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Weltdorf VII

Hello, Freunde des Weltdorfs VII,

„Schönmaler, Schlawiner und Scheinheilige“ – welche Nation fühlt sich getroffen?

Die Deutschen können es nicht sein. Mit Ausnahme von zwölf bösen Jahren waren sie immer aufrechte und wahrhafte Denkgiganten, sublime Poeten und extraordinäre Künstler. Immer blieben sie anständig, selbst wenn sie in Blut wateten. Weshalb sie heute so gern von Anstand reden, um das Ekelwort Moral weiträumig zu umgehen. Ihre Geschichte ist eine Perlenkette humaner und demokratischer Glanzleistungen.

Auch die Kanzlerin kann es nicht sein. Nie käme sie auf den Gedanken, deutsche Verhältnisse schön zu malen, beim Bilanzieren ihrer Politik zu schlawinern oder zum Schein heilig zu sein. Ist sie doch eine echte Heilige, „eine wirklich witzige, schlagfertige und ausgesprochen kluge Person“. (WELT.de)

Wie sie demütig an der Kasse des Supermarkts steht, ohn‘ jede Eitelkeit immer die gleiche Uniform trägt, kein böses Wort über ihre politischen Gegner hören lässt und immer aufgeräumt, beruhigend und tröstlich zu ihren Schafen und Untertanen spricht: das kann man nicht spielen, das muss von innen kommen und deutsche Wertarbeit sein. Nicht nur die WELT, auch die Welt bewundert und beneidet die Deutschen ob dieser Spitzenleistungen aus protestantischen Pfarrhäusern. Made in germany hat seinen Klang in der Welt noch nicht verloren.

Nein, es ist ein Republikflüchtiger, der ins Alpenländische floh, weil er deutsche Wertmaßstäbe mit filouhaftem Charme verriet. Deutschlands Kaiser wanken. Warum nur himmeln die Deutschen Ikonen an, die ihre Anbeter rückwirkend selbst entblößen?

Franz Beckenbauer. Der viel Bewunderte enttäuscht erneut seine Fans. 5,5 Millionen Euro hat er sich nach SPIEGEL-Informationen aus dem Sponsorentopf der Sommermärchen-WM gesichert, obwohl er immer beteuert hatte, ehrenamtlich für den Traum von der Heim-WM gearbeitet zu haben. »Beckenbauer war ein Schönmaler, ein Schlawiner, ein Scheinheiliger, zumindest jenseits des Rasens.«(SPIEGEL.de)

Wenn Europa darniederliegt, in Nord und Süd, Ost und West auseinanderbricht,

kann es nicht an Deutschlands Rechthaberei liegen. Auch nicht an Schäuble, der das Treffen der Südstaaten mit Hohn und Spott kommentierte:

„Schäuble hatte süffisant gefragt, ob bei einem Treffen von Sozialisten etwas „Intelligentes“ herauskommen könnte“. (SPIEGEL.de)

Wo sie Recht haben, haben sie Recht. Das haben die Deutschen von ihrem Reformator gelernt, dem sie in Kürze ein ganzes Jahr lang landauf landab huldigen werden. Kompromisse sind fürs Parlament oder für Kotauübungen vor fremden Despoten. Nicht aber für ökonomische Meinungen befreundeter Länder, die Deutschlands Strangulierungen und Fesselspiele für atem-beraubend halten. „Wir haben Recht und wenn die ganze Welt unterginge“, das ist neugermanische Trutzburg-Ökonomie vom Feinsten.

Wenn alles verfällt, werden Selbstverständlichkeiten zu pathetischen Hohlformeln. Sie müssen unterlassen werden, denn Deutschland duldet nur wirtschaftliche Prahlhänse. Wer nicht mit Zahlen und Diagrammen angeben kann, hat sich rauszuhalten.

