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Weltdorf XLV

Hello, Freunde des Weltdorfs XLV,

wir haben Demokraten, die sich entschuldigen, weil sie einen demokratischen Standpunkt vertreten.

Wir haben Kritiker, die sich entschuldigen, weil sie Missstände attackieren. Ihren lauen Angriff beenden sie mit der lächerlichen Formel: schade eigentlich.

Die SPD mit ihrem Vorsitzenden halten die Medien für – mutlos. Anstatt für ein schwankendes Rohr im Winde, ohne profilierte Meinung und ohne den geringsten Funken wehrhafter Demokratie.

Die Grünen wollen ihre political correctness nicht übertreiben, um ihre ökologischen Rettungsversuche nicht im Stil moralischer Besserwisserei zu verkaufen. Wir sollten unseren CO2-Ausstoß reduzieren – doch wehe, wenn einer den anderen ermahnt, Weihnachten zu Hause zu verbringen, anstatt einen Kurztrip auf die Seychellen zu unternehmen. Politische Erkenntnisse dürfen nicht zu Moralpredigten verkommen, sonst wird kühle Politik zu sentimentaler Erbaulichkeit.

Die Parteien sollten ihr Profil stärken, doch wehe, wenn ihre Profilierung als Überheblichkeit empfunden wird, dann haben sie schon verloren. Wer sich erkühnt, weniger Fleischkonsum anzumahnen, ist bereits auf dem Weg in den Faschismus. Sie kennen nicht den Unterschied zwischen Predigt und Argument, zwischen Missionierung und öffentlichem Wettstreit um die beste Politik.

Auf allen Gebieten gibt es Konkurrenzen und Rankings, nur nicht in der edlen Disziplin streitenden Problemlösens. Da wird sofort ein Riegel vorgeschoben. Wer tollkühn genug ist, einen Beitrag zur Humanisierung unserer Gesellschaft vorzubringen, ist ein Populist, der sich‘s zu einfach macht. Jeder Vorschlag einer Problemlösung ist zu einfach. Warum? Weil er unterstellt, die von Eliten in langen Zeiten aufgehäuften

Problemberge seien lösbar. Wenn schon die Eliten versagt haben, wollen die Ungebildeten klüger sein als die Weltklugen und Machtgierigen?

Die Eliten, mit Verlaub, wollen gar keine Probleme lösen. Mitten im selbstfabrizierten Chaos geht es ihnen glänzend. Jede Krise lässt Macht und Kapital der Führungsklassen anschwellen. Nach jedem Krieg kommen sie mit großem Vorsprung aus den Ruinen und erweitern die Kluft zwischen Oben und Unten. Nach jeder globalen Finanzkrise erhöht sich die Anzahl ihrer Firmen in der ganzen Welt.

In Amerika haben sie sich zum EINPROZENT der Habenden emporgemendelt, bis sie die jetzige Stufe erreicht haben, wo sie ihre Pranken offiziell auf den Staat legen. Bislang begnügten sie sich mit der roten Karte an die Regierungen: ihr betretet heiliges Gelände, wenn ihr euch in unsere wirtschaftlichen Belange einmischt. Davon versteht ihr nichts. Clevere Burschen – wie wir – gehen nicht in die Politik, sondern ins Bisiniss.

Rainer Hank, FAZ, wirft Trump vor, er mische sich als Politiker in die Belange der Wirtschaft. Das sei ein Verstoß gegen die Prinzipien des Neoliberalismus.

Wie kann der Staat unbefugt in die Wirtschaft eingreifen, wenn die Wirtschaft den Staat offiziell zur Beute gemacht hat? Die neuartige und dreiste Synthese aus Ökonomie und Staat kann nur in die eigenen Belange eingreifen – denn sie hat sich alles unter den Nagel gerissen. Da, wo sie sind, sind Staat und Wirtschaft verschmolzen. Ein fremdes Terrain, das sie unbefugt betreten könnten, gibt es nicht. Wo sie sind, ist der Weltgeist. Wo sie nicht sind, ist nichts.

