Kategorien
Tagesmail

… zum Logos XXXIV

Tagesmail vom 18.02.2022

… zum Logos XXXIV,

da sitzen sie auf der Straße, kleben sich fest und behindern den ganzen Verkehr.

Und dies zu keinem anderen Zweck, als nur die Zerstörung der Natur zu beenden und die Menschheit zu retten.

„Wenn man sie so sieht, kein Funken Zweifel in den Augen, erinnert sie an eine Predigerin, die ein Plakat durch die Fußgängerzone trägt mit der Aufschrift: »Das Ende ist nah«. Ein Kind der Apokalypse. Man fragt sich, warum es niemandem gelingt, diese Situation zu deeskalieren. Wahrscheinlich ist es ähnlich schwierig wie mit dem Klimawandel: Die Sachlage ist klar, aber die Politik kann sich nicht einigen.“ (SPIEGEL.de)

Was ist ein Kind der Apokalypse? Eins, das aus Glaubensgründen das Weltende an die Wand malt, als beschreibe es realistisch den Zustand der Menschheit? Oder eins, das mit aller Kraft dieses Weltende verhindern will?

Nur Spott für die Aktivistin aus der Sicht eines coolen Passivisten. „… erinnert sie an eine Predigerin, kein Funken Zweifel in den Augen.“

Was ist der Unterschied zwischen Zweiflern, die an allem zweifeln, nur nicht an ihren eigenen Zweifeln – und Rettern der Welt, die ihre Zweifel durch wissenschaftliche Erkenntnisse überwanden und nun energisch zur Tat schreiten?

Je überzeugter man an den ehernen Gang der Geschichte glauben musste, umso mehr wurden Zweifel zu Sünden gegen den Himmel. Descartes zweifelte vorbildlich an allem – nur nicht an seinem Ich, in dessen Tiefe er seinen vertrauten Gott fand. Der Siegeszug des Abendlands über die Welt konnte Fahrt aufnehmen.

Der postmoderne Zweifel zweifelt an allem, nur nicht am Sinn des Zweifels. Am Aufstieg der Menschheit aber zweifelt er nie.

Es ist wie bei den Medien, die sich unparteilich an nichts beteiligen – um was zu erreichen? Dass die Dinge ungestört jenen Gang gehen, den die Ungläubigen bezweifeln. Sie schauen zu und es geschieht. Ob gut oder schlecht, hat sie in ihrer Beobachterloge nicht zu kümmern. Schau, protokolliere, kümmere dich um nichts – und es geschieht, was geschehen muss.

Verwandle alles in vieldeutiges Flimmern und für deine unklaren Begriffe kannst du nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Die deutschen Mitläufer von Herrenmenschen wurden zu Mitläufern von allem, was sich regt und bewegt – Hauptsache, es scheint erfolgreich zu werden.

Als aktive Mitläufer des Bösen wurden sie schuldig. Als passive Mitläufer des Guten und Fortschrittlichen wird ihre Neutralität gerühmt. Wenn‘s gut geht, waren sie die treuen Protokollanten des Aufstiegs der Menschheit, geht’s wider Erwarten schief, können sie ihre Hände in Unschuld waschen.

Selbst in kleinsten Dingen fühlen sie sich nicht bemüßigt einzugreifen:

„Stau bis zum Horizont. Ein dicker Mann steigt aus einem Nissan Micra und brüllt: »Ihr behinderten Kinder!« Er greift mit beiden Händen den Kragen einer jungen Frau, die nicht festgeklebt ist, und schleift sie über den Asphalt.“

Kommentar des Unparteilichen:

„Man fragt sich, warum es niemandem gelingt, diese Situation zu deeskalieren.“

Das uneigentliche Man steht für das unerkennbare Ich. Gewiss, es ist ein Konflikt, und den Opfern des Konflikts, die nicht pünktlich zur Arbeit kommen, hilft auch niemand. Ja, es ist lästig für Autofahrer, nicht an ihr Ziel zu gelangen.

Doch wie lästig ist es für die Menschheit, wenn Hitzewellen, Wassermangel und globale Bürgerkriege über sie hereinbrechen? Oder sollte man kurzen Prozess machen und lästige Flüchtlinge einfach ins Meer werfen?

Woran aber sollen Kinder der Apokalypse zweifeln, wenn es in der Sache gar nichts zu zweifeln gibt?

„Die Sachlage ist klar.“

Ist sie jetzt klar oder nicht? Sind esoterische Weltuntergangsgläubige nicht wesentlich rationaler als die Gläubigen an einen endlosen Fortschritt, die nicht wissen können, wo ihre Reise enden wird?

