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Weltdorf LII

Hello, Freunde des Weltdorfs LII,

„Deutschland ist verloren. Nur Genozid oder Massen-Deportationen können die Entwicklung rückgängig machen. Deutschland lernt es auf hartem Wege. Deutschland ertrinkt in einer Flut von Einwanderern.“ Leser-Kommentar in BREITBART, der Zentralpostille der Trumpianer, zitiert in BILD.

Mit Völkermord sollen sich die Deutschen der lebensunwerten Flüchtlinge entledigen. Wer bislang über Trumps Bewegung noch Zweifel hatte, kann ab jetzt keine mehr haben.

Angela Merkel, für die einen die Retterin der Welt, für die anderen der Niedergang:

Der schlechteste Kanzler, den Deutschland seit Hitler hatte. Sie hat mehr getan, um das Land kulturell zu beschädigen, als jeder andere vor ihr.“

Was ist der Kern der gegenwärtigen Krise für die Alt-Rechten, die Trump als charismatischen Retter feiern?

„Der christliche Glaube und der Kapitalismus seien in einer Krise. Über den drohenden Clash der Kulturen: „Wir stehen am Anfang eines sehr brutalen und blutigen Konflikts. Er forderte deshalb eine „militante Kirche, die gegen die neue Barbarei aufsteht, die sonst alles auslöschen werde, was Christen und Juden in den vergangenen 2000 bis 2500 Jahre erreicht haben“.

Warum schätzen und bewundern die Trumpianer den russisch-orthodoxen Neu-Zaren Putin?

Wir, der jüdisch-christliche Westen, sollte darauf blicken, was Putin über Traditionalismus sagt. Besonders wenn es um die Unterstützung des Nationalismus geht. Denn ich denke, dass die individuelle Souveränität eines Landes eine gute und starke Sache ist.“

Was sind die außenpolitischen Ziele Trumps?

„Unsere Reichweite und Einfluss werden die gesamte politische Landkarte des Westens neu zeichnen.“

Über deutsche Männer (Frauen uninteressant):

Deutsche Männer haben vergessen, wie man kämpft.“

Das haben sie nun davon, die deutschen Weicheier, dass hergelaufene Untermenschen ihnen auf dem

Kopf herum tanzen.

BREITBART ist das Publikationsorgan der Alternativen-Rechten (Alt-Right), das von Richard Spencer begründet wurde. Die Alt-Rights gehören zur Bewegung der Uralt-Konservativen (Paläokonservatismus), die der Gruppe der Alten Rechten (Old-Right) entstammen, die in den 30er- und 40er-Jahren gegen Roosevelts New Deal kämpften. Sie waren entschiedene Gegner des Sozialstaates und der Einwanderung. Sie befürworten den christlichen Staat, lehnen gleichgeschlechtliche Ehen und Abtreibung ab. Ökonomisch neigen sie zum Protektionismus und Isolationismus, was Trump mit dem Schlagwort kennzeichnet: Amerika zuerst. Dann lang, lang nichts.

Spencer will die „Enteignung der weißen Rasse“ rückgängig und Amerika wieder zu einem weißen, arischen Land machen. Mit „friedlichen, völkischen Säuberungen“ will er Afro-Amerikaner, Latinos und Juden aus den USA entfernen. Was nicht bedeutet, die Alt-Rights bestünden nur aus Antisemiten – wie BILD suggerieren will. Andrew Breitbart war praktizierender Jude, der während eines Aufenthaltes in Israel den Entschluss fasste, etwas gegen die allgemeine „anti-israelische Frontbildung des Westens“ zu unternehmen.

Der bislang verdrängte Antisemitismus der amerikanischen Biblizisten wird in Trumps Gärungskessel eine neue Qualität annehmen. Aus religiösem Eigeninteresse verbanden sich die christlichen Fundamentalisten mit Israel, weil sie die Ankunft ihres Messias in Jerusalem erwarten – nachdem die Juden sich zum Christentum bekehrt haben werden. Da streng gläubige Juden nicht daran denken, Christen zu werden, wird die instrumentelle Kumpanei auseinanderfallen und ihre antisemitischen Giftschwaden emittieren.