„Der Staat hat sich aus der Wirtschaft rauszuhalten und sich darauf zu beschränken, gute Rahmenbedingungen zu schaffen: Rechtssicherheit, den Schutz von Eigentum und Vertragsfreiheit. Das allein rechtfertigt das staatliche Machtmonopol. Verwandelt Trump die regelbasierte Marktwirtschaft – wofür in Deutschland das Wort „Ordnungspolitik“ existiert – in einen Deal-basierten Kapitalismus, missbraucht er seine Monopolstellung und müsste von Kartellbehörden entmachtet werden.“ (FAZ.NET)

Trump habe keine Ideologie, weil er sich von Augenblickslaunen leiten ließe: „Der Mann ist kein Ideologe. Es ist deshalb auch wenig hilfreich, ihn in den Sack der Rechtspopulisten zu stecken. Kein wirtschaftspolitischer Ismus passt, übrig bleibt am Ende allenfalls der Narzissmus, bei dem sich alles um das eigene Ego und seine Größenphantasien dreht.“

Einfältiger geht’s nicht. Wenn einer wie ein allmächtiger Autokrat agiert, kann er keinen -ismus haben? Zudem muss es etwas Psychologisches sein, sonst könnte man ja die objektiven Strukturen der Welt ändern. Narzissmus passt immer – wenn Populismus nicht mehr ausreicht. Dabei agiert Trump wie ein Neoliberaler aus dem Bilderbuch – der es endlich geschafft hat, Wirtschaft und Staat, die beiden Giganten, zu liieren. Das ist kein Abschied vom ismus, das ist der Gipfel des Neoliberalismus, ein Ismus aller Ismen.

Amerika hat die letzten Illusionen über den wahren Charakter des allmächtigen Geldes beseitigt. Das Geld will alles sein. Es duldet keinen Gott neben sich. Bislang musste es sich zurückhalten, um die demokratische Fassade zu wahren. Diese Zeit keuscher Zurückhaltung ist vorbei. Nun heißt es, die Masken zu lüften und wegzuwerfen. Wir betreten das Zeitalter der letzthinigen Enthüllung.

Wenn die finale Wahrheit aller Dinge sichtbar wird, findet Apokalypse statt – oder Offenbarung. Wie lange warten sie bereits auf das Wiederkommen ihres Herrn? Nun verschärfen und beschleunigen sie alles. Es muss doch einmal allen Erdenbewohnern klar werden, welches Tier aus der Tiefe die Geschicke der Menschen lenkt.

Augustin hatte den Staat in zwei Hälften gespalten. Dem irdisch-teuflischen Staat stand das himmlische Regiment der Kirche gegenüber. Die Kirche transformierte sich in die Wirtschaft der Erwählten, der ordinären Demokratie blieb nichts als das heidnisch-verworfene Gebilde, das endlich, nach langen Kämpfen, besiegt werden konnte.

Trumps Regiment ist ein Cäsaropapismus, die Einheit von geistlichem und weltlichem Schwert. Er ist Diabolo, der Durcheinanderwerfer, der sich zum Erlöser der Amerikaner – und der Welt empor geschwungen hat. Alle Regeln wirft er über den Haufen. Sein Wille ist die Regel, die solange gilt, bis sein Wille sich eines anderen besinnt. Das ist die Ideologie der Allmacht, die sich von niemandem kontrollieren lässt. Sollte Amerika den Pantokrator der Immobilien nicht zur Räson bringen, steht der Kontinent vor der Etablierung des Faschismus. Schade eigentlich – um die amerikanische Demokratie.

Die Deutschen kennen das Urprinzip der Demokratie nicht: jeder gehe auf den Marktplatz und offeriere laut und deutlich seine Meinung. Er streite sich mit anderen Meinungen, um den Citoyens die Durchdachtheit seiner Vorschläge zu unterbreiten. Dann müssen die Wähler entscheiden, welchen Standpunkt sie für den besten halten. Wer die meisten Stimmen auf sich versammelt, darf die Qualität seiner Agenda auch praktisch unter Beweis zu stellen. Hat er, in den Augen der Mehrheit, seine Sache gut gemacht, kann er erneut gewählt werden. Wenn nicht, muss er abtreten. Das ist alles.

