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Europäische Idee XXVI

Hello, Freunde der europäischen Idee XXVI,

Europa zerbricht während ihrer Regierungsperiode – mit ihr hat das nichts zu tun.

Deutschland zerlegt sich in ihrer Regierungsperiode – was hat das mit ihr zu tun?

Und wenn die Welt voll Teufel wär
und wollt sie gar verschlingen,
so fürchtet sie sich gar nicht sehr,
es soll ihr doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
wie sauer er sich stellt,
tut er ihr doch nicht;
das macht, er ist gericht’:
ein Wörtlein kann ihn fällen.

Das Wort, sie sollen lassen stahn und kein Dank dafür haben. Welches Wort? Das Trutzwort: Das schaffe ich, denn ich glaub an mich. Hier schwindelt sie, aber zur höheren Ehre Gottes. Denn an Menschen glauben wäre Sünde wider den Geist. Sie glaubt an sich, weil sie an Gott glaubt. Kleines listiges Zugeständnis an den gottlosen Zeitgeist, der nur an den Menschen glauben will.

Das Lutherjahr wirft seine Schatten voraus. Nicht der Übervater der Protestanten, sondern die lutherische Pastorentochter soll im Mittelpunkt stehen. Bis zu den Feierlichkeiten zu Ehren des Wittenberger Kolosses will die getreue Schülerin durchhalten – in der Paradedisziplin: eine gegen den Rest der Welt. Dort steht sie, sie kann nicht anders. Ist Gott mit ihr, wer wird wider sie sein? Danach wird

sie weiter sehn.

Sind die Deutschen nicht abhängiger von ihr als sie von ihnen? Eine Meisterleistung in religious engineering: wie kann man ein glaubenssüchtiges Volk, das seine Sucht verleugnet, von sich, einer glaubensstarken Domina, abhängig machen? Antwort: indem man tut, als könne man nicht bis drei zählen und bemerkte nicht, wie die „aufgeklärte“ Nation am Tropf hängt. Am Tropf der Sehnsucht des verlorenen Sohnes nach den Fleischtöpfen des Vaters – der auch eine postsozialistische Mutter sein kann:

„Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küßte ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringet das beste Kleid hervor und tut es ihm an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße, und bringet ein gemästet Kalb her und schlachtet’s; lasset uns essen und fröhlich sein!“

Muslime zieht es zu himmlischen Huris (wo bleiben die Belohnungen für die Frauen?), Christen bevorzugen Schmausen und Völlereien. Die Utopien der Europäer sind von himmlischen Lustbarkeiten besetzt. Also muss es für Ungläubige ein utopisches Bilderverbot geben. Trachtet zuerst nach orgiastischen Feten im Himmelreich, dann wird euch alles andere hinzu getan werden.

Die Deutschen glauben nicht an Sünde und dennoch fließt ihr Sündenkonto über. Wie erleichtert sie sind, wenn ihnen die fromme Mutter vergibt, ohne dass sie ihre Sünden beichten mussten. Mutter bedient die kathartischen Bedürfnisse, ohne dass der Schmutz der Seelen in der Öffentlichkeit enthüllt werden muss. Es ist ein reziproker Deal im Verborgenen, einem Inzest ähnlich, von dem niemand wissen will: war er verruchte Wirklichkeit oder nur lüsterner Traum?

Merkel arbeitet nicht nur an der religiösen Unterwanderung der Nation. Als mächtigste Frau der Welt will sie die ganze EU unter die Zucht des Glaubens bringen. Die Akzeptanz der Muslime ist für sie nur die unterste Stufe zur Akzeptanz des wahren Glaubens in lutherischem Geist – besuchte Benedikt nicht schon Wittenberg, um seine Bereitschaft zu ökumenischer Eintracht zu signalisieren? Wer gelernt hat, Muslime zu tolerieren, hat es nicht mehr weit zur Anerkennung des größten Deutschen.