Von belanglosen Erkenntnissen im Universum schwärmt der SPIEGEL. Doch wenn sich die junge Generation auf gesicherte Erkenntnisse der Wissenschaft bezieht, um politische Folgerungen zu ziehen, dann wird die Wissenschaft nicht mal erwähnt.

Nebenbei: wo eigentlich bleiben die Wissenschaftler, um den tapferen Protest der „verweichlichten, verzärtelten und narzisstischen Jugendlichen“ zu unterstützen? Einmal waren sie dabei, einmal schrieben sie ein energisches Manifest – dann waren sie wieder verschwunden.

Da schreibt der einstige Klimaberater Merkels die markigen Worte:

„Wenn es also nicht an Wissen und Risikowahrnehmung mangelt, warum handeln Gesellschaften nicht entsprechend? Eine zukunftsfähige Gesellschaft muss immer wieder in wissenschaftlicher Evidenz gebadet werden, im „Blut des erschlagenen Drachens namens Aberglaube“. Nicht nur, um bessere individuelle und kollektive Entscheidungen zu treffen, sondern auch um sich gegen totalitäre Anfechtungen von innen und außen zu schützen.“ (der-Freitag.de)

Wo war sein öffentlicher Protest gegen eine Kanzlerin, die gar nicht daran dachte, den Wissenschaftlern zu folgen, sondern den Stimmungen des Plebs?

„Es ist nicht mehr das Deutschland von Angela Merkel, die den Klimaschutz lange den Konzernen überlassen hat.“

Ach, neue Erkenntnisse, ihr Überparteilichen, die ihr plötzlich vergessen habt, sich mit keiner Sache gemein zu machen? Jetzt, wo eure Kanzlerin weg ist, werdet ihr plötzlich frech und beschmutzt ihren Platz in der Geschichte? Das macht man nicht, das ist unanständig.

Und überhaupt, die Wissenschaftler? Wo sind sie denn, die sich heute in allen Dingen als große Durchblicker aufspielen? Fachlich sind sie den Laien zweifellos überlegen. Aber in der politischen Umsetzung ihrer Laborerkenntnisse? Warum unterstützen sie nicht die Wachsten und Tapfersten im Kampf gegen Naturhass, die Jugend, der man sonst mit Hohn und Spott politische Apathie vorgeworfen hat?

Woher sollten die Deutschen wissen, was wissenschaftliche Vernunft ist? In deutschen Kasernenschulen war es ausgeschlossen, selbstbestimmtes Denken zu erlernen.

Denken heißt Selbstbestimmung seiner Neugierde und Erkenntnisprozesse. Jeder Zwang zum Einpauken uniformer Lernstoffe ist denkfeindlich. Wer nicht die Chance hat, seinen individuellen Weg zu suchen, wird zur Marionette schulischer Obrigkeiten.

Man höre sich die Klagen eines leibhaftigen deutschen Professors an. Warum fiel ein Uni-Test bei den Germanisten so kläglich aus?

„Sie müssen begreifen, dass es bei einem Universitätsstudium nicht ums Auswendiglernen geht. Sie sollen Theorien und Modelle verstehen, reflektieren und anwenden können. Die Antworten auf die Klausurfragen kann man nicht einfach aus den Semester-Unterlagen abschreiben. Es geht ums eigene Nachdenken.“ (ZEIT.de)

Ausgerechnet unter Angst- und Stressbedingungen sollen die Studis – denken!!

Nicht in „Einsamkeit und Freiheit“, nicht in vertraulichen Dialogen sollen die Erkenntnishungrigen nachdenken, sondern – man höre und staune – in Angst- und Stress; in ständiger Furcht, sadistisch ausgetüftelte Prüfungsfragen nicht beantworten zu können.

Wie listig die Prüfer vorgehen, um es den Prüflingen unmöglich zu machen, voneinander abzuschreiben.