Lateinamerikaner und Afrikastämmige hätten einen geringeren IQ als weiße Christen und eine höhere Kriminalitätsrate, so Spencer. Er fürchtet, die weißen Christen werden demnächst in Amerika zur Minderheit werden (was bereits Huntington ängstigte) und das europäische Erbe werde verloren gehen. Bislang wollten die Amerikaner das europäische Erbe hinter sich lassen. Nun wollen sie die rechten Bewegungen Europas rechts überholen und mit dem schrecklichsten Erbe Europas die Zukunft gewinnen.

Trumps Erfolg ist für Spencer der sichere Beweis, dass die Mehrzahl der Amerikaner der uralten europäischen Herrenmenschen-Ideologie anhängt. Spencer geht es um eine Politik der Identität. Der auf den ersten Blick harmlose philosophische Begriff steht für eine knallharte Vorherrschaft des weißen christlichen Mannes:

„Spencers NPI-Institut widmet sich „dem Erbe, der Identität und Zukunft europäischer Völker in den USA und rund um die Welt. Ideologisch dreht sich in der Szene alles um Nationalismus und white supremacy, die Überlegenheit der weißen Rasse. Die Weißen seien die „Kinder der Sonne“, die nun mit Trump aus der Bedeutungslosigkeit auferstehen würden. Die Mainstreammedien beschimpfte er als „Lügenpresse“. Spencer ging sogar so weit, Journalisten implizit als von Juden kontrollierte, seelenlose Wesen zu bezeichnen und bezweifelte deren Menschlichkeit.“ (ZEIT.de)

„Zum Ende einer Veranstaltung des National Policy Institute , auf der Trumps Sieg gefeiert wurde, rief er den Anwesenden unter anderem zu: „Hail Trump, hail our people, hail victory!“ (deutsch: „Heil Trump! Heil unserem Volk! Sieg Heil!“). Teile des Publikums zeigten daraufhin den Hitlergruß.“ (Wiki)

Frauen sind nicht nur bedeutungslos, sie sollen wieder zur Beute der Männer werden. Dies sei ihr eigenes tiefes Bedürfnis, das sie heute verleugnen würden. Vergewaltigung der Frau kann deshalb kein Unrecht sein, denn „die Frau will es doch auch“.

„In jeder Seele einer Frau gibt es einen Teil, der von einem starken Mann genommen werden will.“

Trump schien sich anfänglich von Spencers Alternativen Rechten zu distanzieren. Mittlerweilen aber hat er Steve Bannon, einen Hauptstrategen des BREITBART und der alternativen Rechten, zu seinem Chefberater ernannt.

„Bürgerrechtler und linke Gruppierungen werfen Bannon eine antisemitische und rassistische Gesinnung vor und sehen ihn als Anhänger der Theorie der weißen Rassenüberlegenheit.“ (Wiki)

Volker Weiß hat in der ZEIT einen weiträumigen Überblick über Trumps ideologisches Umfeld gegeben, ein Minenfeld, das sich spätestens seit dem Mauerfall in Amerika flächendeckend installiert hat.

Europa hat es für richtig gehalten, diese Entwicklung zu ignorieren. Besonders Deutschland verharrte in kindischer Bewunderung der amerikanischen Überlegenheitsklischees, die von jedem neuen Korrespondenten der TV-Anstalten in ekstatischem Tone wiederholt wurden.

