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Europäische Idee XXIX

Hello, Freunde der europäischen Idee XXIX,

Chinesische Weisheit ist klüger als die gesamte westliche Moderne zusammen. Das Uralte ist dem degenerierten Irrsinn der Gegenwart um Welten überlegen.

Fachidioten der Zukunft, die außer der Transformation des Menschlich-Lustvollen in technische Sinn- und Sinnenlosigkeit nichts können, halten sich für prädestiniert, die globale Herrschaft zu übernehmen. Die Zukunft wird eine menschenleere, trostlose Wüste sein, in der hochintelligente Kretins die Erde in ein Schlachtfeld der Superidioten verwandelt haben werden. Zuerst tötet der Mensch die äußere Natur, dann bringt er die eigene zur Strecke.

Das Neue wird zum Inbegriff des Gattungstodes. Nur die beherzte Parteinahme für das Alte kann uns noch retten. Nicht alles Alte ist vorbildlich, doch alles Vorbildliche ist uralt und wird von Hyänen der Zukunft geschreddert und verscharrt. Das Neue Testament der Vernichtung des Vergangenen muss einem Testament des neubelebten Alten weichen.

„Ziehet den neuen Menschen an“? Nein, kehrt zurück zu den unübertrefflichen Weisheiten der Alten.

Siehe, ich mache alles neu? Nein, siehe, wir vitalisieren das Alte, das dem Leben auf Erden gewidmet ist. Das wahre Neue ist dem wahren Alten nicht feindlich gesonnen. Beide sind dasselbe in zirkulärer Bewegung.

In neuen Zungen werden sie reden? Nein, sie erinnern immer wieder an das

Alte, das uns Leben verleiht.

„Was aber veraltet ist und sich überlebt hat, ist dem Verschwinden nahe“? Nein, das Alte ist das Leben selbst und kann nicht verschwinden. Sollte es verschwinden, wird alles verschwinden.

„Wahrlich, wahrlich, wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“. Nein, es gibt nur eine Geburt und das ist die Geburt durch die Mütter dieser Erde. Eine neue Geburt ist eine Phantasmagorie der Machos und eine geistige Vernichtung der Mutter Natur. Der Mann will das neue Prinzip sein, Frauen und Kinder sollen überflüssig werden.

„So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf daß, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln.“

Die Taufe ist der Tod der Natur. Es gibt kein Neues, das den Tod überwinden könnte. Die Technik des Abendlandes ist das Neue, das dem bewährten und verlässlichen Alten den Todesstoß versetzt. Nirgendwo wird sich neues Leben zeigen, wenn es das alte Leben vernichtet.

Nehmen wir das uralte köstliche Spiel der Sinnenlust. Es soll abgeschafft werden durch maschinelle Manipulation:

„Gestern Nacht habe ich die Vulven von sieben Frauen gestreichelt. Fünf von ihnen kamen zum Orgasmus, zwei nicht. Woher ich das weiß? Sidney sagte irgendwann: „Lass uns eine Pause machen.“ Und Olivia wollte es lieber wann anders noch mal versuchen. Das ist schade für die beiden, liegt aber natürlich nicht an mir, sondern an der Technik. Die ganzen Achter, Kreise und Tippser kann ich mit gebrochener Hand im Schlaf, allerdings fühlt sich so ein Touchpad an, wie die gebotoxte Stirn von Nicole Kidman aussieht. Zu kalt. Zu glatt. Zu eindimensional.“ (TAZ.de)

Die einen wollen Menschen überflügeln und überflüssig machen, die anderen geben sich bescheiden und empfehlen ihre überflüssigen Monstren als Sklaven und Marionetten der Menschen. Der Mensch, das Mängelwesen, benötige Hilfen, um das überkomplexe Leben zu bestehen, das gar nicht überkomplex wäre ohne Robotersimpel, die technisch so komplex sind, dass nur unterkomplexe Fachidioten sie beherrschen können. Fragt sich nur, wie lange?