„Außerdem haben wir einen Zufallsgenerator eingesetzt, sodass jeder die Klausur-Fragen in anderer Reihenfolge bekam. Das sollte es schwer machen, sich in WhatsApp-Gruppen untereinander abzustimmen, was natürlich verboten war. Ich weiß aber auch, dass manche Studierenden mit gravierenden psychischen Problemen zu kämpfen haben seit der Pandemie. Das nehme ich sehr ernst, das nimmt unsere Universität sehr ernst. An allen Hochschulen wurden Beratungsangebote ausgebaut. Den Alltag zu strukturieren fällt im Homeoffice vielen Menschen schwer. Die Studierenden trifft das noch härter, sie sitzen seit zwei Jahren zu Hause, manchmal im alten Kinderzimmer. Teilweise haben sie schon ihr Abitur unter Corona-Bedingungen geschrieben. Viele können sich nur noch schwer motivieren. Das Gefühl des Alleinseins hat zugenommen – das ist schlimm.“

Unter dem Mantel der Fürsorge werden alle angebotenen Hilfen zu verschärften Forderungen: Wicht, du hast keine Entschuldigung mehr, wie du dein Versagen erklären kannst. Alles wurde dir angeboten, warum hast du die Hilfsangebote nicht angenommen?

Die Obrigkeit kennt ihre Pappenheimer und schlägt ihnen alle Rechtfertigungen aus der Hand, mit denen sie sich als Opfer einer seelenlosen Bürokratie darstellen könnten.

Eine seelenlose Maschinerie verwandelt sich nicht ins Gegenteil, wenn ein absurdes Pensum durch vorgeschriebene Hilfsmaßnahmen im Zeittakt kuriert werden soll.

Doch die wichtigste Frage bleibt: um welche weltbewegenden Denkinhalte geht es denn in der Germanistik?

„Ich vermittle dort Grundlagen. Beispielsweise Orthografie: Dabei geht es nicht um korrekte Schreibweise, die sollte man können, wenn man Germanistik studiert. Stattdessen sprechen wir darüber, warum es eine Orthografie gibt und welchen Prinzipien sie folgt. Es geht aber auch um Grammatikmodelle, um Sprachgeschichte, Dialekte, Fachsprachen. Und das Ganze auf akademischem Niveau. In der Linguistik werden die Studierenden mit enorm viel neuem Stoff konfrontiert.“

Stoffmassen, Stoffmassen. Was haben die mit Denken zu tun? Die Orthografie folgt Gesetzen, die einst willkürlich festgelegt wurden. Mit Denken haben sie nichts zu tun. Wenn Kommaregeln ganz anders wären, wären sie auch korrekt – solange die germanistische Obrigkeit sie absegnet. Was hat die Rechtschreibreform gebracht, wenn nicht die alte Willkür durch eine neue zu ersetzen?

Gibt es nur den geringsten Anhauch einer tieferen Analyse des Versagens der deutschen Wissenschaft im Dritten Reich, von der sie bis heute geprägt wird?

„Ich denke hier an die pädagogische Seite der Wissenschaft, an die Erziehung zum kritischen Denken. Das nüchterne logische Denken fällt uns schwer. Als Volk neigen wir dazu, uns in Träume zu verlieren. Was wir hier sehen, ist doch nur das Ende jenes Götterdämmerungsmythos, jener Philosophie des „Alles oder nichts“, der das deutsche Volk immer wieder verfallen ist. Der Glaube an Helden und Befreier, an Führer, der das deutsche Volk durch Gefahr und Elend in eine bessere Welt führt, in der wir von aller äußeren Bedrängnis erlöst sind oder der, wenn das Schicksal gegen uns entschieden hat, entschlossen in den Weltuntergang schreitet, dieser Absolutheitsanspruch verdirbt doch alles von Grund auf.“ (Heisenberg, Der Teil und das Ganze)

Ist dieses Absolute noch immer für uns verbindlich? Und wie! Nicht mehr als militaristischer Sieg über Feinde, aber als Überlegenheit in allen Konkurrenzen, von der Wirtschaft über Pisatests und Goldmedaillen zu gelegentlichen Almosengaben an die bedürftige Welt. Stehen wir beim Mindestlohn ausnahmsweise mal gut da, folgt sofort die Perspektive von außen. Wir können uns nur loben, wenn wir uns mit den neidischen Blicken unserer Freunde und Konkurrenten betrachten.

Mit der Logik haben wir unendliche Schwierigkeiten, denn wir sind vernarrt in den Irrsinn einer sogenannten Dialektik. Was ist Dialektik?

„Die absolute Verkehrung der Wirklichkeit; was als gut bestimmt ist, ist schlecht; was als schlecht, ist gut.“ (Hegel)

Die Deutschen können die Widersprüche der Welt nicht nüchtern konstatieren, um sie als Konflikte in Raum und Zeit politisch auszuräumen. Nein, sie wollen sie bereits im Denken oder „im Geist“ beseitigen.