Erlöserreligionen sind verwechselbar. Wie die allmächtigen Götter auch heißen mögen, wichtig ist allein die Unterwerfung des Menschen unter überirdische Fiktionen. Der Mensch ist ein Nichts, Jahwe, Gott und Allah sind alles. Sola fide, sola gratia, sola scriptura (allein durch Glauben, Gnade, Schrift) – das gilt, nehmt alles in allem, für alle drei Erlöserreligionen. Vor allem nichts in eigener Selbst-Ermächtigung, Selbst-Gerechtigkeit, Selbst-Erlösung, Selbst-Bestimmung, Selbst-Zufriedenheit. Das Wörtchen auto (selbst) ist nur gestattet bei Auto-mobilen. Ansonsten ist es Gift für jede Selbsterniedrigung und Selbstauslöschung in der Kategorie Sündenkrüppel.

Auch Novalis war ein Ossi, der Europa ins Mittelalter zurückbeten wollte: „Nur die Religion kann Europa wieder auferwecken und die Völker sichern“. Der jüngere Schlegel assistiert: „Europa ist letztlich als ein Eschaton (Endzeit) zu verstehen, als eine geschichtsphilosophische Idee, mit der ein erstrebter Kulminationspunkt der Menschheit bezeichnet werden soll. Mit der Religion ist es uns keineswegs Scherz, sondern der bitterste Ernst, dass es an der Zeit ist, eine zu stiften. Das ist der Zweck aller Zwecke und der Mittelpunkt.“

Eine Religion stiften? Da hat sich einer übernommen. Aber wieder ins Leben, nein, ins politische Leben, zurückzurufen: das ist das Gebot der Stunde. Auch hier sind die Amerikaner den säkularen Europäern um eine Nasenlänge voraus. Zwei Drittel aller Amerikaner sind überzeugt, zu ihren Lebzeiten die Ankunft des Messias zu erleben. Da wollen wir doch sehen, welchen Kontinent der Herr als Landeplatz seiner Wiederkehr bevorzugen wird. Und doch zweifelt Schlegel, dass Europa aus eigener Kraft eine Religionsrevolution zuwege bringen könne. Europa, schreibt er, sei gänzlich unfähig zur Religion.

Was tun? Eben dies, was 200 Jahre später – nämlich heute – just geschieht. Sich Verstärkung im Orient holen. „Sollte es wirklich Ernst seyn mit einer Revolution, so müsste sie uns vielmehr aus Asien kommen. Eine wahre Revolution kann nur aus dem Mittelpunkte der vereinigten Kraft hervorgehen, sonach ist das Organ für dieselbe in Europa bei der Menge gar nicht vorhanden.“

Was bleibt? Das Gebot der Stunde lautet für Schlegel, bei den Asiaten bzw. Indern in die Schule zu gehen. Ex oriente lux, aus dem Osten kommt das Licht. Also muss der Osten vernichtet werden, damit sein Licht genötigt werde, nach Europa auszuwandern. „Das eigentliche Europa muss erst noch entstehen.“ Das religiös erneuerte Europa wird den Romantikern zur Zukunftsvision.

Die deutsche Kanzlerin weiß, mit Hilfe des eingewanderten Orients muss es gelingen. Kaum hatte Schlegel seine religiösen Sätze geschrieben, konvertierte er zum Katholizismus und verfluchte die Aufklärung.

Auf diesem Wege der Höllenpräparierung befinden wir uns heute – indem wir alle Pegadisten & Co zu höllischen Bösewichtern promovieren. Irgendwo muss man ja anfangen, das unerklärliche, radikale, irrationale Böse zu etablieren. Ist es einmal definiert, werden wir es schon in allen Winkeln der Gesellschaft aufstöbern und dingfest machen.

Zuerst müssen alle drei Erlöserreligionen als mächtige Einheit auftreten und sich Respekt in einer bekenntnis-vergessenen Gesellschaft verschaffen. Ist die Herrschaft der Gottgläubigen gesichert, kommt die finale Entscheidung: wer von den drei Religionen besitzt den wahren Ring? An Lessing wird niemand denken.

