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Das Graue IV

Hello, Freunde des Grauen IV,

am Anfang der Zeiten war alles finster.

“Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe.“

In der Mitte der Zeiten wurde alles grau.

„Denn Er ließ die Sonne aufgehen über die Bösen und die Guten und ließ regnen über Gerechte und Ungerechte.“ „Der ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe, der ich Heil wirke und Unheil schaffe, ich bins, der Herr, der dies alles wirkt. „Der HERR tötet und macht lebendig, führt in die Hölle und wieder heraus. Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus dem Kot, daß er ihn setze unter die Fürsten. Er wird behüten die Füße seiner Heiligen, aber die Gottlosen müssen zunichte werden in Finsternis.“

Grau ist das Unentschiedene, das noch nicht vollständig Erleuchtete, das Neben- und Ineinander von Gut und Böse, Gott und Teufel, Licht und Finsternis, Arm und Reich, Erniedrigung und Erhöhung. Wer wird den Endkampf gewinnen: das Licht oder die Finsternis? Wer es nicht weiß, aber dem Licht von Oben glaubt und vertraut, der wird nicht in die Finsternis gestoßen, nicht ins Feuer der Hölle, das vergebens Licht sein will und zur endgültigen Finsternis verflucht werden wird.

Am Ende der Tage wird alles strahlend hell werden. Nicht hell durch die Sonne der Natur, sondern durch den Männergott, der die minderwertige Sonne vernichten

und ersetzen wird.

„Die Sonne soll nicht mehr des Tages dir scheinen, und der Glanz des Mondes soll dir nicht leuchten; sondern der HERR wird dein ewiges Licht und dein Gott wird dein Preis sein. Deine Sonne wird nicht mehr untergehen noch dein Mond den Schein verlieren; denn der HERR wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leides sollen ein Ende haben. Und dein Volk sollen eitel Gerechte sein; sie werden das Erdreich ewiglich besitzen.“

„Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, daß sie scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Und die Heiden, die da selig werden, wandeln in ihrem Licht; und die Könige auf Erden werden ihre Herrlichkeit in sie bringen. Und ihre Tore werden nicht verschlossen des Tages; denn da wird keine Nacht sein.“ „Und es wird keine Nacht da sein, und sie werden nicht bedürfen einer Leuchte oder des Lichts der Sonne; denn Gott der HERR wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

Die Vernichtung der Nacht und der vertrauten Sonne zugunsten eines ewigen Kunstlichts bedeutet die Vernichtung der ganzen Natur. Ob hier, an der Stelle der finalen Naturvernichtung, die frommen Grünen und deutschen Christen auf den Plan treten werden, um gegen den Willen des Allmächtigen die irdische Schöpfung zu bewahren? Halt ein, allmächtiger Berserker! Gegen deinen Schöpferwillen müssen wir deine Schöpfung bewahren?

Gesegnet seien die Tapferen, die dem Herrn in den Rachen greifen. Die Erwählten des Himmels werden Herren des Kunstlichts sein und in alle Ewigkeit regieren.

Die weibliche Natur wird vollständig ersetzt durch die Kunstwelt des Mannes. Der Messias wird zur Sonne, zum unvergleichlichen Licht:

„Und er ward verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie ein Licht.“ „Und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft.“

Die Erwählten selbst werden leuchten wie die Sonne:

„Dann werden die Geretteten im Reiche ihres Vaters leuchten wie die Sonne“.

Das wird auch dringend nötig sein, denn die vertrauten Himmelsleuchten werden wie Ramsch und Plunder entsorgt. Himmel und Erde werden vergehen.