Wie sieht es aber in der deutschen Wirklichkeit aus? Hat jemand seine Meinung gesagt, entschuldigt er sich für die Arroganz der Besserwisserei. Sorry, habe nur laut gedacht. Natürlich glaube ich nicht, unsere Probleme besser zu verstehen als meine Konkurrenten. Ich meinte ja nur. Kommen düstere Wolken übers Land, ist Matthäi am letzten. Vorbei die schönen Zeiten des unbeschwerten Luxus. Der Gottseibeiuns hat uns am Kragen. Bildet euch nicht ein, ihr könntet das Verhängnis beheben.

Der Philosoph Richard David Precht hat Bemerkenswertes über die ökologische Katastrophe der Tierhaltung und den übermäßigen Konsum von Tierfleisch zu sagen. Missionieren aber will er nicht. Warum nur schreibt er Bücher um Bücher, sitzt ständig in TV-Talkshows?

Das sind Überlegungen, die den Philosophen dazu drängen sollen, den Leuten zu sagen, was sie zu tun haben oder was richtig oder falsch ist in moralischen Dingen. Und genau das will ich nicht tun. Ich will die Menschen zum Nachdenken bringen und ihre Sensibilität schüren. Aber ich möchte nicht vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus den Menschen sagen, wie sie mit Tieren umzugehen haben.“ (TAZ.de)

Missionieren ist das Aufdrängen einer unfehlbaren Heilswahrheit unter Androhen ewiger Strafen und Belohnen mit ewiger Seligkeit.

Ein Demokrat macht das genaue Gegenteil: er führt Dialoge, in denen die Qualität seiner Argumente sich zeigen können.

Garantien, dass die besseren Argumente sich durchsetzen, gibt es nicht. Es gibt keine unfehlbare Instanz, die die Wahrheit der verschiedenen Meinungen aufs Treppchen heben könnte. Sollten sich falsche und gefährliche Positionen durchsetzen, werden alle Demokraten von den Folgen ihrer Entscheidungen heimgesucht.

Eine Demokratie ist kein unfehlbares Modell. Ihre Qualität hängt von der Qualität des Volkes ab. Ist das Volk im kollektiven Wahn, wird das Ergebnis der Wahlen eine nationale Katastrophe sein. Vielleicht sogar eine internationale, wenn der Wahn zu Kriegen führt.

Demokratie ist ein langsamer Lernprozess. Es genügt nicht, sich eine Demokratie mit einem revolutionären Akt zu erobern. Die Französische Revolution war eine phantastische Leistung der Franzosen, doch auch sie hatte viel Undemokratisches an sich. Die psychischen Deformationen gedemütigter und unterdrückter Bevölkerungen lassen sich durch einen einzigen Gewalt-Akt nicht korrigieren.

Demokratie ist eine ganz neue Lebenshaltung, die jeden Einzelnen bis ins Mark prägt. Niemandes Herr, niemandes Knecht: das muss man in seinem Alltag gegenüber jedermann erst mal beweisen. Habe ich „ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen.“ (Kant) Heute müsste man hinzufügen; habe ich eine Gazette, die für mich denkt, eine Regierung, die für mich entscheidet, habe ich von Demokratie keine Ahnung.

In Verlauf einer Generation lassen sich die seelischen Verformungen jahrhundertealter Machtpolitik nicht grade biegen. Auch wenn das Gehirn schon alles begriffen hat, müssen die Gefühle noch lange nicht überzeugt sein. Gefühle sind konservativ und misstrauisch gegen alle plötzlichen Neuerungen. Das ist der Grund, warum nach anfänglicher Euphorie eine junge Demokratie schnell wieder zurückfällt in vordemokratische Verhaltensmuster.

Jede Demokratie muss sich permanent beweisen. Demokratie ist kein Spiel nach mechanischen Regeln – wie heutige Politiker und Edelschreiber sich vorgaukeln. Der autoritäre Charakter kann nur durch persönliche Einsicht und Selbstbesinnung überwunden werden. Tief stecken die Ängste vor den Autoritäten der Gesellschaft. Wenn nicht in Familien, Kitas, Schulen und Unis Demokratie eingeübt wird, helfen alle Regelanwendungen nichts. Mensch Precht, sei nicht so mutlos und hau rein. Tritt mannhaft ein für deine Forderungen – die doch nur logische Konsequenzen deiner Argumente sind. Wer es besser weiß und nicht tut, verrät die Zukunft der Kinder.

