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Weltdorf XXXVII

Hello, Freunde des Weltdorfs XXXVII,

Saul Luciano, peruanischer Bauer: er lebe hoch. Ein wehrhafter Verteidiger der Natur, ein vorbildlicher Demokrat. Er klagt gegen die Zerstörer der Natur, kämpft gegen die Giganten der Weltwirtschaft. Alle Liebhaber der Natur sollten ihm nacheifern.

Wer ist Donald Trump, Rädelsführer einer kleptokratischen Dynastie, die Amerika ihrem Familienkonzern einverleiben will, gegen Saul Luciano, Nachfahre eines südamerikanischen Ureinwohners, Anhänger der Pachamama, der Mutter Kosmos nicht im Regen stehen lässt?

Über Trump, den mächtigsten Mann der Welt, schreiben alle machtsüchtigen Medien, über Luciano, der seine Rechte als Naturwesen und Demokrat wahrnimmt, gibt es nur Randnotizen, die im Winde verwehen. Deshalb Lob der TAZ:

„Saúl Luciano ist Bergführer und Kleinbauer in der Nähe der peruanischen Stadt Huaraz. Das Schmelzen der Gletscher in den nahe gelegenen Bergen führt er auf den Klimawandel zurück. Luciano fürchtet, dass gewaltige Gletscherteile abbrechen und in den oberhalb der Stadt liegenden Palcacocha-See fallen. Der See könnte die Staumauer überfluten oder durchbrechen; die Sturzflut könnte in dem Tal, in dem auch Lucianos Haus steht, tausende Opfer fordern.“

Die Logik der Mächtigen ist bestechend.

„RWE-Anwalt Herbert Posser bestritt, dass die Emissionen der Kohlekraftwerke für das „behauptete Gletscherschmelzen“ kausal seien. „Wenn man die RWE-Emissionen wegdenkt, wäre die behauptete Gefahr immer noch da“, sagte er. Neben RWE seien nicht nur viele andere Unternehmen am Klimawandel beteiligt, sondern auch die Landwirtschaft, die Abholzung der Regenwälder trage ebenso dazu bei. Dass es keine Verantwortung einzelner Unternehmen für das Waldsterben gebe, habe der Bundesgerichtshof schon 1987 entschieden.“

Wie kann es keine Kausalität geben, wenn der Konzern auch am Klimawandel

beteiligt ist? Auch die obersten Juristen glänzen durch Folgerichtigkeit.

„In der Rechtswissenschaft werde ein Modell der „kumulativen Kausalität“ vertreten, wenn viele unwesentliche Beiträge zusammen doch eine wesentliche Wirkung erzeugen.“

Kumulativ ist anhäufend, summierend. Wie kann es unwesentliche Beiträge geben – dazu bei Weltgiganten!, – wenn sie wesentliche Wirkungen erzielen? Wenn alle sündigen, gibt es keine Sünder?

Wenn viele Antänzer in Köln die Frauen begrapschen, gibt es keinen einzigen Begrapscher? Massenverbrechen schützt vor Einzelverbrechen? Das war die Logik deutscher Mitläufer, die ihre Teilhabe an Massenverbrechen leugneten. Die kleinen Rädchen, die nicht „systemrelevant“ sein wollen, schieben alles auf die großen Räder. Die winken ab: auch sie seien nur kleine Räder und wüschen ihre Hände in Unschuld. Dass oberste Richter logische Grundsätze vergewaltigen, um die Großen zu schonen – dafür müssten sie in Den Haag wegen gigantischen Rechtsbruchs verklagt werden.

„Das Zivilrecht sei aber nicht der richtige Weg zur Lösung des Problems. „Sonst könnte jeder jeden verklagen, weil wir alle zum Klimawandel beitragen und alle betroffen sind“, so der Anwalt. Hier müsse der Gesetzgeber tätig werden, etwa in Form internationaler Abkommen.“

Ist es nicht schon deutsches Recht, dass privates Eigentum schützenswertes Gut ist? Sind internationale Abkommen dazu da, dieses Recht zu unterhöhlen? Da jeder jeden verklagen könnte, solle niemand niemanden verklagen?