Dankbarkeit gegen die amerikanische Befreiung aus den Killerhänden der Nationalsozialisten war der Grund, warum die Deutschen ihre Befreier nie kritisch zu sehen wagten. Die Deutschen befinden sich noch immer im Stadium unmündiger Kinder und Schüler, die sich nicht trauen, die demokratischen Defizite ihrer Idole wahrzunehmen und zu artikulieren. So wenig sie die Freundespflicht beherrschen, Israel wegen seiner Menschenrechtsverletzungen freimütig und solidarisch zu kritisieren. Kritik ist für sie eine Hass-Äußerung, Kritiklosigkeit halten sie für einen Akt der Solidarität. Den Kern demokratischer Mündigkeit und Fürsorglichkeit haben sie nicht verstanden.

„Im Umfeld des künftigen US-Präsidenten greift eine Bewegung mit faschistischen Zügen nach der Macht. Sie will ein rassistisches, weißes Land und das Recht des Stärkeren.“ (ZEIT.de)

Weiß berichtet von einer Wahlkampfrede Spencers, in der er „den Verfall der einstmals großen, weißen amerikanischen Nation zu einer „kranken, ekelerregenden Gesellschaft, geführt von Korrupten, verteidigt von Hysterischen, trunken von Selbsthass und Degeneration“ beklagte. Verantwortlich seinen die liberalen Eliten „mitsamt ihrem Anhang aus Schwarzen und Hispanics.“

Wer sich vor der eigenen Gesellschaft ekelt, der will nichts weniger als – Erlösung. Erlösung ist ein religiöser Akt, der demokratische Vernunftrituale und argumentative Streitigkeiten verabscheut:

„Die Dramaturgie der Agitation gebietet, dass auf den Niedergang Erlösung folgt. Also berichtete Spencer anschließend von der Hoffnung.“

Ganz so weit ist Deutschland noch nicht. Doch auch hier beginnt die Verachtung der Demokratie bereits in Sündenabscheu überzugehen, der nur durch einen messianischen Akt der Hoffnung er-löst werden kann. Eine Lösung dieser Sündenpfuhl-Probleme ist ausgeschlossen oder – um in Bildungsdeutsch zu reden: sie ist überkomplex und kann von Pöbelgehirnen nicht erfasst werden.

Während deutsche Eliten es offen lassen, mit welchen Methoden sie – wenn überhaupt – unsere Binnenprobleme zu lösen gedenken, sind amerikanische Heilseliten einen Schritt weiter: unter Erlösung machen sie es nicht. Trump bewies durch schieren und unerwarteten Erfolg, dass er kein trivial gewählter Präsident sein kann, sondern ein wahrer Erwählter sein muss.

Noch sind die Deutschen, was messianische Führer betrifft, durch Schaden gehandicapt, erneut einer Lichtfigur zuzuhecheln. Doch ex negativo näheren sie sich bereits dem Objekt der verbotenen Begierde. Ihr wütender Sturmlauf gegen Populisten ist einer gegen überirdische Heilsverkünder, der sich eines verhängnisvollen Tages ins Gegenteil verkehren wird. Ein Populist ist einer, der alles verspricht und nichts hält: also eine Erlöserfigur.

Noch ist die emotionale Mischung ein ambivalentes Gebräu aus Sehnsucht und Abscheu gegenüber Christus, der – laut Neuem Testament – vom Antichrist nur schwer zu unterscheiden ist. In Amerika ist die lautstarke Aversion gegen Antichrist Trump bereits umgeschlagen in schleimende Unterordnung unter Den, der da kommen soll. Eine Twitter-Meldung aus dem goldenen Trump-Hochhaus genügt – und die großen Konzerne beginnen zu kuschen. Die entschiedensten Gegner aus seiner Partei stehen schon Schlange, um Mitglieder seines Kabinettes zu werden. Die Aura des Erschienenen beginnt zu expandieren. Was ist das uralte amerikanische Beweissiegel des Himmels? Der Erfolg.

Die amerikanische Ekelstimmung ähnelt verblüffend dem deutschen Untergang des Abendlandes, den Oswald Spengler in globalen Dimensionen beschrieb. Kein Wunder, dass Spengler mit den kommenden nationalsozialistischen Hoffnungsträgern zu sympathisieren begann.

