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Weltdorf LVI

Hello, Freunde des Weltdorfs LVI,

jetzt zeigt sich, dass die hoch gerühmte Globalisierung vor allem die Fortsetzung nationaler Egoismen mit anderen Methoden war. Internationaler Handel ist kein Tauschhandel auf gerechter Basis. Starke Länder schreiben schwachen Partnern Handelsverträge vor, von denen sie selbst am meisten profitieren. Gerechtigkeit ist aus dem Wortschatz der Weltherrscher gestrichen.

Obgleich die Kluft zwischen Reichen und Armen sich seit Jahren kontinuierlich verstärkt, schreibt der SPIEGEL: „Acht Superreiche besitzen angeblich so viel wie die halbe Menschheit.“

Die kritische Organisation Oxfam, die die Zahlen veröffentlichte, wird pflichtgemäß in dubioses Licht gerückt. Statistische Zahlen könne man beliebig instrumentalisieren:

„Oxfams plakative Zahlen setzen bewusst auf Empörung. Ist ein Tagelöhner mit zehn Dollar Bargeld in der Tasche reicher oder ärmer als ein schwäbischer Hausbesitzer mit 180.000 Euro Schulden? Zählt nur das verfügbare Vermögen oder gehören auch „gebundene“ Werte in die Rechnung? Je nach Sichtweise kommen unterschiedliche Studien denn auch zu durchaus variierenden Erkenntnissen.“ (SPIEGEL.de)

Dennoch können die Schreiber den jahrzehntelangen Trend nicht leugnen:

„Doch an den grundlegenden Tatsachen ändert sich dadurch nichts. Jede Erhebungsmethode, jede Studie über die Verteilung von Vermögen dokumentiert in …

… ihrer Tendenz klar: Einige Wenige werden immer reicher, während eine wachsende Masse von Menschen prozentual geringer am Gesamtvermögen beteiligt ist.“

Erneut Entwarnung und Verharmlosung: „Zugleich zeigen Erhebungen übrigens auch, dass sich das Elend in der Welt tendenziell verringert: Die Armenquote sinkt, Hunger wird langsam seltener, vermeidbare Krankheiten werden zurückgedrängt. Wenn man so will, geht es statistisch gesehen allen ein kleines bisschen, aber einigen wenigen eben exorbitant besser.“

Geht es Superreichen besser, wenn sie noch reicher werden? Besitzen sie nicht längst alles in Überfluss, wonach ihr übersättigtes Herz begehrte?

Wenn es Armen besser geht, entgehen sie dem puren Elend, vielleicht sogar dem Hungertod. Ob sie damit ein sorgenfreies und sicheres Leben führen können, wäre noch lange nicht sicher. Wenn es Superreichen besser geht, steigen sie vom 10. Rang der Rankingliste auf den 5. Rang. Da sie sich bereits alles auf der Welt leisten konnten, fällt es ihnen nirgendwo auf, dass sie in der Liste der Eitlen nach oben rückten.

„Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich dabei immer weiter – und das birgt auch sozialen Zündstoff. Das gilt auch für eine reiche Nation wie Deutschland: Hierzulande, sagt Oxfam, hätten 36 Milliardäre so viel Vermögen (297 Milliarden US-Dollar) wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Das reichste Prozent der Bundesbürger besitze rund ein Drittel des gesamten Vermögens.“

Tatsächlich? Das birgt (verbirgt?) auch sozialen Zündstoff? Wer hat denn den Zündstoff gelegt? Könnten das nicht auch die Armen gewesen sein, die es nach oben nicht schafften – oder aus Trägheitsgründen gar nicht schaffen wollten? In Gesellschaften, in denen jeder angeblich alles werden kann: sind dort die Nichtshaber nicht selber schuld, wenn sie unten abhängen und Gott einen guten Mann sein lassen?

Die Oxfam-Analyse wird im distanzierten Konjunktiv berichtet, damit ja kein Leser auf die Idee komme, der SPIEGEL könnte die Lage der Welt genau so sehen wie die notorischen Oxfam-Nörgler.

