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Europäische Idee XLIII

Hello, Freunde der europäischen Idee XLIII,

„Monitor“ ist die Ausnahme. In der Regel ist das öffentlich-rechtliche TV ein obrigkeitlicher Betrug an der Öffentlichkeit, von der es sich kirchensteuermäßig bezahlen lässt. Ruhe – Synonym für Betäubungs-Quote – ist die erste Bürgerpflicht: das ist der kategorische Imperativ von ARD und ZDF. Dudeln, Spielen und flaches Unterhalten: das sind die Tranquilizer des nach-acht Uhr-Programms.

Unterhalten und belehren? Das war früher. Heute ist Unterhalten als Einlullen und Einschläfern angesagt. Goebbels ließ Schmalz- und Operettenfilme herstellen, um die Bevölkerung wehrtüchtig zu halten. Heute wird gequizzt, geraten und geblödelt, um die deutsche Wirtschaft wehrtüchtig, pardon, konkurrenzfähig, zu machen. Erst wenn die TV-Kirchensteuerzahler ins Bett gesunken sind, wird die schlafende Bevölkerung über die kriminellen Machenschaften der Eliten aufgeklärt.

Oder noch schlimmer, die brisanten Beiträge werden in Spartenprogramme ausgelagert, damit der kollektive Eindruck entsteht: Politik ist für Minderheiten, die es sich leisten können, morgens nicht aufzustehen, weil sie keiner Stechuhr-Maloche nachkommen müssen. Phoenix, ARTE und 3-SAT werden zu Alibi-Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Phoenix wurde zum Sender der Chefredakteure ernannt. Selber schuld, wer sich erkühnt, ein egghead zu sein. Politik muss Ausnahme bleiben.

Populismus ist zum Schlachtruf aller Rechten, Linken und Mittigen geworden. Alles für das Volk, nichts durch das Volk. Doch für welches? Für jenes, das an triebgesteuerter Borniertheit nicht mehr zu überbieten ist. Blödheit, dein Name ist populus. Senatus populusque romanus, so nannten sich die stolzen Römer. Stupider Pöbel Germaniens – so müssten sich die Deutschen nennen.

Quote ist zum Freifahrtschein jener televisionären Großherren geworden, die das Volk in seiner Hohlheit in- und auswendig kennen und kundig ins Flache und Abschüssige leiten – wohin es nicht will. In der Herrschaft des Volkes ist Volk zum

Schimpfwort aller Schimpfwörter geworden. Warte nur, balde haben es die Eliten geschafft.

Sie schleppen das Volk durchs seichte Leben,

Durch flache Unbedeutenheit,

Es soll zappen, starren, am Bildschirm kleben,

Und hätte es sich auch nicht der Quote übergeben,

Es müsste doch am Krückstock gehen.

 Das sind die Mechanismen der Mächtigen: was der Kanzlerin nicht behagt, wird von ihr in Despotien outgesourct, während Parteien und Medien mit Quotengefälligkeiten um die Gunst der Meute wetteifern. Was für Putin seine jährliche televisionäre Volksmassage, ist für Merkel das Tête-à-Tête mit der schein-kessen Anne Will. Ihre Gruppenaudienzen mit Auserwählten unterscheiden sich in nichts von der TV-Audienz des Moskauer Zaren.

Die Eliten machen sich anheischig, für das Volk zu reden, das sie für gemein, gefährlich und tollwütig halten. Das Volk, zwiegespalten in Hörigkeit und Renitenz, verhält sich einerseits, wie man es von ihm erwartet – andererseits wütet es gegen seine Dompteure. Pegida ist die Frucht langjähriger Entmündigung, die ihre ungewohnte Selbstbestimmung in reaktionärer Schlammschlacht ausagiert.

Die heilige Dreieinigkeit – Parteien, Kirchen und Gewerkschaften – kontrolliert die Sender. Das Volk sitzt in keinem Aufsichtsgremium. Das ZDF stellt sich, nach empörtem Protest, hinter die Satire ihres Zauberlehrlings, dem inzwischen die Muffe geht. Doch die Satire bleibt im Giftschrank.