Der Rhythmus aus Niedergang und Erlösung wurde von den deutschen Romantikern erfunden, die die christliche Heilsgeschichte in politische Entwürfe verwandelten. Ohne Übertreibung lässt sich sagen: die ideologische Quelle des exzeptionellen Amerikas ist vor allem die deutsche Romantik. Was zurückgebliebene deutsche Jüngelchen in neurotischer Genialität spekulierten, erdichteten und erdachten, verwandeln die naiven und handfesten Amerikaner in technische und weltpolitische Tatsachen. Die Deutschen haben nur gedacht und geträumt, die Amerikaner begannen, ihre Träume in den militärisch-technischen Komplex – inklusive Silicon Valley – zu transsubstantiieren. Gottes Reich irrlichterte den Romantikern zwischen Himmel und Erde. Die Amerikaner entschieden sich für die Erde und verschoben den Himmel ins Unbestimmte.

Wenn Breitbart aber – wie angekündigt – sich in Europa einnisten wird, könnte es in Deutschland ganz schnell gehen mit Gottes eigenem Land auch in Europa. Ob Deutschland eine bewährte Demokratie ist, wird sich daran zeigen, ob es der amerikanischen Heilsversuchung widerstehen wird.

Die Voraussetzung jedes vernünftigen Widerstands wäre die Erkenntnis, dass amerikanische Politik religiös ist. Und dass die Deutschen sich nicht länger mit angeblich aufgeklärter National-Bildung belügen würden.

Volker Weiß bestätigt:

„Spencer beschwor den Mythos von Niedergang und Rettung des „weißen Amerikas“, der „Kinder des Lichts“. Seit Trumps Wahlsieg sah er wieder Hoffnung. Seine Rhetorik von der Wiedergeburt einer großen weißen Nation barg einen deutlichen Nachhall aus den zwanziger, dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die begeisterten Zuhörer im Washingtoner Ronald-Reagan-Center hatten einer faschistischen Rede wie aus dem Lehrbuch gelauscht.“

Der polemische Begriff Faschismus bleibt den Deutschen im Halse stecken, wenn sie ihn mit ihrem bisherigen Vorbild in Verbindung bringen sollen. Es fühlt sich an wie Blasphemie, die amerikanisch-deutsche Herzenskoalition mit solch politischen Hämmern zu zertrümmern.

Weiß zitiert den Historiker Geoff Eley, der im Trumpismus zentrale Merkmale genuin faschistischen Denkens erkennt: „den ethnisch getragenen Nationalismus, die autoritäre Verachtung der Demokratie, eine Besessenheit von Verfall und Wiedergeburt der Nation, Frauenfeindlichkeit, Sozialdarwinismus und die Verherrlichung von Gewalt.“

Für die Deutschen war Weimar der absolute Verfall und das heraufkommende Dritte Reich die verheißungsvolle Wiedergeburt des Volkes, das aus dem Dunkeln ins Helle strebte. Wie aber passt der Sozialdarwinismus ins Konzept der finalen Heilsgeschichte?

Die Deutschen verdrängen alles Theologische: Darwin war Theologe und blieb es auch als weltkundiger Biologe. „Kampf ums Dasein“: dahinter steckt eine calvinistische Theologie der Prädestination, die nun säkularisiert, naturalisiert und bald auch merkantilisiert wird. Die „tüchtigsten Tiere“ (später Menschen) behaupten sich im Kampf ums Dasein und loben dergestalt die auswählende Gottheit durch ihren Kampfeseifer.“ (Friedrich Heer: Europa, Mutter der Religionen)

Alle Menschen laufen um einen der wenigen kostbaren Plätze der ewigen Seligkeit. Doch nur einer von Hundert kann gewinnen.

