler nichts als ein belangloses Werkzeug Gottes. Schon immer hatte Gott mit Hilfe ausländischer Machthaber die vom Glauben abgefallenen Juden bestraft.

Noch immer steht der junge Staat Israel unter den Nachfolgewirkungen der Shoa. Nach 1000en von Jahren apolitischer Zerstreuung unter die Völker ist es nicht einfach, einen „weltlichen“ Staat mit demokratischem Geist zu erwirken. Ist doch Demokratie eine Errungenschaft der heidnischen Welt. Wie lange benötigten die vorbildlichsten Demokratien der Moderne, um ihre Volksherrschaft in ruhiges Fahrwasser zu bringen? England verfiel in imperialistischen Größenwahn, Frankreich erlaubte sich nach der Revolution einen gewalttätigen Napoleon, der ganz Europa beherrschte; Amerika zerfällt gerade in zwei Teile und zeigt unverhüllt seine – von Anfang an vorhandene – religiöse Arroganz der Macht, wie Senator Fulbright sie bereits in seinem Büchlein „Arroganz der Macht“ im Jahre 1966 beschrieben hatte:

„Macht neigt dazu, sich mit Tugend zu verwechseln, und eine grosse Nation ist besonders empfänglich für die Vorstellung, dass ihre Macht ein Beweis für die Gunst Gottes sei, die ihr eine besonders Verantwortung für andere Nationen auf erlegt – die Aufgabe, andere reicher, glücklicher und vernünftiger zu machen und sie nach dem eigenen strahlenden Vorbild umzugestalten. (. . .) Erfüllt von ihrer Mission, glaubt eine grosse Nation leicht, sie habe nicht die Pflicht, sondern auch die Möglichkeiten, den Willen des Allmächtigen zu vollstrecken.“
„Dass Gewalt der letzte Beweis der Überlegenheit ist. Dass eine Nation, die zeigt, dass sie über die stärkere Armee verfügt, damit auch beweist, dass sie das bessere Volk, die besseren Einrichtungen, die besseren Grundsätze und die bessere Zivilisation hat.“
„Der Amerikaner“, so Fulbright, „weiss ja nichts über die Welt, über die Sowjetunion, über den Islam. Die Mitglieder des Parlaments sind und bleiben Lokalpolitiker. Aussenpolitik ist für uns eine Nebenbeschäftigung. Die Hauptsorge gilt den Anliegen der Wähler zu Hause und der Wiederwahl.“

In dieser hellsichtigen Selbstkritik eines Amerikaners sind Abenteurer mit Missionierungsdrang wie Dabbelju Bush oder Trump schon voraus geahnt und warnend vorweggenommen. Hätte Claus Kleber nur dieses exquisite Buch gelesen – anstatt wahrnehmungslos durchs Land zu vagabundieren –, hätte er durch Trump nicht getäuscht werden können.

Hier rächt sich das notorisch unhistorische Verfahren der Zeitbeobachter, die sich „immer aufmachen, um quer durchs Land zu reisen.“ Aus punktuellen und ahistorischen Zufallsbeobachtungen fabrizieren sie ihre willkürlichen Perspektiven. Keine Empirie der Gegenwart zeigt die Faktoren ihrer Entstehung in präsentischer Transparenz. Erst ihre mühsam entschlüsselte Vergangenheit enthüllt, was der Beobachter eigentlich wissen wollte.

Auch Israel hat das Recht, seine Erfahrungen in Irrungen und Wirrungen zu machen. Zwei oder drei Generationen reichen kaum, um uralten Kränkungen, Demütigungen, Verfolgungen seitens der Völker und selbstverschuldeter religiöser Verbohrtheit zu entkommen. Israel aber hat kein Recht, sich jede Kritik als „Belehrung“ oder Hass zu verbitten. Souveräne Menschen können auch in Hassäußerungen berechtigte Kritik erkennen, anstatt Hass stets mit Gegenhass zu beantworten.

