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Europäische Idee L

Hello, Freunde der europäischen Idee L,

die Polis ist der demokratische Ursprung Europas, die Megapolis wird der Untergang der Welt sein. Angekündigt vom Hebräerbrief und der Offenbarung des Johannes, ins Werk gesetzt von Anhängern der Frohen Botschaft, die Berge versetzen und Städte bauen können, in denen die Natur durch Gott ersetzt wird. Die naturfeindlichen Gottesfreunde nennen sich Modernisten und Fortschrittler. Die Vollendung der naturfreien Stadt der Zukunft steht kurz bevor.

„Denn wir haben hier keine bleibende Polis, die zukünftige aber suchen wir.“

„Und die Polis bedarf keiner Sonne noch des Mondes, daß sie scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Und die Völker, die da selig werden, wandeln in ihrem Licht; und die Könige auf Erden werden ihre Herrlichkeit in sie bringen. Und ihre Tore werden nicht verschlossen des Tages; denn da wird keine Nacht sein. Und man wird die Herrlichkeit und die Ehre der Heiden in sie bringen. Und es wird nicht hineingehen irgend ein Gemeines und das da Greuel tut und Lüge, sondern die geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes. Und sie werden nicht bedürfen einer Leuchte oder des Lichts der Sonne; denn Gott der HERR wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der HERR wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leides sollen ein Ende haben. Und dein Volk sollen eitel Gerechte sein; sie werden das Erdreich ewiglich besitzen, als die der Zweig meiner Pflanzung und ein Werk meiner Hände sind zum Preise. Aus dem Kleinsten sollen tausend werden und aus dem Geringsten eine Mächtiges Volk. Ich der HERR, will solches zu seiner Zeit eilends ausrichten.“

Aus „Ich, dem Herrn“ wurde „Wir, die gottähnlichen Masters of Universe“. Aus „eilends ausrichten“ wurde „fortschrittlich beschleunigen“. Die Herren der Zukunft – schon jetzt die Herren der Gegenwart – werden ewig regieren, denn sie werden

 den Tod überwinden: die magische Transformation von schnöder Materie in unsterblichen Geist in Silicon Valley, dem Mekka der neuen Menschen – oder der Roboter. Die Abwesenheit von Sonne und Mond bedeutet die Vernichtung der Erde durch Technik und Wissenschaft.

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr. Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet als eine geschmückte Braut ihrem Mann. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“

Das ist die glänzende Vorderseite der Medaille für die EINPROZENT. Die Rückseite für die Überflüssigen klingt grauenhaft:

„Der Verzagten aber und Ungläubigen und Greulichen und Totschläger und Hurer und Zauberer und Abgöttischen und aller Lügner, deren Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der andere Tod. Und sie werden gepeinigt werden Tag und Nacht.“ (In der Hölle scheint es noch Tag und Nacht zu geben, im Himmel wird’s keine Nacht mehr geben.)

Natur, das weibliche Sündenprinzip, ist vernichtet. Der heilige Rest, der übrig blieb, hat sich zur „geschmückten Braut“ erniedrigen lassen, die sich dem „göttlichen Bräutigam“ zur freiwilligen Beglückung unterwirft. Im neuen Revier Gottes gibt es keine Nacht mehr, also müssen die Erwählten ihre Zeit nicht mehr mit trägem, sündigem Schlaf verbringen. Die braven Jungfrauen nehmen die schlaflose Zeit vorneweg und wachen immerdar – bis der brünstige Bräutigam vor der Tür steht und keine Zeit mehr für lästige Vorspiele vergeuden will.

Wachet auf,“ ruft uns die Stimme
Der Wächter sehr hoch auf der Zinne,
„Wach auf du Stadt Jerusalem!
Mitternacht heißt diese Stunde!“
Sie rufen uns mit hellem Munde:
Wo seid ihr klugen Jungfrauen?
Wohlauf, der Bräut’gam kommt
,
Steht auf, die Lampen nehmt!
Halleluja!
Macht euch bereit zu der Hochzeit;
Ihr müsset ihm entgegengehn!“

Kein Aug hat je gespürt,
Kein Ohr hat mehr gehört
Solche Freude.