Einerseits soll es keine Utopien geben, weil es ohne neue Herausforderungen langweilig wäre, andererseits sollen alle Herausforderungen abgeschafft werden durch Maschinen, die das Leben der Menschen zur eintönigen Appendix-Existenz der Maschinen degradieren. Da gibt es Roboter-Erfinder, die (noch) nicht den Menschen, aber alles, was das Herz des Menschen erfreut, abschaffen wollen. Geht es noch dämlicher und problem-vergessener?

„Zum Schluss hat Wahlster noch ein, seiner Meinung nach, unschlagbares Argument. Er sei doch selbst ein Mensch. »Warum sollen wir als Ingenieure ein System entwickeln, das die Menschheit besiegt? Totaler Schwachsinn. Absoluter Schmarrn. Science-Fiction.«“ (Bilanz.de)

Techniker, vernarrt in die Zukunft, wissen nichts über die Tradition des Größenwahns, der ihre Disziplinen hervorgebracht hat. Wir erinnern an das phänomenale Buch „Der Übermensch“, herausgegeben von dem Theologen Ernst Benz:

„Der Mensch als Vollendung der Natur respektiert immer wieder die Schranken der Natur – der Mensch als Übermensch nicht. Damit ist er nicht nur Usurpator der Natur, sondern auch seiner eigenen Evolution. Und damit allerdings Mitentscheidender über Sein und Nichtsein der Menschenwelt.“ (Hans Mislin in der „Übermensch“, hrsg. von Ernst Benz)

„Aufgabe der Technik ist, die uralten Sehnsüchte und Träume der Menschheit zu erfüllen. Die Träume von ewigem Frühling, ewiger Jugend und ewigem Frieden, die Sehnsüchte nach der Götterfreiheit von Mühsal und Mangel, von Raum und Zeit, von Krankheit und Tod, nach gottähnlicher Allmacht, Allgegenwart, Allgüte, nach Allwissen und den tiefsten Abenteuern des Leibe, der Seele und des Geistes.“ (Eugen Sänger, ebenda)

Warum sind menschliche Utopien verboten? Damit technische Utopien ihren Alleinvertretungsanspruch verteidigen können. Die Omnipotenzträume der Wissenschaftler beruhen auf jenen der Evangelisten und Erlöser.

„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer an mich glaubt, der wird die Werke euch tun, die ich tue und wird Größeres als diese tun, denn ich gehe zum Vater, und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, auf dass der Vater geehrt werde ins einem Sohn.“ „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden.“

Was bedeutet das? „Die geistige Vollmacht der Jünger Jesu ist nicht auf das Maß der geistigen Vollmacht beschränkt, die in Jesus zu seinen Lebzeiten wirkt. Damit der Sohn in dem Sohn verherrlicht werde, verheißt Jesus seinen Jüngern eine Geisteskraft, die sie befähigt, noch größere Werke zu tun als er selber, das heißt sogar ihn selbst durch Wirkungen des Heiligen Geistes zu übertreffen. Am Ende des göttlichen Heilswirkens steht nicht das restaurierte Alte, sondern ein Neues von einer unfasslichen Entwicklungsfähigkeit ins Himmlische, Geistige und Göttliche hinein. »Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich. Wer Ohren hat, zu hören, der höre.«“

Die Frommen werden selbst ihren Erlöser in den Schatten stellen mit Hilfe des Heiligen Geistes, der sie in alle Geheimnisse der Schöpfung einweihen wird. Wenn der Erlöser ein Gott ist, werden die Gläubigen ihren Gott übertreffen. Die Gottähnlichkeit besteht in der Überwindung des Gottes als Schöpfer. Der Mensch wird eine neue Schöpfung vorlegen, die die alte, sündige zur Makulatur machen wird.

Zukunftsgaukler arbeiten an diesen Phantasien – ohne sie zu kennen. Sie verwirklichen groteske Machtkomplexe, ohne zu wissen, von welchen Impulsen sie getrieben werden. Sie sind bewusstseinslose Sklaven einer Magnifizenz, die sich mit kleinen Problemen der Realität nicht mehr abgeben. Lass fahren die klimaverseuchte Welt, schon entsteht eine neue, die jenseits allen Klimas sich im unendlichen Weltraum finden wird. Was kümmert sie die schnöde Welt, die sie ruinieren, wenn eine gänzlich neue aus Zahlen und Algorithmen im Entstehen ist?