„Bald aber nach der Trübsal derselben Zeit werden Sonne und Mond den Schein verlieren, und Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden sich bewegen.“ „Und ich sah, daß es das sechste Siegel auftat, und siehe, da ward ein großes Erdbeben, und die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack, und der Mond ward wie Blut; und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, gleichwie ein Feigenbaum seine Feigen abwirft, wenn er von großem Wind bewegt wird. Und der Himmel entwich wie ein zusammengerolltes Buch.“

Die erste Schöpfung wird nicht mehr benötigt. Hinweg mit ihr auf den Abfall. Die Moderne ist zur grotesken Müll-Episode geworden, zur selbst produzierten Vorwegnahme der gigantischen Entsorgung der Natur. Ihre babylonischen Mülltürme stinken bereits gen Himmel. Natur war empathischen Menschen wie ein offenes Buch – für Galilei das eigentliche Buch der Offenbarung –, am Ende wird es eingerollt und weggeworfen.

„Denn siehe, des HERRN Tag kommt grausam, zornig, grimmig, das Land zu verstören und die Sünder daraus zu vertilgen. Denn die Sterne am Himmel und sein Orion scheinen nicht hell; die Sonne geht finster auf, und der Mond scheint dunkel. Ich will den Erdboden heimsuchen um seiner Bosheit willen und will dem Hochmut der Stolzen ein Ende machen und die Hoffart der Gewaltigen demütigen.“

Am Ende der Zeiten mustert der Herr die Seinen und führt sie zum Endkampf gegen die Heiden, die sich unter ihren Schmerzen krümmen werden wie Schwangere unter Wehen. Der Jüngste Tag ist die Geburt des Neuen Menschen unter Heulen und Zähneklappern. An jenen Tagen werden gebärfähige irdische Frauen besonders heimgesucht und gequält: wehe aber den Schwangeren.

„Der HERR rüstet ein Heer zum Streit, sie kommen aus fernen Landen vom Ende des Himmels, ja, der HERR selbst samt den Werkzeugen seines Zorns, zu verderben das ganze Land. Heulet, denn des HERRN Tag ist nahe; er kommt wie eine Verwüstung vom Allmächtigen. Darum werden alle Hände laß und aller Menschen Herz wird feige sein. Schrecken, Angst und Schmerzen wird sie ankommen; es wird ihnen bange sein wie einer Schwangeren; einer wird sich vor dem andern entsetzen; feuerrot werden ihre Angesichter sein.“ „Vor ihm zittert das ganze Land und bebt der Himmel; Sonne und Mond werden finster, und die Sterne verhalten ihren Schein. Denn der HERR wird seinen Donner vor seinem Heer lassen her gehen; denn sein Heer ist sehr groß und mächtig, das seinen Befehl wird ausrichten; denn der Tag des HERRN ist groß und sehr erschrecklich.“

a) Vom vorzeitlichen Finsteren über b) die graue Kampfzeit der Heilsgeschichte zwischen Gott und Teufel bis c) zum Ende der Zeiten, das heller sein wird denn 1000 Sonnen – so verläuft das Dreierschema der Geschichte.

Das Licht der Erleuchtung ist heller als natürliches Sonnenlicht. So bei der Bekehrung des Saulus zu Paulus. Das grelle Licht soll den Menschen blenden, auf dass sein Glaube durchs Hören komme. Der blinde und verblendete Mensch sieht nicht, wie er die Natur verschandelt und das Schöne vernichtet. Er schließt die Augen der Erkenntnis. wie ein Blinder lauscht er devot den Botschaften seiner Priester.

Bei den Griechen war Sehen das Hauptinstrument ihrer Wahrheitssuche. Sehen mit sinnlichen und geistigen Augen. Die sinnlichen Augen sehen die volle Realität, die geistigen sehen die Ideen, die dem Sinnlichen Stetigkeit verleihen. Theoria ist Wahrnehmung des Wahren und Schönen. Sehen wir nicht mehr das Schöne der Natur, wissen wir auch nichts über das Wahre und Gute.

Über das Schöne, Wahre und Gute können die naturzerstörenden Fortschrittler der Moderne nur lachen. Ihre Welt wird hässlicher von Tag zu Tag. Nun wollen sie ein Dorf auf dem Mond errichten. Das Dasein in unwirtlich-abstoßender Umgebung erscheint ihnen attraktiver als das wohlvertraute Sein in der schönen Natur.

