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Weltdorf XXXV

Hello, Freunde des Weltdorfs XXXV,

die Welt ist alles, was der Verfall ist.

Wir leben nicht in Zeiten des Umbruchs, sondern des bleiernen „Immer-Mehr-vom-Selben“.

Die Amerikaner wollen Veränderung durch Rückkehr zum Alten.

Die Deutschen wollen das Immergleiche – durch Beschwörung des Alten, das für sie identisch ist mit dem Neuen – obgleich es das pure Gegenteil ist. Im Einzelnen:

Die Amerikaner wollen zurück in die unmittelbare Nachkriegszeit, wo sie die militärischen und moralischen Sieger der Welt waren, Roosevelts linke Wirtschaftspolitik für ein hohes Maß an Klassenausgleich gesorgt hatte. Superreiche mussten mehr als 90% ihrer Gewinne als Steuer abführen, Milliardäre gab es keine, jeder konnte sich ein Häuschen in den Suburbs erlauben. Es gab keine Absturzängste, von einem Lohn konnte man leben.

Eine Nation, die immer nach vorne schauen will, blickt zurück? Ist denn das die Possibility? Eben das ist das Problem der schweigenden Mehrheit, die den „inkohärenten“ Tycoon gewählt hat, weil sie ihre eigenen Widersprüche nicht fassen kann. Inkohärenz oder logisches Chaos gilt bei deutschen Intellektuellen als Merkmal des unzuverlässigen Hallodri aus New York, mit ihnen habe das nichts zu tun.

Dass deutsche Spitzenpolitiker sich jeden Tag zweimal widersprechen, ignoriert eine philosophische Runde mit H.-U. Gumbrecht, Volker Gerhardt und Patrizia Nanz unter der Leitung Wolfram Eilenbergers in 3sat („Sternstunde Philosophie“). Begriffe wie New Deal, Gerechtigkeit oder Neoliberalismus kommen den Gelehrten nicht über die Lippen – sie wollen nicht unterkomplex erscheinen. Ebenso wenig verstehen sie

den „nostalgischen“ Wunsch zurück in die Vergangenheit.

Kann man sich im deutschen TV eine Debattenrunde mit „einfachen“ Menschen vorstellen, die über die verhängnisvolle Rolle der Eliten beim Trump-Desaster streiten? Intellektuelle streiten ohnehin nicht mehr. Scharf artikulierte Meinungsverschiedenheiten könnten als Hass empfunden werden. Man darf nicht Recht haben wollen oder sich als Besserwisser aufspielen. Also säuseln sie mit viel „Narrativismus und Populismus, Linksismus und Rechtsismus“ in trügerischer Harmonie aneinander vorbei.

Die Zeit der Distinktionen (der klaren Unterscheidungen) sagte Kierkegaard vor 2 Jahrhunderten, ist vorbei. Heute ist sie mausetot und verwest. Weil man nicht kohärent denken kann, redet man vieldeutig und schwammig. Niemand soll widerlegt werden, er könnte sich gekränkt fühlen. Schwammig reden ist zur Pflicht geworden, damit alle Recht behalten.

Natürlich wissen die Gebildeten alles besser, nur bemerken soll es niemand. Vor allem nicht jene Schichten, die sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben, weil der Verfall der Demokratie mit der inneren Abzäunung – Gentrifizierung – begann. Unmöglich, einen Vorstandschef der BASF auf einem Fest in der Fußgängerzone zu entdecken und anzusprechen. Man muss keine äußeren Mauern ziehen, die vulgäre deutsche Wohnungspolitik genügt zur gesellschaftlichen Spaltung. In teuren Vierteln ballen sich die Gutbetuchten, an den Rändern der Stadt wuchern schreckliche Hochhäuser.

In allen Medien äußern sich Gewinner über Verlierer. In saisonal bedingter Verstehenspose und eindeutiger Schuldzuweisung: wir Weisen sind immer unschuldig.