„Für Veganer sind bereits Vegetarier schlechte Menschen. Und ich plädiere dafür, aus diesem Heiligkeitskult um sich selbst auszubrechen. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen, die in diesem Diskurs moralisieren, sich über Moral wenig Gedanken gemacht haben, also über das, was Moral überhaupt ist. In der Moral geht es nicht darum, dass man selber der beste Mensch wird, sondern unter dem Strich möglichst viel Gutes zu erreichen.“

Was für ein Tohuwabohu aus Religion und demokratischem Diskurs. Heilige Menschen, die vollkommen sein wollen, gibt es nur im Bereich des Heiligen Geistes. Niemand muss heilig sein, und kann dennoch die besten Argumente haben. Menschen „zum Nachdenken bringen und ihre Sensibilität schüren“ ist identisch mit dem Vorsatz,“ anderen Leuten zu sagen, was richtig oder falsch ist in moralischen Fragen.“

Sagen – ist nicht zwingen. Ist Fordern aus der Kraft eigener Überzeugung.

Sollte es nicht langsam trivial sein, dass in Demokratien niemand die Macht haben darf, andere zu seiner eigenen Meinung zu zwingen? Oder hinterlistig zu verführen und zu manipulieren? Es kommt in der Tat nicht darauf an, der beste Mensch zu sein. Nur: warum soll man in allen kapitalistischen Optimierungen der Beste sein, in moralischer Integrität aber nicht?

Warum will Precht kein Vorbild sein für seine Kinder und sein Publikum? Ein Vorbild erkennt man an der Übereinstimmung von Reden und Handeln. Warum ist Precht allergisch gegen solche Echtheits-Tests?

„In früheren Zeiten haben die Leute, wenn Philosophen sich geäußert haben, nicht als erstes geguckt, wie der persönlich lebt. Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der sich die Menschen nur noch für das Persönliche interessieren und immer weniger für das Gesellschaftliche und das Politische da drin.“

Das Persönliche ist nicht das Gegenteil des Gesellschaftlichen und Politischen. Ein Politiker, der das Gegenteil von dem täte, was er tagtäglich von sich gibt, wäre ein Rohrkrepierer. Ist es nicht der riesengroße Mangel an authentischem Leben, das uns in ökologischen Fragen nicht weiterbringt?

Warum tun wir nicht, wovon wir überzeugt sind? Das ist doch kein Vorzug unserer Gattung, das ist ein – eminenter Fehler. Precht, der nicht der beste Mensch sein will, will nicht an seinen Worten und Taten gemessen werden. Wobei er dennoch der Beste sein will: der Untadelige, der sich jede Kritik vom Leibe hält.

Was sollen unsre Kinder sagen, wenn wir von ihnen verlangen, wozu wir selbst nicht fähig sind? Authentisch sein heißt nicht vollkommen sein, sondern seine Defizite selbstkritisch benennen.

Was denkt das Publikum, wenn es kluge Sätze in einem Vortrag hört, aber zur Folgerichtigkeit des eigenen Tuns nicht aufgefordert wird? Es glaubt, dass der Vortragende von seinen eigenen Erkenntnissen selbst nicht allzu viel hält.

Warum wurden einzelne Menschen zu Vorbildern der Menschheit? Weil sie taten, was sie sagten. In der modischen Inkonsequenz und Lauheit steckt eine uralte Verachtung der Vernunft, der man nicht die Kraft zutraut, ihre Erkenntnisse in die Tat umzusetzen. Galt Sokrates nicht als „Intellektualist“, weil er davon ausging, dass vernünftige Gedanken von selbst zu vernünftigen Taten führten? Welch folgenschwerer Bruch Platons mit seinem Lehrer, als er den Glauben an die Vernunft verwarf und den Pöbel mit faschistischen Methoden zum vernünftigen Tun zwingen wollte. Ist Vernunft nur eine Schönschwätzerin in pathetischen Sonntagsreden? Dann sollten wir sie so schnell wie möglich aussortieren.

