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Zynische Offenheit

Hello, Freunde zynischer Offenheit,

bitte anschnallen, meine Damen und Herrn, und die Schusswesten anlegen. Wir verlassen die Epoche bürgerlicher Höflichkeitsrede und überfahren die Grenze zur Epoche des rabiaten und schonungslosen Zynismus, der keine Fragen der Geschichte unbeantwortet lässt.

Die Zwei- und Vieldeutigkeit, die Schwiemel-Komplexität der bisherigen Epoche ist vorbei. Ab 4 Uhr 45 wird zurückgeschossen, so begann der offene Zynismus des Zweiten Weltkriegs.

Wenn Zyniker Fragen beantworten, ist es für den Fragenden meist zu spät. Fragst du einen Zyniker, ob er dich mag, wird er nicht höflich Nein sagen: schon hast du seine Faust im Gesicht. Es gibt auch Zyniker, die das Gegenteil von dem sagen, was sie meinen. Aber nicht aus Schonungs- oder Höflichkeitsgründen. Sondern um dich in eine Falle zu locken. Dort kriegst du hohnlachend die Kugel.

Freuen wir uns, ab jetzt wird Tacheles gesprochen. Ziehen wir uns warm an, ab jetzt wird nicht mehr um den heißen Brei herumgeredet. Fürchten wir uns, ab jetzt werden Worte zu Waffen.

a) Ist der Krieg Israels unverhältnismäßig? fragte Anne Will.

Und der objektive Historiker und Kriegskenner Wolffsohn antwortete in freimütiger Schonungslosigkeit: alle Kriege seien unverhältnismäßig. Unverhältnismäßigkeit sei das Wesen des Krieges. Kriege ließen sich

nicht zivilisieren.

Wir können heulen und Mitleid haben, wie wir wollen. Wenn geschossen wird, wird total geschossen. Die palästinensische Zivilbevölkerung hat Pech gehabt. Israelische Bomben sind offenbar nicht intelligent genug, um zwischen Unschuldigen und Schuldigen zu unterscheiden.

(Hier tun sich gewaltige Forschungsaufgaben für Silicon-Valley auf. Wie erkennen dumme Bomben auf intelligente Art und Weise, wen sie zu treffen haben und wen nicht? In Fragen irdischer Gerechtigkeit sind Menschen heil-los überfordert. Hier müssen intelligente Maschinen her, die es den Menschen zeigen wollen.)

Wenn die Zivilbevölkerung sich als Schutzschild der Hamas missbrauchen lässt, ist sie selbst schuld. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Dass die Zivilbevölkerung keine andere Wahl haben könnte, als sich unter Einsatz des eigenen Lebens den todbringenden Waffen der Feinde auszusetzen – vielleicht in klammheimlicher Hoffnung, die Aggressoren könnten ein Einsehen haben –, das wollte Frau Will partout nicht wissen. Sie wusste nur, dass Menschen den Tod verdienen, wenn sie Ruchloses decken.

Frau Will war sehr streng – zur palästinensischen Emissärin, weniger zu den Apologeten des strengen, aber gerechten Israel. Unter ihnen SPD-Urgestein Dreßler, der nie etwas Genaues wusste, doch viel Genaues glaubte. Dass Israel Unrecht tun könnte, das sei ausgeschlossen: dies glaube er bestimmt. Wen wundert‘s, dass Menschen ihren Verstand ausschalten, wenn‘s um das Ursprungsland des Glaubens geht?

Das Urgestein glaubt auch zu wissen, warum das Westjordanland von Deutschland nicht diplomatisch anerkannt werden kann. Mit Entrüstung in der Stimme – Dreßler scheint sich in einem Zustand zwanghafter Dauerentrüstung zu befinden – warf er dem besetzten und zerstückelten Land vor, besetzt und zerstückelt zu sein. Wie könne ein besetztes und zerstückeltes Land lebensfähig sein? Wie könne ein nicht lebensfähiges Land diplomatisch anerkannt werden?