Warum haben die Gelehrten bislang nichts verstanden? Weil Verstehen für sie Billigen und Absegnen war. Dass Verstehen die Voraussetzung jeder Kritik ist, entzieht sich ihrer Herrschaftssprache. Modernitätsverlierer sind an ihrem Schicksal ebenso schuldig wie Hartz4-Empfänger an ihren Demütigungen.

Eliten leben in Dauerangst vor Rebellionen. Das verleugnen sie, indem sie ihre Ängste auf die Massen projizieren. Nie werden sie verstehen, warum ihre Opfer sich lammfromm geben und sich selbst für schuldig halten.

Die Kategorien Opfer und Täter sind aus dem Handbuch der Politologen verschwunden. Jeder Wille zur Revolte muss im Gewissen der Gedemütigten streng verboten werden: die Paraderolle des Klerus – ohne die die Geschichte des Abendlandes eine andere gewesen wäre.

Opfer darf es keine geben, sonst müsste die Frage nach den Tätern gestellt werden. Täter und Ursachen darf es noch weniger geben, sonst könnten die Probleme als lösbar erscheinen. Die – Trump sei Dank – plötzlich auftretende Frage nach Ursachen zeugt vom schlechten Gewissen der Täter, die sich über Nacht das Image der Einfühlenden geben wollen.

Nichts hört man öfter in Talkshows als den Satz: wir dürfen nicht als Besserwisser auftreten. Auftreten heißt sich geben, als ob. Das Nichtverstehen wird von der Scheinheiligkeit abgelöst. Natürlich sind sie überzeugt, es besser zu wissen – doch die unteren Klassen sollen es nicht bemerken. Eia popeia, ihr Abgehängten, wovor habt ihr Angst? Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind, in dürren Blättern säuselt der Wind.

Ängste, Ängste, Ängste – und das Rätsel der Empörung ist gelöst. Dass Ängste objektive Ursachen haben, kehrt man in den Bücherstuben der Gebildeten gern unter den Teppich. Gehört es nicht in die Kategorie der Hassgesänge, wenn man Schuldige sucht? Wie sie Gott und Vernunft zusammenwerfen, so werfen sie theologische und faktische Schuld zusammen, um jedwede Schuld auszurotten. In der Theologie gelten selbst Säuglinge als fluchwürdige Sündenkrüppel.

Für den Verstand hingegen ist Schuld nichts anderes als Ursache, die der moralischen Prüfung unterworfen werden muss. Freilich: wenn Moral verpönt ist, wer darf hier richten? Zumal richten ohnehin verboten oder das Privileg der Priester bleiben muss. Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Das ist die Aufforderung zur gegenseitigen Korruption: machst du mir nichts, mach ich dir nichts.

Das gegenseitige Überprüfen der Demokraten fällt aus. Man solle nicht so misstrauisch sein, lautet die Aufweichung des Überprüfens, das sich keineswegs auf die Erbsünde beruft, sondern auf den schlichten Satz: niemand ist perfekt. Kritisieren und überprüfen ist kein Abgrund an Menschenhass, sondern ein Akt solidarischer Fürsorge. Wird nicht kritisiert, wächst der Dschungel der Tabus, die nur von Bösewichtern und Populisten verletzt werden dürfen. Woran kann man eine offene Gesellschaft erkennen? An der Abwesenheit von Tabus.

Jede scharfe Kritik an Amerika war bislang ein antiamerikanisches Tabu. Über Nacht brach der Staudamm der Tabus und die Flut der Scheltreden über die bisherigen Vorbilder wird zum Bad der Wiedergeburt der Deutschen.

Die deutsche Öffentlichkeit ist von sektenhafter Provinzialität. Im deutschen Fernsehen erfährt man nichts über das intellektuelle Geschehen unserer internationalen „Freunde“. Deutsche Auslandskorrespondenten sind Anhänger nichtssagender Fakten, doch Bücher und Gedanken liegen selten auf staubigen Landstraßen. Fakten bleiben stumm ohne gedankliche Bewertung. Doch wie soll man zu Gedanken kommen, wenn man immer nur der Highway folgt? Journalisten sind wie deutsche Touristen. Die ganze Welt haben sie gesehen, doch was sie sahen, haben sie vergessen, wenn sie zu Hause aus dem Flugzeug steigen.