Sind Worte und Begriffe nicht hoffnungslos verfälscht, dass es demokratische Dialoge gar nicht mehr geben kann? Werden sie nicht benutzt, um die Fakten zu leugnen und zu entstellen?

Es gibt Fakten, aber keine alleinseligmachenden. Jeder deutet sie im Zusammenhang seiner persönlichen Philosophie. Da brauchen wir ein neulateinisch-amerikanisches Wort, um uralte Erkenntnisse zu verballhornen. Früher sprach jeder von Reduktion kognitiver Dissonanz, um den Denkakt zu beschreiben. Heute gilt umgekehrt: das zur Einfachheit Reduzierte ist verboten. Denken ist heute die Ausweitung kognitiver Dissonanz. Was nicht überkomplex ist, gilt als populistische Manipulation. Geht’s noch wahnwitziger?

Der Dialog hatte die Aufgabe, die persönlichen Assoziationen eines Begriffs zu durchdringen, um auf einen Vernunftkern zu stoßen, auf den man sich einigen konnte. Heute wird der Klärungsakt als Gehirnschwurbel angeboten:

„Jedes Wort hat eine Bedeutung über seinen Wortlaut hinaus. Wenn wir ein Wort lesen, wird eine Reihe von Konzepten aufgrund unserer Welterfahrung mit mobilisiert. Unser Gehirn verfügt über ganze Vorratslager abgespeicherten Wissens. Gerüche, Erinnerungen und Gefühle werden aktiviert, um Worte zu begreifen. Bei unserer Forschung arbeiten wir mit Experimenten und Befragungen, aber auch mit Hirnscans. Die Personen werden dann in ein Gehirnscan gelegt und da kann gesehen werden, was das Gehirn macht, wenn wir ein bestimmtes Wort hören: Plant das Gehirn Bewegungen, bekommt es Angst oder empfindet es Freude.“ (TAZ.de)

Das Klären der Begriffe wird der Maschine überlassen. Eigentlich könnte der Mensch seine intellektuellen Fähigkeiten einstellen und sich einem ambulanten Gehirnscanner überlassen. Das wäre das Ende der Philosophie, das Ende der Demokratie. Wo lassen Sie denken?

Den Gehirnwissenschaftlern fällt nicht auf, dass sie trivialen Schrott erzählen: „Die Personen werden dann in ein Gehirnscan gelegt und da kann gesehen werden, was das Gehirn macht, wenn wir ein bestimmtes Wort hören: Plant das Gehirn Bewegungen, bekommt es Angst oder empfindet es Freude“.

Wenn das Gehirn etwas plant – wie sieht man das? bekommt es Angst oder Freude. Mit Begriffsklärung hat dieser Schmarrn nichts zu tun.

Uralte Erkenntnisse werden zu sensationellen wissenschaftlichen Entdeckungen aufgebauscht  und demontiert. Schon die Kunst der Sophisten bestand darin, vieldeutige Begriffe zu benutzen, um „die gute Sache zur schlechten und die schlechte zur guten zu machen“. Der strenge sokratische Dialog sollte diese Verfälschungsmethoden aufdecken und Eindeutigkeit in die Rede bringen.

Dass Demagogen wie Trump solche Mehrdeutigkeiten benutzen, um die Menschen in die Irre zu führen: zu dieser Erkenntnis brauchen wir keine grobklotzigen Maschinen. Dass die Aufdeckung solcher Rattenfängermethoden Aufklärungsarbeit wäre, wird von der Wissenschaftlerin abgelehnt:

Die Frames der Gegner aufzugreifen, führt zu nichts. Durch die Erwähnung eines Frames, unabhängig ob bejahend oder verneinend, wird dieses immer wieder aktiviert. Das ist dann kostenloser Wahlkampf für die anderen. Das Entlarven kann ein zweiter oder dritter Schritt sein. Positive Umdeutungen oder ein Spiel mit Worten ist möglich. Aber ich sage immer: Wenn man ein großes politisches Anliegen hat, dann ist es am besten, nicht an etwas Altem herumzubasteln, sondern was wirklich Neues auf den Tisch zu legen.“

Wissenschaft ist ständige Erfindung des Neuen. Ob das Alte besser war als moderne Plattitüden, wäre eine Blasphemie am technischen Fortschritt.