Kommt Unmut auf über die vielen Korananbeter, wissen die Kirchen schon jetzt, was sie in hinterlistiger Sanftmütigkeit erwidern werden: werdet doch richtige Christen, dann habt ihr die schärfste Verteidigungswaffe gegen fremde Götter. (Christ&Welt)

Einmal mehr hat Angela Merkel dazu ermutigt, dass Christen ihren Glauben bekennen sollten, anstatt Angst vor gläubigen Muslimen zu haben. »Wir haben doch alle Chancen und alle Freiheiten, uns zu unserer Religion, sofern wir sie ausüben und an sie glauben, zu bekennen«, sagte sie im Rahmen eines öffentlichen Gesprächs. Die Bundeskanzlerin sagte, sie werfe es niemandem vor, wenn er sich zu seinem muslimischen Glauben bekennt. Gleichzeitig plädierte sie dafür, dass sich westliche Bürger mit der eigenen christlichen Kultur auseinandersetzen: »Haben wir doch bitteschön auch die Tradition, mal wieder in den Gottesdienst zu gehen oder ein bisschen bibelfest zu sein oder vielleicht auch mal ein Bild in der Kirche erklären zu können.« Merkel beklagte, viele Menschen in Deutschland wüssten oft nicht mehr über christliche Feiertage Bescheid: »Wenn Sie mal Aufsätze in Deutschland schreiben lassen würden, was Pfingsten bedeutet, […] dann ist es mit der Kenntnis über das christliche Abendland nicht so weit her.« Sich anschließend zu beklagen, dass sich Muslime im Koran besser auskennen, empfindet Merkel als ‚irgendwie komisch‘.“ (Pro-medienmagazin.de)

Der Islam als willkommene pädagogische Rute, um die Deutschen in den Schoss der christlichen Kirchen zurückzujagen.

Retour zum Ursprung: das war auch der Impetus für Vize Gabriel, um die einstige Devise der Proletenpartei aufzuwärmen: Wir müssen den einheimischen Schwachen aufhelfen, damit sie – im Vergleich mit den hilfsbedürftigen Fremden – nicht zu kurz kommen. Da hörte jemand sein schlechtes Gewissen bis zum Halse schlagen.

Zeigarnik-Effekt, Bruder Sigmar, nennt man das Gefühl, seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Schon mal probehalber im Edelkäfig der Hartz4-Verurteilten gehaust – um die Gefühle der Nieten und Versager nachzuvollziehen?

Residenzpflicht klingt nach vornehmer Residenz, oddr? In Wirklichkeit ist Residenz ein Freiluftgefängnis. Die Hartz4-Staatsknete ist so schwach bemessen, dass nicht mal durchschnittliche Stromkosten bezahlt werden können. Wie viele der Abgestraften müssen bei Kälte und Kerzenlicht vegetieren, weil ihnen der Stromkasten vernietet wird. (WELT.de)

Wie reagiert Gabriels Koalitionsfreund Schäuble? „Erbarmenswürdig“ nannte der Herr der Bundesmilliarden den Besänftigungsvorschlag des SPD-Chefs. Merkel erklärte, Gabriel habe sich selbst klein gemacht. Dann zählt sie die vielen Wohltaten auf, die von der Großen Koalition unters Volk verteilt wurden. Ins selbe Horn stößt der SPIEGEL, der davor warnt, ständig den gefährlichen „Blues vom bitterarmen Deutschland“ anzustimmen:

„Es ist fahrlässig, den Eindruck zu erwecken, dass es vielen Menschen in Deutschland immer schlechter geht. Wer wider besseres Wissen so tut, als könnten immer mehr Männer und Frauen trotz harter Arbeit oder gestiegener Hartz IV-Bezüge kein würdiges Leben führen und zum Beispiel ihren Nachwuchs nicht mehr angemessen ernähren, der handelt verantwortungslos. Er trägt weitere Unruhe in jene Teile der Bevölkerung, die wegen der Flüchtlingskrise ohnehin schon verunsichert sind, und treibt denjenigen Wähler und Unterstützer zu, die einfache Antworten liefern. Es kann also sein, dass Blues-Sänger Schneider einige neue Fans bekommt, die er sich nicht gewünscht hat. Zum Beispiel AfD-Politiker, NPD-Wirrköpfe und Pegida-Gröhler.“ (SPIEGEL.de)

Von Deutschland in toto kann ohnehin nicht die Rede sein. Wer relative Armut verharmlost, weil Menschen nicht völlig darben müssen, verwechselt Armut mit potentiellem Verhungern. Das wäre der blanke Horror, mitten in einem der reichsten Länder der Welt vom Hungertod bedroht zu werden.

