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Tagesmail vom 08.07.2022

… zum Logos XCI,

„In der Politik sei niemand unersetzbar und »unser brillantes darwinistisches System« würde einen neuen Anführer produzieren, heißt: Es überleben die, die die besten Fähigkeiten zum Überleben mitbringen.“ (SPIEGEL.de)

In England wird beileibe nicht nur gelogen. Deutsche Irrwische denken keinen Deut anders als der britische Chefdarwinist, sie sagen es nur nicht.

„Gegen mehr Millionäre habe ich nichts einzuwenden“, grient er, „wenn das das Ergebnis wirtschaftlichen Wachstums ist, und von großem Erfolg. Davon profitieren wir alle.“ Allerdings, so Scholz zum Schluss: „Ich finde, sie sollten fair besteuern werden. Das ist mein sozialdemokratischer Beitrag. Ich bin also für viele Millionäre, die gern Steuern zahlen.“ (BILD.de)

Das war die Stimme der SPD. Einer Partei der Proleten, die es mittlerweilen nach oben geschafft haben. Mit Hilfe vieler Millionäre, die sich entschieden, sich dem Wachstum zu widmen – indem sie immer reicher wurden und lernten, gern Steuern zu zahlen.

Der Akzent liegt auf gern. Denn das unterscheidet sie von jenen Gierigen, die nur für sich selbst reich werden wollen und alle Abgaben an den Staat zum Teufel wünschen.

Kann man ehrenwerte Männer per Gesetz zum Altruismus nötigen?
Müssen Menschen für ihre Tüchtigkeit mit Steuern bestraft werden?
Müssen die Besten für ihren Erfolg am meisten bluten?

SPD-Millionäre müssen bei Scholz turnusmäßig nachweisen, dass sie nichts lieber tun als Steuern zu zahlen – um die Armen und Schwachen zu unterstützen, das Wachstum anzuregen und den Fortschritt zu garantieren.

Dass alle Millionäre reich werden, indem sie die Natur zum Bluten bringen, hat sich in der einstigen Proletenpartei noch nicht herum gesprochen.

Denn Natur kennen die Proleten vor allem in der Form eines schaurigen Schachts unter der Erde, den sie von Kohle befreien mussten, um ehrenwerte Männer wie Krupp zu bereichern. Ihr Sinn des Lebens war erfüllt, wenn sie nach wenigen Jahren von ihrer rußigen Staublunge in die Ewigkeit verabschiedet wurden.

Und damit so fahren wir bei der Nacht,
Ins Bergwerk ein, ins Bergwerk ein.
Ins Bergwerk ein, wo die Bergleut‘ sein,
Die da graben das Silber und das Gold bei der Nacht,
Aus Felsgestein, aus Felsgestein.

Für ihre harte Arbeit von einst wurden sie von grünen Naturheinis verhöhnt. Durch ihre Arbeit im Bauch der Erde hätten sie Mutter Erde geschändet.

„Zu seiner Verteidigung führt der Bergmann an, dass die Erde keine wahre Mutter sei, sondern die böse Stiefmutter, die die Metalle in ihrem Innern versteckt und verbirgt, anstatt sie dem Menschen zur Verfügung zu stellen. Eine Stiefmutter würde ihren Überfluss den braven und bedürftigen Kindern vorenthalten. Endlich kam Francis Bacon und predigte die Notwendigkeit, alle Winkel und Ecken der Natur auszuspähen, um ihre Geheimnisse auszuspähen und den Zustand der Menschen anzuheben. In den Gängen der Erde nach Metallen zu schürfen, ist wie lüsternes Wühlen in weiblichem Fleisch. Die Höhlen der Erde waren die Höhlen des weiblichen Körpers. (C. Merchant, Der Tod der Natur)

Was war das noch für ein schrecklich fortschrittsfeindliches Niveau. Dieses dunkle Mittelalter bewegte sich auf dem Niveau jener Eingeborenen der neuen Welt, die Kolumbus gerade entdeckt hatte. Ein Smohalla verfluchte die weißen Eindringlinge aus Europa:

