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Europäische Idee XVII

Hello, Freunde der europäischen Idee XVII,

der garstige Graben verläuft mitten zwischen den beiden europäischen Eckpunkten: creatio ex nihilo und – ex nihilo nihil fit, der Schöpfung aus dem Nichts – und: aus nichts wird nichts. Europa übernahm das griechische Prinzip der Kausalität: aus nichts wird nichts, um Wissenschaften zu entwickeln und das biblische Prinzip, alles aus Nichts, um dem Mann mit Hilfe der Wissenschaften die wunderbar und göttlich scheinende Herrschaft über die Erde zu sichern.

Die Weisheit der Frauen bediente sich natürlicher Kausalität, um sich ein kluges Leben in Eintracht mit der Natur zu erarbeiten. Der unweise Mann nutzte die kausalen Wissenschaften, um sich akausale Allmacht über die Natur zu sichern.

Das kausale Prinzip – weit entfernt, den Menschen als Naturwesen an die Kette der Ursachen zu legen – verhalf dem Menschen zur autonomen Schicksalsgestaltung. Erkennt der Mensch die Ursachen seiner Nöte und Probleme, kann er sie mit Hilfe der Ursachenerkenntnis korrigieren und lösen. Naturerkennend wird er fähig, sich von fremdleitenden Mythen zu verabschieden und die wahren Ursachen der Dinge zu erforschen.

Mythen sind frühe Annäherungen an die Kausalität: Ursachen werden in Bilder gegossen. Doch solange sie Göttern und übernatürlichen Mächten vorbehalten werden, bleiben sie dem Menschen unverfügbar und heteronom.

Der Weg der griechischen Aufklärung ging vom Mythos zum Logos, von fremdbestimmter Göttererzählung zur selbstbestimmten Lebensgestaltung durch Anwendung des Kausalitätsprinzips.

Mythen sind aufklärungsfeindlich, solange sie die Suche nach Kausalitäten bei unerforschbaren, übernatürlichen Mächten still stellen. Mythen, die sich damit begnügen, Kausalitäten nur bildlich zu begleiten, ohne sie künstlich zu stoppen oder die Verantwortung des Menschen übermenschlichen Kräften zu übertragen, bleiben

rein dekorativ, nach Belieben auswechselbar und vernunft-neutral. Solange Bilder sich nicht erdreisten, das kausale Erforschen gefangen zu nehmen und die Autonomie des Menschen zu bekämpfen, solange bleiben Vernunft und „Glauben“ kompatibel.

Einen solchen Glauben kann man irrational nennen. Irrational aber kann zwei Bedeutungen annehmen: übervernünftig und widervernünftig. Solange irrationale Bilder zum Forschen anregen und das selbständige Denken der Menschen nicht unterdrücken, sind sie übervernünftig. Unterdrücken sie aber die Weisheit der Menschen und widersetzen sich der denkerischen Überprüfung durch Menschen, sind sie vernunft- und autonomiefeindlich.

Der christliche Glaube ist mit Vernunft nicht vereinbar, denn die göttliche Weisheit hält es für richtig, die Weisheit der Menschen zu vernichten. Zur Sicherung ihrer weltlichen Macht übernahmen die Kirchen manche logischen und wissenschaftlichen Methoden der Griechen, doch in übernatürlichen Seligkeitsfragen wurde die Weisheit der Welt als Erfindung des Teufels gebrandmarkt.

„Sobald die Wahrheitsfrage gestellt ist, die schon als solche einen Zweifel in sich schließt, beginnt die Auseinandersetzung von Mythos und Logos, dann schickt sich der Logos an, die Gebilde der Phantasie auf ihren Wirklichkeitswert zu prüfen, die Vorstellung von ihren übernatürlichen Wirkungsweise durch Erforschung der natürlichen Ursachen der Dinge in folgerichtigem kausalem Denken zu ersetzen. Gegenüber der ursprünglichen Mythisierung des Weltgeschehens beginnt mit Erwachen des Logos eine fortschreitende „Entzauberung“ oder „ Entheiligung“ der Welt und ihre zunehmende Beherrschung durch Berechnung. Der so verstandene „Rationalismus“ ist eine notwendige Erscheinung jeglichen normalen Geisteslebens. Aller wirkliche Fortschritt in der Welt ist im letzten Grunde durch Rationalismus erwirkt.“ (Wilhelm Nestle, Vom Mythos zum Logos)

Auch hier sollten wir werden wie die Kinder. Von Märchen können sie sich verzaubern lassen, ohne unfähig zu werden, sie auf reellen Wirklichkeitsgehalt zu überprüfen. Bilder sind nicht per se Feinde des Denkens. Naturreligionen widersprechen nicht rationalem Forschen und Denken. Natur kann man als Bacha Mama verehren, ohne sein kritisches Denken zu beeinträchtigen.