Armut ist Ausschluss aus der Öffentlichkeit, kein Selbstbewusstsein entwickeln, nicht mitreden können. Als Kind keinerlei Chance haben, der Diskriminierung zu entkommen. Grund genug, die SPD an ihre Anfänge zu erinnern.

Merkel benutzt die muslimischen Flüchtlinge, um das Christentum zu stärken; Gabriel, um seine Partei an ihre Solidaritätsvergessenheit zu erinnern. Fehlen nur noch die Grillos, die viele konkurrierende Arbeitskräfte benötigen, um die Mindestlöhne zu erniedrigen und die Forderungen der Gewerkschaft zu unterlaufen. Kein Wunder, dass die Industriekapitäne in der Flüchtlingspolitik bewundernd hinter der Kanzlerin stehen. Dies alles unter der Fahne der schlechhinigen Barmherzigkeit.

Nebenbei: es gibt keine Staatsknete. Kein Väterchen Staat wird gemolken, wenn eine Demokratie Gerechtigkeit walten und ihre Schwächsten nicht im Regen stehen lässt. Das Volk füttert sich selbst. Eine Riesendummheit der Deutschen, alle Gebilde vom Absolutismus über Monarchie bis zum Dritten Reich unisono Staat zu nennen. Was sie heute Staat nennen, nannten sie vor kurzem Obrigkeit. Es gibt keine Obrigkeit außer von Gott.

Von einer gewählten Kanzlerin ist Merkel längst zur unabwählbaren Königin der Herzen aufgestiegen. Schäuble erweckt den Eindruck, die Sozialausgaben des Staates seien Gnadengaben aus seinem persönlichen Säckel. All dies hat mit Demokratie nichts mehr zu tun. Das fällt unter die Rubrik: wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand. Es gibt keinen Finanzminister – außer von Gott. Erneut sind wir im Staat der Untertanen angekommen, die einer gottgegebenen Obrigkeit gehorchen müssen.

Deutschland steht unter Wachstumszwang. Immer mehr Konsumenten und Produzenten werden benötigt, um das BIP – tägliches Gebetsbuch der Kanzlerin – ins Obergrenzenlose zu jagen. Unter solchen Perspektiven sind die Fremden für die hiesigen Leitrudel ein Gottesgeschenk.

Europa hätte allen Grund, sich als auserwählten Kontinent zu feiern. Es ist, wie Adam Müller, Chefideologe der Romantiker, es als Vision beschrieb: „Wohlan! So bleibt nichts mehr, so drängt alles zurück in die lange versäumte Mitte, in den Mittelpunkt der Familie, des Staates, der Menschheit, der Weltgeschichte, demnach zu Christus. Christus, dieser eine im Mittelpunkte der Weltgeschichte stehende Mittler, ist ihm der einzige wahre Universalmonarch.“

Wer widersprach diesen Sätzen? Heinrich Heine, trotz vieler Widersprüche ein Aufklärer und Dichter der Extraklasse, bewies, dass Kunst und Politik nicht inkompatibel sein müssen, wie aristokratische Feuilletons es gern behaupten. In den „Englischen Fragmenten“ will Heine von einer Glorifizierung des Papstes und der Kirche nichts wissen. Den ersteren nennt er den Großpfaffen von Rom, der die Geister gekerkert habe. Nicht das Mittelalter sei das Modell einer besseren Zukunft, sondern die Französische Revolution. Der politische Umsturz sei der Beginn der neuen Ära, ja der ganzen Weltepoche.