Nach dem Mond folgt der Mars: wie müssen die Helden des Weltraumes die Mutter Natur hassen. Wen wundert es, dass Rettungsbemühungen der Erde in christogenen Kreisen mit Verachtung und Häme überzogen werden.

„Über dem, da ich auch gen Damaskus reiste mit Macht und Befehl von den Hohenpriestern, sah ich mitten am Tage, o König, auf dem Wege ein Licht vom Himmel, heller denn der Sonne Glanz, das mich und die mit mir reisten, umleuchtete. Da wir aber alle zur Erde niederfielen, hörte ich eine Stimme reden zu mir, die sprach auf hebräisch: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Es wird dir schwer sein, wider den Stachel zu lecken.“

Wen Gott vernichten will, den verblendet er zuerst. Wen der christliche Gott erlösen will, den lässt er innerlich erblinden, damit er nicht sehen kann, was er sieht. Glauben heißt, nicht sehen und dennoch überzeugt sein.

„Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht. Durch den haben die Alten Zeugnis überkommen. Durch den Glauben merken wir, daß die Welt durch Gottes Wort fertig ist, damit nicht etwa aus wahrnehmbaren Dingen das Sichtbare entstanden sei.“ „Denn im Glauben wandeln wir, nicht im Schauen.“ „Denn wir sehen jetzt nur wie mittels eines Spiegels in rätselhafter Gestalt, dann aber von Angesicht zu Angesicht.“

Das platonische Reich der Ideen – keine Gegenwelt zur sinnlich erfahrbaren Welt, sondern deren stählernes Gerüst – expandiert im Christentum zur jenseitigen Welt, die die diesseitige auslöschen muss.

Warum sind wir so matt beim ökologischen Retten der Natur? Weil wir sehen – und doch nichts sehen dürfen. Mit offenen Augen laufen wir verblendet durch die klaffenden Wunden der Natur, die wir ihr seit Jahrhunderten zufügen.

Von Jugendbeinen an werden wir auf gehorsames Hören dressiert. Weshalb die Mächtigen dieser Welt ununterbrochen plappern und Reden schwingen, obgleich sie nichts zu sagen haben. Was wir tun sollen, erwarten wir servil von ständig predigenden Autoritäten, nicht von Impulsen des eigenen Kopfes, zu dem die wunderbare Fähigkeit des Sehens gehört. Habe Mut, dich deiner eigenen Augen zu bedienen. Habe Mut, wahrzunehmen, was du wahrgenommen hast.

Die Moderne ist durchzogen vom Misstrauen gegen alle sinnlichen Wahrnehmungen. In allen Dingen, so prasselt es auf uns ein, täuschen und betrügen wir uns. Nietzsche hat seine Philosophie des Perspektivismus auf der prinzipiellen Täuschungsfähigkeit unserer Sinnes- und Denkorgane aufgebaut. Alles, was wir sehen und erkennen, ist subjektiv verzerrt und entbehrt jeglicher Objektivität. Unsere Subjektivität bestimmt den perspektivischen Verzerrungswinkel unserer Erkenntnisfähigkeiten.

Gibt es keine objektiven Wahrnehmungen unserer Sinne, kann es auch keine objektiven Wahrheiten geben. Nur seltsam, dass Astronomen durch Herausrechnen ihrer „persönlichen Gleichung“ sich auf exakte Datenerhebung ihrer Beobachtungen einigen können. Ja, es gibt es viele Möglichkeiten des Irrens und Täuschens. Aber es gibt noch viel mehr Möglichkeiten, sich durch selbstkritisches Durchschauen unserer Verzerrungen auf gemeinsame Erkenntnisse zu einigen.