Der Schöpfer schuf die Welt aus Nichts. Das Genie der Gegenwart kodiert eine Welt aus Dreck und Stein. Die Moderne muss die alte Welt vernichten. Wie anders könnte sie beweisen, dass sie eine neue Überwelt erfinden könnte?

Die Destruktionen der Gegenwart sind gewollt. Sie sind furchtbare Zerstörungen, die fruchtbar sein sollen, um ein Neues aus Tod und Vernichtung zu schaffen. Hat Gott in seinem Sohn den Tod besiegt, werden seine Frommen auch den Sohn übertreffen und die Schöpfung des Vaters überbieten. Sie müssen alles von Grund auf zerstören, um ihre Gottüberlegenheit unter Beweis zu stellen.

Die neuen Übermenschen und Genies arbeiten nicht nach Regeln. Moral lehnen sie ab, denn diese würde die Kraftmenschen behindern. Jean Paul, der Fichtes grandioses Ich in Literatur verwandelte, beschreibt einen „großen Menschen“.

„Die Ethik des großen Menschen entbindet von der Befolgung allgemeiner Moralgesetze. Das Genie schafft sich seine eigene Ethik, für die es keine Regeln gibt. Die Welt wird allein dadurch geändert, dass immer wieder ein Genie nach den Geniezügen einer neuen Ethik die Häuslichkeitsmoral durchbricht und neue Verhältnisse schafft. Was das Genie in der Literatur, ist der Hochmensch in der Politik. Es gibt sittliche Genie-Züge, die nicht in Regeln und von Regeln zu fassen, also nicht voraus zu bestimmen sind. Sie allein verändern die Welt. Der Feuerreformator verkürzt den unendlich trägen Gang der normalen Entwicklung und beschleunigt das langsame Tempo des Prozesses durch die Kraft seines Übermenschentums, die gleichzeitig zerstörend und schöpferisch wirkt.“ (bei Benz)

Nietzsche war kein singuläres Ereignis in der deutschen Genie- und Übermenschentradition. Sie beginnt im Neuen Testament und endet bei den zerstörenden, regelverachtenden Genies der deutschen Völkerschlächter. Ohne massenhaften Tod kein Neues in der Welt. Die Erde mit ihren überflüssigen Milliarden Kreaturen wird mit allen Methoden der Technik zu Grunde gerichtet, damit eine Handvoll Erwählte in den Weltenraum vordringen, um ein neues Kapitel des Übermenschen im Universum zu beginnen. Wie werden die fernsten Galaxien aufatmen, wenn in Milliarden von Lichtjahren ein Nichts ankommen wird, um ihnen den Sinn des Daseins zu vermitteln? Die „faulende, modrige Welt“ muss einer immergrünen Welt weichen, wenn der Feuerreformator die alte Welt mit dem Flammenwerfer abfackeln wird. „Für ein Genie kann sittlich sein, was für den gewöhnlichen Menschen Vermessenheit und Sünde wäre“.

Die Übermensch-Tradition sehen wir nicht nur bei Fichte und Jean Paul. Sie existiert bei Goethe, bei Naturwissenschaftlern und Darwinisten, bei David Friedrich Strauß, den Linkshegelianern, Ludwig Büchner, dem Engländer A. R. Wallace, bei Eugen Dühring, dem Amerikaner R. W. Emerson und erlebt ihre absolute Apotheose bei Nietzsche. Der bessere, ja der beste Mensch ist der bösere, der „höher in die Sphäre des Übermenschlichen und tiefer in die Schicht des Untermenschlich-Dämonischen hineingreift, dessen Spannweite die Höhe des Himmels und die Abgründe der Hölle umfasst.“

„Weder der Staat, noch das Volk, noch die Menschheit sind ihrer selbst willen da, sondern in ihren Spitzen, in den großen Einzelnen, den Heiligen und Künstlern liegt das Ziel. Das Ziel weist über die Menschheit hinaus. Der Mensch ist etwas, was überwunden werden muss.“