Merkels Barmherzigkeitsattitüden, die sich als Politik kaschieren, dienen der Konfessionalisierung und Spaltung Europas. Auch dies ist eine Wiederholung dessen, was vor 200 Jahren im Abendland geschah. „Die Bewegungsrichtung der deutschen und französischen Romantiker ist eine entgegengesetzte. Während erstere sich von ihren aufklärerischen Anfängen lösen und in den Dienst restaurativer Kräfte begeben, entwickelt sich die Geschichte der französischen Romantik von dem ursprünglich katholischen Royalismus fort zu einem Liberalismus, der die Prinzipien der Französischen Revolution in gemäßigter Weise wieder aufnimmt.“ (Paul Lützler, „Europa“)

Deutschland und Frankreich entfernen sich voneinander. Frankreich selbst spaltet sich in eine immer religiöser und autoritärer werdende Mehrheit und eine rebellisch-laizistische Minderheit. Der uralte europäische Kampf zwischen Vernunft und Glauben neigt sich wieder einmal den Unfehlbaren des Himmels zu.

Nun beten sie wieder. Kretschmann für Merkel – und gegen seine eigene Partei. Seehofer für Klöckner – und gegen seine eigene Regierung. Seehofer betet in Oggersheim, um den Segen des Altpatriarchen Kohl gegen seine ungeliebte Nachfolgerin in seine himmlischen Bitten einzuschließen. Der Krieg aller gegen alle wird zum Gebet aller gegen alle. (Seehofer will gar zurück zu Ludwig II. Kein Unwürdigerer soll sein Nachfolger werden als ein Baron von und zu Guttenberg, ein exzellenter Promotionsbetrüger.)

Wenn Kriege und Konflikte dräuen, schwillt die Quote der Gebete, die zum Himmel steigen.

Hat Anne Will sich gefragt, was sie falsch gemacht haben muss, dass die bedrängte Kanzlerin ihr wieder eine Audienz gewährte, die man hierzulande Talkshow nennt?

„Sie haben es mir aber nicht leicht gemacht“, sagte listig die Befragte der Fragerin. Das war ein vergiftetes Lob, ein heimtückischer Gesamtverriss des ganzen Gesprächs: Na, Anne, hab‘ ich Dich nicht wieder nach allen Regeln der Kunst eingeseift? Nach der Sendung stiegen prompt die Sympathiewerte für Merkel. Mit kritisch klingenden Alibibefragungen trägt Will stets dazu bei, das Renommee der Kanzlerin zu heben. Fast alle medialen Muttersöhnchen, die innerlich gezittert hatten, waren überzeugt: Mutter gab sich kämpferisch und blieb unbesiegt. Unbeugsam setzt sie ihren Kurs fort.

Einspruch, sie wiederholt nur störrisch ihre Worthülsen. Ihre Politik konterkariert ihre gebetsmühlenartigen Mantrasätze. Niemals käme Will auf den Gedanken, die Worte der Kanzlerin an ihren Taten zu messen.

Die Öffentlich-rechtlichen sind die besten Sparringspartner der Politiker. Will man sich denn „weh tun“, wenn man sich ständig auf dem Parkett der Mächtigen trifft und sich nicht unsympathisch findet?

Noch nie gab es eine öffentliche Disputation, in der Merkels Politik auf Herz und Nieren geprüft worden wäre. Merkel kann nicht debattieren, sie fertigt mit windigen und autoritären Floskeln ab. Merkel gewährt Audienzen. Sei es ausgewählten Untertanen, die „Fragen stellen dürfen“ oder der sympathischen Anne, die alles unternimmt, um die bleiche, tapfere Magd des Herrn den Untertanen ans Herz zu legen.

„Man muss nur an sich glauben, „dann kann man auch Berge versetzen“. (FAZ.NET)

Kann der Selbstverrat der Kanzlerin deutlicher sein als mit dem Wunderglauben des Neuen Testaments? Sie macht keine Politik, sie wandelt in den Fußstapfen ihres Herrn und Heilands.