„Ihr verlangt von mir, dass ich den Boden pflüge! Soll ich ein Messer nehmen und die Brust meiner Mutter zerfleischen? Dann wird sie mich, wenn ich sterbe, nicht an ihre Brüste nehmen, dass ich ausruhe. Ihr verlangt von mir, dass ich nach Steinen grabe! Soll ich unter meiner Mutter Haut nach ihren Knochen graben? Dann kann ich, wenn ich sterbe, nicht in ihren Leib zurückkehren, um wiedergeboren zu werden. Ihr verlangt von mir, dass ich das Gras schneide und es verkaufe, um reich zu werden wie weiße Männer? Aber wie kann ich es wagen, meiner Mutter Haare abzuschneiden?“

Das animistische Glaubenssystem der Indianer und ihre Ehrfurcht vor der Mutter Erde empfand man in Europa als Gegensatz zum jüdisch-christlichen Erbe menschlicher Verfügungsgewalt über die Natur.“ (ebenda)

Eben deshalb kehrt der Westen mit den abendländischen Werten – zurück ins fromme Mittelalter, um ihr Ausschaben der heidnischen Mutter Erde lückenlos abzusegnen.

Dauert eh nur noch ne kurze Zeit, dann ist die Erde zum ersten Müllgestirn der Milchstraße verkommen. Dann kann es mit guten Gefühlen abgestoßen werden. Genies! Bahn frei zur Eroberung neuer Planeten.

Die Epoche der alten und kaputten Schöpfung – „Am Anfang war das Wort“ und am Ende das Grauen, – kann ad acta gelegt werden. Es folgt das Neue. Und siehe, sprach Elon:

„Ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde, man wird der früheren Dinge nicht mehr gedenken und niemand wird sich ihrer mehr erinnern. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht. Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen. Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. Wolf und Lamm sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht Elon.“

Hört auf mit euren törichten Tarifgesprächen und schlamperten Rettungsversuchen. Das Alte ist irreparabel. Das Neue ist das ganz Andere, worüber ihr nicht genug erstaunen könnt.

Deshalb ist die Pose der Naturerretter so peinlich. Nur eine präapokalyptische Unaufgeregtheit kann uns vor idealer Enttäuschung warnen. Die fromme Kanzlerin wusste, dass das Reparieren des Endlichen nur Pfusch sein kann. Gehorsam, wie sie ist – pfuschte sie.

Erst heute merkt Habeck das Fehlverhalten der Ex-Kanzlerin.

„Wenn man sich vor Eisbergen fotografieren lässt, aber vergisst, dass Eisberge schmelzen. Wenn man aus allen möglichen Dingen aussteigt, zu Recht, aber vergisst, dass man dafür eine Infrastruktur aufbauen muss. Wenn man klimapolitische Beschlüsse fasst, sie aber nicht mit Maßnahmen hinterlegt, dann lässt man Deutschland im Regen stehen“, so der Grünen-Politiker. Und das haben wir in der Vergangenheit erlebt: immer größere Abhängigkeit von russischen fossilen Energien, mangelnde Diversifizierung, Nichteinhaltung der klimapolitischen Ziele, schleppender, ja zusammengebrochener Ausbau der erneuerbaren Energie.“ (BILD.de)

Merkels Durchhudeln war präapokalyptisch-korrekt. Warum sich mühen und sorgen, wenn morgen der Endabwickler kommt?

Die Menschheit lebt in Erwartung. In Erwartung endgültiger Ruhe, der heiligen Vollkommenheit. Hier den Eindruck zu erwecken, wir könnten das Ruder noch rumreißen, wäre an Torheit nicht mehr zu überbieten.

Warum wird die planetarische Atmosphäre immer eisenhaltiger und atombombenerwartungssüchtiger? Weil die Menschheit sich ekelt vor ihrem evolutionären Fazit, wenn sie sich umschaut. Weshalb sie sich nicht mehr umdreht und nur noch nach vorne stiert – wo die Zeiten noch unberührt und jungfräulich scheinen.