Hass ist immer missglückte Liebe. Wer einer Sache gleichgültig gegenübersteht, kann sie nicht hassen. Viele Kritiker Israels mögen übertreiben oder hassen. Der Grund ihrer Vehemenz ist allzu oft eine frühe Bewunderung des jungen Staates, dessen Entwicklung man nicht anders als eine musterhafte Demokratie denken konnte. Vor allem bei Täter-Kindern, die ihre – immer noch gefühlte – Schuld dadurch abtragen wollten, dass sie den Staat der Opfer als Vorbild für alle nahöstlichen Despotien sehen wollten. Welch maßlose Enttäuschung machte sich unter den Enthusiasten breit, als nach dem Sieben-Tage-Krieg und der Ermordung Rabins die hoffnungsvolle Entwicklung langsam, aber sicher ins Gegenteil kippte.

Die umgekippte Nähe wird von jenen übersehen, die Israelkritikern vorwerfen, weitaus schlimmere Verhältnisse in der Welt zu ignorieren und auf der „einzigen Demokratie in Nahost“ unverhältnismäßig herumzuhacken. Das Schicksal von Freunden, die einem in Freud und Leid näher stehen, ist immer dringlicher und wichtiger als das ferner Schurkenstaaten, von denen man ohnehin nicht viel erwartet.

Beide Seiten bemühten sich redlich, die Wunden der Vergangenheit in offizielle Anerkennung und pragmatischen Respekt zu verwandeln. Dennoch hat man den Eindruck, dass trotz „Aktion Sühnezeichen“ und ähnlicher Aktionen das gegenseitige Verständnis gering blieb. Haben die Täter die Probleme der Opfer, die Opfer die totalitären Motive der Täter verstanden?

Solange der religiöse Faktor vertuscht wird, können die bedingungslosesten Loyalitätserklärungen der Politiker nicht darüber hinwegtäuschen, dass weder die Deutschen die Juden, noch die Juden die Deutschen verstehen. Man übt sich in phraseologischem Vertuschen und Eindämmen.

Der emotionale Satz „man wird ja mal sagen dürfen“ beruht auf reziproker Verdrängung der ungefilterten Problematik. Kein Wunder, dass man bei so viel Ungesagtem kaum fähig ist, sich selbst und den anderen zu verstehen. Wahre Freundschaft würde man daran erkennen, dass sie nichts in tabuisierter Dumpfheit erstickt.

Zum Problem Trump gehört das Problem Netanjahu. Wer Trump kritisiert, müsste auch sein Spiegelbild in die Mangel nehmen. BILD, die vor lauter Palästinenser-Hass, den sie Philosemitismus zu nennen wagt, nicht aus den Augen schauen kann, geifert scheinheilig gegen Trump – ohne Netanjahu mit einem einzigen Wörtchen zu erwähnen. Merkels Duckmäuserei unterscheidet sich nur in Nuancen von Springers Postille. Wer wirklich Frieden in Nahost will, sollte dafür sorgen, dass beide Länder auf gleicher Augenhöhe miteinander reden. Anstatt die eine Seite zu verdammen und die andere in den Himmel zu heben, wie BILD es tut.

Uri Avnery, einer der kritischsten Israelis seit den Anfängen des Staates, wird von keinem deutschen Medium mehr zitiert. Schonungslos attackiert er den Landraub der israelischen Siedlungspolitik und prophezeit ein blutiges Ende – wenn die verhängnisvolle Politik sich nicht ändert. Auch die amerikanische:

„Jetzt kommen die israelischen Siedler und nehmen dieses Land weg, das private wie das, das der „Regierung“ gehört und machen darauf ihre Wohnstätten. Keine Bezahlung an niemanden. Reiner Diebstahl. Jetzt kommen Amerikaner wie Friedman, Kushner und andere und ermutigen die Siedler sogar noch mehr zu rauben; sie bieten noch Geld an, um ihnen zu helfen. Die Geschichte erzählt uns, dass solche Dinge nicht ewig dauern. Früher oder später enden solche Dinge in einem Blutbad. Aber an diesem Tag werden Friedman, Kushner und Trump weit weg sein.“ (Uri Avnery.de)

Einen aufwühlenden Kommentar zu Israel – anlässlich der Abschiedsrede Kerrys – schrieb Micha Brumlik in der TAZ. Seine bitteren Worte fanden nicht den geringsten Widerhall in der deutschen Medienlandschaft.