Der Perspektivismus ist die Lehre, „dass die Betrachtung der Welt nur individuell durch die jeweilige Perspektive des Erkennenden möglich sei, dass es also keine objektive Erkenntnis gebe.“

Aus einem Lexikon: „Für F. Nietzsche ist der Perspektivismus eine »Grundbedingung alles Lebens«, das immer nur Besonderes begreift. Im pragmatistisch-fiktionalistischen Sinn wird der Perspektivismus auf die besonderen Lebensbedürfnisse und Lebensansprüche des Einzelnen bezogen und damit zum perspektivistischen Subjektivismus umgedeutet (H. Vaihinger). Im historischen Perspektivismus (W. Dilthey) wird er zum Relativismus verfestigt, der in der eigenen Verflochtenheit in eine spezifische geschichtliche Situation mit ihren zugeordneten Blickmöglichkeiten die Bedingungen des geschichtlichen Sehens und Erkennens erblickt (O. Spengler, J. Ortega y Gasset). In biologischer Sicht ist der Perspektivismus als grundlegend für die Umweltlehre erkannt worden (J. von Uexküll).“

Was für ein geballter Quark. Verfügten wir nur über perspektivische Verzerrungen und relative Einsichten – wie könnten wir miteinander leben, miteinander streiten und uns verständigen? Es gibt Konflikte, die aus unterschiedlichen Interessen und weltanschaulichen Differenzen stammen. Wären diese Erkenntnisse aber durch Welten geschieden, wäre der homo sapiens bereits gleich nach seiner evolutionären Erfindung an unüberbrückbaren Kollisionen zugrunde gegangen. Dasselbe gilt für die gesamte Biologie. Wenn jede Tiergattung in ihrer eigenen Welt lebte, für immer getrennt vom Rest der Natur: wie könnten sie seit unendlichen Zeiten in kreisförmigen Symbiosen miteinander auskommen?

Nein, der Mensch soll sich nicht verstehen. Er soll sich nicht verständigen. Seine Vernunft soll keine allgemeine menschenverbindende Fähigkeit sein. Blind und taub sollen die Menschen übereinander herfallen. Wir erkennen uns nicht, wir nehmen uns nicht wahr. Bleibt? Nur das Hören einer unfehlbaren Offenbarung. Ist es nicht aberwitzig, dass just jene Medien, die für Abertausende schreiben, am eifrigsten betonen, dass jeder Mensch seine eigene Sprache spreche und allgemeine Wahrheiten Illusionen von gestern seien?

Bis jetzt konnte die Menschheit sich nicht mal darauf einigen, welche Naturverwüstungen sie verursacht hat. Das wäre konsequent, wenn jeder nur seine subjektive Welt kennen würde.

Die Lehre von den irreversiblen Täuschungen menschlicher Wahrnehmung führen zu babylonischen Sprachverwirrungen, mit denen der Schöpfer frühzeitig für Irritationen und unüberbrückbare Verständigungsblockaden zwischen seinen Geschöpfen sorgte. „Wohlan, lasset uns hinabfahren und daselbst ihre Sprache verwirren, dass keiner mehr des anderen Sprache verstehe.“

Gott will das Tohuwabohu unter den Menschen, damit er das Teile-und-Herrsche-Spiel perfekt exekutieren kann. „Und dies ist erst der Anfang ihres Tuns, nunmehr wird ihnen nichts unmöglich sein, was immer sie sich vornehmen.“

Das ist prophylaktische Kastration der Geschöpfe, damit sie dem VATER nicht über den Kopf wachsen können. Doch das brutale Verbot der menschlichen Diskursfähigkeit genügt noch nicht. Der Mensch soll überhaupt nicht die Schöpfung wahrnehmen und erkennen. Verharmlosend wird vom Bilderverbot gesprochen:

„Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht. Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott.“

Etwas erkennen, heißt, sich ein Bild von etwas machen. Das Bild eines vollkommenen Dreiecks im Kopf des Wahrnehmenden ist Voraussetzung alles theoretischen Erkennens. Wie unterschwellig aufsässig, dass heute sich jeder Zeitgenosse rühmt, nur in „Bildern zu denken.“

Das echte Bild im Kopf ist kein Gegensatz zum abstrakten Denken – wie es von heutigen Bilderdenkern behauptet wird. Die Deutsche Bewegung begann als Aufstand denkschwacher Stürmer und Dränger gegen das abstrakte Denken der französischen Aufklärung. In-Bildern-denken wurde zum Synonym für rauschhafte Schwärmereien und logische Ungereimheiten, zur Quelle dialektischer Breibildung.