Des jauchzen wir und singen dir
das Halleluja für und für.“

Kein Aug hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört solche Freude: Metaphern für den ewigen Orgasmus des Bräutigams – oder ewige Seligkeit. Der Geschlechterkampf am Ende der Geschichte ist beendet. Die winzige Minderheit der Electi feiert selige Ekstasen, die verschlafenen und trägen Abgehängten werden ad infinitum gemartert und gefoltert – zur höheren Belustigung der Erwählten. Finis: theatrum mundi, der Zirkus Gottes hat geschlossen.

Alles, was Medien missfällt, ist Populismus. Schon der bloße Anschein, fürs Volk da zu sein, muss in einer Herrschaft des Volkes geächtet werden. Nicht Schlimmeres in einer Demokratie, als dem dämlichen Volk die Demokratie zu überlassen, so Jakob Augstein. Womit klar ist, dass er als „im Zweifel Linker“ nicht zum Volk gehört.

Wie erweckt man den trügerischen Anschein des Populismus? Durch das Versprechen „einfacher Lösungen“, so Joachim Frank, FR, gestern im Internationalen Frühschoppen (der mit ausländischen Journalisten nur stattfindet, wenn der höherwertig-nationale Presseclub ausfällt).

Sollten seriöse Parteien schwierige Lösungen anbieten? Sie sollten gar keine anbieten. „Wir haben hier keine bleibende Stadt“. Gäbe es reale Lösungen, hätten wir eine bleibende Stadt.

Das Bleibende und Immerseiende ist griechisches Heidentum, frevlerischer Glaube an die ewig-wahre, unveränderliche Natur. Das Bleibende und Unvergängliche ist statisch, unbeweglich, antimodernistisch, fortschritts- und zukunftsfeindlich. Warum werden nur Überwache Sieger der evolutionären Dauerkonkurrenz? Weil sie nicht als selbst-zufriedene Penner die Ankunft des Herrn verpassen.

Zu-Frieden-heit ist die schlimmste Hybris der Menschen. Sie fanden das friedliche Leben auf Erden und können auf das ewige verzichten – darauf stehen ewige Strafen. Deshalb der Weckruf an nationale und individuelle Seligkeitserwartungsgläubige: Wachet auf. Schlafen ist Erholung der Natur, Tod als ewiger Schlaf die teuflische Erfindung der Gottlosen. Lösungen würden die künstliche Wachheit einschläfern.

Die Moderne hat keinen anderen Zweck, als natürliche Trägheit und Schläfrigkeit mit Dauerrisiken und beschleunigten Gewinnerwartungshaltungen zu überwinden. Wer sich hingegen seines einfältig-guten Lebens freut, muss an den Pranger. „Der Mensch will Eintracht, die Natur aber weiß besser, was für seine Gattung gut ist“? Kant macht Scherze. Der Mensch ist Natur. Nicht sie verdammt den Menschen zur ewigen Zwietracht und Unvertragsamkeit, um die „nicht zu befriedigende Begierde zum Haben oder auch zum Herrschen“ anzufeuern – sondern der Widerpart der Natur: der antinatürliche Geist Gottes.

Warum muss die Moderne überkomplex sein? Damit der Pöbel nicht auf die dreiste Idee kommt, er könne seine Probleme selbst lösen. Probleme müssen grenzenlos schwierig sein. Was auf Deutsch heißt: sie gehen auf Kosten der Schlafmützen und Penner. Das Kapital darf nicht belastet werden, denn es sorgt für Arbeitsplätze. Starke müssen immer stärker werden, damit sie den Schwachen helfen, die dennoch immer schwächer werden. Logisch, oddr? Wer hat, dem wird gegeben werden. Wer das Matthäusprinzip verstanden hat, hat auch den Neoliberalismus verstanden.