Es können die schlimmsten Dinge in Europa geschehen: nach acht wird geulkt und gelacht, an Feiertagen wird Urlaub gemacht. Karfreitags wird nicht getanzt, an Ostern gibt’s keinen Presseclub. Jenseitige Gefühle dürfen nur mit Vatikanischem befriedigt werden. Die verkommene Welt hat zu schweigen. Nach acht ist politisches Vakuum. Höchstens garniert mit einem Brennpunkt, der auswalzt, was Jan Hofer schon in Edelsprech deklamiert hat.

Bildungsauftrag? Politik zählte noch nie zur deutschen Bildung. Woher kommt die verlorene junge Generation, wenn nicht aus deutschen Schulen, die unter Politik Kannitverstan verstehen? Da dürfen geistesabwesende Therapeuten nicht fehlen, die von einer „lebensunfähigen Generation“ sprechen. Eine Wiener Seelenklempnerin klagt über „uninformierte Eltern“:

„Aus Angst, ihren Kindern Böses anzutun, setzten Eltern dem Nachwuchs keine Grenzen. Ergebnis seien immer mehr Tyrannen und lebensuntüchtige Narzissten, die am Einstieg ins Berufsleben scheiterten und dem Staat auf der Tasche lägen. Es drohe eine gesellschaftliche Katastrophe, denn auf die nächste Generation könne man schlicht nicht zählen.“ (SPIEGEL.de)

Worin besteht der Narzissmus der Jungen? Im „infantil anmutenden Ideal der Freiheit“:

„Denn hier herrscht dieses infantil anmutende, narzisstische Ideal der Freiheit vor: Jeder soll das Maximum aus seinem Leben machen, sich maximal entfalten. Die Eltern vermitteln ihren Kindern deshalb: Wenn du immer machst, was du willst, dann wird alles gut. Zeichen dafür sehen wir schon im Kindergarten. Die Erzieher erzählen mir: „Früher sollte ich die Kinder zu einer Gruppe zusammenschweißen, heute muss ich jedes individuell fördern.“ Das führt dazu, dass viele Schüler später nicht konzentriert lernen und sich nicht in eine Klasse einfügen können, weil sie gelernt haben, dass es immer nur um das geht, was sie gerade wollen.“ (ZEIT.de)

Der erste Witz über den antiautoritären, auf Klavieren herumtobenden Nachwuchs ging so: Tante, müssen wir heute wieder tun, was wir wollen?

Offenbar sind Kinder nicht in der Lage, ihren Willen mit dem Willen anderer abzusprechen und in Einklang zu bringen. Hobbes wird aus dem Keller geholt und reanimiert. Das Leben des Menschen ist „einsam, armselig, scheußlich, tierisch und kurz.“

Die von allen guten Geistern verlassenen Psychotherapeuten, setzen Freiheit mit Narzissmus gleich. Narzissmus ist alles und nichts, vor allem ist er die Erbsünde der Tiefenpsychologie. Den Namen Erich Fromm haben sie noch nie gehört, der das Kind als schwächstes Glied der Familie, die Familie als schwächste Einheit einer kapitalistischen Gesellschaft diagnostizierte.

Jeglicher kausale Zusammenhang zwischen Individuum und seiner unterdrückenden Umgebung hat sich bei der heutigen Therapeuten-Generation verloren. Die Therapeuten tun heute exakt das, wovor Freud sie warnte: sie übernahmen das palliative Erbe der Theologen, die alle Schuld den Mächtigen abnehmen und den Ohnmächtigen unter die Weste jubeln.

In bester deutscher Tradition wird Freiheit als asoziale Ungezügeltheit definiert, die keinerlei Fähigkeit zum zoon politicon mitbringt oder lernen kann. Entweder wilde und ungebundene Individualität oder gefügiges und geducktes Kollektivwesen. Die gemeinschaftshassende Freiheit ist Erbe der jesuanischen Erwählung, die die irdische Polis hasst und das eine Schaf der Herde entreißt, um es selig zu sprechen. 99 Schafe dürfen vor die Hunde gehen.