Wer klar sieht, sieht das farbige Leben in gestochener Klarheit. Grau ist, was sich der Erkenntnis entzieht. Denkschwache deutsche Poeten müssen alles auf den Kopf stellen. Grau, teurer Freund, ist alle Theorie? Keine Theorie ist grau, wenn sie tut, was ihres Amtes ist: Erkenntnisse vermitteln. Wer Erkennen nicht zu verbinden weiß mit farbiger Realität, hat von der Wirklichkeit nichts erkannt. Grün, teurer Freund, ist alle Theorie. Undurchdachtes und Unerkanntes bleibt grau, weil es sich der Erkenntnis entzieht – und sei es noch so pittoresque.

Weil Gott und seine Gläubigen – also fast alle Intellektuellen des Westens – nichts unterlassen, um die Sprache der Menschen zu verwirren und ihre Denkfähigkeit zu unterminieren, darf man sich nicht wundern, dass sie sich als Hörende des Worts das Monopol der Unfehlbarkeit gesichert haben. Wenn sie sagen: alle Menschen täuschen sich, es gibt keine objektive Wahrheit, alles ist zu komplex, um durchschaut zu werden, sagen sie gleichzeitig: Wir täuschen uns nicht, wir kennen die objektive Wahrheit, wir beherrschen das Komplexe. Die Erkenntnisverbote gelten nur den tumben Horden, die sich anmaßen, den Privilegierten ins Handwerk zu pfuschen.

Die Mängel der Demokratie, dass jeder Tropf glaubt, mitreden zu können, müssen durch raffinierte Denkverbote nachträglich geschreddert werden. Wie simpel, dass der Kapitalismus an allem schuld sein soll – oddr? Die Gesetze der Wirtschaft verstehen nicht mal Experten – oddr? Warum nur werden die Gesetze der Wirtschaft von denselben „Wir-können-nichts-wissen-Experten“ mit verbissenem Hauen und Stechen verteidigt?

Das Heilige, Kern des westlichen Glaubens, darf kein Uneingeweihter verstehen. Da das Heilige auch Kern der Welt sein soll, darf der Nichterleuchtete auch die Welt nicht verstehen. Verstehen heißt den Frommen, der unverdienten Gnadengabe unfehlbarer Erkenntnis teilhaftig zu werden. Das geht nur durch Geheimcode und priesterhafte Initiation.

Als die Jünger ihren Herrn fragten, warum er immer in Gleichnissen rede, antwortete er:

„Darum rede ich zu ihnen durch Gleichnisse. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht; denn sie verstehen es nicht. Und über ihnen wird die Weissagung Jesaja’s erfüllt, die da sagt: „Mit den Ohren werdet ihr hören, und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen, und werdet es nicht verstehen. Denn dieses Volkes Herz ist verstockt, und ihre Ohren hören übel, und ihre Augen schlummern, auf daß sie nicht dermaleinst mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, daß ich ihnen hülfe.“ Aber selig sind eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören. Wahrlich ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt zu sehen, was ihr sehet, und haben’s nicht gesehen, und zu hören, was ihr höret, und haben’s nicht gehört.“

Die Mission des Messias bestand darin, seinen Erwählten in codierter Sprache das Heil und den Nichterwählten in ordinärer Allerweltssprache das Unheil zu bringen. Wer die geheime Botschaft der Gleichnisse dank Inspiration verstand, war gerettet. Wer sich hingegen am Allerweltsbuchstaben festhielt, war für immer verloren.