„Wisset ihr nicht, daß die, so in den Schranken laufen, die laufen alle, aber nur einer erlangt den Preis? Laufet nun also, daß ihr ihn ergreifet! Ein jeglicher aber, der da kämpft, enthält sich alles Dinges; jene also, daß sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche. Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht, daß ich’s ergriffen habe. Eines aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu.“

Zum Ballast, der beim Kämpfen abgeworfen werden muss, gehört das Erinnern dessen, was geschehen ist. Wer neu geboren ist, kann keine alte Biografie haben. Die Vergangenheit ist tot. Es gibt nur eine Zeit des Heils: die Zukunft des Herrn.

Abwerfen des alten Ballasts oder der politischen Korrektheit ist das göttliche Zeichen der Erwählung Trumps. Wenn‘s ums Ganze geht, müssen lächerliche Regeln des Anstands und der Fairness abgeworfen werden. Trumps barbarischer Stil ist Endzeitstil.

Nun heißt es Tacheles reden. Wer nicht für Ihn ist, ist gegen Ihn. Bürgerliche Benimmregeln sind von gestern. Ab heute gilt das Entweder-Oder. Die unverblümte Wahrheit, die für die Loser schrecklich sein kann oder der Sirenengesang des Zieleinlaufs für die Sieger der Geschichte.

„Das Ende der Diskussion bezeichnet hier zugleich das Ende der Politik. Die ganze Mischung aus bürgerlicher Panik und Verrohung, die sich derzeit auch in Deutschland vollzieht, der internetgestützte Kollaps der politischen Kultur und der Daueraufenthalt in der eigenen Echokammer, haben sich in den USA bereits einige Jahre zuvor in Form der Tea Party ereignet.“

Erneut sind die Deutschen diejenigen, die zu spät kommen und den Vorsprung ihrer bisherigen Vorbilder aufholen müssen. Wenn die christliche Menschheit sich dem Ziel ihrer Heilsgeschichte nähert, müssen gewisse Quisquilien – oder lästige Propaganda-Fassaden – fallen, wozu der irdisch-satanische Staat gehört. Steht der Messias vor der Tür, ist die Zweiteilung in den Staat Gottes und den Staat des Teufels perdu. Alles Staatliche muss sich ins Nichts auflösen. Der Hass der Erwählten gegen den Staat – besonders gegen die heidnische Demokratie – ist unermesslich.

„Neben den Forderungen nach einer weißen Wiedergeburt kommt in dieser Strömung allerdings noch ein zweiter amerikanischer Traditionsstrang zum Tragen. Er handelt von größtmöglicher Staatsferne und maximalen Handlungsfreiheit des Einzelnen. Verwirklichen soll er sich in einem praktisch schrankenlosen Markt. Anders als in der Alten Welt konnte in ihm ein sozialkonservatives Profil, das die herrschaftliche Fürsorgepflicht auf den Staat überträgt, kaum Fuß fassen.“

Der schrankenlose Markt ist das Revier der Bewährung für jeden Gläubigen. Insofern ist der Markt die eigentliche civitas dei, in der das Individuum vor Gott steht und selig gesprochen oder verflucht wird. Das ist der Grund, warum es in Amerika keine soziale Marktwirtschaft geben konnte. Das wäre der Verfälschung der wahren Berufung gleich gekommen, als ob der Mensch Gott ins Handwerk pfuschen wollte.

Eben dies ist der Grund des amerikanischen Abscheus alles Sozialen. Das irdische Leben ist ein Wettrennen aller gegen alle – und nur EINPROZENT wird von Gott auserwählt. Der Liberalismus der Neuen Welt ist schrankenloses Durchsetzen der Stärksten und Schnellsten.