Gute Mütter freuen sich über die Denkfähigkeit ihrer Sprösslinge, sie haben keine Angst – wie allmächtige Vatergötter –, von ihnen überrundet und in den Schatten gestellt zu werden. Sie sind nicht eifersüchtig auf die Fähigkeiten ihrer mannigfachen Kinder, sich untereinander zu nützen, als ob ihre mütterliche Kompetenz überflüssig werden könnte.

„Ich bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Geschlecht an den Kindern derer, die mich hassen, der aber Gnade übt bis ins tausendste Geschlecht an den Kindern derer, die mich lieben und meine Gebote halten.“

Juristisch haben wir nicht nur eine verheerende Sippenhaftung und eine noch absurdere Sippenverherrlichung vor uns, wir erleben auch die Selbstentlarvung eines höheren Wesens ohne Selbstbewusstsein. Kinder werden zu Anhängseln ihrer Väter und büßen eine Schuld, die nicht die ihre ist. Noch schlimmer: dank dem Verdienst ihrer Väter werden sie für lange Zeit von aller Schuld befreit – und wären sie die größten Sünder.

Die Deutschen der Gegenwart denken gern in „Bildern“. Was sie nicht in Bildern fassen, können sie nicht erfassen. Die Lieblingsfrage aller Interviewer: was hat das Bild mit Dir gemacht? Das ist nicht nur tiefenpsychologische Auflehnung gegen das theologische Bilderverbot, sondern eine Absage an rationales Denken. Seit der romantischen Ablehnung der Aufklärung ist Denken kaltes und degeneriertes Vernünfteln oberflächlicher Zivilisationen – im Gegensatz zu tiefem blutmäßigem Anempfinden einer geheimnisvollen heiligmäßigen Kultur.

Der Historiker Fritz Stern spricht von tiefgehender Verdummung der amerikanischen Öffentlichkeit, auch die Deutschen würden ihren Vorbildern immer ähnlicher werden. Menschen sind von Natur aus nicht dumm. Auch nicht die durch eigene Schreckenstaten pathologisierten Deutschen. Wie kommt es, dass sie sich zunehmend verdummen lassen? Weil sie unlösbar scheinende Weltprobleme aufgetürmt haben, die sie verleugnen müssen, um nicht in Depressionen zu versinken. Weil ihr Gott eigenständiges Denken verbietet und blinden Glauben fordert.

„Ich bin mit der Politik von Angela Merkel 100%ig einverstanden“, sagte der STERN-Journalist Jörges bei Anne Will. „Kritisieren muss ich allerdings ihre Art, immer mehr im Alleingang zu entscheiden.“

Wer etwas zu kritisieren hat, kann mit dem Anderen nicht 100%ig einverstanden sein. Niemand widerspricht, niemand hakt ein. Deutsche Talkshows als öffentlich zelebrierte kollektive Dummheiten. Begriffe werden nicht geklärt, Widersprüche erhöhen nur den rhetorischen Mehrwert der Monologe.

Dem Pöbel bescheinigen die Eliten in beflissenen Medien, sie würden die komplizierte Moderne immer weniger verstehen. Wie viel sie selbst verstehen, kann man den akkumulierenden Weltkrisen entnehmen, die sie zu verantworten haben. Sollte die Gattung eines Tages im Orkus verschwinden, werden freundliche Aliens den Nachruf verfassen: hier ruht eine seltsame Tierart, die sich als wissend und weise – homo sapiens – definierte. In Wirklichkeit starb sie als Gattung, die ihr Leben nicht verstand.

Verantwortlich handeln kann man nur durch Erforschen jener Ursachen, die unser Tun aus dem Dunkeln bestimmen. Bleibt alles geheimnisvoll, übergeben wir unser Geschick numinosen Mächten.

Bei Platon wählte selbst die pränatale Seele ihr künftiges Seelenlos. Platon muss Heideggers Geworfenheit leichtsinnigerweise ignoriert haben. „Nicht euch wird ein Dämon erlosen, sondern ihr werdet euren Dämon wählen. Die Verantwortlichkeit liegt bei dem Wählenden, Gott ist nicht verantwortlich.“ Auch für Aristoteles versteht es sich von selbst, dass der Mensch sein Leben eigenständig bestimmt.

