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Weltdorf X

Hello, Freunde des Weltdorfs X,

Ban ki Moon geht – Merkel kommt. In Deutschland sinkt ihr Stern, also muss sie zum stella maris der Welt aufsteigen. Der deutsche Papst rief und die deutsche Madonna wird entrückt zur Weltenmutter. Merkel wird noch die Wartenburgischen Lutherfestspiele abwarten und sich als neogermanische Reformatorin II im Kampf gegen das Böse der Welt feiern lassen. Dann wird sie auf Adelers Flügeln nach New York schwirren, der Stadt der Masters of Universe. Dort wird sie in einem heroischen Finale die Welt retten – oder nicht. In letzterem Fall hat die Welt es nicht anders verdient.

„Stern des Meeres, leuchte uns und führe uns auf unserem Weg!“ (Benedikt XVI. in einer Enzyklika)

Die lutherische Wartburg hat eine erstklassige Reputation in der deutschen Geschichte:

„In der Zeit des Nationalsozialismus plante der thüringische Gauleiter Fritz Sauckel die Wartburg zu einem „Kulturmittelpunkt des Reiches“ zu machen. Zahlreiche propagandistische Veranstaltungen und Feiern fanden hier statt, wie beispielsweise 1934 die Lutherfeiern der NS-nahen „Deutschen Christen“. 1938 ließ Sauckel das Kreuz auf dem Burgturm durch ein Hakenkreuz ersetzen. Proteste aus der Bevölkerung führten jedoch dazu, dass es bereits nach einem Monat wieder entfernt wurde und das christliche Kreuz wieder an seine Stelle kam. Im Frühjahr 1939 gründeten 13 evangelische Landeskirchen auf der Wartburg das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“; am 8. Mai des Jahres wurde es hier auch eingeweiht, an seiner Spitze stand der Theologe Walter Grundmann. Die nach 1945 verschwundenen Akten des „Entjudungsinstituts“ wurden erst 1990 nach dem Umzug des Landeskirchlichen Archivs der Öffentlichkeit bekannt.“ (Wiki)

Äußerlich sehen Masters of Universe wie Menschen aus. In Wirklichkeit haben sie die Erdherrschaft längst in ihren Krallen, demnächst das ganze Weltall. Deutsche

Nazi-Christen waren keine winzige Sekte, sondern die pralle Mehrheit der deutschen Lutheraner. Auch der Führer war paulinische Obrigkeit. Es gibt keine Obrigkeit, die nicht von Gott wäre. Die adligen Widerständler mussten Römer 13 erst skrupulös aus dem Weg räumen, bevor sie auf der ganzen Linie – technisch versagen durften. Zeit und Zufall sind die Herren des gott-regierten Universums. Gottlob, sie haben es probiert, zur posthumen Heldenverehrung in einer christlichen Wertekultur reicht es allemal.

„Über die amerikanischen Banker, die den Deutschen in den achtziger Jahren zeigten, was alles möglich war. »Wir haben an ihren Lippen gehangen und gedacht, das sind gottgleiche Wesen, die uns da geschickt werden.« Und über den Druck: »Jedes Jahr zehn Prozent mehr. Wie Du das machst, ist mir egal. I don’t care how you do it – das sind Sprüche, die habe ich gehört.«“ (ZEIT.de)

„Wie du das machst, ist mir egal“, heißt auf lutherisch: sündige tapfer – aber glaube. Alles ist erlaubt, nichts ist verboten für Menschen der rechten Gesinnung, die zur Sünde nicht fähig sind. Der theologische Leiter der Odenwaldschule, der einstigen Kaderschmiede der „evangelischen Mafia“, verkündete allen Neulingen: In der Odenwaldschule ist alles erlaubt. Gesetzlosigkeit ist das innerste Geheimnis der Freiheit eines Christenmenschen. Was die Odenwaldschule in Miniaturausgabe, ist der antinomische Westen im Großen. (Nebenbei: Mit dem pädagogischen Eros der Griechen hat die theologisch infizierte pädagogische Reformbewegung so viel zu tun, wie Luther mit der Hure Vernunft.)