Da müssen viele Länder Tomaten auf den Augen haben, dass sie das Westjordanland als gleichwertige Nation anerkennen. Warum unterhält Deutschland diplomatische Beziehungen zu vielen Hungerleidernationen in Afrika, die noch immer auf internationale Hilfsaktionen angewiesen sind?

Dem Menschenmaterial der SPD von Dreßler über Schröder bis Gabriel merkt man an, dass Aufsteiger das psychische Profil der Partei prägen. Als diese begannen, heroisch die Jakobsleiter nach oben zu klettern, müssen sie den Entschluss gefasst haben, ihren hinderlichen Verstand an der Basis zurückzulassen, um leichtfüßiger nach oben zu gelangen. Schwierig, solche traumatisch-besetzten und zerstückelten Scheinpersönlichkeiten als Menschen anzuerkennen. Doch wir dürfen die Hoffnung nie aufgeben.

Alle Wahrheiten, so der Zeitgeist, sind relativ. Doch Kriege, so Experte Wolffsohn, können niemals relativ und verhältnismäßig sein.

Jetzt müssen wir das Kunststück fertig bringen, von totalem Krieg zu sprechen, ohne unliebsame historische Vergleiche zu ziehen. Obgleich der Historiker nicht müde wurde, vor gefährlichem Schwarz-Weiß-Denken zu warnen, war seine Kriegstypologie ein Schwarz-Weiß-Gemälde. Entweder Krieg – oder kein Krieg. Alles oder Nichts. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage.

Da scheint der Geschichtsverständige die gesamte Geschichte der UNO verdrängt zu haben. Von der UN und ähnlichen internationalen Vereinbarungen wie etwa dem humanitären Völkerrecht kann Wolffsohn generell nicht viel halten. (Frau Will und Herr Dreßler offenbar auch nicht.)

Die Gründe können wir in einem TAZ-Kommentar von Bernd Pickert nachlesen. Die Genfer Kriegsrechtskonvention hat es gewagt, sich über Wolffsohns unaufgeklärten Absolutismus hinwegzusetzen und den Krieg verhältnismäßig zu machen oder ihm gewisse Daumenschrauben anzulegen.

„Im Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs gelten als Kriegsverbrechen unter anderem „vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche“, „vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte“ und „vorsätzliches Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser auch Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte […] verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen“.

Wie man es auch dreht und wendet: Israels Militäroperation im Gazastreifen ist ein Kriegsverbrechen.“

Allmählich dämmert es, warum Wolffsohn keinen Krieg nach bestimmten Regeln anerkennen kann. Ohne zu zögern müsste er Israel Kriegsverbrechen vorwerfen. Das will er auf keinen Fall, lieber verhöhnt er Völkerrecht, UNO und alle universellen Rechte. Internationale Abkommen, generell geltende Gesetze sind nur für Schwache und Machtlose.

„Was die Welt in Gaza erlebt, ist die Durchsetzung des Rechts des Stärkeren“, so Pickert.

Wolffsohns Plädoyer für einen bedingungslosen Krieg, müssen wir als Indiz für unsere These nehmen, dass wir eine Epoche schonungsloser und zynischer Offenheit betreten. Nicht länger wird in falscher Humanität herumgedruckst, ab jetzt werden Nägel mit Köpfen gemacht.

In Zeiten der doppelten und zwiespältigen Rede muss man ständig zwischen und unter den Zeilen lesen und das Gesagte mühsam in seine Bestandteile zerlegen, um den versteckten Sinn der Botschaft ans Tageslicht zu bringen.

In Zeiten zynischer Transparenz können wir uns diese lästigen Dekonstruktionen ersparen. Hurra, wir gehen lichten Zeiten entgegen. Die Kriege der Zukunft können endlich wieder sein, was sie in der Steinzeit waren: Kriege und nichts als Kriege, wohltuende Säuberungen und Ausdünnungen der Vielzuvielen auf einer Erde, deren Ressourcen zur Neige gehen.