Im Gegenteil, alle sollen verklagt werden, die nicht das Menschenmögliche tun, um die Rechte des Menschen und der Natur zu schützen. Alle sind wir am Debakel der Naturschändung schuldig – also sind wir alle unschuldig?

Das ist die suizidale Logik eines Kollektivs, das seine Lebensinstinkte mit der Wurzel rausgerissen hat. Plötzlich gibt es den Einzelnen nicht mehr. Der Individualismus der kapitalistischen Moderne kennt nur Rechte, Pflichten haben stets die anderen. Individuelle Haftung und Kausalität des Einzelnen sind abgeschafft. Die Kategorie Ursache gilt nicht in elitären Etagen. Die Kleinen hängt man, die Großen können Weltfinanzen und globale Überlebensbedingungen ruinieren – da greift kein Staatsanwalt ein.

Wer, außer den Mächtigen, hat überhaupt die Möglichkeit, in regelmäßigen Abständen die Weltpolitik mit Finanz-Desastern, Kriegen und Klima-Wüsten zu ruinieren? Und wer ist am gegenwärtigen Katzenjammer der Völker schuld? Nein, nicht die herrschenden Eliten, sondern die machtlosen Abgehängten, die sich von Populisten verführen lassen.

Sind denn die herrschenden Politiker, Techno-Visionäre und Geldmagnaten keine Illusionisten? Versprechen sie nicht eine phantastische Zukunft? Die Eroberung des Weltraums, Besiegung aller Krankheiten und die Unsterblichkeit? Was sind Le Pen, Wilders, Erdogan gegen omnipotente Algorithmiker?

Das Böse ist auf den Begriff gekommen – was zur propagandistischen Besetzung der Begriffe gehört – und heißt Populismus. Jeder Kritiker ist zum a priori-Populisten geworden. Wer Lösungen „verheißt“, ist bereits Populist.

Doch wer nichts verheißt, verheißt dennoch etwas: Kontinuität des Bekannten und Gewohnten. Ist das Bekannte zufälligerweise eine deutsche Idylle, wird Idylle ad infinitum verheißen – sonst nichts.

Die mediale Populistenhatz ist die perfekte Abschirmung der Führungsklassen durch edelschreibende Prätorianergarden. Kritiker werden nicht detailliert geprüft, sie werden mit denselben Methoden gejagt, die man ihnen vorwirft. Wenn eine Kanzlerin allen Wohl und niemand Weh verspricht, ist sie dann keine Populistin?

Ihr „nüchterner Stil“ – der alles andere als nüchtern ist, sondern sich mit der demütigen Aura einer Gottbegnadeten umgibt – wird verwechselt mit ihren „nüchternen“ Versprechungen, die nichts weniger verheißen als arkadische Inselzustände mitten im Weltengetümmel. Ein bayrischer Ministerpräsident sieht in seinem Land nur vorparadiesische Verhältnisse. Wie nüchtern.

Die Mächtigen treiben die Verhältnisse ins Verderben, schuldig aber sind die Ohnmächtigen und Abgehängten – wozu man sie seit Etablierung der Klassenherrschaft auch abgerichtet hat. Die Erwählten kopieren das Vorbild ihres allmächtigen Schöpfers, der zwar alle Dinge bewirkt, aber an nichts schuldig sein will. Schuldig sind stets die ohnmächtigen Geschöpfe. Weswegen Er ihnen prophylaktisch den freien Willen implantierte – der genau das tun muss, wozu der prädestinierende Schöpfer ihn programmiert hat. Warum auch haben die freien Geschöpfe sich nicht geweigert, sich von einem Allmächtigen ins Jammertal werfen zu lassen?

Umso schallender das dreifache Hoch auf den peruanischen Bauern Saul Luciano.

Noch nie hat eine Einzelperson gegen einen Verantwortlichen des Klimawandels geklagt“.

Noch nie? Wie viele Milliarden Menschen leben auf Erden und lassen sich Luft, Erde und Wasser verpesten – und noch niemand kam auf die Idee, die Schuldigen am Kragen zu packen und rechtzeitig vor den Kadi zu schleppen, damit das Schlimmste noch verhindert werden kann? Wo sind die Grünen, die Lucianos Prozess unterstützen müssten? Wissen sie noch, was Natur ist, wenn sie sich in ihren beliebten Machtspielchen verstricken?