Wenn BILD im Namen Deutschlands spricht, hat sie auserwählte Angehörige der Eliten befragt. Deutsche Eliten – Medien und Gelehrte inbegriffen – haben von altersher keine Meinung. Weshalb sie unter die Propheten gegangen sind und vorhersagen, ob Merkel noch einmal antreten wird.

„Deutschland rätselt: Tritt Angela Merkel 2017 erneut zur Wahl an?“ (BILD.de)

Warum ist Deutschland in Quizsendungen vernarrt, in denen alle belanglosen Fragen dieser Welt enträtselt werden? Weil es leidenschaftlich gern prophetisch rätselt. Wenn ich die Zukunft voraussehe, muss ich weder Meinung noch Position haben. Ich springe auf den Zug auf, den ich „unvermeidlich aus der Zukunft auf die Gegenwart zurasen sehe“. Prophetisch rätseln setzt voraus, dass weltliche Probleme mit Hilfe der profanen Vernunft nicht zu lösen sind. Nur wer den Geist der heiligen Zeit verinnerlicht hat, weiß, in welchen Zug er einsteigen soll.

Was Oliver Stone über die USA sagt, gilt auch für Deutschland: „Alle halten das Maul, weil sie ihr Haus abbezahlen und ihren Kindern Alimente zahlen müssen. Das ist wie in Nazi-Deutschland.“ (SPIEGEL.de)

Snowden ist kein Verräter seines Landes, sondern Repräsentant der besten Traditionen Amerikas: der Wahrheitsliebe und des Widerstandsgeistes à la Henry David Thoreau gegen alle freiheitsbedrohenden Umtriebe. Whistleblower wäre korrekt mit „Widerständler“ zu übersetzen. Maaßen, Merkels oberster Überwacher, verdächtigt Snowden als russischen Spion. Wenn Snowden ein Spion ist, war Stauffenberg ein Agent der Alliierten.

Auch hier – wie in allen Politangelegenheiten – ist die fromme Frau umgefallen. Gestern kritisch gegen NSA, heute mit Obama ein Herz und eine Seele. Fast keine Gazette, die es wagte, Merkels Verrat zu geißeln. Wenn Oliver Stone Recht hat, müsste auch die Kanzlerin vor ein Nürnberger Tribunal:

„Für all diese Behauptungen, dass Snowden Geheimnisse an die Chinesen verraten und westliche Agenten in Gefahr gebracht haben soll, gibt es keine Beweise. Im Gegenteil, viele der Leute, die das behaupten, sind als Lügner schon lange überführt und gehören gefeuert oder ins Gefängnis. James Clapper, Michael Hayden, diese ganze Geheimdienst-Bagage. Von Bush und Cheney ganz zu schweigen. Der Sinn für Moral ist durch sie völlig auf den Hund gekommen. Gegen all diese Leute hätte es Nürnberger Prozesse geben müssen.“

Ein Amerikaner, der es wagt, in der antinomischen BRD das Wort Moral in den Mund zu nehmen! Doch schon folgt die Kritik auf Taubenfüßen: der Film ist sowas von langweilig.

Moral ist immer langweilig. Sie ähnelt jenem Urathener, von dem es hieß: er sagt immer dasselbe in immer den gleichen Worten. Nichts für tägliche Neuerfinder des Universums: sie dürfen jeden Tag ein neues Schwein abstechen. Only bad news are good news. Gute Nachrichten wären für Erlöser miserable Nachrichten. Wer möchte noch erlöst werden, wenn er seine fünf Sinne beisammen hätte?

Was wird geschehen, wenn Merkels Götterdämmerung eintritt, sie den rettenden Ruf von Oben erhält und in Berlin den Abflug macht? Eine dreijährige postmerkelsche Depression wird mit unabsehbaren Folgen eintreten. Wer wird uns trösten in der schrecklichen, der mutterlosen Zeit? Wer wird in schlichten Worten das Komplexe verkünden? Wie passt Merkels Spracharmut mit dem hochkomplexen „Wohlstandsversprechen der Demokratie“ zusammen, das die Kanzlerin ständig im Munde führt?