In Kriegen verwandelte sich Gottes Unsichtbare Hand in eine sichtbare und nachrechenbare Größe. Wer die meisten Toten hat, der ist raus.

Sollte Israels privilegiertes Sonderrecht sich in der Welt durchsetzen, wäre die Völkergemeinde dabei, in die anarchischen Ursprünge ihrer Geschichte zurückzukehren. Das Naturrecht der Starken würde alle zivilisatorischen Errungenschaften von Recht und Gesetz vernichten.

Willst du wissen, was sich ziemt, frag nicht bei edlen Frauen an, sondern bei den Machos der Heilsgeschichte. Vielen Dank für das offene Wort, Herr Wolffsohn.

b) Das nächste Beispiel zynischer Offenheit liefert Ungarns starker Mann Orbán.

„Ungarns autoritärer Premier erklärt die westliche liberale Demokratie in seinem Land für beendet. Er will jetzt dem Vorbild Russlands, Chinas und der Türkei folgen.“ (Michal Kokot in ZEIT Online)

Bis jetzt versuchte Orbán, seine illiberalen Vorstellungen dem Schein nach mit europäischen Standards zu harmonisieren. Die Zeiten der Scheinharmonie sind vorbei. Der ungarische Premier und Anbeter des heiligen Stefan, der die heidnischen Magyaren christianisierte, will nicht länger hinterm Ofen mauscheln:

„Am Wochenende hielt Orbán im rumänischen Baile Tusnad eine Rede, in der er seine politischen Vorstellungen nach der im April gewonnen Wahl so unverblümt darlegte wie noch nie. „Die liberale Demokratie ist am Ende. Sie garantiert den ungarischen Familien keinen Wohlstand und keinen Schutz der nationalen Interessen mehr. Der ungarische Staat wird sich nicht weiter an liberale Werte halten“, verkündete er kurz und bündig. Statt den westlichen Mustern zu folgen, sollten die Ungarn lieber in andere Richtungen schauen.“

Erstaunlich, dass diese Meldung nicht in allen deutschen Medien erschien. Muss wohl eine Kleinigkeit sein, dass ein EU-Land sich von der Demokratie abkehrt. Nicht von der liberalen, von der Demokratie überhaupt. Antiliberale Demokratien sind keine.

Noch immer kommt Liberalismus von libertas, der Freiheit. Eine unfreie Demokratie ist ein Widerspruch im Beiwort. Wer unter Freiheit nur die Freiheit der Wirtschaft versteht, die sich auf Kosten einer unfreien Gesellschaft ausagiert, der will eine Ökonomiediktatur und keine freie Republik für freie Republikaner.  

Warum gibt es keine eindeutigen Reaktionen aus Brüssel und den Hauptstädten der EU-Staaten? Wo bleiben Merkel, Lammert und Gauck?

Ungarn wäre das erste Land in der Geschichte der EU, das „mit offenem Visier“ die Prinzipien der Demokratie verletzen würde. Sollte das Land seine antieuropäische und antidemokratische Haltung nicht korrigieren, wären Konsequenzen unvermeidlich.

Der zunehmende Trend wirtschaftlicher Eliten zu postdemokratischen Verhältnissen, die sich an Russland, China, Singapur und der Türkei orientieren, ist bei Orbán zum ersten Mal in frappanter Klarheit zu Tage getreten. Damit ist ein Wendepunkt erreicht, der bislang nicht vorstellbar schien.

Europas undemokratische Vergangenheit erhebt ihr Medusenhaupt und will ihre alte Machtstellung zurückerobern. Die Nachkriegsphase der vorbildlichen Demokratie neigt sich ihrem Ende zu. Nach kurzem Aufbäumen könnte Europa die Geduld mit enervierenden demokratischen Entscheidungsprozessen verlieren.