„Das Meer ist nicht mehr“ – wartet, noch ein Weilchen, dann werden Plastikmassen die unendlichen Wasser der Meere aufgesogen haben. Dann brauchen wir keine Schiffe mehr, sondern düsen in Luftkissenfahrzeugen über elegante Plastikautobahnen direkt in das Neue Kanaan.

Am Anfang waren Wasser, Luft, Erde und Feuer, am Ende werden Wasserersatzstoffe aus dem Universum, rationierte Luft aus dem Labor, künstlicher Humus für Gutbetuchte und ewiges Feuer für Verworfene sein.

Die Megastädte kommen und fressen Seelen und Körper auf. Manfred Ronzheimer in der TAZ:

„Die Dimensionen, die Experten erwarten, sind bedrückend. Von den inzwischen über 7 Milliarden Menschen auf der Erde werden 2 bis 3 Milliarden innerhalb weniger Jahrzehnte in die Städte drängen. Die größte Migrationsbewegung in der Menschheitsgeschichte hat begonnen. Schon jetzt leben mehr als 850 Millionen Menschen in unzumutbaren Wohnverhältnissen. Im Afrika südlich der Sahara hausen rund zwei Drittel der Stadtbevölkerung in Slums, in Asien etwa ein Drittel. Und in diesen Weltregionen wird auch 90 Prozent des Wachstums der globalen Stadtbevölkerung erwartet. „Die aktuellen Fluchtbewegungen zeigen, wie schwer es selbst wohlhabenden Staaten fällt, raschen Zuzug in ihre Städte zu bewältigen“, bemerkt die Studie. Wie erst in den ärmeren Regionen? Bis 2050 könnte sich die Zahl der Slum-Bewohner um 1 bis 2 Milliarden erhöhen.“

Der Kontrast zur Riesenstadt ist die Verödung des Landlebens. Tatkräftig unterstützt vom Kapitalismusbewunderer Marx, der im Kommunistischen Manifest die Idiotie des Landlebens verhöhnt und den Fortschritt der Naturverwüstung preist:

„Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der Stadt unterworfen. Sie hat enorme Städte geschaffen, sie hat die Zahl der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entrissen. Wie sie das Land von der Stadt, hat sie die barbarischen und halbbarbarischen Länder von den zivilisierten, die Bauernvölker von den Bourgeoisvölkern, den Orient vom Okzident abhängig gemacht.“

Hier ein Beispiel aus Italien:

„Paesi fantasma“ – Geisterdörfer – nennen die Italiener Dörfer, in denen seit Jahrzehnten kein Mensch mehr lebt. Die verlassen wurden, weil Siedlungen am Meer und Städte mehr Arbeit, mehr Unterhaltung, weniger Mühsal boten.“ (SPIEGEL.de)

Warum sind alle linken Parteien in Europa tot? Weil sie in Marx keinen Linken, sondern einen anti-ökologischen Fortschrittsfanatiker anbeten. Marx propagierte den Mehrwert der Abhängigkeit oder der Unterwerfung des Landes unter die Stadt, der barbarischen Entwicklungsländer unter den zivilisierten Westen und des Orients unter den Okzident. Mit anderen Worten: Marx segnete die imperiale Herrschaft der Starken über die Schwachen.

Die Frau gehört keineswegs zu den Starken, trotz fleißiger Bücher von Engels und Bebel über das weibliche Geschlecht. Wenn Frauen sich dem Arbeitsprozess der Männer unterordnen, erhalten sie das sozialistische Mutterkreuz am Förderband.

Die Linken sind es nicht und waren es nie: eine wirkliche Alternative zum Kapitalismus. Insofern sind links, rechts und Mitte hohle Begriffe. Eine Farce in der Sprache Statistisch, die bereits von Galileo Galilei formuliert wurde. Statistik gehört in die Kategorie „Umwandlung der Qualität in Quantität“. Links, rechts, Mitte sind leere und substanzlose Beziehungsgrößen beliebiger Mengen. Die Mitte eines Misthaufens ist noch immer Teil des Misthaufens. Ebenso dessen linker oder rechter Rand.