Seit wann ist Demokratie ein Wohlstandsversprechen? Sie verspricht nur, was Demokraten selbst zuwege bringen. Das selbstzuerfüllende Versprechen der Demokratie ist Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Schwesterlichkeit nicht zu vergessen. Freie, gleiche und geschwisterliche Menschen sind mühelos fähig, sich durch autonome Arbeit ausreichend zu ernähren. Kapitalismus ist kein demokratischer Lebenszweck.

Wenn despotischer und ungerechter Wohlstand Freiheit und Gleichheit verschlingt, wird Luxus zum Totengräber der Demokratie. Wer verspricht wem? Merkel verspricht Wohlstand den Untertanen – wenn sie Geschwisterlichkeit, Gleichheit und Freiheit auf dem Altar des Vaterlandes opfern. Warum gilt Merkel nicht als Superpopulistin, da doch alle Populisten das Blaue vom Himmel versprechen? Gleichheit wird als Uniformität diffamiert, Geschwisterlichkeit als penetranter Moralismus, Freiheit als Unterwürfigkeit unter totalitäre Zukunftsvisionen technischer Bubigesichter.

Klagte Claudius Seidl, FAZ, in einer RBB-Plauderstunde, die Deutschen hätten Angst vor Veränderung. Weswegen sie gegen TTIP und CETA auf die Straße gegangen wären. Wer sein Leben selbst bestimmen will, hat Angst vor Fremdbestimmung? Dann hätten die Geschwister Scholl auch Angst vor der Veränderung gehabt, die die NS-Schergen übers Land bringen würden. Besser Angst vor der Veränderung als keine Angst vor dem Stillstand, der Verhöhnung des selbstbestimmten Lebens?

Wenn Zukunftsfaschisten ihr eigenes Leben zur rasenden Höllenfahrt machen – hindert sie nicht daran. Welches Recht aber haben sie, das Leben anderer ungefragt zur Hölle zu machen? Das freieste Leben aller Epochen besteht aus den unerbittlichsten Zwängen, garniert und dekoriert mit Trog-Freiheiten: an welchem Trog grunzt und schlabberst du heute, bei Oetker-Kuchen oder bei Nestle-Suppen?

Gerhard Schröder, immer noch SPD, erhält einen Preis für neoliberale Wettbewerbserhöhungen auf Kosten von „Modernitätsverlierern“, ein ander Wort für betrogene Proleten. Wann erhält Schäuble im Gegenzug den Preis für marxistische Ordo-Politik – weil er verarmten Kindern ein zusätzliches Eis pro Monat verspricht? Hätten zwei Gummibärchen auf Gutschein von Onkel Wolfgang nicht genügt?

Merkel möchte am liebsten die Zeit zurückspulen. Was nicht bedeutet, dass sie etwas ändern wolle. Die Vorgänge vor einem Jahr dürften sich nicht wiederholen, was nicht bedeutet, dass sie falsch gewesen wären. Ihren Ermunterungssatz mag sie gar nicht mehr wiederholen, weil leicht erregbare Mimosen ihn mies gemacht hätten. Das Wichtigste: vermutlich habe sie ihre hehren Werke nicht genügend erklärt.

Andere hätten von kommuniziert gesprochen, wenn sie das Wort manipulieren nicht aussprechen wollen. Unter kommunizieren – miteinander sprechen – versteht man heute: nicht miteinander sprechen, sondern einseitig auf andere einquasseln. Wer einer Sache widerspricht, muss sie nicht richtig verstanden haben. Die hohen Taten der Eliten sind dem Pöbel unzugänglich. Christian Helten, SZ, hat die Unverschämtheit der überkomplexen Arroganz mustergültig zerlegt:

„Denn er ist ja auch ziemlich praktisch, dieser Satz. Immerhin kann ein Politiker damit einen Fehler eingestehen, ohne einen Fehler einzugestehen. Denn falsch ist ja nicht, was er macht, gemacht hat oder machen will. Falsch – beziehungsweise unzureichend – war nur seine Erklärung. Deshalb konnte keiner den wahren Glanz seiner Ideen und Pläne erkennen. Deshalb hat keiner gecheckt, dass alles richtig ist und alles gut wird und wir es schaffen.“ (Jetzt.de)