(Versteht sich, dass sie den aufrechten und geradlinigen Kandidaten Butterwegge ablehnen, weil sie glauben, die vermutete Motivation der Linken schmähen zu dürfen! Nicht gilt das gesprochene Wort, die nachweisbare Tat, sondern die vermutete Gesinnung des Menschen wird erschnüffelt und zu leicht empfunden. Nicht der flagrante Ehebruch, sondern die ehebrecherischen Gedanken werden gerichtet, die man hinter der Maske der politisch Korrekten argwöhnen muss. Sind wir doch allzumal Sünder und kennen die bösen Abgründe unserer Zeitgenossen aus dem Effeff. Das Umgekehrte gilt gleichermaßen: weil die Gesinnung der Kanzlerin nur rein sein kann, müssen ihre Taten porentief rein sein – und wären sie noch so verwerflich.) (TAZ.de)

Der Zusammenhang von Ökologie und Südamerika bringt uns unausweichlich zu einem deutschen Aufklärer, Naturfreund, Weltenforscher, dessen Name heute kaum jemand kennt. Selbst die Berliner kennen ihn nicht, obgleich er in Tegel aufwuchs. Er hatte einen Ruf wie Donnerhall, war nach Napoleon der berühmteste Mensch seiner Zeit. Andrea Wulf hat ein mitreißendes Buch über ihn geschrieben: „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“.

Wenn es einen Menschen der letzten zwei Jahrhunderte gab, den man als Erfinder der Ökologie bezeichnen kann, dann war es der jüngere Bruder des Wilhelm, des Gründers der Berliner Universität. Kinder in Südamerika lernen noch heute seinen Namen in der Schule. Orte, Flüsse und Universitäten tragen seinen Namen. Seine Schriften schufen die erste ökologische Bewegung und regten viele prominente Zeitgenossen an, die ersten schlimmen Spuren des beginnenden Kapitalismus nicht einfach hinzunehmen.

Zu seinen Bewunderern gehörte Simon de Bolivar, Jefferson, Thoreau, Emerson. G. P. Marsh wurde durch seine Inspiration zum ersten Ökologen der USA.

Die Grünen, in ihrer philosophischen Blindheit mit theologischer Fußfessel, haben viel dazu beigetragen, die Geschichte der Ökologie in ein schwarzes Loch zu verwandeln. Da sie der Mär aufsaßen, die Nationalsozialisten seien heidnische Naturanbeter gewesen, verdrängen sie alle historischen Zeugnisse, um sich der klerikalen Bewahrung der Schöpfung zu ergeben. Eine solche kann es nicht geben, denn es gibt keine Schöpfung. Natur ist, was der allmächtige Männergott sich widerrechtlich aneignete: von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Alexander von Humboldt war kein Freund der Mär, die Anhänger einer jenseitigen Welt seien die besten Freunde der hiesigen. Das Gegenteil ist der Fall. Erst, wer die bewundernswerte Autonomie der kosmischen Ordnung erkannt hat, kann nimmer rasten und ruhen, um den Platz des Menschen in der Natur zu verteidigen. Die Natur selbst können wir nicht retten, das müssen wir auch nicht. Das schafft sie selber. Wir können nur versuchen, die ökologische Überlebensnische des homo sapiens für uns zu retten. Natur braucht uns nicht, wir aber brauchen die Natur.

Als Schöpfung eines Gottes wurde Natur zu einer minderwertigen, der Sünde verfallenen Welt, die auf die Erlösung am Ende aller Tage warten muss. Erlösen heißt:

a) vernichten und b) das Vernichtete wieder beleben und neu gebären. Erst muss das Alte ausgelöscht werden, damit es als Neues zur Auferstehung gelangen kann. Erlösung ist imitatio christi. Zuerst an den Balken des Todes, dann kann Gott das Wunder der Neugeburt bewirken. Eine Bewahrung der jetzigen Schöpfung ist ausgeschlossen. Der Schöpfer wird sie selbst vernichten, um eine zweite Schöpfung aus dem Hut zu zaubern.