Der europäische Liberalismus blieb nicht unberührt vom Gedanken irdischer Gerechtigkeit. Die FDP von Baum, Hirsch und Leutheusser-Schnarrenberger suchte noch jene Freiheit, die nicht das Gegenteil der Gerechtigkeit war. Erst ab Graf Lambsdorff und Westerwelle drang der Hayek‘sche Neoliberalismus ein und diskriminierte alles Soziale als Hindernis eines grenzenlosen Wachstums. Der Spencer‘sche Liberalismus ist der unbedingte Siegerwille der weißen Rasse im Verdrängungs- und Vernichtungswettbewerb gegen den Rest der Welt.

„Es gelte heute, alle Vorwürfe gegen Weiße als Eroberer und Herrscher anzunehmen, sagte Spencer, und sich mit Stolz dazu zu bekennen: schaffen, erobern, aufsteigen – für sich, nicht für andere.“

Nicht nur die deutschen Romantiker, auch Carl Schmitt und sein Schüler Leo Strauss gehören zu den Väterfiguren der neuen Americo-Arier. Auch der französische Autor und Gründer der Neuen Rechten, Alain de Benoist, hat seine Sympathien mit der Abkehr Amerikas von der universalen Ethik der Nachkriegszeit bekundet.

Zu den wichtigen Ideengebern gehört auch Jack Donovan, dessen Markenzeichen das Bekenntnis zum neuen Barbarentum ist, „das auf einem hypermaskulinen Darwinismus aufbaut. Kurz zusammengefasst predigt es den Umbau der Gesellschaft in kleine männliche Kampfgemeinschaften, deren erster Zweck die Verteidigung des eigenen Territoriums ist. Frauen werden hier nur zur Reproduktion geduldet. Gewalt ist eine notwendige Tugend, ihre Überwindung in der Zivilisation eine Bedrohung, die vor allem in der Gestalt von Frauen auftritt. Ungleichheit und Überlebenskampf sind in dieser Welt die Norm, der stärkste Mann setzt sich durch. Die Natur ist eben ungerecht.“

Warum sind die Frauen der neuen, uralten Bewegung ein Dorn im Auge? Weil sie allergisch sind gegen Gewalt und Ungleichheit. Die Bewegung ist eine männliche Heroen-, eine Übermenschenbewegung. Von Gleichberechtigung der Geschlechter kann keine Rede mehr sein.

Silicon Valley kämpfte anfänglich – aus Opportunitätsgründen – gegen Trump. Doch genau besehen sind Ziele und Methoden der beiden Mächte fast identisch. In kürzester Zeit werden sie zueinander finden. Aus Propagandagründen müssen sie sagen: die Natur ist eben ungerecht. Um dem Satz zu entgehen: Gott ist ungerecht. „Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus der nämlichen Masse das eine Gefäß zur Ehre, das andere zur Unehre zu machen?“

In einem Punkt muss Volker Weiß widersprochen werden. „Ob amerikanische Alt-Right oder europäische Neuen Rechte, die ganze Szene pflegt einen regelrechten Kult um die agonale antike Wettkampftradition.“

Wohl war das agonale Prinzip (das Wettkampfprinzip) ein herrschendes Element bei den Griechen, die dem Motto folgten: Immer der Erste zu sein und voranzustreben den anderen. Was aber nicht bedeutete, dass die Stärksten freie Bahn gehabt hätten. Die Erfindung der Demokratie hatte den ausdrücklichen Zweck, Regeln ausfindig zu machen, um den Kampf aller gegen alle dem Prinzip der Gerechtigkeit zu unterstellen. Die Starken bekräftigten ihren despotischen Willen mit dem Naturrecht der Starken, doch die aufkommende philosophische Aufklärung setzte diesem Despotismus seit Solon das Naturrecht der Schwachen entgegen, das zur Formulierung der Gleichheit aller Menschen und zur Emanzipation der Frauen und Sklaven führte.

Trumps Naturrecht der Starken, das in seiner Bewegung zum Gottesrecht der Starken und Erwählten wurde, wird mit aller Macht den Sprung über den Ozean wagen und versuchen, das mangelhafte Selbstbewusstsein der Europäer zu infiltrieren.