„Verstehest du auch, was du liesest“, fragte Philippus einen Äthiopier, als er ihn beim Lesen des Jesaja fand. Und jener antwortete: „wie sollte ich es denn können, wenn mich niemand anleitet?“ (Apg. 8, 30 ff)

Die Gefahren der Integration fremder Religionen sind groß, wenn die Einheimischen nicht die geringste Ahnung von ihrer eigenen Religion haben. Wie schnell könnten sie zur Beute überlegener Koranmissionare, gar von der Notwendigkeit salafistischer Terroraktionen überzeugt werden.

Ein Fall für den Polizei- und Innenminister, im Nebenjob im Präsidium des Evangelischen Kirchentags tätig. Nicht, dass er seine Untertanen in den Gottesdienst nötigen möchte – noch nicht –, aber sollte man nicht wissen, wer an Weihnachten Geburtstag hat? (Eine von vielen Lügen, pardon, frommen Legenden. Heidnische Vorlagen wurden bedenkenlos für christliche Zwecke geplündert.)

Deutschland nähert sich immer mehr einer Theokratie mit scheindemokratischen Ritualen. Novalis wäre entzückt, wenn er Merkels Regime der Nächstenliebe, gepaart mit notwendiger Härte gegen die Fernsten, hätte erleben dürfen. „Wir haben die hohe Bedeutung von Religion unterschätzt“, so de Maiziere vor staatstragenden Elementen. „Nicht alle Ausprägungen anderer Kulturen könnten in Deutschland toleriert werden.“ (ZEIT.de)

Das klingt kryptisch. Steht nicht unmissverständlich im Grundgesetz, was hierzulande erlaubt und was verboten ist? Warum genügt nicht der Hinweis auf die Gesetze des Landes?

Ganz einfach: weil die Religion der Einheimischen auch nicht ans Grundgesetz gebunden ist. Da gibt es bereits eine Parallelgesellschaft derer, die ihren Mitarbeitern christliches Verhalten abverlangen und nach eigenen Schariagesetzen schalten und walten können.

Eine selbstbewusste Demokratie müsste nicht alles per Gesetz erzwingen, was kein Majestätsverbrechen ist. Man könnte der Attraktivität des einheimischen demokratischen Vorbilds vertrauen, wenn Frauen gezwungen werden, ihr Gesicht zu verhüllen. Oder wenn sie glauben, es sei ihre „freiwillige“Entscheidung. Mit modischen Fragen hat das nichts zu tun.

Es gibt eine Toleranz aus Schwäche und eine Toleranz aus Stärke. Die aus Stärke vertraut dem Bedürfnis der Menschen nach Freiheit und Selbstbestimmung, die aus Schwäche fürchtet sich vor Konflikten.

Viele lehnen eine Burka-Verhüllung ab, halten ein Verbot dennoch für falsch. Ist dies Toleranz aus demokratischem Selbstwertgefühl oder nur aus Angst vor einem möglichen Anstieg gewalttätiger Racheakte?

Das Schlimmste aber ist die Bigotterie. Wer anderen Religionen die Gleichheit vor dem Gesetz abverlangt, der eigenen Religion aber Privilegien gestattet, ist unglaubwürdig. Die Burka soll verboten werden, das Kreuz in Gerichts- und Schulsälen aber darf hängen bleiben? Schon bei der Beschneidungsdebatte waren Sätze biblischer Urväter wichtiger als die gesetzlich gebotene Unversehrtheit des unmündigen Kindes.

Glaubt irgendjemand, Muslime wüssten nicht um die doppelte Buchführung der Christen? Dass manche Gewalttaten Rache sind für solche flagranten Ungerechtigkeiten, sollte niemanden verwundern. Männliche Götter erlauben keine Gleichberechtigung der Geschlechter. Der Mann ist das Haupt der Frau. In welcher Schrift stehen die folgenden Verse?