Linker und rechter Populismus sind Worthülsen ohne jeglichen Inhalt. Linker Marxismus ist nicht links unter dem Blickwinkel einer grundsätzlich anderen ökologisch-verantwortbaren Wirtschaft. Und schon gar nicht einer gerechten Gesellschaft, wenn die Reichen regelmäßig reicher, die Armen immer ärmer werden, ohne dass Gabriel das Kabinett seiner pan-kompatiblen Mutter Merkel unter Absingen schmutziger Lieder verließe. Wessen einziges Lebensziel darin besteht, den Aufstieg zu schaffen, der muss es am Seiher haben. Aufstieg wohin? Nach oben? Und oben sitzen die Ausbeuter? Geht’s noch?

In einer gerechten Gesellschaft gibt’s kein Oben und Unten. Solange IQ-Rassisten wie Sarrazin noch SPD-Mitglieder sein können, ohne mit Schande davon gejagt zu werden, dürfen sich Proleten nicht wundern, wenn sie bei lebendigem Leib angefault sind. Hat es in der SPD eine nennenswerte Debatte über Sarrazins Verbot der Utopie, seiner Idolatrie der angeborenen Begabung und der Ungleichheit gegeben? Sarrazins Thesen sind astreiner Hayekianismus. Das ist so abstrus, als betete ein christlicher Theologe zu Mohammed.

Die lautstarken Propagandisten der Ungleichheit verteidigen nicht die Vielfalt individueller Unterschiede. Sie verteidigen die Einkommens- und Reichtumsunterschiede einer ungerechten Gesellschaft. Wenn alles unisono dem Mammon hinterherläuft, wird das Kollektiv zu einer uniformen Masse, in der sich – außer in der Höhe des Bankkontos – niemand von niemandem mehr unterscheidet. Der geistige Reichtum der Individuen entwickelt sich nur im Klima allseitiger Akzeptanz aller Citoyens auf gleicher Augenhöhe.

Warum ist die athenische Polis zum Ursprung der Demokratie und der gesamten Kultur Europas geworden? Weil das Problem der Gerechtigkeit und Gleichheit in außerordentlicher Schärfe und Klarheit ausgefochten – und so einfach gelöst wurde, dass die Polis peu à peu die Gleichberechtigung aller Menschen – inklusive Frauen und Sklaven – entwickelt hat.

Worin bestand das Einfache? Dass man durch öffentlichen Streit Lösungen fand, weil man Lösungen für möglich hielt. Alle menschengemachte Probleme sind lösbar, weil sie von Menschen verursacht wurden. Das Einfache aber ist das Schwierigste, ihr Himmelreichssucher und irdischen Polisfeinde. Für euch darf es keine Lösungen des Elends im irdischen Lazarett geben, sonst würde niemand mehr eurem wirren Ruf ins Illusionäre folgen.

Die Polis war klein genug, dass jeder jeden kannte und groß genug, dass die Streitkultur die Vielfalt der Begabungen derart zur Explosion bringen konnte, dass das Konzert aus Politik, Kunst und autonomem Denken noch heute das Angesicht Europas prägt – trotz aller popenhaften Unterjochungsversuche. Die Gleichwertigkeit der Menschen war der Humus der agonalen Entfaltung aller nur denkbaren politischen Meinungen und philosophischen Überzeugungen auf einer Höhe der scharfsinnigsten Verschiedenheit, wie es Europa bis heute nie wieder erlebte.

Wir sind nicht vorangekommen, wir sind hinter die athenische Polis zurückgefallen. Vorangekommen sind wir nur in systematischer Naturzerstörung und schreiender ökonomischer Ungerechtigkeit.