„Keiner, der die Hand an den Pflug legt und rückwärts schaut, taugt für die Gottesherrschaft.“ „Folge mir nach und lass die Toten ihre Toten begraben.“ Die Lebenden, die sich dem Glauben verweigern, sind bereits hienieden mausetot. Jesus hat den Tod der irdischen Familie gefordert und prophezeit:

„Wer den Willen Gottes tut, der ist mir Bruder, Schwester und Mutter.“ Die leibliche Mutter herrscht er an: „Weib, was hab ich mit dir zu schaffen?“ Die eigene Familie wird der Verdammnis übergeben, wenn sie nicht der himmlischen Lichtgestalt folgt:

„So jemand zu mir kommt und haßt nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein.“

Die Großfamilie ist bereits mit der Zerstörung des autarken Bauerntums verschwunden. Die Kleinfamilie ging verschütt beim Siegeszug des Neoliberalismus, der planetarische Flexibilität und Mobilität fordert. Übrig geblieben sind die lächerliche Mutter am Herd und die Alleinerziehende, die nach allen Regeln der Atomisierung niedergemacht werden. Das genügt noch immer nicht. Das Muttersein an sich wird madig gemacht. Regretting motherhood. Immer wird nur an diese lästigen Kinder gedacht. Wirklich? Den deutschen Kindern geht es schlecht wie nie – trotz äußerlichen Wohlstands. Wohlstand? Die meisten Kinder verkümmern unterhalb der Armutsgrenze.

„Die Ungleichheit zwischen Kindern ist in vielen Industrieländern gewachsen. Bei der Gesundheit, Lesekompetenz oder Lebenszufriedenheit bleiben Kinder vom unteren Rand der Gesellschaft in den meisten Ländern weiter hinter dem Durchschnitt zurück, zeigt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Uno-Kinderhilfswerks Unicef.“ (SPIEGEL.de)

Kindern in der Türkei und in Israel geht es am schlechtesten. Ist es Zufall, dass die Studie „regretting motherhood“ aus Israel stammt? Wie ist die Kindersituation in Israel?

„In Israel gelten drei bis vier Kinder als Ideal einer Familie. Schon nur ein Kind zu bekommen, gilt als unverantwortlich, weil das arme Ding dann keine Geschwister hat. Also bekommen Frauen in der Regel mindestens zwei Kinder, meist mehr. Gleichzeitig gewährt der israelische Staat nach der Geburt gerade mal zehn Wochen Mutterschutz. Das ist paradox und macht mich wütend.“ Erklärt Orna Donath, die israelische Urheberin der soziologischen Studie.

Donath irrt, niemand denkt an die Kinder. Jedenfalls nicht im fürsorglichen Sinn. Kinder sind lediglich Instrumente, um den rivalisierenden ethnischen Gruppen die Macht der Mehrheit zu geben. Es gibt einen demoskopischen Zeugungswettbewerb zwischen Ultras und ihren Feinden. Auch bei Donath wird das religiöse Erbe unterschlagen.

„Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“

Kinder werden nicht um ihretwillen gezeugt. Mit ihrer Hilfe soll die Herrschaft über Natur und Mensch übernommen werden. Kinder sind Hilfs-Kohorten der Macht. Sie selbst und ihr Glück sind uninteressant. Wer sich eine große Kinderschar erlauben kann, ist entweder reich – wie die großen Dynastien – oder gläubig wie jene Superfrommen, die die Gesellschaft unter ihre Kontrolle kriegen wollen.

Die Rückkehr des Glaubens im christlich-jüdischen Westen ist eine Rückkehr zur Macht. Ohne Kinderscharen ist die Rückeroberung der Macht unmöglich. Wie bei der Wiener Therapeutin ist auch bei der israelischen Soziologin keine gesellschaftliche Analyse zu finden. Im Zweifel ist die Frau schuld, die sich störrisch einbildet, das wahre Glück auf Erden bestehe nur im Muttersein.