„Ich lasse euch aber wissen, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist; der Mann aber ist das Haupt der Frau; Gott aber ist das Haupt Christi. Ein jeder Mann, der betet oder prophetisch redet und hat etwas auf dem Haupt, der schändet sein Haupt. Eine Frau aber, die betet oder prophetisch redet mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt; denn es ist gerade so, als wäre sie geschoren. Will sie sich nicht bedecken, so soll sie sich doch das Haar abschneiden lassen! Weil es aber für die Frau eine Schande ist, dass sie das Haar abgeschnitten hat oder geschoren ist, soll sie das Haupt bedecken. Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz. Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann. Und der Mann ist nicht geschaffen um der Frau willen, sondern die Frau um des Mannes willen. Darum soll die Frau eine Bedeckung auf dem Haupt haben um der Engel willen.“ (1. Kor 11, 3 ff)

Woraus wir schließen können, dass die Minderwertigkeit der Frau keine muslimische Erfindung ist, sondern schon auf den ersten Seiten der Genesis im Garten Eden beginnt.

Nun wird ersichtlich, dass die Toleranz der Deutschen keine der Stärke ist, sondern eine der Hinterlist. Der wahre Gegner der Christen ist nicht der Muslim. Sondern der Gottlose, der vor keiner höheren Macht Respekt bezeugt. Die jovial gewährte Toleranz kleiner Fremdprivilegien soll die großen Eigenprivilegien vor genereller Kritik bewahren. Gottgläubige fühlen sich untereinander wesentlich näher als blasphemischen Gottesleugnern.

Die Religionen sind dabei, unauffällig Koalitionen aller Erlöserreligionen zu schmieden, um der französischen Gefahr eines hemmungslosen Laizismus vorzubeugen. Der Gott in der Verfassung ist ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Gottlosen bis ins dritte und vierte Geschlecht heimsucht. Das wäre Sippenhaftung, vom Grundgesetz verboten.

„Auch der Büchnerpreisträger Martin Mosebach beteuerte bereits, dass ihm ein Muslim „auf jeden Fall näher“ sei als ein Atheist. In Verbindung zu Gott gelange „die Fähigkeit, Mensch zu sein, erst zur Vollendung“, Ungläubige seien „in ihrer Vollausbildung als Menschen beeinträchtigt“. Atheisten sind für Mosebach offenbar keine vollwertigen Menschen. Selbst Kirchenrepräsentanten befleißigen sich da heute eines vorsichtigeren Zungenschlags und sagen etwa wie der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm: Allein die Religion vermöge die Seele anzurühren. – Aber eben doch.“ (ZEIT.de)

Während Merkel eine low-budget-Predigerin ist („eine Frau schweige in der Gemeinde“), ist ihr männlicher Kollege in den USA ein charismatischer Sprüchemacher. Mit Predigen begann er, mit Predigen beendet er seine schrumpfende Weltherrschaft. In seiner UNO-Abschiedsrede verbindet er wenig Selbstkritik mit ausuferndem Eigenlob. Der Höhepunkt seines Vermächtnisses für die Geschichtsbücher war sein Schlusssatz: „Wir können alle Gottes Kollegen sein“. (Sueddeutsche.de)

Obama liebt es, Religionen unisono zu Manifestationen der Liebe zu erklären. Hier trifft er sich mit der deutschen Islam-Duldung aus listiger Eigensucht. Religionen sind immer besser als keine Religionen. Dass Religionskriege, Inquisitionen, Frauentötungen als Hexenmorde und andere Seelenbeschwernisse und Gewissensbedrohungen religiöse Liebestaten waren, wischen moderne Religionsfreunde vom Tisch. Schnee von gestern. Sie schauen nicht zurück und in der Zukunft gibt es nichts zu sehen.

Welchem Gott will ein human denkender Mensch ein Kollege sein?

Dem folgenden? „Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist.“?

Oder diesem: „Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.“?