Warum sind alle Claus Klebers so bleich, wenn sie Trump erklären sollen? Gottlob gibt es „Wieselworte“, mit denen man nach Belieben jonglieren kann. Nimm eine kräftige Prise Rechtsruck, eine Handvoll Ängste, mische sie mit Versprechungen und einfachen Lösungen – und du bist zum Interpreten der gärenden Zeit geworden. Vorsicht aber, dass du nicht zu viel begreifst, den Geist der Masse besser zu verstehen vorgibst als diese sich selbst – im Handumdrehen könntest du zum Demagogen werden.

Abgehängte versteht man nicht. Sonst würde man sie ja als Menschen anerkennen. Der Hass der Eliten zeigt sich in ihren Theorien, die ihre Emotionen in abstrakter Kälte verschließen. Theorien sind codierte Gefühle. Man muss sie entschlüsseln, um sie sichtbar zu machen.

Seit Erfindung der Hochkultur wollen Männereliten das Bewusstsein des Volkes sein, der – weiblichen – Masse bleibt nur das Irrationale und Dumpfe. Wie der Mann dem Weib, so müssen die Erwählten dem Volk Gott und die Welt erklären.

„In den meisten Fällen zeigt die Handlungsweise der Massen eine außerordentlich niedrige Geistigkeit. Massen üben ihre Wirkungskraft stets unbewusst aus, vielleicht ist dies Unbewusste das Geheimnis ihrer Kraft. Der Anteil des Unbewussten an unseren Handlungen ist ungeheuer und der Anteil der Vernunft sehr klein. Je weniger die Masse zu vernünftiger Überlegung fähig ist, umso mehr ist sie zur Tat geneigt. Heute werden die Forderungen der Massen nach und nach immer deutlicher und laufen auf nichts Geringeres hinaus als auf den gänzlichen Umsturz der gegenwärtigen Gesellschaft, um sie jenem primitiven Kommunismus zuzuführen, der vor dem Beginn der Kultur der normale Zustand aller menschlichen Gemeinschaft war.“ (Le Bon, Psychologie der Massen)

Eliten sind von Urängsten gepeinigt, die sie streng verschließen müssen. Sonst wären die Massen frech genug, das Gehäuse der Eliten theoretisch anzugreifen. Was, Frauen sollten klüger sein als Männer, Massen klüger als die Theoretiker? Elitenherrschaft ist Männerherrschaft, welche die Frauen infantilisiert und zwingt, „sich ihren Männern scheinbar unwissend, gehorsam und unterwürfig zu nähern und sie kniend zu bedienen. Männerbeherrschte Gesellschaften scheinen sich auszuzeichnen durch große Angst vor der Macht der Frauen, die sich in überlegener Lustempfindung, Kinderkriegen und sozial überlegenen Beziehungen äußert. Vergewaltigung ist das prophylaktische Mittel der Bestrafung für Frauen, um sie vor Renitenz zu warnen.“ (Marilyn French)

Heute müssen die Männer nicht mehr auf Knien bedient werden. Dafür müssen die Frauen ihre Sippe verlassen, um in kapitalistischen Betrieben den Männern schöne Augen zu machen. Wovor haben Elitenmänner Angst? Vor der Wahrheit: Frauen könnten die wahrhaft Creativen sind, denn sie können Kinder gebären.