„Und wenn ich weissagen könnte und wüßte alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, also daß ich Berge versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.“

Nur mal so gefragt: hat sie denn Liebe zu den Menschen – oder benötigt sie gute Werke, um sich in Geschichtsbüchern ein Plätzchen zu erkiesen? Die mächtigste Frau der Welt will die Welt nicht verändern, das wäre ein hoffnungsloser Fall. Sie braucht Material ihrer Nächstenliebe, um mit Ablass-Tugenden die Seligkeit zu erringen.

»Es ist eine Zeit, eine Herausforderung, die habe ich mir nicht ausgesucht. … Das ist genau das, wovor ich jetzt Angst habe, wenn der eine seine Grenze definiert, muss der andere leiden. Das ist nicht mein Europa«, sagte Merkel. »Wir müssen Europa zusammenhalten und Humanität zeigen.« Griechenland sagte sie umfassende Hilfe zu. »Dieses Land können wir doch jetzt nicht im Stich lassen.« Man habe das Land nicht im Euro gehalten, um es jetzt fallenzulassen. »Ich glaube, dass ich Deutschland diene«, so Merkel.“ (SPIEGEL.de)

Wer dient, hat Recht. Nachfragen an eine Dienende können nur blasphemisch sein:

„So jemand will unter euch herrschen sein, der sei euer Diener; und wer da will der Vornehmste sein, der sei euer Knecht, gleichwie des Menschen Sohn nicht gekommen ist, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene.“

Humanität ist eine Kategorie der politischen Vernunft. Merkel betreibt das genaue Gegenteil: christlichen Situationsgehorsam. Die Herausforderung hat sie “sich nicht herausgesucht“. Gott hat sie ihr vor die Füße geworfen. Hätte er nicht, würde Merkel noch heute ein gut integriertes palästinensisches Mädchen kaltschnäuzig nach Hause schicken. Mit Palästinensern hat sie es ohnehin nicht. Wer nicht Gottes Siegel an der Stirn trägt, hat bei der Dienerin des Herrn keine Chance.

Wenn Deutschland und Europa nicht ticken, wie Merkel will, dann ist das nicht „mein Land, mein Europa.“ Geht’s noch gigantischer? Von Rede zu Rede wächst Merkels demütiges Ich ins Gößenwahnsinnigere. Sie nähert sich bereits Hegels Ich, das identisch war mit dem Objektiven Geist: wenn Tatsachen nicht mit Hegels Ideen übereinstimmen, umso schlimmer für die – Tatsachen. Wenn Europa nicht mit Merkel übereinstimmt, umso schlimmer für Europa.

Solche gottähnlichen Sätze mitten in einer Demokratie – und niemand fordert die Unvergleichliche auf, ihr Bündel zu packen, um Bienen auf dem Land zu züchten. Sie behauptet sogar, mit ihrer no bail out-Politik Griechenland geholfen zu haben. Ist das lutherischer Zynismus, hegelianischer Weltgeist – oder Black out einer Dienerin, der die Gottähnlichkeit zu Kopfe gestiegen ist?

Etwas kritischer wird die WELT:

„Angela Merkel hat oft „Ich“ gesagt in dieser Sendung – „ich“ bemühe mich um die Türkei, „ich“ versuche Fluchtursachen einzudämmen, ich … (irgendwann schwenkt sie dann zum „wir“ um): Das ist doch Hybris.“ (WELT.de)

Wir schaffen das? Ich schaffe das. Und wenn ihr nicht funktioniert und pariert, mache ich das bisschen ohne euch. Dieses Ich ist nur noch mit Max Stirners Ich vergleichbar:

„Ich entscheide, ob es in Mir das Rechte ist, außer Mir gibt es kein Recht. Möglich, dass es darum den Anderen noch nicht recht ist; das ist ihre Sorge, nicht Meine.“

Welch himmlischer Zufall, dass im gleichen Moment, da die Magd Gottes die deutsche Demokratie in eine mittelalterliche Theokratie zurückverwandelt, die Richterin eines Amtsgerichtes im frommen Münsterland das Urteil über einen „Gotteslästerer“ sprach:

„Was Sie taten, ist strafbar, das hätten sie wissen können. Gerade der Papst und das Kreuz sind zentrale Elemente des katholischen Glaubens. Ich sehe darin keine Kunst. Die Meinungsfreiheit wird durch §166 Grenzen eingeschränkt. Der Aufklärung sind Grenzen gesetzt.” (BILD.de)

Gut zu wissen, wer hierzulande die Geschichtsepochen bestimmt. Es sind die Juristen, die das Böckenförde-Diktum realisieren. Demokratien, so der katholische Oberjurist aus Freiburg, können aus eigener Kraft nicht existieren. Ohne göttliche Gesetze müssen sie zugrunde gehen.