Was waren die Grundideen von Europa? Gleichwertigkeit und Freiheit der Menschen, Aufhebung aller Gentrifizierungsklassen, Einebnung der Macht und Zerschlagung aller Hierarchien der Priester und Gelehrten? Sprache als Mittel der Verständigung, der Widerlegung von Trug und Irrtum, der Suche nach Wahrheit, der Wahrnehmung der Wirklichkeit, der Kontaktaufnahme mit Mensch und Natur? Nichts von alledem. Es waren die Erfinder des Mammons als Macht der Welt, die das heutige Europa begründeten:

„Die große Erfolgsgeschichte der EU ist der freie Austausch von Waren und Dienstleistungen über Grenzen hinweg – es wäre höchste Zeit, dieses Erfolgskapitel für die digitale Wirtschaft weiter zu schreiben. Europa fehlt es nicht an hochtrabenden Reden und Juncker sollte es heute tunlichst unterlassen, neue Wolkenkuckucksheime etwa von einer gemeinsamen europäischen Armee zu bauen.“ (SPIEGEL.de)

Kein Austausch von Gedanken und Lebensfreuden, von Freundlichkeiten, keine Annäherungen ehemaliger Feinde, keine Grenzüberschreitungen zur dauerhaften Friedensstiftung, keine Selbsterkenntnis im Spiegel des Anderen, keine Gewinnung von Freunden fürs Leben? Huch, wie hochtrabend und gespreizt. Wenn sie ihre digitalen Intelligenzbestien oder die Erfindung ihrer Unsterblichkeit rühmen, leiden sie nicht unter Pathosunverträglichkeit.

Die moderne Wirtschaft ruht nicht auf dem Gedanken internationaler Tauschgeschäfte zum Vorteile aller. Sie benutzt ökonomische Mittel, um Machtunterschiede in Stein zu meißeln. Primär geht es nicht um Reichtum, sondern um Transformation von Reichtum in Herrschaft.

Die athenische Polis wäre nicht möglich gewesen ohne den Versuch, Unterschiede der Menschen, die zu ihrer Ungleichwertigkeit führten, einzuebnen und auszugleichen. Unsinn, dass damals jeder das Abbild seines Nachbarn sein sollte. Die Reichen sollten das Gemeinwesen nicht per Eigentum dominieren, die Armen wegen Armut nicht verachtet werden. Jeder Beitrag in der Volksversammlung sollte durch Argumente bestechen, nicht durch Herkunft, Reichtum oder Macht des Redners.

Die Vorherrschaft des Geldwesens hat die moderne Demokratie zur Plutokratie verfälscht. Keine Demokratie wird gesunden, wenn sie die ungewählte und erschlichene Macht der Gelddespoten nicht abschüttelt. Wäre fairer Austausch das Ziel des Neoliberalismus, man müsste ihn rühmen. Doch Wirtschaft als konkurrierende Disziplin macht jeden Teilnehmer zum Gegner und Beschädiger der Konkurrenten.

Solidarität, Schlagwort der europäischen Sprüchemacher, wird durch no bail out-Imperative ins Gegenteil verkehrt. Ulrike Herrmann hat keine Angst vor einer grundsätzlichen Kritik an der Wirtschaft:

„Die Ökonomen modellieren eine Welt, in der es nur Wochenmärkte gibt, auf denen Äpfel und Birnen gehandelt werden. Es mag ungeheuerlich klingen, aber die meisten Volkswirte haben keinen Begriff davon, was es bedeutet, in einem voll ausgereiften Kapitalismus zu leben, in dem Großkonzerne dominieren und die Spekulation grassiert. In der herrschenden Theorie spielen Investitionen und Kredite keine zentrale Rolle – ja selbst Geld und Gewinne kommen kaum vor. Die heutige Ökonomie hat mit Wissenschaft nichts mehr zu tun – sondern ist eine Religion.“ (TAZ.de)

Glaubenssätze dürfen von Gläubigen nicht in Frage gestellt werden. Zweifel und Widerspruch sind Sünden wider den Geist. Wie viele Ökonomen sind im Geiste einer unfehlbaren Scholastik denkunfähig und kritikuntauglich geworden? Dennoch gelten sie noch immer als Experten für Wirtschaft, obgleich sie die verheerendsten Krisen nicht voraussehen.