Es ist wohl ein großer Fortschritt, wenn die Frauen rund um den Planeten ihr Klagegeschrei erheben. Doch das Klagen muss zum konkreten politischen Protest werden, wenn die Männer aus ihren Sesseln gejagt werden sollen.

Die Attacke der kapitalistischen Männer gegen die familiäre Bastion des schutzwürdigen Einzelnen endet nicht bei Alleinerziehenden und Müttern, die es bedauern, Kinder geboren zu haben. Die Herren der Schöpfung wollen keine natürlichen Kinder mehr, die man mühsam und nicht selten erfolglos erziehen muss. Sie wollen technische Kinder, die auf Knopfdruck funktionieren und Menschen aus Fleisch und Blut in den Schatten stellen.

„Eine Maschine – oder besser: eine Software – kann, in klar beschriebenen, eng umgrenzten Gebieten tatsächlich schlauer werden als alle Menschen. Niemand weiß, wie sie genau auf diese Züge gekommen ist. Da gewinnt das Diktum des Science-Fiction-Autors Arthur C. Clarke ganz neue Aktualität: „Jede ausreichend weit entwickelte Technologie ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden.“ Ein neuronales Netz ist, obwohl man alle seine Verbindungen und Gewichtungen betrachten kann, letztlich eine Black Box. Niemand versteht wirklich, wie es zu seinen Ergebnissen kommt.“ (SPIEGEL.de)

Während der Mensch es geschafft hat, die überragende Intelligenz der natürlichen Kinder – die er fürchtet wie die die Pest – erfolgreich durch eine Erziehung der Angst und der Einschüchterung im Elternhaus, in Kitas, Schulen, Universitäten einzudämmen und unschädlich zu machen, will er die magische und numinose Maschine als sein wahres Geschöpf schaffen. Hier glaubt er, keine Minderwertigkeitskomplexe zu kriegen, wenn sie ihn in allen Dingen überrunden wird. Der Mensch der Gegenwart, der nichts Besseres zu tun hat, als das Überleben der Gattung zu gefährden, fürchtet die Anklagen seiner klugen Kinder, wenn sie ihn fragen, wie er ihre Zukunft gefährden konnte, ohne schamrot zu werden. Solche kritischen Kinder will er sich vom Leibe halten, indem er schlaue, aber völlig bornierte, und kritiklose Maschinenkinder erfindet.

Der Angriff gegen die Familie endet nicht bei den letzten Resten sozialer Verbundenheit. Inzwischen richtet er sich gegen den Kern der menschlichen Solidarität: gegen die Liebe. Die Frage eines ZEIT-Interviewers, ob keine Liebe sicher sei, beantwortet der Therapeut Clement:

„Nein. Das Liebesleben ist nicht sicher. Gott sei Dank!“

ZEIT Campus: Gott sei Dank?

Clement: Stellen Sie sich vor, wie langweilig das Leben wäre, wenn Sie schon wüssten, wie es weitergeht.

ZEIT Campus: Na ja, es könnte auch ganz beruhigend sein, zu wissen, dass mein Freund auch mein Freund bleibt.

Clement: Nein, nein. Sicherheit gibt es in einer Liebesbeziehung nicht, nie. Menschen haben ein starkes Bedürfnis danach, eine emotionale Heimat zu finden, also das Gefühl zu haben: Hier gehöre ich hin. Aber Sie können weder vorhersagen, wie Sie sich selbst entwickeln, noch, was Ihr Partner morgen fühlt. Genauso wenig können Sie sich auf die Suche machen und sich dann aus der Galerie der bindungsfähigen Männer einen herausnehmen. Auf dem Beziehungsmarkt ist vielleicht nichts so, wie Sie es sich vorgestellt haben. Sie müssen zwischen Liebe und Partnerschaft unterscheiden, wenn Sie Sicherheit suchen.“ (ZEIT.de)

Die Liebe wird zum neoliberalen Risiko, das immer scheitern kann, ja scheitern muss. Zwischen unreifem Verliebtsein und selbst erarbeiteter, bewährter und besonnener Liebe gibt es für den professionellen Seelenkenner offensichtlich keinen Unterschied. Dass Liebe nicht nur ein Geschenk ist, sondern in Streit und Versöhnung zu tiefem Vertrauen weiterentwickelt werden kann, scheint dem Therapeuten nicht bewusst. Lerne zu scheitern: so lauten die Trainingseinheiten für erfolgreiche Tycoons.