„Weltweit fühlten sich deshalb immer mehr Menschen abgehängt, behauptet Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland. Denn diese Entwicklung hänge eng mit den Möglichkeiten reicher Menschen und internationaler Konzerne zusammen, sich Vorteile auf Kosten des Allgemeinwohls zu verschaffen, kritisiert seine Organisation. Die extrem Wohlhabenden nutzten aggressive Steuervermeidung, verschöben ihre Gewinne in Steueroasen und trieben Staaten in einen ruinösen Wettlauf um Steuersätze. Kalinski: „Regierungen betreiben das Spiel der globalen Konzerne und reichen Eliten – und die Bevölkerung zahlt die Zeche.“ Dies beschädige den sozialen Zusammenhalt, behindere den Kampf gegen Armut und untergrabe den Glauben an die Demokratie. So bereite Ungleichheit auch den Boden für Rechtspopulisten.“

Keine Stellungnahme der Edelschreiber. Mit solch düsteren Szenerien geben sich die apokalypse-immunen Hamburger – die ihr Selbstwertgefühl durch einen exquisiten Kulturpalast gerade auf psychisches Weltniveau anheben konnten – nicht ab. Sie müssten sich ja den Vorwurf machen, unverantwortlichen Aufwieglern und Revolutionären Stoff, nein, Zündstoff, geliefert zu haben. Wissen denn die Oxfam-Aktivisten nicht, dass die systematische Herstellung endlos wuchernder Ungleichheit der Kern des Kapitalismus ist? Wo gibt es denn Alternativen zu dieser erfolgreichsten Wirtschaft der Weltgeschichte, seit der Sozialismus ein Einsehen hatte und sich von der Erdoberfläche verabschiedete? Menschen sind verschieden, Menschen sind nicht gleich, Oxfam. Und das ist gut so! Wie bitte? Der Gleichheitsgrundsatz gebiete, dass vor dem Gesetz alle gleich seien?

„Das Grundgesetz verbietet es, jemanden wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens oder seiner religiösen oder politischen Anschauungen zu benachteiligen oder zu bevorzugen (vgl. auch Gleichberechtigung). G. bindet Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung. Er gebietet, tatbestandlich Gleiches rechtlich gleich zu behandeln. (Art. 3 I GG) ist der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Gemäß Art. 3 III GG darf niemand wegen (seines Geschlechts,) seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens oder seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden. Dadurch wird der Gesetzgeber verpflichtet, in Gesetzen wesentlich Gleiches gleich zu regeln.“

Tatbestandlich Gleiches? Der Unterschied zwischen Armen und Reichen ist aber doch ein offensichtlicher Tatbestand oder ein wesentlich Ungleiches? Ungleiches aber kann man nur ungleich behandeln! In Sachen Geschlecht, Heimat, Herkunft, Glauben, religiöser oder politischer Anschauung kann man Ungleichheit mühelos vermeiden. Doch Reichtum und Armut bleiben im heiligen Text des GG wohlweislich unerwähnt. Hätte man sie erwähnt, würde das nicht einer sozialistisch-kommunistisch-tyrannischen Gleichschaltung der Bevölkerung gleich kommen? Oder dem schrecklichen Verbot, die angeborenen und gottgewollten Unterschiede der Menschen zur Entfaltung zu bringen?

Der Kommunismus der Urgemeinde war eine Imitation des platonischen Kommunismus. Seinen weisen Regenten im idealen Staat hatte Platon gar jeden Besitz verboten. Indem die Urchristen jeden Besitz ablehnten, erhoben sie den Anspruch, Herrscher über die Ungläubigen zu werden – wie die platonischen Weisen über die dritte Klasse.

„Alle aber, die gläubig waren geworden, waren beieinander und hielten alle Dinge gemein. Ihre Güter und Habe verkauften sie und teilten sie aus unter alle, nach dem jedermann not war.“

Nein, den Satz: vor Gott sind alle Menschen gleich, gibt es im Neuen Testament nicht. Stattdessen heißt der Satz: Denn bei Gott ist kein Ansehen der Person. Was bedeutet, vor Gott kann sich niemand irgendwelcher Vorzüge oder Fähigkeiten rühmen. Vor Gott sind alle Menschen gleich – wertlos. Bis zum Akt der willkürlichen Erwählung. Ab jetzt sind die Erwählten reif für die Seligkeit, die Verworfenen fürs ewige Feuer.