„Die Steigerung heißt menschlich – übermenschlich – unmenschlich. Unrecht, Lüge, Ausbeutung sind die spezifischen Eigenschaften des großen Menschen.“ „Man rechnet auf den Kampf um die Existenz den Tod der Schwächsten und das Überleben der Robustesten und Bestbegabten: folglich imaginiert man ein beständiges Wachstum der Vollkommenheit für die Wesen.“ „Der Mensch ist ein Übergang und ein Untergang. Nicht Menschheit, sondern Übermensch ist das Ziel. Der Mensch sei ein Anlass zu etwas, das nicht Mensch mehr ist.“

Doch wie steht es wirklich mit der Menschheit? „Das Stillstandsniveau ist erreicht. Nie hatten die Verantwortungslosen eine solche Chance der Vermehrung wie heute. Die Menschheit ist eifrig dabei, sich selbst zum Untermenschentum zurückzuzüchten.

Auch die Ostkirchen glauben an die allmähliche Vergöttlichung des Menschen. Putins Popen sind keine Rückschrittler, für sie ist der neue und zukünftige Mensch die Transformation des Menschen in den vollkommenen Menschen Christus.

Grenzenlose Wirtschaft, unbegrenzter Wohlstand, unendlicher Fortschritt, Konzentration des Reichtums und der Macht bei Wenigen, die vielen Schwachen sollen zugrunde gehen, damit die Starken über sie hinweg auf eine neue Stufe der gottüberlegenen Übermenschen steigen können. Gemessen an den Hilfsbedürftigen der Welt werden wenige Flüchtlinge gerettet. Die Millionen, die in Afrika rüsten, ihre glühend heißen Länder zu verlassen, um ins grüne und reiche Europa zu flüchten – sie werden vor verschlossenen Grenzen stehen.

Trump, Berlusconi, Le Pen und Merkel mit unterschiedlichen Heuchelphrasen, bösen und guten, zynischen und frommen Floskeln, sind sich einig: Grenzen müssen geschlossen werden. Merkel lässt nicht von ihrer Formel, keine Obergrenzen festzulegen. Ihr Tun jedoch ist das Gegenteil ihrer leeren Worte.

Die reichen Länder igeln sich ein. Die jetzige Flüchtlingswelle hat sie gelehrt: nie wieder einladende Willkommensgrüße. Schließlich haben wir etwas zu verlieren. Unsere Identität ist in Gefahr, die Identität der Satten und Bedenkenlosen.

Riesige Probleme in der Welt müssten noch in dieser Minute gelöst werden, wenn wir schreckliche Desaster in der Zukunft vermeiden wollten. Aber nein: die Schwachen müssen zugrunde gehen, auf dass die Starken über sie hinweg in den Himmel der Seligen steigen. Jakob von Uexküll in der WELT:

„Der Klimawandel mit seinen vielfältigen Auswirkungen ist heute schon oft die Ursache für die Migration vieler Menschen, gerade aus Afrika nach Europa. Große Regionen, zum Beispiel in Ostafrika, leiden akut unter Wassermangel, etwa im Sudan. Diese Regionen sind immer weniger bewohnbar. Wenn Europa schon nicht mit bislang weniger als zwei Millionen Kriegsflüchtlingen aus Syrien und Afghanistan klarkommt – wie wollen wir dann Dutzende oder Hunderte Millionen Flüchtlinge vor allem aus Afrika bewältigen, die der Klimawandel und die Zerstörung der Umwelt zwangsläufig hervorbringen werden, wenn wir nichts dagegen unternehmen? Das sind Größenordnungen, die vor einiger Zeit der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds, Michel Camdessus, genannt hat. Wir haben so lange nicht gehandelt, dass nun eine wachsende globale Unordnung auf uns zukommt, mit gescheiterten oder unregierbaren Staaten wie Syrien, Libyen oder auch Somalia. Dasselbe droht nun auch Griechenland.“