Für Epikur war es unverständlich, wie manche Philosophen die Lehre von der Heimarmene (Unabwendbarkeit des Schicksals) einführen konnten. Mit der freien Entscheidung des Menschen sei sie unvereinbar, würde jede Sittlichkeit aufheben und bedeute eine Tyrannei, die viel härter sei als die geglaubte Herrschaft der Götter. Selbst Zenon, sein stoischer Gegner, erkannte rückhaltlos an, dass ohne freien Willen Lob und Tadel sinnlos und eine freie Sittlichkeit unmöglich wäre. Doch wie war das Problem zu lösen, dass Naturwesen Mensch, natürlichen Gesetzen unterworfen, dennoch frei sein konnte? Auch die französischen Aufklärer sahen den Menschen als Teil der gesetzmäßigen Natur. Dennoch waren sie glühende Verteidiger der Freiheit, die eines Tages die Französische Revolution entfesseln sollte.

Man hat zu kleinliche Vorstellungen vom freien Geist der Menschen, der sich der polymorphen Gesetzmäßigkeit der Natur bedient, ohne sich einem despotischen Monowillen ergeben zu müssen. Nur ein freies Leben kann sich von der Freiheit des Lebens überzeugen. Eingebettet sein in natürliche Gesetze und dennoch frei sein – das sind keine Widersprüche. Weder müssen wir deduzieren, dass es uns gibt, noch, dass wir freie Wesen sind.  

Einführungen in die Philosophie beginnen nicht selten mit der listigen Frage: Sind sie sicher, dass es Sie gibt? Könnte es nicht sein, dass Sie ein Traum sind? Warum gibt es etwas und nicht vielmehr nichts: wer die tiefsten metaphysischen Fragen nicht beantworten kann, der ist für die Philosophie nicht geschaffen.

Wenn die Selbstzweifel einer dem vitalen Leben entfremdeten, religiösen Gattung so eskalieren, dass sie kaum sicher sein kann, ob sie existiert, dann muss die Gattung sich durch regelmäßige Todesrisiken vergewissern, dass sie noch einmal davon gekommen ist. Das „Wettrennen der Feiglinge“ in James Deans Film „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, ist das Lebenriskieren von Menschen, die nicht mehr empfinden, ob sie noch leben oder schon tot sind. Das abendländische Leben, seit zwei Jahrtausenden ein Lazarett, hat sich mehr den Abstell- und Todeskammern genähert als dem genesenden Dasein in blühenden Auen der Natur.

Bei Anne Will gestattet Oskar Lafontaine sich die Freiheit, auf die übertägigen, langfristigen Ursachen der Syrienkrise hinzuweisen, weshalb die merkeltreue BILD ihm einen Ego-Trip vorwirft. Auch die Moderatorin will ihn stoppen. Ein Thema besprechen, heißt hierzulande, die ewig gleichen Tagesphrasen abzuspulen. Die Vergangenheit darf nicht befragt werden, man muss in die Zukunft schauen. Wie bewusstseinslose Eintagsfliegen hangeln wir uns von Tag zu Tag.

„Eigentlich ging es um die Asylpolitik der Bundesregierung und Merkels Kurs, doch Linken-Politiker Lafontaine nutzte die Gelegenheit für einen Rundumschlag zur Außenpolitik. „Es nützt ja nichts, wenn wir hier Gesetze machen, während in Syrien Bomben fallen“, ereiferte er sich. Doch die Bomben von Russlands Präsident Putin und Syriens Diktator Assad, die für Hunderte tote Zivilisten verantwortlich sind, meinte Lafontaine offenbar nicht. Die Bundesregierung hätte demnach sagen sollen, „wir machen die Rohstoffkriege der Amerikaner nicht mit.“ Die wären für einen großen Teil der Konflikte verantwortlich.“ (BILD.de)

Savoir pour prevoir pour pouvoir, wissen, um vorauszusehen, um zu entscheiden: Comtes Motto bezieht sich nicht auf prophetisches In-die-Zukunft-schauen. Voraussehen kann nur, wer die Ursachen der Vergangenheit erkennt, die sich bis in die Zukunft erstrecken werden – wenn der Mensch sie nicht zuvor durchschaut und korrigiert. Lernen ist ein Akt, der Vergangenheit erkennt, um Zukunft zu gestalten. Wer Vergangenheit ignoriert, weil er sich täglich neu erfinden muss, der hat seine Zukunft bereits hinter sich.

Ist der Mensch überhaupt ein lernfähiges Wesen? Nicht der Mensch, der vom Weibe geboren ist, sagen männliche Zukunftsgewinner, die ihre eigenen Kinder zur Welt bringen: die Intelligenzmaschinen, die nicht nur den Programmierungen ihrer Erfinder gehorsam bleiben, sondern eigene Gedanken entwickeln können.