Im Neuen Testament wird Armut gepriesen – auf den ersten Blick. Schaut man genauer hin, werden nicht die materiell Armen gepriesen, sondern die geistig Armen. Geistig Arme müssen nicht gehirnlos sein. Sie können die begabtesten Kerlchen auf der Welt sein. Nur eines dürfen sie nicht: sich ihrer Fähigkeiten rühmen und den Anschein erwecken, als könnten sie sich mit Hilfe von Begabungen, Macht oder Reichtum selbst retten. Erst wenn sie sich zu Nichts erniedrigen, kann – muss nicht – Gottes Gnade wirksam werden. Allein durch das Wort, allein durch Gnade, allein durch die Schrift.

Wohl soll man Armen helfen, aber nicht um der Armen, sondern um Jesu willen. Arme an sich sind bedeutungslos. Bedeutung erlangen sie nur, wenn sie stellvertretend für Jesus fungieren: „Wiefern ihr es einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr es mir getan.“

Wenn ein Christ einen Armen unterstützt, wenn er Almosen gibt für Entwicklungshilfe, hilft er nicht den Armen und Schwachen dieser Welt, sondern huldigt allein seinem Heiland, um Punkte für seine Seligkeit zu sammeln. Der altruistische Akt ist der egoistischste in der Geschichte der Moral. Ganz abgesehen davon, dass Jesus der Herr und Besitzer der ganzen Welt und auf Almosen der Menschen gar nicht angewiesen ist.

So sieht es auch das repräsentative Lexikon der Protestanten (RGG): „Jesus lehrt die Jünger, hinter dem Armen ihn selbst zu erblicken und darum jenem mitzuteilen bis zur eigenen Armut.“ Gib dem, der dich bittet und wende dich nicht von dem ab, der von dir borgen will. Ein Recht auf Eigentum gibt es nicht, solange es Arme gibt auf der Welt.

Nun die Frage, die hier gestellt werden muss: weshalb wurden ausgerechnet die christlichen Kulturen die reichsten der Weltgeschichte? Lapidare Antwort: „Aber Jesus hat kein soziales Programm.“ (RGG)

Der Artikel „Bergpredigt“ desselben Lexikons bekräftigt: „Die Bergpredigt will kein Programm zur politischen und sozialen Weltgestaltung sein.“ Christen sind nicht dazu da, die marode Welt zu gestalten, die zugrunde gehen muss – Demokratie inbegriffen. Sie sind stolz auf ihre weltbeste Moral – die aber kein Programm sein darf. Mit anderen Worten: seid gut zu den Armen. Seid ihr‘s aber nicht, ist es auch nicht schlimm. Denn der Glaube kommt nicht durch Werke. Wer durch moralische Taten seine Seligkeit erkaufen will, ist ein Feind Gottes.

RGG: „Damit wird es unmöglich, die Bergpredigt als den Ausdruck einer allgemeinen, zeitlosen Moral, eines pädagogischen Ideals oder als Anweisung für eine neue Weltordnung zu verstehen. Über das Problem der Erfüllbarkeit reflektiert die Bergpredigt nicht. Alle grundsätzlichen Erörterungen beruhen auf dem gesetzlichen Missverständnis und sind deshalb unfruchtbar. Das Ziel des Gesetzes ist ein anderes: Nicht Reflektieren, sondern Hören, Glauben und Gehorchen.“

Denken ist heidnische Hybris. Christen haben das Denken einzustellen und zu gehorchen. Theologen sprechen von Kadavergehorsam, deren bekannteste Formulierung auf Ignatius von Loyola zurückgeht:

„Wir sollen uns dessen bewusst sein, dass ein jeder von denen, die im Gehorsam leben, sich von der göttlichen Vorsehung mittels des Oberen führen und leiten lassen muss, als sei er ein toter Körper, der sich wohin auch immer bringen und auf welche Weise auch immer behandeln lässt, oder wie ein Stab eines alten Mannes, der dient, wo und wozu auch immer ihn der benutzen will.“