Von all diesem Spuk war Alexander von Humboldt unberührt. Im Gegensatz zu seinen romantischen Zeitgenossen, die allesamt dem barocken Charme des vatikanischen Gottes erlagen, blieb Humboldt ein Gottloser:

„Humboldt hatte ein Buch über das Universum geschrieben, in dem er nicht ein einziges Mal das Wort „Gott“ erwähnte. Humboldts Natur war lebendig, „wie von einem Hauche beseelt von Pol zu Pol ausgegossen ist in Steinen, Pflanzen und Tieren und in des Menschen schwellender Brust“, aber der Lebenshauch kam aus der Erde selbst, nicht von irgendeiner göttlichen Instanz. Wer ihn kannte, war nicht überrascht, denn Humboldt war nicht religiös. Sein Leben lang hatte er die schrecklichen Folgen des religiösen Fanatismus angeprangert – egal, ob es um die Missionare in Südamerika oder um die Kirche in Preußen ging. Statt von Gott sprach Humboldt lieber von „dem wundervollen Gewebe des Organismus“. (Wulf)

Als er sein Werk Kosmos veröffentlichte, wurde sein Name auf „dem nordamerikanischen Kontinent zum Begriff. Als einer der Ersten besorgte sich R. W. Emerson ein Exemplar. „Der wundervolle Humboldt.“, schrieb er in sein Tagebuch, „marschiert mit seinem erweiterten Zentrum und ausgebreiteten Schwingen wie eine Armee und sammelt im Voranschreiten alles ein.“ Walt Whitman schrieb, inspiriert von Humboldt, seine berühmte Gedichtsammlung Leaves of Grass (Grashalme) mit einem Exemplar von „Kosmos“ auf seinem Schreibtisch. Humboldts „Kosmos“ prägte zwei Generationen amerikanischer Wissenschaftler, Maler, Schriftsteller und Dichter. Er beeinflusste entscheidend die Entwicklung von H. D. Thoreau, einem der bedeutendsten amerikanischen Naturschriftsteller“ – und anarchischen Bürgerrechtler.

Das wäre der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen Deutschland und Amerika gewesen. Leider aber wurde die fruchtbare Beziehung im Ersten Weltkrieg unterbrochen, als der Geist der „germanischen Hunnen“ aus der amerikanischen Öffentlichkeit ausradiert wurde. Mit verhängnisvollen Folgen für beide Seiten. Amerika regredierte in den Fundamentalismus des Bible Belt, Deutschland in den neuromantischen Willen zur Macht, einer chiliastischen Welterlösungspolitik des Dritten Reichs, das die Prophetie eines Joachim di Fiore zur Realität erwecken wollte.

Die ökologische Bewegung der Deutschen wird von biblizistischen Amerikanern als Teufelswerk gehasst. Das ist der Grund, warum der „ideologiefreie“ Trump die weltweite Ökologiebewegung als Gesülze vom Tisch wischt. Die Amerikaner verstehen nicht, warum deutsche Christen das eindeutige Bibelwort von der Vernichtung der sündigen Natur missachten.

(Markus Lanz, ZDF-Philosoph, der den gloriosen Versuch unternimmt, eine völlig neue Gattung der Talkshow zu erfinden – nämlich ein Gespräch unter Ausschluss aller anderen oder ein Dialog als Monolog – empörte sich geradezu bei der Vorstellung, es könnte Menschen geben, die ihre heilige Schrift wortwörtlich nähmen.)

Deutsche wiederum, die sich über die Mythen der Schrift erhaben fühlen, haben noch nie von einer unfehlbaren Verbalinspiration gehört. Da sie weit davon entfernt sind, selbst die Schrift zu studieren und glauben, die Bergpredigt auswendig zu kennen, ist ihnen jedes Verständnis amerikanischer Bibelleser fremd, die sich streng an Luthers Imperativ halten: das Wort, sie sollen lassen stahn und kein Dank dafür haben. Deutsche Lutherverehrer sind weiter von ihrem Champion entfernt als amerikanische Bibelleser. (Deutschstämmige Lutheraner in Ohio besaßen viele Generationen lang das Gesamtwerk ihres Matadors auf Deutsch. Welcher Deutsche hielt je ein Buch seines Staatsheiligen in Händen?)