Der Geschlechterkampf kommt in seine entscheidende Phase. Während die Säuglinge der Frauen immer mehr zu mütter-unverträglichen Monstern dämonisiert werden, werden die Sprösslinge der Männer als klinisch reine Titanen der Zukunft bewundert. Sie werden nicht nur selbständig lernfähig sein, sondern die herkömmlichen Menschen in jeder Hinsicht überragen. Jene Menschen, die von Frauen geboren wurden.

„Tatsächlich können wir schon künstliche Wissenschaftler der rudimentären Sorte bauen. Die haben ein lernendes Weltmodell, versuchen vorherzusagen, was passiert, wenn sie dies oder jenes tun, versuchen, die Daten, die sie dabei erfassen, zu komprimieren, so wie Einstein, Newton oder Kepler das erfolgreich betrieben haben durch das Entdecken einfacher mathematischer Naturgesetze. Das künstliche neuronale Netzwerk das die Experimente erfindet, die zu Daten führen, aus denen man was lernen kann, bekommt dafür interne Belohnungen, motivierende Freudensignale, die es versucht zu maximieren. Der Wunsch nach Selbstständigkeit ist damit schon ins System eingebaut – es setzt sich bis zu einem gewissen Grade seine eigenen Ziele, wie ein Kind, hat also schon eine gewisse Freiheit. Wir sprechen auch von artificial curiosity, künstlicher Neugier.“ (SPIEGEL.de)

Christian Stöcker, Verfasser des Artikels, versteckt seine Bewunderung für den hochintelligenten Robotererfinder in die Bemerkung: Er hat keine Angst vor superintelligenten Maschinen Jürgen Schmidhuber ist einer der führenden Forscher in Sachen künstliche Intelligenz. Hier erklärt er seine Zuversicht und warum das All für Roboter gemacht ist.“

Eine seltsame Werbung des männlichen Schreibers für den männlichen Erfinder einer neuen perfekten Kindergeneration: der Kinder ohne Zutun schwacher Frauen, rein dem Kopf der Männer entsprungen. Wenn der Creator keine Angst hat vor seinen eigenen Geschöpfen, sollte man eher vermuten, dass er sein Werk in trunkener Entdeckerfreude mehr über- als unterschätzt. Doch Männer haben es nicht so mit weibischen Selbstzweifeln. Sie strahlen in auratischer Zuversicht.

Männer haben auch keine Angst vor der Zukunft, die sie mit eigenen Geschöpfen bevölkern. Wovor hat Schmidhuber Angst?

„Mehr Angst habe ich vor anderen Menschen, die mir ähnlich sind, und daher ähnliche Ziele haben, und damit vielleicht auch einen Grund, sich mit mir zu streiten.“

Menschen mit gemeinsamen Zielen sind unverbesserlich streitsüchtig und gefährlich. Das nannte man in theologischen Kreisen: der Mensch, vom Weibe geboren, ist ein irreversibler Sünder. Doch nun kann ihm geholfen werden: durch Abschaffen seiner überholten, den Weltraumanforderungen der Zukunft nicht mehr angemessenen Gattung.

Der homo novus, er lebt, blüht und gedeiht in den Laboren schwangerer Männergenies. Die Erde, der alte Planet, mag noch eine Weile die Heimat des alten Menschen bleiben. Doch das Kind der Frauen ist schon jetzt ein aussterbendes Übergangswesen. Die Zukunft gehört dem stählernen, vor Intelligenz vibrierenden, fehlerlosen Sohn des göttlichen Mannes:

„Die wahre Zukunft im Weltraum gehört nicht den Menschen, sondern der künstlichen Intelligenz. Sehen wir die Menschheit als bedeutende Stufe für den nächsten Schritt des Universums hin zu immer unfassbarerer Komplexität.“

Erfassen wir, was vor aller Augen geschieht? Der bisherige Mensch wird verloren gegeben, er ist schon abgeschrieben und tot. Die Zukunft gehört Wesen, die niemand kennt und von ihren Erfindern erfahrungslos in den Himmel oder den Weltraum gehoben werden.

Wird die Menschheit gefragt, ob sie diesen Männerphantasien folgen will? Nein, Fortschritt ist jene geschichtliche Gewalt, die sich dem Votum der Menschheit entzieht und sich ohne Debatte und Opposition durchsetzen darf.

Ähnliche Despotien nannte man früher totalitäre Bewegungen. Heute sind die futurischen Faschismen als unvermeidliche Bewegungen rund um den Planeten anerkannt. Widerspruch? Zwecklos. Solche KI „scheinen unaufhaltsam.“ Wer sich ihnen in den Weg stellt, wird von ihnen aus dem Weg geräumt.