Der Begründer des Jesuitenordens konnte sich auf jenen Franz von Assisi berufen, der das Idol des gegenwärtigen Papstes ist:

„Schon Franz von Assisi hatte die vollkommene und höchste Form des Gehorsams gegenüber dem Vorgesetzten verglichen mit einem toten, entseelten Leib, der sich ohne Widerstreben und ohne Murren hinbringen lässt, wo man will.“

Moral – ohne Verpflichtung, Ethos – ohne Konsequenzen: das ist die Amoral der Christenheit, begleitet vom Libretto eines allerhöchsten Liebespathos.

Rainer Hank, FAZ-Theologe des allerreinsten Hayekianismus, wirft Franziskus vor, eine armen-feindliche Liebesethik zu predigen. Gäbe es keine Reichen auf Erden, würden die Armen verhungern. Denn es gäbe keine Arbeitsplätze.

Der Lieblingsspruch der Neoliberalen heißt: Wenn die Flut kommt, heben sich alle Schiffe. Was dies bedeutet, sehen wir täglich deutlicher. Wie im biblischen Wunder kommt die Flut in verschiedenen Stockwerken: weit oben in ihren Luxuslinern prassen die Superreichen, ganz unten paddeln die Armen ums Überleben. Gelegentlich werfen die Reichen den Armen Almosen zu, dass sie noch ein bisschen länger ums Überleben kraulen dürfen.

Die Armut wird gerühmt, aber nicht zur Pflicht erhoben. Pflicht: du erhabener Name, ist kantisches, kein christliches Pathos. Die heutigen Moralallergiker und Gegner der Gutmenschen sind unbewusste Lutheraner, die alle Werke des Gesetzes – alle moralischen Taten – verabscheuen. Auch ohne Moralgetue werden sie selig.

Michael Hanfeld wirft den Grünen vor, die sachliche Unterscheidung von Richtig und Falsch mit der moralischen von Gut und Böse zu verwechseln:

„Wo es um sachlichen Streit gehen sollte, argumentieren sie moralisch. Sie unterscheiden nicht zwischen Richtig und Falsch, sondern zwischen Gut und Böse. Wer die Guten sind, versteht sich von selbst.“ (FAZ.NET)

Kann es sein, dass Hanfeld moralische Bewertungen im politischen Feld überhaupt verabscheut? Sachliche Bewertungen müssen in der Tat richtig oder falsch sein. Dann erst kommt das Entscheidende: das Sachliche muss moralisch bewertet werden, welches das eigentlich politische Geschäft ausmacht. Hier sieht man, dass Journalisten vor lauter Fakten, Fakten, Fakten nicht mehr aus den Augen schauen können. Fakten ohne moralische Bewertung sind Müll.

Genügt es etwa, Trumps Twitter-Ergüsse faktisch genau zu zitieren – ohne sie moralisch-politisch zu bewerten? Welch absurde Szenerie: Journalisten, die auf Moral keinen Wert legen, attackieren einen amerikanischen Politiker, der auf Moral keinen Wert legt.

Medien, die auf Moral verzichten und nur Fakten bringen, sollten auf den selbstrühmenden Titel der „Vierten Gewalt“ verzichten. Kritik an den drei Gewalten der Demokratie kann es nur mit moralischen Bewertungen geben. Kein Zufall, dass die entschiedensten Moralgegner am lautesten moralisch herumnörgeln. Die antinomischen Früchte des Christentums sind reichlich aufgegangen.

Deutsche Christen wollen es partout nicht wahrhaben, dass ihre amerikanischen Glaubensbrüder – Schwestern spielen ohnehin keine Rolle – nicht der Preisung der Armut folgen. Sondern Reichwerden als Indiz der prädestinierten Erwählung betrachten. Reichsein wird nirgendwo als Sünde betrachtet. Sondern nur Reichsein, das sich seines Reichtums rühmt – anstatt für die guten Gaben Gottes zu danken. Auch Reichtum ist ein Gnadengeschenk Gottes und keineswegs auf dem eigenen Mist gewachsen.