Die Wirtschaft will sich von demokratischen Reglements nicht mehr bremsen lassen. Der Staat wird an die Seite gedrängt und zum nützlichen Idioten der Mammonisten erniedrigt. Noch scheinen die Machos des Geldes allein die Oberherrschaft über die Staaten anstreben zu wollen. Doch nicht lange, so könnte ein Verdrängungswettbewerb unter ihnen stattfinden, um den einen großen Führer aus der übergroßen Schar starker Männer herauszumendeln.

In der Weimarer Republik träumte Max Weber vom römischen Cäsar mit der christlichen Seele. Aus diesem Holz sollten die Führer der Parteien sein. Nach diesem Vorbild entwarf Weber die Machtfülle des Reichspräsidenten, der in der Gestalt eines Hindenburg eine verhängnisvolle Rolle beim Übergang zu Hitler spielen sollte:

„Um die Macht des Parlaments einzuschränken, wurde das Amt des Reichspräsidenten mit weit reichenden Kompetenzen ausgestattet. Er war in seiner Position mit dem starken Staatsoberhaupt der konstitutionellen Monarchie vergleichbar („Ersatzkaiser“). Der Reichspräsident ernannte und entließ die Reichsregierung und den Reichskanzler, repräsentierte das Volk, ernannte Richter und hatte den Oberbefehl über die Reichswehr. Besonders die Art. 25 (Auflösung des Reichstags) und 48 (Alleinregierung bei starken Unruhen im Land) zeigten sehr deutlich seine starke Machtposition.“

Solange die Wirtschaft von starken Männern bestimmt wird, kann die Gefahr eines Weimarer Übergangs zu dem Einen Großen Mann nie ausgeschlossen werden. Im Dritten Reich konnte man sehen, dass die großen Männer der Wirtschaft, nach erstem kurzen Misstrauen, sich von Hitler & Co mit Leichtigkeit einlullen ließen und mit voller Kraft voraus das beginnende Grauen mit ihrer ökonomischen Kompetenz erst möglich machten.

Vielen Dank für das offene Wort, Herr Orban.

c) Das dritte Beispiel stammt aus der Wirtschaft.

Galt bisher der Nachkriegskonsens, dass Deutschlands soziale Marktwirtschaft deshalb so gut funktioniert, weil sie der Gerechtigkeit am nächsten kommt und die Menschen sich – verglichen mit konkurrierenden Gesellschaftsmodellen – am meisten akzeptiert fühlen, so sorgt nun ein WELT-Artikel dafür, dass dieses Gelaber von der Gerechtigkeit auf den Boden der Tatsachen geholt werde.

„Wachsende Ungleichheit ist nicht notwendigerweise das Symptom dafür, dass etwas schiefläuft. Im Gegenteil, Ungleichheit kann sogar von insgesamt wachsendem Wohlstand künden.“

Der Finanzredakteur Daniel Eckert propagiert ungehemmt das Ende der Gerechtigkeit, die nur dazu beitrage, das Wirtschaftswachstum der Gesellschaft mit unsinnigen Forderungen zu bremsen. Ungleichheit sei der wahre Motor des ökonomischen Fortschritts, nicht das endlose Herumfeilschen um ideologische Gerechtigkeit. Ohnehin wüsste niemand, was Gerechtigkeit sei und jeder habe seine eigene Vorstellung.

Wenn Eckerts neoliberaler Zynismus zuträfe, wäre Ungerechtigkeit die wahre Gerechtigkeit. Der deutsche Neoliberalismus hat den letzten Anspruch destruiert, die Gesellschaft zunehmend gerechter zu gestalten. Von Hayek und von Mises feiern fröhliche Urständ. Schröders Agenda und alle asozialen Maßnahmen zur Bestrafung der abgehängten Schichten wären rehabilitiert.