Oder doch nicht? Sind sie nicht harmlos und wollen nur das Gute? Schmidhuber ist erstaunt, dass der Interviewer sich vor allem für „mögliche Gefahren der Zukunft“ interessiert. Ach der Kleingläubige. Weiß er nicht, dass KI reine Gutmenschen sein werden?

„Eine solche wohlmeinende KI, die das Leben erforscht, wird wohl auch höchst interessiert sein an der durch Menschen geprägten Übergangsphase vom nicht so intelligenten Leben hin zur KI selbst. Sie wird verstehen wollen, wie menschliche Gesellschaften funktionieren: Was treibt die an? Wie schuf ihre technologische Zivilisation schließlich die ersten KIs? Ich kann nicht sehen, welches Motiv ein vernünftiger – unter Umständen auch künstlicher – Wissenschaftler haben könnte, Vertreter dieses hochinteressanten Teils seiner Geschichte zu eliminieren, so wie in gewissen Schwarzenegger-Filmen.“

Sie sind gutmeinend, vernünftig und neugierig auf das Funktionieren menschlicher Gesellschaften, die sie besser organisieren werden als die Sündenkrüppel der Vergangenheit.

Welche Probleme bleiben übrig, wenn die Zukunft der übermenschlichen Intelligenz sich im Weltraum abspielen wird. Flüchtlings-, Klima-, Ressourcenverteilungs-, wirtschaftliche Knappheits- und ungerechte Verteilungsprobleme? Nicht mit KI. Nicht im neuen Himmel, der von menschlicher Unvollkommenheit nicht affiziert sein wird. Das Männergenie löst alle Probleme auf Erden, es wird zum Erlöser der Menschheit.

Als Gott seinen Sohn erzeugte, vollzog er die Zeugung telekinetisch. Die Frau als Sexualobjekt war überflüssig, sie musste den Heiligen Balg nur austragen. Der KI-Forscher der Gegenwart hat diesen Gott übertroffen. Die Frau in ihrer biologischen Überholtheit braucht er in keiner Weise mehr. Die neuen Roboter werden selbstreplizierend sein. Wie meinen?

Selbstreplikation ist ein Prozess in einem System, durch den ein Objekt oder eine Struktur eine Kopie von sich selbst herstellt. Die Selbstreplikation bezeichnet im Unterschied zur Autoreplikation dabei eine vollständig autonome Vervielfältigung ohne äußere Hilfe.“ (Wiki)

Womit wir uns der Sphäre der creatio ex nihilo ziemlich angenähert haben. Schon die ersten Menschen, die Gott aus dem Nichts erschuf, hatten sich dem Gott gleich gestellt: Seht, der Mensch ist worden wie unsereiner. Der zweite paradigmatische Mensch, der Sohn als Erlöser, hatte den Erzeuger überholt. Ihm gelang, was dem alten Vater völlig misslang. Er konnte den defekten Menschen erlösen. Nun der dritte und letzte Streich des Creators ex nihilo: die neue Kreatur wird den Weltraum erobern und den alten kaputten Sünder auf der alten kaputten Erde zurücklassen.

Der Wandlungsprozess des christlichen Glaubens zur Wissenschaftsreligion erlebt sein letztes unübersteigbares Gloria in excelsis.

Die Zeitgenossen Newtons hatten den Fortschritt als Prozess der Selbsterlösung in allen Einzelheiten vorausgesehen. Während die Deutschen durch Religionskriege in innovativen Tiefschlaf versanken, hatten die Gottesgelehrten der neuen englischen Weltmacht das geplapperte Credo bereits in technische Visionen übersetzt. In Fergusons „Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft“ erscheint der Fortschritt „gradlinig und unausweichlich, als kollektive Selbsterlösung der Menschheit.“ (Friedrich Wagner, Die Wissenschaft und die gefährdete Welt)

Die unendliche Welt des Schöpfens aus dem Nichts ist dabei, die begrenzte Welt endlicher Kausalitäten zu beerdigen. Natürliche Ursachen und Frauenkinder als brüllende und nervende Mängelwesen sind perdu. Der neue Mensch als überintelligente Maschine wird das Wunderkind des Mannes sein.

Die genialen Maschinen, die sich selbst reproduzieren und vervollkommnen können, sind die Erfüller der christlichen Verheißung eines Neuen Menschen aus dem Geist der Erlösung.

Frauen und Kinder, die ihr von gestern seid: kniet nieder und betet an.

 

Fortsetzung folgt.