„Der Boden, in welchem die wirtschaftliche, soziale und politische Existenz der Griechen wurzelt, ist der Stadtstaat. Der Stadtstaat musste allezeit in der Lage sein, im Notfall „sich selbst zu genügen“. Sein höchstes Ideal war die wirtschaftliche „Autarkie“. In den Lebensbedingungen des Stadtstaates, nicht in Naturanlagen der Hellenen, wurzelte die energische Betonung des Wohlfahrtszweckes im hellenischen Staatsleben, die auch durch den schnödesten Klassenegoismus nie verdunkelte Überzeugung, dass die Gemeinschaft verpflichtet ist, für das materielle und sittliche Wohl ihrer Mitglieder zu sorgen, und dass an dieser Pflicht der Gemeinschaft die „Freiheit“ des Individuums ihre Schranke findet. Wo man so lebhaft von dem Gedanken erfüllt war, dass das menschliche Leben erst Wert erhält durch den Staat (zoon politicon), musste man den Ansprüchen der staatlichen Gemeinschaft an ihre Mitglieder einen weiten Spielraum gewähren. Ihre Polis war allen Bürgern ein übersichtliches Ganzes, etwas sehr Konkretes, Leibhaftiges, gleichsam ein großes Individuum, auf dessen Willen einzuwirken auch der Niedere hoffen durfte. Sie sahen es täglich vor Augen, wie gewaltig die Macht ihres Gemeinwesens gerade auf wirtschaftlichem Gebiete war. Wie hätte nicht auch der Arme, der Notleidende, der im Kampf ums Dasein Erliegende seine Frage an den Staat haben sollen? Warum sollte sich mit so einem gewaltigen Werkzeug sozialer Hilfe und sozialen Schutzes nicht auch für die Schwachen Großes ausrichten lassen?“ (Pöhlmann, Geschichte der Sozialen Frage und des Sozialismus in der Alten Welt, Bd.1)

Was für eine schäbige Verunglimpfung der sozialen Polis durch christliche Theologen, die ihre unsystematische, sich nicht für das ganze Gemeinwesen verantwortliche Situationsethik für wahre Menschenliebe ausgeben – im Gegensatz zum angeblich liebelosen Wesen der Polisdemokratie. Merkels sentimentales Barmherzigkeitsgetue, das sich in der zweiten Woche selbst widerlegte, wäre in den Hochzeiten Athens nicht möglich gewesen.

Stadtluft macht frei, Dorf vermittelt die Begegnung mit der Natur. Eine stabile und ökologische Demokratie ist eine Symbiose aus freier Stadtluft und selbstbewussten Dörfern, in der Stadt und Land ihre Nachteile ausgleichen und ihre Vorteile ergänzen. Möglichst autarke Dörfer, von Grün durchflutete nicht allzu große Städte: das war die Utopie des besten aller deutschen Ökonomen, der bis heute völlig verdrängt wurde: von Alexander Rüstow, der in den jährlichen Debattenrunden in der Schweiz den Hayekianern die Leviten las.

Das Prinzip der allseitigen Abhängigkeit, bei Adam Smith noch das Zeichen des Vertrauens zu anderen Völkern, ist längst zu brutalen Unterdrückungsmethoden geworden, mit denen starke Nationen die schwachen nach ihrer Pfeife tanzen lassen. TTIP ist das aktuellste Beispiel, in dem die USA mit dreisten Lügen und Heimlichkeiten versuchen, den lukrativen EU-Markt an die Kette zu legen und die Macht Amerikas auf Europa bis ins Kleinste auszudehnen. (Unterstützt von der neoliberalen Bürokratie Brüssels.)

So autark wie möglich, so abhängig wie nötig: das wird das Kennzeichen einer künftigen Weltwirtschaft sein, die das Gefälle zwischen Megamonopolen und dem einzelnen Konsumenten auf ein Mindestmaß reduzieren wird.

Das Übergewicht der Wirtschaft, die hemmungsloseste Konkurrenz, treibt immer mehr Menschen vom Land in die Megastädte, die längst zu naturverseuchenden Eiterbeulen des Planeten geworden sind. Der Einzelne wird zum belanglosen Atom, demokratische Strukturen zerfallen. Nur die Macht der Milliardäre wächst ins Uferlose. Bezahlbare Wohnungen gibt es immer weniger, die Tycoons kaufen, was nicht niet- und nagelfest ist, die Kluft zwischen Arm und Reich wächst ins Unermessliche.