Wer soll retten, wenn retten Moral, Moral aber weggebissen wird? Selbst von linken Gazetten, die die amoralischen und anti-autonomen Verwüstungen ihres Heiligen Marx bis heute nicht bewältigt haben. Weg mit dem Moralismus, wettert die TAZ, die einst eine gerechtere Welt haben wollte. Doch Gerechtigkeit ist Moral, also muss sie gestrichen werden:

„Kein Mensch braucht Moralisten. Die Politik schon gar nicht. Moralismus ist die schlimmste Droge überhaupt, ist anti-gesellschaftlich und macht politikunfähig, weil er davon ausgeht, in der Politik gehe es um die absolute Unterscheidung zwischen dem Guten und dem Bösen. In einer Demokratie geht es aber um das Gewinnen von Mehrheiten für eine politische Lösung. Das ist der große Schritt, den die Menschheit mit der Aufklärung getan hat.“ (TAZ.de)

Hier beginnt das Grauen. Moral ist Guillotine-Moral à la Robespierre. Eine andere Moral scheint der Autor nicht zu kennen. Dann wären die Nationalsozialisten die besten Moralisten der Geschichte gewesen. Persönliche Moral – ja. Politische Moral – ein faschistisches Verhängnis.

Zuerst stirbt die Logik, dann die Eindeutigkeit der Begriffe. Das gedankliche Tohuwabohu ist Wegbereiter des planetarischen Elends. Trump & Co sind Propheten der neuen Gedankenverwüstungen, die in „linken“ Medien legitimiert werden.

Für Stefan Kornelius gibt es kein links und rechts. Links stand einst für gerecht, also ist Gerechtigkeit in der SZ abgeschafft. Moral wird nur gepredigt an Sonn- und Feiertagen, damit die Spießer sich im Alltag nicht an die Gurgel gehen.

Mehrheitsentscheidungen sind Kompromisse zwischen der Moral, das Volk entscheiden zu lassen und jener gesuchten zeitlosen Moral, die von Entscheidung zu Entscheidung auf dem Marktplatz durchstritten und erkämpft werden muss.

Für die Deutschen ist Politik etwas Technisches, das kalkuliert oder berechnet werden kann. Rechnen, Messen und Experimentieren sind Feststellungen von Fakten. Was Fakten bedeuten, wie sie bewertet werden müssen, darüber entscheidet Moral. Moralische Vernunft ist keine instrumentelle der Technik, sondern Ergebnis einer einfühlsamen Verbundenheit. Solidarität kann nicht mit Zahlen und Algorithmen errechnet werden.

Politik ist auch keine symbolische Gnadenentscheidung wie bei Merkel, die sie durch widersprüchliche Taten schwächt und zerstört. Die neue Sekte der Merkelanbeter aber lässt sich von Logik nicht beeindrucken. Moral als Übereinstimmung von Wort und Tat scheinen Merkelfans nicht zu kennen.

Der SPIEGEL bewundert die Gesinnungstreue „der Kanzlerin“, um einige Zeilen später die Kälte der europäischen Verbarrikadierung zu beklagen. Mit der Kanzlerin darf das nichts zu tun haben, selbst wenn sie vehement die Sicherung der Außengrenzen fordert, die Balkanroute schließen lässt und die Masse der Flüchtlinge einer immer tyrannischeren Türkei überlässt. Oder den Griechen, denen sie zuvor ökonomisch die Luft abstellte.

„Wir brauchen die Türkei, aber wir sind nicht erpressbar“ sagte der deutsche Justizminister. Solche absurden Sätze vor laufenden Kameras – und es gibt keinen Aufschrei in deutschen Landen. Das ist die Niederlage des Denkens, dem das Fiasko des Tuns hündisch folgt.

Dass neben der Folgerichtigkeit des Denkens auch die lästige Moral abgeschafft wird, beweist der Satz des markigen Innenministers: in Menschenrechtsfragen sollten wir keine Schiedsrichter sein. Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.

Merkel hantiert mit willkürlicher Gnade, ihr Innenminister mit prophylaktischer Kritiklosigkeit, um selbst der Kritik zu entgehen. Wie wär‘s mit der Parole an lästige Demokraten: räsoniert, so viel ihr wollt, aber schweigt und gehorcht? Ihr seid nicht die Schiedsrichter der Mächtigen.