Ihre Schändung der Mutter Erde nähert sich der absoluten Katastrophe, der Perfektion des eigenen Versagens. Danach erst das absolut Neue.

Das waren noch Zeiten, als Freunde der Proleten die Ungerechtigkeit der Welt beenden wollten, um der Menschheit Gerechtigkeit zu bringen. Zwar lösten sie sich vom Propheten Marx und nahmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Doch der Magie eines automatischen Wunders blieben sie verhaftet.

Als das Wunder ausfiel, Gorbatschow das Reich der ausgebliebenen Erlösung abwickelte – was tat die SPD? Flog – in der Gestalt eines chamäleonartigen Schröder – erwartungsvoll ins Zentrum des Neoliberalismus, um sich eine gemäßigte Version der Reichen-Ideologie, genannt Neoliberalismus, bei seinem Freund Blair abzuholen.

Nicht mal eigenständig konnte die SPD ihren Verrat formulieren. Wer wird schon den Begriff Neoliberalismus in den Mund nehmen?

Wen kann es wundern, dass die Blairs und Schröders zu Stiefelknechten des großen Geldes wurden? Selbst in der jetzigen Krise, in der die Lebenshaltungskosten von keinem Hartz-4ler bezahlt werden können, ist Scholz unfähig, seiner Fürsorgepflicht der Kleinen und Schwachen nachzukommen:

„Man wolle Hartz-IV überwinden, hat die SPD vor der Wahl versprochen. Fast alle dachten, dass es dadurch sozialer zugehen sollte, nicht unsozialer. Doch das war wohl ein Irrtum. Diese Unterstützungsprogramme werden zig Milliarden Euro kosten, Geld, das der Bund eigentlich nicht hat. Es muss also an anderer Stelle gespart oder neue Einnahmequellen erschlossen werden. Nahe liegend wäre zum Beispiel, den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Man könnte auch eine Vermögensteuer einführen. Oder einen Reichen-Soli. Weil ja erwiesen ist, dass Wohlhabende nicht nur besser durch Krisen aller Art kommen, sondern zum Teil sogar noch reicher aus ihnen hervorgehen.“ (SPIEGEL.de)

Scholz ist überzeugt, er könne die Reichen zu Instrumenten seiner Armenbeglückung verzaubern. Dies behaupten die Reichen schon lange: nur sie seien in der Lage, den Wohlstand einer Gesellschaft zu schaffen.

Weshalb sie auch nicht mehr nur Arbeit-geber heißen wollen, sondern Wirtschaftswachstums-Bringer und Wohlstands-Geber. So viel Zeit muss sein.

Was keineswegs bedeutet, dass das Glückshorn sich unterschiedslos über alle Versager der Gesellschaft ergießen wird.

Das zeigte sich schon bei Mandeville:

„Wie die Bienenfabel zeigt, ist Sparsamkeit dem Allgemeininteresse abträglich. Blanke Habgier ist das Motiv derer, die in ihrem Beruf erfolgreich sein wollen. Eigensucht in Form von Habgier oder Luxus seien die wahren Ursachen allgemeiner Wohlfahrt. (Karl Pribram, Geschichte des ökonomischen Denkens)

Das Böse wird zum Motor des Guten in Form des Wachstums einer Gesellschaft, weshalb schlaue Deutsche nicht genug vor den schädlichen Folgen des Guten warnen können. Keine Sorge, das Böse ist dem System immanent, die Guten sind ausgerottet. Welche Partei schreit auf, wenn Scholz mitten in der Krise den Schwachen noch mehr als sonst das Leben sauer machen will?

Von FDP-Lindner ganz abgesehen, der seine Arbeitslosen-Schmähungen in dem Moment abwickelt, wo er in täglicher BILD-Hofberichterstattung über seine Hochzeit die wirksamste Publicity der Welt erhält. Wer heimlich an prästabilierte Harmonie dieser beiden Termine glaubt, sollte sich als Verschwörungstheoretiker nicht erwischen lassen.