Der göttliche Geist zeichnet den Menschen aus, nicht das politische Getriebe in der Welt. Wenn wir die Widersprüche bereits im Denken beseitigen, können wir uns die abstoßende Politik ersparen. Der große Dialektiker im Himmel wird uns alle Konflikte im Alltag wegräumen, wir müssen uns nur von Ihm erlösen lassen. Erlösung ist nämlich das alte Wort für das welt-bereinigende Denken im Kopf.

Alle Geisteswissenschaften, die ihre Spezialerkenntnisse nicht in der Philosophie verankern, sind belanglos und überflüssig. Sie liefern keine Erkenntnisse, sondern Stoffmassensammlungen.

Die logikfeindliche Dialektik der Herren Hegel und Marx haben den Deutschen die autonome Politik verdorben. Fachwissenschaftlich wurden sie zu Vorbildern der Welt, doch die ethisch-politische Verantwortlichkeit für die Anwendung der Ergebnisse haben sie an der Garderobe abgegeben.

Was für die Erfinder der Atomwaffen galt, gilt noch immer für alle Disziplinen, deren Erkenntnisse zur Herstellung schrecklicher Waffen oder von Zerstörungsmitteln der Natur genutzt werden können. Aus einem fiktiven Brief eines Atomwissenschaftlers:

„Ich konnte nicht anders. Ich wollte keine Atomwaffen bauen. Aber ich wurde dorthin gedrängt, ließ mir eine Konzession nach der anderen abringen und wurde so Schritt um Schritt gezwungen, etwas zu tun, was ich eigentlich nicht tun wollte. Erst kurz nach dem ersten Atombombenabwurf kam es in jenem Menschenkreis zur ethischen Fragestellung, der sich bislang um moralische Maßstäbe nie gekümmert hatte. Naturwissenschaftler und die auf ihren Erkenntnissen aufbauenden Techniker glauben meist ohne Wertmaßstäbe der Sittenlehren auskommen zu können. Nun aber sind sie durch die Konsequenzen der ihnen zugefallenen technischen Allmacht gezwungen, sich mit den bisher als überflüssig betrachteten Fragen der Philosophie auseinanderzusetzen.“ (Robert Jungk, Die Zukunft hat schon begonnen)

Parallel zur ersten Ökowelle entstand eine radikale Selbstkritik der Wissenschaften überhaupt. Doch wie die Erkenntnisse der Ökologen allmählich wieder im Keller verschwanden, so auch die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Selbsterforschung.

Kaum aber hatte man sich an die schrecklichen Atomwaffen gewöhnt, kaum hatte der Kalte Krieg seine Eiseskälte verloren, wurden auch diese Erkenntnisse ad acta gelegt und bis heute nicht mehr beachtet.

Was blieb in Deutschland? Kindisches Erstaunen über belanglose Erkenntnisse im Universum. Nie wurde die sokratische Frage gestellt: was bringen uns all diese Erkenntnisse im All, wenn wir sie in unserem Leben nicht benutzen können?

Eine politische Physikerin wurde zum Idol der Deutschen, weil sie Akten genau studieren und wiedergeben konnte.

Doch ach, die wirre Realität ist kein Feld der Physik, sondern ein Tohuwabohu wilder Leidenschaften und konträrer Interessen. Wissenschaften bringen nur Fakten und quantitative Gesetze ans Licht. Zu welchem Zweck man diese Erkenntnisse benutzen soll, wissen sie nicht.

In der Coronakrise sahen wir die politische Hilflosigkeit der Corona-Experten. Wer sich in seinem Labor auskennt, kennt noch lange nicht die Empfindsamkeiten der Öffentlichkeit. Es ist der grundlegende Widerspruch des Positivismus, der heute alles beherrscht. Wer weiß, was ist, weiß noch lange nicht, was sein soll. Am denkerischen Bemühen um das politische Sollen: daran scheitern die Deutschen. Sollen ist für sie, idealistischen Träumen anzuhängen. Wer das rationale Sollen vernachlässigt, zerstört alle Politik.

Die Deutschen haben es sich bequem gemacht und wollten sich vom Fluss der Ereignisse in eine unbekannte Zukunft tragen lassen. Nur was, wenn diese Zukunft den Menschen nicht mehr tragen und ertragen kann?

Der wachste und empfindsamste Teil der Bevölkerung ist die Jugend, die sich dem Verhängnis energisch in den Weg stellt. Das hat sie nicht in der Schule gelernt, sondern im Wahrnehmen der Wirklichkeit. Die FFF-Jugend hatte den Mut, sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Damit könnte es ihnen gelingen, sich von der unheilvollen Vergangenheit ihrer Väter und Mütter zu lösen.

Fortsetzung folgt.