„Den Reichen in dieser Welt gebiete, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den unsicheren Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu genießen; daß sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behilflich seien, sich selbst einen Schatz sammeln als guten Grund für die Zukunft, damit sie das wahre Leben ergreifen.“

Der Reiche im Gleichnis vom armen Lazarus war nicht dank eigener Tüchtigkeit, sondern nur dank der Gnade Gottes reich gewesen. Auch Lazarus hatte das irdische Böse nur Gott zu verdanken. Im Jenseits nun wurden die Rollen vertauscht. Alles ohne das geringste Zutun der Protagonisten:

„Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, daß du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, und Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun aber wird er getröstet, und du wirst gepeinigt.“

Bäumlein, wechsle dich. Einmal hü, einmal hott. Alles ohne freies Zutun der Menschen.

Allerdings gibt es auch Stellen im Neuen Testament, die das Reichwerden zur unbedingten Pflicht machen. Jeder soll mit seinem Kapital wuchern, das er von Gott erhielt. Heute würde man von Zocken sprechen. Wer sich dem gottgewollten Geschäft des Wucherns verweigert, wird mit schrecklichen Strafen heimgesucht. Wer hat, dem wird gegeben, wer nichts hat, dem wird noch genommen, was er hat.

Das Matthäusprinzip ist die heilige Leitdevise der Wallstreet und aller Imitanten auf der Welt. Gott selbst ist der Urheber der wachsenden Kluft zwischen Habenden und Nichtshabern. Das ist das unumstößliche Evangelium der Amerikaner.

Boris Groys irrt, wenn er über die republikanische Kampagne schreibt: „Von Gott war in der republikanischen Kampagne erstaunlich wenig die Rede, von Jesus noch weniger.“ (ZEIT.de)

Von Gott und Jesus reden heißt nämlich – über Reichtum und Armut reden. Genau dies tat Trump:

„Stattdessen präsentierte Trump sich nur mit einem Satz: Ich bin reich. Der eigene Reichtum war nicht nur sein stärkstes, es war, das kann man ruhig sagen, sein einziges Argument. Und genau damit betrieb seine Kampagne die Rückkehr zum klassischen Gesellschaftsbild: Es gibt nicht Weiße oder Schwarze, Männer oder Frauen, Hetero- oder Homosexuelle, Christen oder Nichtchristen, sondern es gibt nur Reiche und Arme. Die Reichen sind reich, weil sie wissen, „wie man mit Geld umgeht“. Und die Armen sind arm, weil sie es nicht wissen.“

Die Armen sind selbst an ihrer Armut schuldig. Hätten sie doch nicht den Fehler begangen, sich von Gott nicht erwählen zu lassen. Tycoons sind erwählt. Ihr unermesslicher Reichtum ist das unmissverständliche Brandzeichen ihrer Erwählung.

Das Christentum ist nicht auf die Welt gekommen, um sie zu gestalten und zu erlösen. Sondern, um sie noch eine Weile dümpeln zu lassen und in einem furiosen Finale zu vernichten. Seine ach so kostbare Ethik dient nicht der moralischen oder politischen Ertüchtigung der Menschen, sondern allein dem Zweck, sich Gott angenehm zu machen. Mit Werken kann man nicht selig werden. Wer allerdings glaubt, liebt und hofft, dessen Taten gelten allesamt als gottgewollte Werke – und wenn sie das Gute mit Feuer und Schwert verwirklichen müssten.

Warum ist der Westen so unfähig, die amoralische Entwicklung der Welt zu korrigieren? Weil er mit einer Himmelsmoral indoktriniert wurde, die keine Folgerichtigkeit und Logik kennt. Sondern alles als Frucht des Glaubens bezeichnen darf, was ihr in den Sinn kommt.