Auch Liebe ist nur eine Investition des Gefühls, die hochgefährdet ist und jederzeit in sich zusammen fallen kann. Na und? Morgen erfinde ich meine Gefühle neu und halte Ausschau nach einer neuen Liebe. Und wenn ich keine finde, kann ich mir eine naturidentische Liebe kaufen – wie Hayeks Lehrer von Mises die Urmotivation des Kapitalismus beschreibt.

Der nach Liebe dürstende, von scheitenden Liebesgefühlen enttäuschte Kapitalist wird sich eines Tages sagen: warum strebe ich ständig nach neuer Liebe und weiß doch, dass ich immer enttäuscht werde? Lasset uns endlich Schluss machen mit dem Märchen von der großen und einzigartigen Liebe. Wozu habe ich Geld, wozu habe ich Macht – wenn ich nicht fähig wäre, mit Geld und Macht alles zu kaufen, was ich benötige? Geld ist verlässlicher als Eros, berechenbarer als soziale und familiäre Gefühlsduselei. Lasset uns knallhartes Geld machen und uns verabschieden von gauklerischen Emotionen. Doch, ja, wir wollen Sicherheit. Aber nicht durch illusionäre Sentimentalitäten, sondern durch ehrlichen Mammon, der uns nie belügen kann.

Das ist das Ende des zoon politicon, des sozialen, familiären und liebenden homo sapiens. Das Ideal des futurischen Mannes ist der gefühlskalte Roboter, der nie fremd gehen kann und mich nie verlassen wird. Wirklich?

„Maschinen können lügen, wenn sie die Wahrheit kennen, und sie können die Wahrheit sagen, wenn sie die Unwahrheit kennen. Unternehmen und ihre Kunden sollten wachsam sein. Maschinen können anscheinend lügen, wenn sie sprechen oder schreiben können, denn lügen bedeutet, die Unwahrheit zu sagen.“ (MittelstandsWiki.de)

Da capo al fine. Der Mensch will keine natürlichen Kinder mehr, sondern künstliche, die ihn überflügeln und seine Probleme lösen – ohne ihn auf die Anklagebank zu setzen.

Im selben Augenblick, in dem sein Begehren zur Realität wird, schnurrt die gesamte Entwicklung zurück an den Anfang. Neues Spiel, neues Risiko – und kein Deut dazu gelernt. Der gesamte Fortschrittswahn ein Nullsummenspiel.

So weit sind wir noch lange nicht. Zuvor müssen die überzähligen Milliarden an Menschen drastisch reduziert werden. Europa kann die Welt nicht retten. Es muss sich abschotten und verbarrikadieren. Die Flüchtlingsströme müssen bleiben, wo sie zugrunde gehen können.

Zu diesem Zweck müssen Verträge justament mit jenen Despoten geschlossen werden, vor denen die Menschen flüchten. Die ach so hehre europäische Moral muss durch machiavellistische Interessenpolitik ersetzt werden. Ziegenficker gibt es noch viele, mit denen die fromme Kanzlerin sich unzüchtig einlassen kann. Doch der Reinen ist alles rein. Erdogan ist nur einer unter ihnen.

MONITOR hat die grenzenlose Heuchelei Merkels ans Licht gebracht, Dominic Johnson in der TAZ ist der einzige, der darüber berichtet. (Eben wird gemeldet, dass Merkel die Klage Erdogans gegen Böhmermann zulässt. Das wird ihr das Genick brechen.)