Der Sinn der männlichen Hochkultur besteht im Versuch, den Frauen die Kreativität zu rauben. Alles Theoretische, Technische und Ökonomische des Mannes soll der Frau beweisen, dass sie à la longue überflüssig wird. Sollte der Mann maschinelle Kinder gebären und die Sterblichkeit überwinden, hat das letzte Stündlein aller Frauen und Kinder geschlagen:

Nicht ist die Mutter ihres Kindes Zeugerin,

Sie hegt und trägt das auferweckte Leben nur:

Es zeugt der Vater

Denn Vater kann man ohne Mutter sein. Beweis

Ist dort die eigne Tochter des Olympiers Zeus,

Die nimmer eines Mutterschoßes Dunkel barg … (Aischylos)

Männerreligion ist der Sieg über alle weibliche Kreativität. Der Männergott schöpft aus Nichts – nur beim göttlichen Sohn wurde das Weib als Brutkasten benötigt. Natürliche Geburt wird durch Wiedergeburt, der Akt der Geburt durch Erleuchtung, Fruchtwasser durch übernatürliches Taufwasser, natürlicher Tod durch wunderhafte Auferstehung und Unsterblichkeit, ersetzt. Gaia, Mutter Erde, soll vernichtet werden, um in den Tiefen des Universums einen neuen Männerplaneten ausfindig zu machen.

Das Alte ist das Weibliche, das zerstört werden muss, das Neue das Männliche, das in die Zukunft weist. Der Zukunftswahn der Moderne ist Männerwahn. Der Feminismus der Gegenwart muss philosophisch werden, um die theoretischen Verwirrkünste der Männer zu entlarven und mit deren eigenen Waffen zu schlagen.

Der Kampf der Männer gegen die Frauen ist der Kampf der Eliten gegen minderwertige Massen. Athenische Sophisten formulierten den Konflikt mit glasklaren Worten. Für Gorgias, der den Willen zur Macht erfand, gab es das eherne Naturgesetz, dass „das Stärkere vom Schwächeren nicht behindert, sondern das Schwächere vom Starken beherrscht und geführt werde. Dass das Starke vorangehe und das Schwache folge.“

Dies ist das abendländische Grundprinzip, das die Eliten bis zum heutigen Tag politisch realisieren. Das Naturrecht der Starken, heute als Neoliberalismus bekannt, ist mit der Gleichheit der Demokratie unverträglich. Je mehr sich die Starken durchsetzen, umso eher geht Demokratie vor die Hunde. Der Kampf um Demokratie muss alle Elemente besiegen, die sich an ihre Stelle setzen wollen. Technischer Fortschritt und wirtschaftliche Macht sind die gefährlichsten Feinde der Herrschaft der Freien und Gleichen.

Merkel betreibt männliche Machtpolitik. Macht soll in den Händen derer bleiben, die sie dank überlegener Ellbogenbrutalität innehaben. Die herrschenden Mächte sollen nicht geschwächt und humanisiert, sie sollen gestärkt werden, um alle Konkurrenten in die Flucht zu schlagen.

In der Pressekonferenz mit Rajoy erklärte Merkel, sie wolle alles tun, „was meine Aufgabe ist als deutsche Bundeskanzlerin. Nämlich einerseits meinen Dienst für die Menschen in Deutschland zu tun. Aber das schließt für mich ein, auch für den Zusammenhalt Europas und für den Erfolg Europas zu arbeiten.“ (SPIEGEL.de)

In ihrem Null-Sprech ignoriert die Kanzlerin den gnadenlosen Wettbewerb der Nationen. Tritt sie für die Interessen ihres Landes ein, muss sie – ob sie will oder nicht – ihre Konkurrenten niedermachen.

Bei Adam Smith konnte das egoistische Einzelinteresse nur mit Hilfe göttlicher Intervention – der unsichtbaren Hand – dem Gemeinwohl dienen. Damals gab es weder eine Überproduktion noch den Wettbewerb aller mit allen.

Deutschlands Führungsposition ist nur durch Schädigen der Konkurrenten möglich. Der Graben zwischen dem europäischen Norden und dem mittelmeerischen Süden wird immer größer. Smith’s optimistische Annahme, Selbstsucht und Gemeinwohl werden sich ergänzen, wurde schon von Stuart Mill verworfen. Konkurrierende Interessen würden sich automatisch ergänzen? Das erschien ihm unhaltbar.