Wenn Europa von vorne beginnen will, muss es seine gedanklichen Fundamente der Verdrängung entreißen und neu unter die Lupe nehmen. Genau dies aber wird von hybriden Zukunftsfanatikern verboten. Es verstieße gegen das Gebot der schlechthinigen Verleugnung und Eliminierung alles Vergangenen. Als der IS wertvolle Kunstwerke in Syrien zerstörte, gab es einen Sturm der Entrüstung im Westen:

»Das ist ein kultureller Super-GAU. Diese Wahnsinnigen zerstören unser gemeinsames Erbe.« Das sagt der Mainzer Kriminalarchäologe Michael Müller-Karpe und bezieht sich auf ein Internet-Video, in dem die Sunnitenmiliz altorientalische Kunstwerke im Museum der Stadt Mossul und an der Grabungsstätte Ninive im Nordirak mit Presslufthämmern zertrümmert.“ (Kurier.at)

Was hingegen tut der Westen? Er zerstört keine Ruinen. Er zerstört das Gedächtnis des ganzen Westens. Wer zurück schaut, wird zur Salzsäule erstarren. Ungeheurer kann die Heuchelei des Westens nicht sein. Während das frühe Christentum, zur römischen Staatsreligion erhoben, fast die ganze griechische Kultur ausrottete, hat die Moderne nichts Besseres zu tun, als das Schlachtfeld der frühen Christen zu komplettieren durch die Zerstörung aller abendländischen Gehirne. George Orwells „1984“ ist ein Kinderspiel, verglichen mit den Gedächtnis-Reinigungen gegenwärtiger Vergangenheitshasser. Wie dies konkret aussieht, zeigt ein Bericht aus dem Inneren des Zuckerberg-Imperiums. Garcia Martinez hat das Erzähl-Tabu des algorithmischen Heiligtums gebrochen:

„Ich musste am Empfang eine Vereinbarung unterzeichnen, dass ich niemandem jemals erzählen würde, was ich hier drinnen gesehen habe. So etwas muss jeder Besucher unterzeichnen, der eine Einladung bekommt. Diese sogenannten NDAs – Verträge, die einen unter Klageandrohung verpflichten, alles zu vergessen, was man hier sieht – sind in der Branche üblich. Es ist schon lustig: Die Techunternehmen leben davon, einen abzuhören, ihre eigene Privatsphäre verteidigen sie aber mit allen Waffen.“ (ZEIT.de)

Wer in den amerikanischen Weltkonzernen die freieste Freiheit sucht, wird konsterniert sein über die sozialisten-gleiche Uniformierung der Lohnabhängigen:

„Am Einführungstag hat jeder ein blaues T-Shirt bekommen. Die Hälfte aller männlichen Mitarbeiter trug das. Viele hatten Familienfotos rumstehen, auf denen Frau und Kinder ebenfalls die Shirts trugen.“

Was Milchgesicht Zuckerberg unter Konkurrenz versteht, wird an seinem lateinischen Kriegsgeschrei deutlich: Karthago muss zerstört werden. Die Zerstörung des Konkurrenten, die Errichtung eines konkurrenzfreien Weltmonopols, ist das Ziel der globalen Tycoons.

Interessant, dass selbst der scharfe Kritiker dem Führer Zuckerberg seinen Respekt zollt. Wie Deutsche aus privaten Tugenden der Kanzlerin deren politische Kompetenz folgern, ist Zuckerberg für den Whistleblower ein natürliches Alphatier, weil er seit über zehn Jahren mit derselben Frau verheiratet ist:

„Er ist ein natürliches Alphatier, der Gründer einer neuen Kirche und überhaupt nicht so ein Nerd wie im Film Social Network. Er spricht kurz und abgehackt, schnörkellos, sehr direkt. Zuckerberg ist okay. Er führt offensichtlich eine gute Ehe, ist seit über zehn Jahren mit derselben Frau zusammen. Was mich störte, waren seine Freunde. Wir nannten sie FoZ – Friends of Zuck. Sie waren wie der Adel. Furchtbar arrogant.“