Brumlik sieht das Ende des demokratischen Israel, wenn das Land seine irreversibel scheinende Siedlungspolitik nicht ändern wird. Sollten Brumliks Warnungen sich bewahrheiten, wird man sagen müssen: Es war lange absehbar, dass Israel sich zugrunde richten würde. Doch keine einzige deutsche Stimme hielt es für nötig, auf solche sorgenvollen Prognosen einzugehen – und der Regierung in Jerusalem ins Gewissen zu reden. Deutsche Freundschaft scheint darin zu bestehen, den Freund unter honigsüßen Beistandsreden verrecken zu lassen.

„Wohlmeinende, politisch aufgeschlossene Beobachter im heutigen Staat Israel haben Kerrys Rede zu Recht als eine im besten Sinne zionistische Rede gelesen, als eine Rede, die sich machtvoll gegen die Selbstaufhebung des Zionismus in der Besatzungsherrschaft über das Westjordanland wendet. Liest man seine Rede indes als Prophezeiung, so hat Kerry nichts anderes verkündet als das absehbare Ende des jüdischen Staates, der, wenn überhaupt, nur als demokratischer Staat existieren kann.“

Der Staat Israel habe „seit bald 50 Jahren das Gebiet eines vermeintlich geschichtslosen Volkes, der palästinensischen Araber, besetzt und irreversibel besiedelt [hat]. Damit – und das wollte Kerrys prophetische Rede zum Ausdruck bringen – ist das Ende des jüdischen Staates eingeläutet. Und zwar deshalb, weil ein jüdischer Staat, soll er überhaupt seinen Namen verdienen, nur demokratisch sein kann. Der sich jetzt irreversibel abzeichnende Apartheid- oder „Palästinustan“-Staat entspricht dem jedoch nicht.“ (TAZ.de)

Ganz anders als Avnery und Brumlik warnt Alan Posener nicht vor der selbstzerstörenden Politik Netanjahus, sondern vor dem „Israel-Hasser“ Norman Finkelstein, einem leidenschaftlichen Kritiker Israels, der die Meinung vertritt, Jerusalem habe die menschenrechtlichen Lehren aus dem Holocaust ins Gegenteil verkehrt.

„Wie würden Sie jemanden bezeichnen, der den jüdischen Staat ein „räuberisches, rassistisches, aggressives Monster“ nennt, das „Wasser und Land und Geschichte raubt?“

Gewiss dürfe man die israelische Politik kritisieren. (Interessant, dass in einer Demokratie die Erlaubnis zur Kritik huldvoll gewährt werden muss.) Aber solche Hassreden gehörten nicht in den seriösen Bereich der Wissenschaft. (Das Max-Plank-Institut Halle hatte Finkelstein zur Präsentation seines neuen Buches eingeladen.)

„Um es klar zu sagen: Die Freiheit der Wissenschaft muss sakrosankt bleiben. Sie deckt aber nicht die Freiheit unwissenschaftlicher und von Hass getriebener Propaganda. Auch sie muss erlaubt werden: Dafür gibt es die Redefreiheit und genügend Säle im Land. Im akademischen Lehrplan aber hat sie nichts zu suchen.“ (WELT.de)

Posener glaubt offenbar an die jungfräuliche Unbeflecktheit der Wissenschaft. Als ob Wissenschaftler im Elfenbeinturm leben müssten – ohne Kontaminierung durch den politischen Alltag. In diesem Sinne müsste er auch die Forderung erheben, das Berliner Zentrum für Antisemitismus-Forschung zu schließen. Mit enttabuisierter Forschung zu den religiösen Wurzeln des Antisemitismus hat sich das Zentrum bisher nicht hervorgetan. Es wiederholt nur in matter Form, was der Zentralrat der Juden als mitfühlendes Organ der Netanjahu-Regierung ex cathedra zu verkünden pflegt. Der Verdacht liegt nahe: Posener will nicht die Wissenschaft schützen, sondern eine schwierige, aber höchst überfällige Debatte über den deutsch-jüdischen Neurosenkomplex verhindern. Man könnte von einem sekundären Philotrampismus oder einer primären Sehnsucht nach dem Ende der Welt sprechen:

„Die Zeiger der Weltuntergangsuhr standen bislang auf drei Minuten vor zwölf. Nun haben die Wissenschaftler des „Doomsday Clock“-Gremiums sie um eine halbe Minute näher in Richtung Katastrophe gerückt. Begründet wird die neue Gefahreneinschätzung unter anderem mit den Ankündigungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump.“ (Sueddeutsche.de)

 

Fortsetzung folgt.