In der letzten Woche erschien eine eindringliche Warnung von Human Rights Watch:

„Populisten weltweit gewinnen an Macht, und mit ihnen verbreiten sich Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Frauenfeindlichkeit, mahnte HRW-Direktor Kenneth Roth bei der Vorstellung des 27. Jahresberichts der Menschenrechtsorganisation. „Der Aufstieg des Populismus’ bedroht die Menschenrechte im Innersten.“ Der nächste US-Präsident Donald Trump und verschiedene Politiker in Europa behaupteten, die Öffentlichkeit akzeptiere Menschenrechtsverletzungen als angebliche Notwendigkeit, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert, kulturelle Veränderungen verhindert oder Terroranschläge gestoppt werden, sagte Roth.“ (BILD.de)

Kein Kommentar nirgendwo. Weder von Merkel – die ohnehin zu allem Wesentlichen schweigt – noch von „demokratisch-aufgeklärten“ Medien. Es können die schlimmsten Klimanachrichten gemeldet werden: kein Kommentar. Die Journalisten denken nicht daran, ihre Fakten-Fakten von irgendeinem Mitglied der Regierung bewerten zu lassen. Die schaurigen Meldungen über den Zustand der Welt stehen in schreiendem Kontrast zur Stummheit der führenden Klassen.

Regelmäßig wird das Publikum von Katastrophenmeldungen überflutet. Doch Stellungnahmen der Regierenden, was sie dagegen zu unternehmen gedächten, hört es nicht. Bei solch unheiligem Schweigen wundern sich die Eliten, dass die Bevölkerung sich hinters Licht geführt fühlt.

Die Kanzlerin lässt sich in Belgien hoch dekorieren, damit ihr angeschlagenes europäisches Profil besser wird. In ihrer Dankesrede erklärt sie: „Die Zweifel an Europa scheinen immer lauter zu werden.“ Scheinen? Werden sie nun lauter oder nicht? Kennt die Physikerin nicht den Unterschied zwischen Schein und Sein? Genau genommen sagt sie: viel Getöse im Unterholz, meine ZuhörerInnen, aber nichts dahinter. Vor kurzem noch malte sie jede Situation der Deutschen in rosigsten Farben.

Jetzt festhalten. Wer sorgt sich wirklich um die Probleme der Welt? Um die Folgen der Klimaverschärfung und um die zunehmende Dürre in vielen Gebieten der Erde? Um die unberechenbaren Folgen der Massenvernichtungswaffen? Nicht die politischen Klassen, die in Bewegungsunfähigkeit erstarren:

„Schon bemerkenswert: Über Jahre sorgten sich die Top-Leute – der Weltwirtschaft – vor allem um die Weltwirtschaft selbst. Inzwischen jedoch, so die Umfragen des WEF, fürchten sie sich vor den Folgen des Wirtschaftens. Seit 2011 stehen regelmäßig die Einkommensungleichheit und der Klimawandel ganz oben auf der Agenda. Und eben auch die wacklige geopolitische Lage – kaum verwunderlich angesichts eines US-Präsidenten (der am Freitag offiziell ins Amt eingeführt wird), der Zweifel an der Rolle der USA als Schutzmacht in Europa und Asien aufkommen lässt und damit Spekulationen über ein neues Wettrüsten schürt. Die Umfragen zeigen, dass die Wirtschaftselite inzwischen erkennt, dass es nicht weitergeht wie bisher. Die Weltwirtschaft steckt in einer Sackgasse.“ (SPIEGEL.de)

Die politischen Klassen haben derart abgerüstet, dass die notorisch eigensüchtige Wirtschaft sich um den globalen Zustand der Menschheit zu sorgen beginnt. In Amerika sind es Stimmen aus dem militärisch-technischen Komplex, die immer dringlicher vor den Folgen der Klimakatastrophe warnen.

Die Welt scheint auf dem Kopf zu stehen. Freuet euch, ihr Menschen. Dann scheint vieles möglich. Selbst eine dramatische Rettung des Planeten und seiner unübertrefflichen Spitzen der Evolution.

Wir sahen es in Hamburg. Warum gelang der kristalline Wunderpalast auf Kaimauern? Weil die nervtötende Demokratie ausgeschaltet wurde. Auch der Berliner Flugplatz BER oder Stuttgart 21 werden nur vollendet, wenn die Blockierungen der Pöbelherrschaft beseitigt werden. Die Zukunft der Demokratie besteht – in der Abwesenheit derselben. So wahr Gott lebt.

 

Fortsetzung folgt.