Das ist die theologische Berechtigung der heutigen Willkürdeutungen. Wer mit dem Heiligen Geist gesegnet ist, kann aus X beliebig ein Y machen. Jede Verdrehung der irdischen Buchstaben ist legitim, wenn Erwählte sie kraft ihres Charismas absegnen. Auch heute noch spricht Gott zu seinen erwählten Schafen. Und also ist ihre von Gott eingeflößte Interpretation sakrosankt.

„Und Jesus sprach: Ich bin zum Gericht auf diese Welt gekommen, auf daß, die da nicht sehen, sehend werden, und die da sehen, blind werden. Und solches hörten etliche der Pharisäer, die bei ihm waren, und sprachen zu ihm: Sind wir denn auch blind? Jesus sprach zu ihnen: Wärt ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; nun ihr aber sprecht: „Wir sind sehend“, bleibt eure Sünde.“

Diese Sätze sind dem sokratischen Kampf gegen die Sophisten nachempfunden. Weil sie weise zu sein begehrten, entlarvte der Hebammendenker bedenkenlos ihre Dummheit und Verbohrtheit. Wahre Erkenntnis begann für ihn stets mit dem Satz: ich weiß, dass ich nichts weiß. Nur auf dem Boden kindlicher Unbefangenheit konnten wahre Erkenntnisse gewonnen werden.

Jesus hingegen war gekommen, Blinde sehend und scheinbar Sehende blind zu machen. Mit dem Herzen verstehen, hieß, im Geist der Offenbarung verstehen.

Seine Gegner als hoffnungslose Fälle zu betrachten, wäre Sokrates nie eingefallen. Dies hätte er als hybride Verwerfung von Menschen empfunden. Seine Gegner – die Sophisten (die Weisen) – wollte er widerlegen, damit sie kluge Demokraten werden, nicht, um sie ihrer Torheit zu überlassen.

Gottes Botschaft führte einen Vernichtungskampf gegen Vernunft und Weisheit der Menschen. Die Philosophie der Heiden war der Hauptgegner der Gottesfürchtigen:

„Sehet zu, ob euch etwa jemand dieses Glaubens berauben will durch Philosophie und leere Täuschung.“

Gottes Weisheit macht jede menschliche Weisheit zur verstockten Torheit. Was weise ist in der Welt, muss vor Gott Torheit und Verblendung sein. Kein Fleisch – also kein Mensch – darf sich vor Gott autonomer Erkenntnisse rühmen. Wer auf selbsterworbene Fähigkeiten stolz ist, wird von Gott gedemütigt und verworfen. Alles durch Gott, nichts ohne Ihn. Der Herr des Himmels will jeglichen Ruhm des Könnens, Wissens, Erlösens, Erschaffens und Vernichtens für Sich allein. Narzisstischer kann man den Gott der Männer nicht entwerfen.

„Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind; und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind. Sehet an, liebe Brüder, eure Berufung: nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, daß er die Weisen zu Schanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, daß er zu Schanden mache, was stark ist; und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, und das da nichts ist, daß er zunichte mache, was etwas ist, auf daß sich vor ihm kein Fleisch rühme.“

Für Ungläubige muss die Welt grau und unerkennbar bleiben. Nur Privilegierten ist der Zugang zur geheimen Botschaft der Erlöser gestattet. Sie allein durchschauen mit begnadeten Augen die Grautöne der verlorenen Welt, sehen schon hienieden die Freuden des Jenseits, mit denen sie eines Tages belohnt werden.

Auf solche Gnadenerkenntnisse muss der autonome Mensch verzichten. Für ihn gilt unverrückbar die kantische Devise: habe Mut, dich deines eigenen, für jeden Menschen überprüfbaren, Verstandes zu bedienen.

Das sind keine Garantien für politische Unfehlbarkeit oder technisch grenzenlose Allwissenheit, aber eine solide Grundlage für faires Streiten, gegenseitiges Verstehen und selbstkritisches Brückenschlagen.

„Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.“

 

Fortsetzung folgt.