Lewis Mumford hat ein überaus scharfsinniges, kapitalismuskritisches Buch über die Stadt geschrieben: „Solange die Einwohnerzahl der Stadt begrenzt blieb, funktionierte die demokratische Verfassung. Mit dem Wachstum der Städte stellten sich aber Verantwortungslosigkeit, Untüchtigkeit, divergierende Interessen und politische Gleichgültigkeit ein. Das alles bahnte dem tyrannischen Diktator den Weg, der alle Macht in seinen Händen zusammenfasste. Die Städte fanden sich mit dem Verlust ihrer inneren Freiheit ab. Sie verloren den Kampf gegen jede Form der Despotie. Nie zuvor hat die „Zitadelle“ so schreckliche Macht über die übrige Menschheit ausgeübt“.

Verblüffend ähnlich beschreibt Friedrich Wagner die Entwicklung der Stadt vom „Bild der Erde“ zum Moloch aller Ungerechtigkeit: „Die Stadt war als Verdichtungsraum menschlicher Existenz die höchste Sozialform geschichtlichen Daseins, die den Geist ganzer Landschaften, ja ganzer Weltreiche in sich aufnahm. Von Anfang an war sie Bollwerk der Menschen, das ihnen Schutz gegen Überfälle gewährte. Die Städte des Altertums waren Urformen solcher Gestaltungskräfte bürgerlicher Gemeinschaft. Erst die industrielle Revolution löste dieses Gemeinwesen auf, indem sie durch Verlegung neuer Fabriken in seinen Bereich die soziale Ordnung sprengte, die es zur Stadt werden ließ. Erst sie trieb durch maßloses Wachstum die städtische Menschenanstauung hervor, deren Elendsviertel und Wolkenkratzer zum Zeichen der Megapolis geworden sind. Die „Weltstadt“, die diese Elemente akkumulierte, hat das Chaos zum kaum mehr lösbaren Daseinsproblem gemacht. Sie bildete nicht neue Lebenszellen, sondern erhob die Wucherung zu ihrem Wachstumsprinzip und festigte durch planlose Expansion jene Klumpungserscheinungen, deren Heilmittel zur Ausdehnung ihrer Ungestalt beisteuerten. Den Niedergang des städtischen Gemeinwesens könnte man als Zerfall der Polis zur „Nekropolis“ (Stadt des Todes) beschreiben.“ (Die Wissenschaft und die gefährdete Welt)

Immer weniger Superreiche reißen sich immer größere Anteile des Reichtums der Welt unter den Nagel. Immer weniger Megastädte locken wachsende Bevölkerungsteile der Menschheit in superreiche Zentren und unüberschaubare Slums und Elendsviertel. Riesenstädte leben von der Verwüstung der Natur und des Einzelnen. Während das Land immer mehr zur öden, ausgedorrten Fabrikationsfläche notwendiger Lebensmittel verkommt, ist die Megapolis dabei, sich durch unmäßiges Wachstum selbst zu zerlegen.

Auf Erden dürfen wir keine bleibende Stadt haben. Die phantastische Stadt des Himmels muss die vitale Geborgenheit der irdischen Polis ruinieren.


Fortsetzung folgt.

 

NB: wie reagiert Merkel auf die Veröffentlichung skandalöser TTIP-Geheimparagrafen? Durch neue, grundlegende Debatten mit „ihrem“ Land?

Eben kam die Nachricht: „Nach der Veröffentlichung geheimer TTIP-Dokumente will Angela Merkel das Abkommen rasch unter Dach und Fach bringen. Dies sei einhellige Meinung der gesamten Regierung.“ (SPIEGEL.de)

Wir erleben die öffentliche Kriegserklärung einer gottgewollten Obrigkeit gegen einen entmündigten Demos. Merkel & Gabriel schaffen die Demokratie ab.