Seit dem Ersten Weltkrieg driften beide Länder auseinander. Amerika polarisierte sich zur Vorzeigedemokratie mit theokratischem Gegenpol, Deutschlands gekränktes nationales Selbstbewusstsein leckte seine Wunden mit kompensierenden Welterlösungsphantasien.

In seiner gegenwärtigen Krise verwirft das waidwunde Land Gottes die humane Vorstellung einer gleichwertigen Menschheit und kehrt zurück zu Größenphantasien einer auserwählten Nation: make america great again. Neukanaan soll das Land sein, das der Herr zu seiner Wiederkunft erwählen wird. Zuerst Amerika, dann lang lang nichts.

Der kapitalistische Egoismus ist Fleisch vom Fleische des christlichen Seligkeitsegoismus.

Trump-Wähler sind nicht nur wirtschaftlich Schwache und Abgehängte. Es sind weiße Neucalvinisten, Lutheraner und sonstige Freikirchler, die sich vom ökologischen Geist der Welt überrollt und in ihrem Endzeitglauben von teuflischen Kräften attackiert fühlen. Da Religion bei deutschen Politanalytikern keine Rolle spielen darf, bleibt das Rätsel Trump unauflösbar.

Vor mehr als 150 Jahren gab es die ersten internationalen Bemühungen um die ökologische Rettung der Welt. Simon der Bolivar wollte Millionen neue Bäume pflanzen lassen, um die Schäden der Abholzung des Urwalds auszugleichen. Auch in Nordamerika sahen die, die es sehen wollten, die aufkommenden Schäden des Kapitalismus mit Entsetzen:

„Amerikas Umwelt hatte zu leiden begonnen. Industrieabfälle verschmutzten die Flüsse, ganze Wälder wurden abgeholzt, weil das Holz als Brennstoff, Baumaterial oder für die Eisenbahn gebrauch wurde. „Der Mensch ist überall ein Störfaktor“, schrieb Marsh, einer der ersten Umweltschützer im neuen Kontinent. James Madison war der Erste, der Humboldts Ideen aufgegriffen hatte. Er warnte vor den katastrophalen Auswirkungen des großflächigen Tabakanbaus auf den einst so fruchtbaren Böden Virginias. „Im Kern enthielt Madisons Reden bereits die Ideen der amerikanischen Umweltbewegung. Die Natur dürfe nicht dem Nutzen des Menschen unterworfen werden, hatte Madison gefordert und seine Mitbürger aufgefordert, sich für den Schutz der Umwelt einzusetzen. Doch seine Warnungen wurden weitgehend ignoriert. Marsh appellierte an die Amerikaner, sofort zu handeln, bevor es zu spät sei. „Unverzügliche Maßnahmen sollten ergriffen werden, weil die schlimmsten Ängste in Betracht gezogen werden müssten.“

Kein Zufall, dass auch der deutsche Erfinder des Wortes Ökologie ein Ungläubiger war. Es war der Naturforscher Ernst Haeckel, der zum ersten Mal von Ökologie sprach. Oikos, das Haus; Oikologie war die Wissenschaft von der Welt als einem „Haus“, einer zusammengehörenden Ganzheit:

„Unter Oecologie verstehen wir die gesammte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Aussenwelt. Als organische Existenzbedingung betrachten wir die sämtlichen Verhältnisse des Organismus zu allen übrigen Organismen, mit denen er in Berührung kommt, und von denen die meisten entweder zu seinem Nutzen oder zu seinem Schaden beitragen.“

Natur war weder Maschine noch die gefallene Tochter eines Schöpfers, der sein Schöpfungswerk auf den ersten Blick für vollkommen und auf den zweiten für irreparabel hielt. Natur war ein lebendiger Organismus, in dem alles mit allem zusammenhing. Wer hier ohne Rücksicht auf Verluste hineinschlug, durfte sich nicht wundern, wenn die Folgen seiner Barbarei auf ihn selbst zurückfielen.