Hat Böckenförde je von der athenischen Urdemokratie gehört, die eine heidnische war? Sein anmaßendes Diktum wurde zum Dogma deutscher Intellektueller, auch von „Aufklärer“ Habermas.

Wer solche Aufklärer hat, braucht für Gegenaufklärer nicht zu sorgen. Dass zentrale Elemente des Papismus identisch seien mit den Grundlagen einer säkularen Demokratie: das hat man schon lange nicht mehr gehört.

Vielleicht hätte die Richterin die Ausführungen ihres Kollegen Fischer In der ZEIT lesen sollen – wo er die ersatzlose Abschaffung des ganzen Paragraphen fordert:

„Gott – jeglicher denkbare Gott – mag alles Mögliche benötigen, aber gewiss keinen Straftatbestand im deutschen Strafgesetzbuch, der seine „Lästerung“ verbietet. Dem Strafrecht unseres Staates geht es nicht um Gottgefälligkeit, sondern um den „öffentlichen Frieden“. „Ein Ärgernis bereiten“ ist die Tathandlung. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass sich Gott oder der Heilige Geist „ärgern“. Das „Ärgernis“ ist ein ganz und gar irdisches, und Gott hat damit nicht das Geringste zu tun. Immerhin hat seit 1871 noch kein Gericht, das einen Fall des Paragrafen 166 StGB zu verhandeln hatte, zunächst eine sozialwissenschaftliche Umfrage darüber durchgeführt, wie sich die Bevölkerung „fühle“. Und es gibt in solchen Verfahren auch keine Beweisanträge, die auf eine derartige Beweiserhebung abzielen. Erstaunlich an den Forderungen nach Verschärfung ist die Behauptung, in Deutschland sei es insbesondere der christliche Glaube (und, rätselhafterweise, vor allem dessen katholische Variante), dessen Anhänger durch „Beschimpfung“ verletzt würden. Vertreter dieser Ansicht können sich offenbar nicht vorstellen, welches Maß an öffentlicher Lächerlichkeit Angehörige anderer, fremder Religionen ertragen müssen: Kaum ein Mensch macht sich Sorgen über die „Beschimpfung“ von Naturreligionen oder religiösen Vorstellungen aus fernen Ländern.“

Wie aber steht es mit dem Ärgernis, den die Erlöser der Welt bereiten? Wer ihrem Glauben widerspricht, landet in der – Hölle. Das ist die schrecklichste Strafe, die sich ein Menschengehirn ausdenken kann.

Wer heute aus der katholischen Kirche austritt, erhält einen geharnischten Brief mit der Auskunft, der Glaubensabtrünnige erhalte keine Sakramente mehr. Unausgesprochen bleibt die Folgerung: ohne Sakramente muss jeder ins ewige Feuer.

Dies Schicksal traf bis vor kurzem jeden Säugling, der ungetauft starb. Das ist die aparte Ergänzung zur Pädophilie – nämlich Misopädie. Gab es je einen grässlicheren Hass gegen Kinder als unter Priestern?

Heilige Männer der Zukunft brauchen keine Kinder. Sie brauchen Steine und Intelligenzmaschinen.

„Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.“

Aus Steinen, Dreck und sonstigem Geröll maschinelle Kinder herstellen, nennt Silicon Valley: kreative Gestaltung der Zukunft.

Robotern und Richtern, die das Ende der Aufklärung einläuten, muss das Handwerk gelegt werden.

 

Fortsetzung folgt.