Der Brite, der fast immer die Wahrheit sagte, nannte den Namen: Darwin, den Fortführer des Pastors Malthus, der in seinem Evangelium gelesen hatte, dass nicht alle Menschen in den Himmel kommen werden.

Warum sollte es bei Tieren und Pflanzen anders sein? Sehen alle so unschuldig aus, diese Viecher und Unkräuter! Doch wehe, wehe, wenn ich näher hinschaue, siehe, wie sie sich in endlos raffinierten und gewalttätigen Versionen gegenseitig fressen und vernichten.

Darwin studierte Theologie, bevor er die Weisheiten der Schrift in Gottes Natur entdeckte:

„Kampf ums Dasein“: dahinter steckt eine calvinistische Theologie der Vorherbestimmung, die nun säkularisiert, naturalisiert und bald auch merkantilisiert wird. Die „tüchtigsten“ Tiere (noch vor den Menschen) behaupten sich im Kampf ums Dasein und loben dergestalt die auswählende Gottheit durch ihren Kampfeseifer.

Bertrand Russell behauptete später, Darwins Theorie sei eine Ausdehnung der Laissez-faire-Wirtschaftsideologie und der Praxis des Manchester-Liberalismus ins Reich der Tiere.“ (Heer, Europa, Mutter der Revolutionen)

Schafft ihnen das Gute aus dem Weg, dieses unerträglich gewordene Gedöns aus Solidarität & Co. Wir brauchen, kurz vor Ende, ungetrübte Konkurrenzverhältnisse. Wenn schon Ende, dann kurz und knapp. Keine Illusionen der Nächstenliebe, sie verlängern nur die Qualen des Suizids.

Kommen wir zum Großmeister der schonungslosen Wahrheit:

„Das meiste, wonach wir streben, sind Dinge, die wir wollen, weil andere sie schon haben. Während eine fortschreitende Gesellschaft sich auf diesen Prozess des Lernens und Nachahmens stützt, behandelt sie die Wünsche, die sie weckt, nur als Ansporn zu weiteren Bemühungen. Sie sichert die Ergebnisse nicht jedem zu. Sie kümmert sich nicht um die Pein unerfüllter Wünsche, die durch das Beispiel anderer geweckt werden. Sie erscheint grausam, weil sie in demselben Maß wie ihre Gaben an einige die Wünsche aller vermehrt. Doch solange sie sich im Fortschritt befinden, müssen einige führen und die Übrigen nachfolgen.“ (Hayek, Die Verfassung der Freiheit)

Die Weltgeschichte spitzt sich zu. Nicht Putin kann den Westen in die Knie zwingen, sondern das unermessliche China. Will das Reich der Mitte wirklich das Entweder-Oder? Wissen wir, was Chinesen fühlen und denken?

Sie glauben an keine Heilsgeschichte. Oder doch? – in dem Maße, in dem sie den Neoliberalismus bereits verinnerlicht haben? Was wissen wir über China? Fast nichts.

Wie wollen wir unsere gigantischen Probleme lösen? Durch mammonistische Konkurrenz – oder durch Glauben an die Wahrheit? Wer bestimmt über die Wahrheit? Jeder über die seine – oder Weltmonopole über unsere?

„Was sich im wirklichen Leben durchsetzt, ist nicht die Wahrheit, sondern die intellektuelle Mode und das Eigeninteresse. Profiteure des Systems möchten nicht, dass die Gestaltungsmacht der Konzerne in der heutigen Wirtschaft bekannt wird. Lieber sprechen sie schönfärberisch vom Markt.“ (J. K. Galbraith, Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs)

Macht euch keine Sorgen, der Markt wird alles richten. Alles geht nach Angebot und Nachfrage. Okay, wie groß ist die Nachfrage nach Überleben? Viele Hände recken sich.

Und wie groß sind die Angebote zum guten Leben?

Keine einzige Hand weit und breit zu sehen!

Fortsetzung folgt.