Im Netzwerk reziproker Abhängigkeiten und Sensibilitäten muss der Mensch sich so einrichten, dass seine Überlebensnische nicht zerstört wird. Nehmen und Geben mit der Natur muss ausgeglichen sein, wenn die Beschädigung der Natur nicht zur Beschädigung des Menschen führen soll.

Für fromme Gemüter sind um sich greifende Naturzerstörungen nur die Bestätigung einer unaufhaltsam kommenden Endkatastrophe. Es kommt, wie es kommen muss, weil es in unfehlbaren Büchern prophezeit wurde. Gläubige haben sich gegen Gottes Geschichtswirken nicht zur Wehr zu setzen.

Der Mensch ist die Krone der Schöpfung: dieses Credo ist für Eugen Drewermann die Hauptursache der christlichen Naturzerstörung:

„Der christliche Anthropozentrismus ging so weit, die Naturordnung auf den Kopf zu stellen und das Schicksal der Natur vom Menschen abhängig zu machen: wegen der Sünde Adams seien alle Geschöpfe bestraft worden, die ganze Natur sei vom Menschen beschädigt und müsse durch den Menschen erlöst werden.“ „Erlösen aber heißt kreuzigen und zu Tode bringen, danach walte das Schicksal. Tatsächlich befand sich das Christentum von Anfang an in Widerspruch zur aufgeklärten griechischen Philosophie, die sehr wohl wusste, dass die Welt nicht einfach für die Interessen des Menschen, sondern für alle Kreaturen geschaffen war.“

Der Sioux-Indianer Standing Bear schrieb über die Weißen:

„Bevor die Weißen das Land der Indianer betraten, gab es keine Pflanzen, Vögel und Tiere, die ausgerottet worden wären. Alles lebte und starb im ewigen Gleichgewicht der Natur, um wiedergeboren und erneuert zu werden. Dann kamen die Weißen und jagten die Biber, bis es keine mehr gab. Dann benötigten sie Mustangs, bald gab es keine mehr. Dann brauchten sie Holz, nun gibt es keine Wälder mehr an den Flüssen. So ist die Natur in Unordnung geraten, Flüsse sind ausgetrocknet, Seen verschwunden, Pflanzen, Tiere und Menschen kommen abhanden, und an die Stelle des Ausgerotteten setzen Amerikaner etwas, das sie für besser halten als Natur. Aber es ist schlechter, weil es immer weitere Zerstörung und Unordnung gebiert. Alles an ihrem Denken und Tun ist Gewalt. Sie sagen, Lebensfreude sei Sünde, deshalb hassen sie sich und alles in der Welt. Sie bringen wundersame Dinge hervor, aber es sind Dinge, die zerstören. Deshalb ist es nicht gut, die Gedanken der Weißen verstehen zu wollen, denn sie sind wie Gift.“ „Die Weißen galten den Indianern als unbegreiflich. Gerade die Klügsten unter ihnen kamen immer wieder zum Schluss, es müsse sich bei ihnen um Wahnsinnige handeln.“ (Alles nach Eugen Drewermann, Der tödliche Fortschritt)

Schon seit mehr als 150 Jahren könnten die Weißen ihre Destruktion der Natur reduzieren und ein Zusammenleben in Eintracht erproben. Das Gegenteil ist der Fall.

Die deutsche Kanzlerin will – koste es, was es wolle – den ökonomischen und technischen Fortschritt vorantreiben. In ökologischer Hinsicht sind die Deutschen weit zurückgefallen. Ob Trump den Vertrag von Marrakesch einhalten oder aber seinen apokalyptischen Biblizisten zum Frass vorwerfen wird, werden wir sehen.

Saul Luciano wäre gut beraten, die Rede des Sioux-Indianers Wort für Wort vor Gericht zu rezitieren. Die geschundenen Naturvölker beginnen, sich zur Wehr zu setzen. Wir dürfen sie nicht im Regen stehen lassen. Ihre Sache ist unsere Sache.

 

Fortsetzung folgt.