Wie so oft verharmlost Merkel reale Probleme und zeichnet eine Idylle – die von ihren deutschen Anbetern nur allzu gern geglaubt wird. Streng genommen gibt es kein Problem Merkel, sondern nur ein Problem Deutschland. Merkel bedient die harmoniesüchtigen Interessen einer Nation, die nicht erwachsen werden und allzu gerne den Betörungen der Mutter glauben will, dass alles in Ordnung sei.

Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein.

Wer ist beglückter als du?
Nichts als Vergnügen und Ruh!
Spielwerk und Zucker vollauf
und auch Karossen im Lauf.
Alles besorgt und bereit,
dass nur mein Prinzchen nicht schreit.
Was wird das künftig erst sein?
Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein.

Dirk Kurbjuweit entlarvt die hohle Sprache der Politpredigerin ohne Wenn und Aber.

Alan Posener hält die Pastorentochter für die richtige Kandidatin, weil sie – ohne Profil sei:

„Das Glück hat Merkel verlassen, dennoch ist sie die „alternativlose Kanzlerin“. Niemand sonst kann Trump Paroli bieten, die EU zusammenhalten und Populisten stoppen. Profillosigkeit wird ihr Vorteil.“

Das wäre eine ganz neue, raffinierte Form des Populismus, eine hohle Nuss-Populistin: wer nichts verspricht, kann nicht widerlegt werden. Das ist das perfekte Versprechen. Sie mag werkeln, wie sie will: verbessern und verändern will und wird sie nichts. Von einer rationalen Politik stetiger Humanisierung der menschlichen Lage im Einklang mit der Natur – kann bei Merkel keine Rede sein.

„Ich suche die Lösung dort, wo die CDU mit Überzeugung immer verankert ist, das ist die soziale Marktwirtschaft, das ist der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat, und ich halte gar nichts davon, jetzt durch Abschottung, Abkapslung, auch durch Ablehnung die Probleme zu lösen, sondern ich glaube, wir müssen offen sein.“ (SPIEGEL.de)

Offensichtlich befindet sich die Kanzlerin schon jenseits von Gut und Böse. Die soziale Marktwirtschaft sucht sie nicht. Sie zerstört sie zugunsten der Monopole. Das Elend der Abgehängten in ganz Europa lässt sie kalt. Sie redet von sozialer Marktwirtschaft und forciert die grenzenlose Wirtschaftsmacht der Konzerne. Sie lässt zu, dass der Rechtsstaat durch immer mächtiger werdende Geheimdienste zur Farce wird. Ihre Flüchtlingspolitik – für eine historische Sekunde human – ist schlimmer als alles, was Trump je ankündigte. Menschenrechte existieren nicht für Fremde, die in Europa Zuflucht suchen: ein eklatanter Verstoß gegen Grundsätze der UN-Charta. Für solche Menschenrechtsverletzungen müssten alle europäischen Regierungen vor Völkerrechtsgerichten angeklagt werden.

„Im Jahr 2015 starben beim Versuch des illegalen Grenzübertritts von Mexiko in die USA 240 Menschen. Die unsichtbare Mauer um Europa ist damit um etwa das Fünfzehnfache mörderischer als die Grenze der USA.“ (TAZ.de)

Deutsche Merkel-Sektierer wie H.-U. Jörges oder Michael Jürgs beziehen sich auf eine einzige souveräne Tat. Alles Fürcherliche, was danach kam, scheint sie nicht mehr zu interessieren. Kohärenz ist in Deutschland eine unbekannte Fähigkeit. Man klammert sich an ein singuläres Ereignis, das man wie eine religiöse Erleuchtung feiert. Dann schließt man die Augen.

Das deutsche TV scheint nichts zu lernen. Erneut lässt Anne Will sich als Sprachrohr der Solistin missbrauchen, um ihr Image als Liebling der Kanzlerin zu festigen. Ein echtes Streitgespräch mit Vertretern der Gesellschaft scheint Merkel als Beschädigung ihrer Aura zu empfinden. Also darf sie ungestört ihr Solo tremolieren, bevor andere belanglose Kommentare hinter ihr her rufen. Sie verhält sich wie die englische Queen: sie ist vorhanden, spricht aber mit niemandem. Eine Rechenschaftspflicht in Dialogen scheint sie nicht zu kennen.