Was ist das Ziel von Facebook, ja von ganz Silicon Valley? Was das Ziel aller abendländischen Technik und Wissenschaft überhaupt ist: primäre Natur – das Alte – muss eliminiert und alles Vorhandene durch das messianisch Neue ersetzt, alles Naturwüchsige von Maschinen verdrängt werden:

„Dem ganzen Silicon Valley geht es darum, etwas Vorhandenes durch etwas Eigenes zu ersetzen. Ein System zu hacken. Uber sagt: Wir brauchen keine Taxis mehr. Airbnb sagt: Wir brauchen keine Hotels mehr. Einen Teil meines Buches habe ich in Barcelona geschrieben. Ganze Teile Barcelonas sind nur noch Airbnb-Territorium. Die Silicon-Valley-Firmen ziehen irgendeiner Branche, die sie für reif halten, einfach den Stecker und schauen dann, was passiert. Ich glaube, Facebook geht es darum, wie wir leben. Es ist ein Ersatz für Gemeinschaften. Für Stämme. Eigentlich ist Facebook ein Hack des Staates, der Gemeinschaft an sich.“

Was ist ein Hack?

„Es kommt natürlich von hacken. Im Silicon Valley meint Hack aber etwas Positives. Es steht dafür, sich ein System zu erschließen und es nach den eigenen Vorstellungen zu ändern.“

Ade, vertraute Welt. Wir beugen uns den neuesten, unvermeidlich auf uns zukommenden und über uns hinwegrollenden Creationen gottgleicher Visionäre, die die alte Welt zu Hackfleisch verarbeiten. Über solche Utopien erbost sich kein deutscher Utopieverächter.

Das Merkwürdige: obgleich Martinez eine Systemkritik an Zuckerberg übt und dessen Faschismus anschaulich zu beschreiben versteht, weiß er nicht, welche Politik der Mogul vertritt. Auf die Frage, welche Politik Zuckerberg vertritt, antwortet er:

„Das weiß ich nicht. Facebook geht es nicht darum, dich dazu bewegen, Demokraten oder Republikaner zu wählen.“

Um Peanuts wie die Wahl demokratischer Parteien geht es in der Tat nicht. Es geht um Abschaffung der Demokratie zugunsten einer erdumspannenden Technokratie.

Was folgt aus der Kritik? Radikale Maßnahmen bei der Erziehung der Martinez-Kinder – aber nicht der geringste politische Widerstand gegen die Grundprinzipien eines Imperiums auf dem Weg zur Weltdespotie:

„Was die Zukunft meiner Kinder angeht: Ich werde sie nicht auf Facebook lassen. Ich werde versuchen, sie von der Technologie abzuschirmen. Ich werde sie davor schützen, soweit ich es kann. Sie sollen in der Realität einer kleinen Gemeinschaft aufwachsen, nicht in einer Simulation dieser.“

Was geschieht unterdes in Alteuropa? Fast nichts. Asselborns Aufschrei wider Orbans antieuropäische Menschenfeindschaft wird von deutschen Politikern und medialen Realkonformisten mit Verachtung bestraft. Moralische Attacken sollen zwischen Verbündeten nicht sein. Moral ist ein Unterlaufen allerheiligster Diplomatie. Steinmeier konnte nur das Gesicht verziehen, als er Asselborns pubertären Amoklauf mit geölter Geringschätzung abfertigte. Auch die FAZ ist auf der Höhe des Weltgeistes, der sich mit Kammerdiener-Moral nicht befasst:

„Asselborn erweist der EU mit seinen törichten Äußerungen gegenüber Ungarn einen Bärendienst. Er sollte seine Energie lieber darauf konzentrieren, Antworten auf drängende Fragen zu finden.“ (FAZ.NET)

Womit klar ist, dass moralische Fragen nicht zu den drängenden in Europa gehören. Bismarck‘sche Realpolitik mit Hauen und Stechen ist gefragt. Die fehlende Stellungnahme Merkels vermisst niemand, denn niemand käme auf die Idee, von der Kanzlerin eine eindeutige Stellungnahme zu erwarten. Wie oft war sie in der Türkei, um Erdogan die Füße zu küssen. Doch zu Gesprächen mit der Opposition hatte sie keine Minute Zeit, berichtet Can Dündar, ein unbeugsamer Kritiker Erdogans.