„Was macht man als den „europäischen Werten“ verpflichteter Politiker, der sich sorgt, dass dieses Jahr wieder einmal zu Tausenden afrikanische Flüchtlinge auf dem Weg von Libyen nach Europa im Mittelmeer ertrinken könnten? Genau: Man hilft den Regimen, vor denen die Flüchtlinge auf der Flucht sind. Zum wiederholten Male berichtet das ARD-TV-Magazin „Monitor“ über das skandalöse Ausmaß der Kumpanei zwischen der Europäischen Union und den Regierungen von Sudan, Äthiopien, Eritrea und Somalia bei der Flüchtlingsabwehr.“ (TAZ.de)

Wer den Menschen abschaffen will, muss zuerst die Demokratie abschaffen. Sie ist es, die den Einzelnen und die Gemeinschaft schützt. Denn da ist kein Gegensatz.

Unglaublich, aber wahr: Der SPIEGEL lässt einen seiner Kolumnisten die Abschaffung der Demokratie propagieren. Das Volk könne nicht länger die Basis der Demokratie sein. Das Volk müsse vor sich selbst geschützt werden. Wer dem Volk die entscheidende Macht überlasse, mache „Experimente mit dem Populismus“. Keine Experimente: das war der Slogan eines auserwählten Christen. Jetzt punktgenau übernommen von einem, der sich als links bezeichnet. Wer solche Linke hat, braucht für rechte Demokratiefeinde nicht mehr zu sorgen:

„Denn beim Volk, das ist eine paradoxe Wahrheit, ist die Demokratie nicht gut aufgehoben. Volkes Stimme und Fortschritt – das geht nicht gut zusammen. Die Schweizer wollten keine Minarette, die Hamburger keine Gemeinschaftsschulen und die Niederländer jetzt keinen Vertrag mit der Ukraine. Vernünftig war das alles nicht – und fortschrittlich erst recht nicht. Vor allem aber: Wahlen und Abstimmungen führen nicht zu mehr Gerechtigkeit. Im Gegenteil. Wahlforscher wissen: die unteren Schichten gehen weniger wählen, die Besserverdienenden engagieren sich mehr.“ (SPIEGEL.de)

Das Volk vor sich selbst schützen, das ist seit Poppers Kritik an Platon die Formel für den Urfaschismus. Die Weisen, die Eliten sind geeigneter, die Sache der Gerechtigkeit im Dienste des Volkes zu verfolgen als das Volk selbst. Wenn das Volk unfähig ist, einen moralischen Staat zu errichten, müssen jene herbeieilen, die klüger und einsichtiger sind als der tumbe Pöbel. Augstein plädiert für die gewählten Abgeordneten, denen allein die Macht zustehen solle, über das Schicksal der Nation zu entscheiden.

Doch wer soll die richtigen Kandidaten wählen, wenn die Wähler inkompetent sind, die Spreu vom Weizen zu sondern? Soll das Volk einmal in vier Jahren sein Kreuzchen machen und in der Zwischenzeit Daumen drehen? Selbst die rechtesten AfDler werden sich scheuen, solch eine faschistische Aristokratie zu fordern. Auch die Tüftler in Silicon Valley wollen das Volk abschaffen, weil es nicht intelligent genug sei, die Genialität der Robotererfinder zu würdigen.

Außerordentliches geschieht. Amerikas Zukunftselite schließt sich zusammen mit der unrühmlichen deutschen Vergangenheit: hinweg mit der rückständigen und fortschrittsfeindlichen Demokratie! Hinweg mit den dumpfen Massen! Die Deutsche Bewegung, die Konservative Revolution, die Gralssucher, Messiasse, Roboterkreateure und gottgleichen Genies: sie allein sind in der Lage, die kopflosen Völker ins Land der Zukunft zu führen.

Nun verstehen wir die Logik der spätpubertierenden Nonsens-Shows, die Augstein und Blome in Phoenix als sogenannte Debatten veranstalten. BILD ernannte sich vor kurzem zum Volk, um dieses überflüssig zu machen: Wir sind das Volk. Wenn Augstein & Blome, die Linken & Rechten, der FREITAG & BILD sich mit Merkels Theokratie zu jenen Eliten zusammenschließen, die das deutsche Volk benötigt, um eine gerechte und zukunftsfeste Politeia auf Erden zu errichten, bleibt uns nur noch das Stoßgebet: Gott sei uns Sündern gnädig.

 

Fortsetzung folgt.