Vom Hass der Trumpisten gegen die kleinsten ökologischen Bemühungen haben wir noch gar nicht gesprochen. Dessen Gründe liegen in der apokalyptischen Notwendigkeit der Vernichtung der ersten Natur, um durch messianische Zauberkünste eine neue, paradiesische Natur zu erschaffen. Silicon Valley und alle technischen Gigantomanien fühlen sich getrieben, durch Erfindung gottgleicher Maschinen den sündigen und minderwertigen Menschen zu ersetzen. Ökologie ist in den Augen von Endzeitgläubigen eine Sünde wider den Heiligen Geist. „Eine amerikanische Politik, die von den paranoiden Ideen eines Steve Bannons und der Alt-Right beeinflusst werde, warnt der Historiker, sei kaum mehr in der Lage, auf internationale Herausforderungen wie den Klimawandel zu reagieren.“

Auf die religiösen Ursachen der neuen Alt-Rechten geht Volker Weiß kaum ein. Die Deutschen stellen sich dumm und lassen sich überraschen. Da sie alles Religiöse verdrängen,, haben sie keine Kategorien, mit denen sie verstehen könnten, was sich in ihrem bisherigen Vorbildland Amerika abspielt. Sie schwanken zwischen Furcht, Entsetzen und Kannitverstan. Abwehrkräfte könnten sie nur entwickeln, wenn sie ihre religiöse Blockierung aufgeben und sich in die Problematik ihres christlichen Glaubens einarbeiten würden. Es ist ein lähmender Widerspruch, mit seinem Christentum zu paradieren, gleichzeitig nichts von ihm zu verstehen.

Im Gegensatz zu Alexis de Tocqueville hielten es die Deutschen zu keiner Zeit für nötig, sich ein gründliches Bild von Amerika zu machen. Ja, „Amerika galt den Romantikern als Sinnbild der Nüchternheit, der geschichtslosen willkürlichen Konstruktion. Lenau war der einzige unter den Spätromantikern, der den Westen bereiste und die „beschäumten Fluten des Niagara besang“. (Ricarda Huch, Die Romantik)

Falscher konnte die Wahrnehmung der Amerikaner nicht sein. Nur Eichendorff ließ seinen europäischen Helden in seinem Roman „Ahnung und Gegenwart“ nach Amerika auswandern. Auch Goethes Vers: Amerika, du hast es besser, du hast keine Burgen und Schlösser, war schlechthin ignorant. Die Romantiker wollten nicht in den poesielos-geldsüchtigen Westen, sie träumten vom Osten, woher das Licht der Erleuchtung gekommen war. Ex oriente lux.

„Amerika ist das Land der Zukunft, in welchem sich die weltgeschichtliche Wichtigkeit offenbaren soll“: Hegels Satz klang zwar wesentlich verständiger und klüger – und dennoch ließ er die Weltgeschichte in Berlin kulminieren und enden.

Die kritiklose Bewunderung der Deutschen scheint momentan in Verachtung umzuschlagen. Ahnten sie es doch schon lange, dass sich hinter der Fassade der Weltführer biblizistische Einfalt und kulturelle Barbarei verstecken würden.

Deutschland könnte in naher Zukunft aufgespalten werden in süchtige Übernahme der arischen Wiederauferstehung – und pflichtgemäß-kraftlose Ablehnung des drohenden Faschismus. Die Deutschen bereisen die ganze Welt und haben von ihr keine Ahnung. Das betrifft auch Amerika. Die bibelfesten Amerikaner werden sie nur verstehen, wenn sie ihre eigene christogene Biografie nicht länger ignorieren.

Zum ersten Mal in der Geschichte müssten die Deutschen erwachsen werden und weltweite humane Verantwortung übernehmen. Der Mensch ist des Menschen – kritischer Freund.

 

Fortsetzung folgt.