Die deutschen Medien immer im Fahrwasser ihrer wunderbaren Kanzlerin. Kein Aufruf zur Solidarität mit den verfolgten Kollegen in der Türkei. Waren das noch Zeiten, als nach dem Attentat auf die Satirezeitung Charlie Hebdo es europaweit hieß: „Ich bin Charlie.“

Deutschlands Eliten versinken in Amoral, der Folgeerscheinung ihrer christlichen Antinomie. Moral ist bei uns nur gefragt als Disziplinierung unmündiger Kinder. Oder als Begründung, die untreue Ehefrau erschlagen zu dürfen. Die Antinomie bezieht sich nicht nur auf ethische Fragen. Was schlüssiges Denken betrifft, befinden sich Deutschlands Edelschreiber auf dem Weg vollendeter Unmündigkeit. Alle Gedanken, und seien sie noch so wirr und in sich widersprüchlich, sind erlaubt und willkommen. Hauptsache, sie entstammen der ungefilterten Düsternis ihres unvergleichlichen Es.

Unter der Schlagzeile: Europa muss sich neu erfinden, schreibt Thomas Schmid in der WELT:

Durch die Geschichte belehrt, müssten wir wissen, dass nur ein bescheidenes, seiner eigenen Verfehlungen sich bewusstes Europa zu Tatkraft finden kann. Europa zum eigentlichen Kontinent des Friedens, der Mäßigung und der Gerechtigkeit machen zu wollen, wie einige linke Denker sich das ausmalen, ist ein versperrter Weg: Europa kann am Universalismus teilhaben, es ist aber nicht universalistisch.“ (WELT.de)

Durch Geschichte belehrt, heißt, durch das Alte belehrt. Das Alte ist das Gegenteil des Neuen. Wie kann man sich neu erfinden, wenn man sich durch Altes belehren lassen muss. Soviel Logik muss sein. Wer Amok läuft gegen die Minimal-Anforderungen eines autonomen Denkens, sollte sich den Freuden seiner gutbetuchten Pensionierung überlassen. Wie man am Universalismus teilhaben kann, ohne universalistisch zu sein, müsste man auch die Kunst beherrschen, schwanger zu werden, ohne schwanger zu sein. Wie wär‘s mit ein bisschen schwanger? Hölderlins Klage über die Abwesenheit deutscher Denker und Dichter ist nicht verjährt:

„Wo sind jetzt Dichter, denen der Gott es gab,
Wie unsern Alten, freudig und fromm zu sein,
Wo Weise, wie die unsre sind? die
Kalten und Kühnen, die Unbestechbarn!

Selbst der Sonderweg Deutschlands wird wieder salonfähig, wenn auch als gnädiges Zugeständnis an andere Staaten. Doch wer anderen das Ausnahmerecht zubilligt, will selbst das Recht zur Ausnahme. Womit wir bei Carl Schmitt gelandet wären: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“

„Eigentlich lässt die EU Vielfalt zu. Kind und Erbe eines zerrissenen Kontinents, weiß sie im Grunde, dass der Drang zu Vereinheitlichung nur zu Zwist, Hader, Krieg und Trennungen führen kann. Deswegen muss sie, um ihres Überlebens willen, flexibel sein. Weil sie weiß, dass in ihr höchst unterschiedliche Traditionen, Politiken, Kulturen und Lebensgewohnheiten zusammenkommen, muss sie respektvoll (aber nicht unterwürfig) mit Unterschieden umgehen. Wo immer möglich, sollte sie den teilnehmenden Staaten Eigenwege ermöglichen und diese nicht oberlehrerhaft als „Sonderwege“ verunglimpfen.“

Der deutsche Kampf gegen die universelle Moral der Demokratie und Menschenrechte geht in wachsender Härte und Verbissenheit weiter. Wenn Europa sich nicht auf ethische Grundwerte einigen kann, ist der Kontinent perdu. Löst die EU auf, fordert schon ein Kommentator – um die Gemeinschaft neu zu begründen. Doch auf welchem Fundament? Mit welchen Gedanken?