„In Deutschland heißt das: Finger weg vom AfD-Wording! Nicht ihre Slogans aufgreifen und auseinandernehmen. Sondern eigene Werte betonen und die tatsächlich empfundene Sorge und Empörung über den Rechtspopulismus in klare Worte fassen. Es braucht ein Framing von sich und vom Gegner statt einer Diskussion der Frames des Gegners.“

Das ist das Ende der streitbaren Demokratie, die von der Kritik der Meinungen lebt. Der eigenen und der fremden. Stattdessen wird ein manipulativer Rahmen empfohlen, mit dem man das Gleiche tut wie der Gegner, nur mit anderen Lug-und-Trug-Dekorationen. Versteht sich, dass immer die anderen die Begriffe rahmen und verfälschen. Die hehre Wissenschaft hingegen spricht die reine Ursprache der Wahrheit.

Wir sehen, die Wissenschaft ist auf den Hund gekommen. Wer dem Denken der Menschen durch läppische Beobachtungen der Gehirnmasse auf die Spur kommen will, sollte die Geschichte der Philosophie, Kunst und Literatur streichen.

In seiner Verteidigungsrede lehnte Sokrates jedes einschmeichelnde „Framing“ ab. Er wollte die Richter nicht beeinflussen – außer mit der Macht seiner logischen Moral. Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit sollte zur Sprache kommen:

„Aber auch abgesehen von dem guten Ruf, meine Mitbürger, scheint es mir auch schon vom Standpunkte des strengen Rechts verwerflich, die Gnade des Richters anzuflehen und durch Bitten die Freisprechung zu erwirken statt durch belehrende und überzeugende Aufklärung. Denn nicht dazu hat der Richter seinen Platz eingenommen, um nach Gunst des Rechtes zu walten, sondern um unparteiisch den Sachverhalt festzustellen.“ (Apologie)

Die Medien betrachten sich als reine Hüter der Fakten, Fakten, Fakten. Wie wollen sie den assoziativen Rahmen ihrer Begriffe und Fakten erhellen, wenn sie diesen strikt verleugnen? Ihre Berichterstattung empfinden sie jenseits von Gut und Böse. Weder mit dem Schlechten noch mit dem Guten wollen sie sich gemein machen? Deutsche Edelschreiber sind nicht in der Lage, ihre amoralischen Traditionen zu entsorgen. Ihre mangelhafte Vernunft wurde Unsinn, ihre Wehetat Plage. Die Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises steht unter der Verpflichtung, nicht das Gute zu befördern. Wie Max Weber wollen sie wertneutral sein. Wie kann man über Aleppo berichten, ohne Parteinahme für die Leidenden und Bedrohten? Unfassbar: wie kann man sich mit dem Guten gemein machen?

Einen bestimmten Teil der Presse nannte der Papst koprophag – Scheissefresser. Mit diesem zierlichen Wort kann die Lügenpresse des Pöbels nicht mithalten. Wie aber wird die anale Leistung des Papstes von der Presse bewertet?

„Manchmal vergreift er sich dabei im Ton, was ihn als Vertreter Christi auf Erden plötzlich menschlich erscheinen lässt und durchaus Pluspunkte bei den Gläubigen bringt. Dann wieder referiert er über Dinge, von denen er lebenspraktisch keine Ahnung hat – etwa Kindererziehung. Wenn er behauptet, ein Klaps auf den Po habe noch keinem Kind geschadet, wünscht man sich, seine Berater hätten ihn ein wenig gebremst.“ (SPIEGEL.de)

Wenn Griffe in die Fäkalien den Papst menschlich erscheinen lassen, warum regt man sich künstlich über Trump auf – der das Wort koprophag gar nicht kennt? Hier erkennen wir den etymologischen Sinn des Wortes „Po-Pulismus“. Ein Klaps auf den Po des papa christianorum hat noch niemandem geschadet.

 

Fortsetzung folgt.