Man könnte eine riesige Liste von Problemen aufstellen, die von der Weltkönigin nicht zur Kenntnis genommen wird. Afrika müsse man fördern, verspricht sie, tut aber nichts, um die Leistungsfähigkeit jener Länder zu stärken. Im Gegenteil, seelenruhig schaut sie zu, wie die ehemaligen Kolonien durch „Freihandelverträge“ immer noch geschwächt werden.

Die Situation deutscher Kinder verschlimmert sich unaufhaltsam. Anstatt die Bildungschancen aller Kinder zu verstärken, werden schon in den ersten Klassen wirtschaftlich schwache Kinder vom Schulessen ausgeschlossen und stigmatisiert. Die deutschen Schulen befinden sich in trostlosem Zustand. Über 30 Milliarden müssten in die Renovierung der Bauten gesteckt werden, damit die Kinder nicht das Gefühl haben, in Bruchbuden abgeschoben zu werden. Von wachsendem Konkurrenzdruck zwischen Kind und Kind nicht zu reden. Das ZDF zeigt eine Show, in der junge Familien gegeneinander antreten. Die Kinder heulen, wenn sie vor aller Öffentlichkeit verlieren. Gelobt sei, was hart macht. Viele Kinder wagen es nicht, vor dem Schulgang zu trinken. Sie trauen sich nicht auf die verrotteten Schultoiletten.

Kindliche Bedürfnisse nach einer lebendigen und präsenten Familie werden den Malocherpflichten beider Eltern bedenkenlos untergeordnet. Kinder gelten als Karrierekiller. Überlastete Eltern müssen froh sein, wenn sie den Basisbedürfnissen der Kinder gerecht werden. In deutschen Familienfilmen sind Kinder stets misstrauisch, genervt und gereizt. Geringste Fragen der Eltern scheinen sie als Belästigung und Kränkung zu empfinden: Papa, versuch es gar nicht erst.

Keinen Politiker scheint es zu interessieren, welche psychischen Folgen das ungelöste Klimaproblem für die Kinder mit sich bringt. Die Zukunftsmanie der Moderne zerstört die zukünftige Lebensqualität der Kinder.

Mit solchen „Alltagsproblemen“ wird keine Kanzlerin belästigt. Deutsche Medien bilden einen Kordon um ihre Traumfrau. Sie rücken umso enger zusammen, je verhängnisvoller die Weltprobleme heran drängen. Merkel macht nicht den Eindruck, dass sie die Probleme der Welt überblickt. Alles fertigt sie ab nach hohlem Wissen und Gewissen.

Den Weltgesetzen der Moderne folgt sie, als seien sie Gesetze Gottes. Nicht die kleinste Kritik an weltweiter Überwachung und suizidalem Fortschritt ist von ihr zu hören. Stattdessen will sie die Bevölkerung auf unangenehme Zeiten einstellen. Neugierig will sie sein und beteuert, zuhören zu können. Dabei wird sie von Tag zu Tag hermetischer und papistischer.

Verhielten sich die Deutschen wie die Amerikaner, hätte Merkel keine Chance auf eine vierte Regierungsperiode. Sie scheint berufen, widerstandslos den sündigen Gesetzen der Welt zu gehorchen – und seien sie noch so naturfeindlich und inhuman. Wo Gott im Regimente sitzt, haben Menschen zu verstummen.

Merkel kennt nur ein Entweder-Oder: „Entweder man wächst oder stirbt ab. Es gibt keine dritte Möglichkeit.“ Das war die Sicht Oswalt Spenglers, der dem Abendland den Untergang prophezeite. Es sei, ein Messias käme und erlöste die Erwählten. Der Messias kam – und Deutschland fuhr in den Abgrund.

Für Merkel kein Problem: ihr Gewissen bleibt porentief rein.

 

Fortsetzung folgt.