Oder etwa diesem: „Und ich sah die Toten, beide, groß und klein, stehen vor Gott, und Bücher wurden aufgetan. Und ein anderes Buch ward aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach der Schrift in den Büchern, nach ihren Werken. Und das Meer gab die Toten, die darin waren, und der Tod und die Hölle gaben die Toten, die darin waren; und sie wurden gerichtet, ein jeglicher nach seinen Werken. Und der Tod und die Hölle wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. das ist der andere Tod. Und so jemand nicht ward gefunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl.“?

Wie muss Obamas und Merkels Gott die Menschheit hassen – vor allem die selbstdenkende, die jede Unterwerfung unter allmächtige Götter ablehnt –, dass er die Majorität seiner Geschöpfe in alle Ewigkeit bestraft? Und diesen Gott sollen Menschenfreunde kollegial unterstützen? Solange diese unüberbietbaren Rache- und Hassphantasien nicht aller irdischen Macht entbunden und ins Private verbannt werden, hat die Menschheit keine Chance, ihre Erde zu retten.

Verstehen wir auch, was wir lesen? Deutungsmächtige Gottesmänner werden uns feindselige Wortklebrigkeit vorwerfen. Geistbegabte Texte müssten geistbegabt gedeutet werden. Geistbegabte Deutungen sind aber das Privileg jener Menschen, die voll des heiligen Geistes sind. Gottlose sind a priori unfähig, geist-codierte Texte zu deuten. Worte sind nicht Worte. Der Fromme lässt sich die Bedeutung der Worte durch persönliche Offenbarung einflüstern. Er maßt sich nicht an, aus eigener Weisheit das Heilige zu entschlüsseln.

Das heilige Wort ist der Sonderweg der Offenbarungsreligionen. Generell verbindliche Wörter und Sätze gibt es bei ihnen nicht. Der Sonderweg der Deutschen ist das fromme Erbe ihres christlichen Sonderwegs überhaupt. Ihre Sondersprache nennen die Gläubigen Zungenrede. Die willkürlichen Deutungen der theologischen Wortverächter beruhen auf dem Pfingstereignis.

„Und sie wurden alle mit dem heiligen Geist erfüllt und fingen an, in anderen Zungen zu reden, wie der Geist es ihnen eingab.“ Die Fremden erstaunten, dass die Geistbesessenen in ihren Sprachen redeten, obgleich sie diese nie gelernt hatten. Dieses Phänomen nennen wir Xenoglossie.

Die eigentliche Zungenrede aber ist unverständliches ekstatisches Lallen. Gottes Sonderoffenbarungen können nur von Frommen erfasst werden. Für Heiden gilt: der Buchstabe tötet, nur der Geist macht lebendig. In ihrem Buch „Im Kampf für Gott“ beschreibt Karen Armstrong das Phänomen in der Pfingstbewegung: „Ihr religiöser Diskurs ist nicht der logos der Fundamentalisten, sondern ging über das Wort hinaus.“

Luther vertraute noch dem eindeutigen Buchstaben der Schrift: das Wort, sie sollen lassen stahn. Da war er noch geprägt vom Geist des aufkommenden literarischen Humanismus. Den Papismus, der seinen Schafen das Lesen der Schrift verboten hatte – ohne Leitung der Kirche würden sie alles missverstehen – konnte er nur mit der Durchschlagskraft des eindeutigen Buchstabens bekämpfen. Kaum erlahmte das orthodoxe Luthertum und der gefühlige Pietismus eroberte die immer schwärmerischer werdenden Seelen, war der Boden für die Romantik präpariert. Für Schleiermacher war es ausgemacht, dass jeder Christ seine eigene Bibel schreiben könne.

Damit war der objektive Buchstabe tot, der moderne Subjektivismus eroberte den Westen. Eine allgemeine Wahrheit unter den Heiden kann es nicht geben. Nur Wiedergeborene erlangen die objektive Wahrheit der göttlichen Botschaft – die sich aber nicht eins zu eins in die Sprache der Unerleuchteten übersetzen lässt.

Da kommt uns die neue Einheitsübersetzung der Schrift wie gerufen.