Obgleich die Weltfinanzkrisen in fulminantem Maß zeigten, dass der Satz: bei steigender Flut heben sich alle Schiffe, ein menschenfeindliches Trugbild war, ignoriert Eckert die jüngste Vergangenheit und reaktiviert alle Herrschaftsträume der ökonomisch Starken.

Hinweg mit dem schlechten Gewissen, wenn die Kluft zwischen Reich und Arm immer mehr steigt. Schluss mit den uralten Menschheitsträumen von einer gerechten Mehrheit. Sagen wir‘s grad heraus: die Gesellschaft der Zukunft wird ungerecht sein oder gar nicht.

Vielen Dank, Herr Eckert, für das klare Wort zum Sonntag.

Wie erklären wir uns die neue Leidenschaft zur zynischen Offenheit?

Die Nachkriegsgesellschaften wollten aus der Katastrophe der beiden Weltkriege gründliche Lehren ziehen und fortan in vorbildlicher Manier humane Maßstäbe des nationalen und internationalen Lebens erproben. Die Maßstäbe waren hoch, aber sinnvoll.

Inzwischen verlieren die Nationen die Geduld mit ihrer eigenen Lernfähigkeit. Es geht ihnen nicht schnell genug beim Streben nach Freiheit und Wohlstand.

Ihre Probleme mystifizieren sie zu unlösbaren überkomplexen Welträtseln. Zusätzlich bläuen ihnen die Gelehrten ein, sie hätten keinen freien Willen. Oder seien lernunfähig. Ihre Theologen und Denker erklären ihnen, dass sie aus eigener Kraft ihr Schicksal nicht meistern könnten. Aus der Geschichte könnten sie nichts lernen.

Aus all dem ziehen die Menschen den Schluss, dass sie ihre moralischen Normen zu hoch angesetzt haben, aber nicht in der Lage waren, ihr Scheitern ehrlich einzugestehen. Das hätte sie zu zwiespältiger Heuchelrede und moralischer Unwahrhaftigkeit geführt. Ergo müsse dieses übermäßige kollektive ÜBER-ICH gestutzt und die Selbstansprüche realistisch reduziert werden.

Die neue zynische Offenheit scheint demnach gar nicht zynisch zu sein, sondern überaus ehrlich und nüchtern. Und doch beharren wir darauf, dass sie zynisch sind.

Warum? Weil die Vernunftfeinde die Müdigkeit des menschlichen Lernens ausnutzen, um die noch immer richtigen Lernziele zu streichen und die Menschheit in die Epochen unfreier, undemokratischer und inhumaner Wesen zurückzuwerfen.

Die Utopie des autonomen Menschen soll eliminiert werden, auf dass der gescheiterte Mensch wieder zurückkehren muss in den Kerker der Eliten und des Klerus. Alle Errungenschaften der Vernunft, alle humanen Einsichten der Aufklärung sollen ausgelöscht werden. Die Menschheit soll Konkurs anmelden, damit selbsternannte Despoten und zwangsbeglückende Herren die Regie übernehmen können.

Die ersten Zyniker der Geschichte waren die Rousseauisten der griechischen Aufklärung mit dem Schlachtruf: zurück zur Natur. In vehementen Worten und barschem Auftreten kritisierten sie die Konventionen einer zunehmend bigotten Kultur. Deshalb nannte man sie Hundlinge oder Kyniker. Antisthenes, ein Schüler des Sokrates und des Gorgias, predigte Einfachheit und natürliche Bedürfnislosigkeit.

Diese kynischen Wanderlehrer in Sandalen waren auch das Vorbild eines gewissen Jesus, der vieles von ihnen äußerlich übernahm. In Wirklichkeit verkehrte er ihre Lehre von der natürlichen Autarkie des Menschen in die Lehre von der totalen Abhängigkeit des Menschen von jenseitigen Erlösern.

Aus Kynikern der irdischen Vernunft wurden Zyniker einer überirdischen Heilslehre.