„Am Sonntag hatte die Bundeskanzlerin einen großen Auftritt bei Anne Will, sie hielt auf eine geradezu rührende Art an ihrer menschenfreundlichen Flüchtlingspolitik fest. Ab Montag war sie dann eine von denen, die an der Festung Europa bauen. Wir haben in Griechenland, in Brüssel, Berlin und München recherchiert und sind die inneren und äußeren Grenzen Europas abgefahren. Wir fanden ein Europa, das ein kaltes Herz zeigt und dabei seine eigene Zukunft riskiert.“ (SPIEGEL.de)

Wenn die Flüchtlingsfrage mit Gut und Böse nichts zu tun hat, sollte man die Verzweifelten ihrem Schicksal überlassen und sich mit salviertem Gewissen seinem Abendtrunk widmen.

Die Absurdität ist noch steigerbar. Saskia Sassen beschreibt die Problemfelder der Welt anhand vieler Einzelbeispiele. Just dies wird in ihr in der ZEIT vorgeworfen. Sie verstecke sich hinter Fakten. Wo bleibe das System?

„Wer so drastisch Alarm schlägt, sollte seine These belegen oder zumindest glaubhaft machen. Doch in den vier Kapiteln zu Staatsschulden, Landverkauf, Finanzmärkten und Umweltzerstörung schickt Sassen ihre Leser in ein Labyrinth aus Fallbeispielen und Statistiken und gibt sich keine Mühe, ihnen Orientierung zu geben. Die Ungerechtigkeiten der Welt werden im wilden Durcheinander zur Schau gestellt. Sassen verlässt sich auf die Macht des Faktischen: Bei all der Schrecklichkeit, lieber Leser, muss System dahinterstecken.“ (ZEIT.de)

Journalisten rühmen sich exakter Fakten, die sie in der Welt zusammentragen. Wenn Sassen dies tut, wird sie geprügelt. Wenn linke Kritiker es wagen, von Kapitalismus oder Neoliberalismus zu sprechen, werden sie wegen Klischeebildung gescholten. Wo doch jeder Mensch wissen sollte, dass Eliten nie gegen das Volk kämpfen, wie Kornelius im Presseclub äußerte. Warren Buffett muss an ideologischer Linsenkrümmung leiden, wenn er sagt, in der Welt gebe es einen Krieg zwischen Reichen und Armen. Und sie, die Reichen, hätten den Krieg gewonnen.

So weit ist es gekommen, dass man bei amerikanischen Milliardären nachfragen muss, ob es links und rechts, Klassengesellschaften, Privilegierte und Abgehängte gibt.

Deutschland erstickt in der dialektischen Maische seiner logischen Verwirrungen, in korrupten Synthesen seiner Widersprüche. Zuerst stirbt das Denkvermögen, dann die gottähnlichen Verkleisterer aller Wörter und Begriffe. Hier hülfe nur noch Kung fu Tse:

„Dsï Lu sprach: »Der Fürst von We wartet auf den Meister, um die Regierung auszuüben. Was würde der Meister zuerst in Angriff nehmen?« Der Meister sprach: »Sicherlich die Richtigstellung der Begriffe.« Dsï Lu sprach: »Darum sollte es sich handeln? Da hat der Meister weit gefehlt! Warum denn deren Richtigstellung?« Der Meister sprach: »Wie roh du bist, Yu! Der Edle läßt das, was er nicht versteht, sozusagen beiseite. Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeiht Moral und Kunst nicht; gedeiht Moral und Kunst nicht, so treffen die Strafen nicht; treffen die Strafen nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen. Darum sorge der Edle, daß er seine Begriffe unter allen Umständen zu Worte bringen kann und seine Worte unter allen Umständen zu Taten machen kann. Der Edle duldet nicht, daß in seinen Worten irgend etwas in Unordnung ist. Das ist es, worauf alles ankommt.«

Die europäischen Aufklärer bewunderten die Weisheit der Chinesen.

 

Fortsetzung folgt.