„Fünf Dutzend Wissenschaftler haben zehn Jahre lang für die katholische Kirche an einer neuen Übersetzung der Bibel gearbeitet. In der neuen Textversion sind Frauen stärker repräsentiert – trotzdem ist sie näher an der Urfassung der Heiligen Schrift der Christen. Die zentralen Positionen der Auslegung bleiben davon aber unberührt: Maria ist auch nach der Empfängnis Jesu eine Jungfrau.“ (Sueddeutsche.de)

Was unterscheidet die neue von den alten Übersetzungen?

„Vor allem kommen die Frauen besser weg als bisher. So wird aus dem Junius“, den bislang der Apostel Paulus im Römerbrief grüßen ließ, endlich die „Junia“ – schon lange gehen die Wissenschaftler davon aus, dass hier eine Apostelin gemeint war, die eine wichtige Rolle in der Gemeinde spielte, nur hatte das über Jahrhunderte nicht sein dürfen. Neu ist auch, dass Paulus in seinen Briefen die Gemeinde mit „Schwestern und Brüder“ anredet, obwohl im Original nur von „Brüdern“ die Rede ist – hier soll es im Vatikan Stirnrunzeln gegeben haben, als die neue Übersetzung für den Gottesdienst approbiert werden musste.“

Wenn „Brüder“ übersetzt wird mit „Brüdern & Schwestern“, würde jeder profane Übersetzer der Fälschung bezichtigt werden. Wenn vage Vermutungen einen Männernamen in eine Frau verwandeln, um dem feministischen Zeitgeist zu hulddigen, wenn dies zudem in aller Öffentlichkeit propagiert wird – wovon reden wir dann? Von einem gigantischen Betrugsunternehmen der heiligen Art. Im Namen der Religion wird die Wahrheit der Vernunft als Torheit verhöhnt und verächtlich gemacht.

Was wundern wir uns, dass die Lüge zum Hauptinstrument der christlichen Politik geworden ist? Nein, nicht Trump hat die Lüge als Instrument der Propaganda erfunden. Niemand mehr bemerkt die Bigotterie der normalen Politikerrede und ihres medialen Begleitschutzes.

Wenn Geistbegabte aus jedem X ein Y machen können, ist das Ende der rationalen Sprache herbeigekommen. Sprache, das kostbare Geschenk der Natur zum Verstehen und Erklären, zum Streiten und gemeinsamen Suchen der Wahrheit, ist zum expressiv-genialen Stammeln, zur sinnentleerten Ramschware verkommen. Aus einem Verständigungsmittel verwandelte sich das Wort in ein Instrument der Selektion.

„Nicht alle erfassen dieses Wort, sondern nur die, denen es gegeben ist.“

Wem ist es gegeben? Den von Anfang an Erwählten. Die Verworfenen verstehen kein einziges Wort. Mit logischen Künsten und wortwörtlichen Verbissenheiten gehen sie alle in die Irre.

In der Moderne wurde jener Fluch zur Wirklichkeit, der in der Geschichte vom babylonischen Turm erzählt wurde. Eine Menschheit, die sich durch gemeinsame Sprache verständigen könnte, wäre zur Bedrohung der göttlichen Allmacht geworden. Also musste Gott persönlich niederfahren, um die Menschen durch Sprachentrennung für immer zu entzweien und gegeneinander aufzubringen. Teile und herrsche. Das funktioniert bis zum heutigen Tag:

„Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Da sie nun zogen gen Morgen, fanden sie ein ebenes Land im Lande Sinear, und wohnten daselbst. Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, laß uns Ziegel streichen und brennen! und nahmen Ziegel zu Stein und Erdharz zu Kalk und sprachen: Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, daß wir uns einen Namen machen! denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder. Da fuhr der HERR hernieder, daß er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und haben das angefangen zu tun; sie werden nicht ablassen von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, laßt uns herniederfahren und ihre Sprache daselbst verwirren, daß keiner des andern Sprache verstehe! Also zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, daß sie mußten aufhören die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, daß der HERR daselbst verwirrt hatte aller Länder Sprache und sie zerstreut von dort in alle Länder.“

 

Fortsetzung folgt.