Asselborns Kritik an der inhumanen Flüchtlingspolitik Ungarns verurteilt Orbans Außenminister mit denselben Vokabeln, wie deutsche Relativisten jede universelle Moral als Besserwisserei niedermachen: der Luxemburger sei „belehrend, arrogant und frustriert.“ Woraus wir sehen, dass die ungarischen Verteidiger des Abendlandes ihre postmoderne Lektion des Westens schnell gelernt haben. (WELT.de)

Kommen wir zum Höhepunkt des menschlichen Seins in der Misere. Wer ist der Hauptschuldige am schrecklichen Los der Gattung? Welche Frage! Natürlich ist es die Frau. Die Frau, die es wagt, den ohnehin schon übervölkerten Planeten mit immer mehr Naturfressern zu übervölkern.

Nicht die Technik ist schuld, nicht der Wahn, die alte Natur durch eine neue zu ersetzen, nicht die vorauseilende Apokalypsen-Verehrung der Heilsgeschichte. Es war, es ist und es wird immer schuldig bleiben: das Weib, das sich Gott frevelhaft widersetzte und mit Schwangerwerden bestraft wurde. Ausgerechnet der einst so mutige Club of Rome ist zurückgefallen in den uralten religiösen Geschlechterkampf :

„Das Autorenduo erklärt, die Verdoppelung der Weltbevölkerung in den vergangenen 50 Jahren sei die Hauptursache für die fortschreitende Zerstörung unseres Planeten. Da es schwierig sei, den ökologischen Fußabdruck des Einzelnen zu verkleinern, wäre es »hilfreich, wenn die Gesellschaft die Wachstumsrate der Bevölkerung noch mehr drosseln, idealerweise sogar ins Negative kehren würde«. Man sollte Frauen, die maximal ein Kind großgezogen haben, »zu ihrem 50. Geburtstag einen Bonus von 80 000 Dollar zahlen.« (SPIEGEL.de)

Das war der finale Schritt im Vernichtungskampf der Männer gegen die Frauen, die das unverschämte Privileg genießen, Kinder zur Welt zu bringen. Wozu braucht mann Frauen und Kinder, wenn mann den Neuen Menschen aus Lithium, Sand und Dreck kreieren kann? Die Prämie ist eine Gratifikation für jede Abtreibung, die eine unterlassene Schwangerschaft sein wird.

Die Evolution des Mannes hat die Frau überflüssig gemacht. Ohnehin brachte sie alle Wesen zur Welt, die die Erde in den Ruin stürzen. Die Heilsgeschichte beginnt mit dem Sündenfall – der am Ende überwunden werden soll durch die Tätigkeiten des Mannes, des Lieblings Gottes. Die Technik des Mannes dient der Überwindung des Sündenfalls, der vom Weib verschuldet wurde. Das Ende der Heilsgeschichte ist der Triumph des Mannes, der das Sündenwerk der Frau überwinden und zu seinem Schöpfer zurückkehren wird. Heilsgeschichte ist nichts anderes als die Geschichte von der Rückkehr des verlorenen Sohnes zu seinem himmlischen Vater:

a) Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein. Und deine Kinder sollen zahlreich sein wie Sand am Meer. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise, wie das Kraut, das grüne, gebe ich euch alles.

b) Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringet das beste Kleid hervor und tut es ihm an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße, und bringet ein gemästet Kalb her und schlachtet’s; lasset uns essen und fröhlich sein! denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und alle Männer fingen an fröhlich zu sein.

Die Epoche Weib war überwunden, der Sohn war Gott geworden.

 

Fortsetzung folgt.