Kategorien
Tagesmail

… zum Logos LXXXIII

Tagesmail vom 20.06.2022

… zum Logos LXXXIII,

was fehlt in der Antisemitismus-Debatte? Nur die Stimmen der Betroffenen auf beiden Seiten.

„Palästinenser zu sein, bedeutet in Deutschland, bedroht zu sein – das sehen wir auch in anderen Kontexten. Soweit ich weiß, wird in der sogenannten Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (JDA) in Artikel 14 klar gesagt, dass BDS nicht per se antisemitisch ist. Antisemitismus ist gegen jedes meiner Prinzipien. Wenn man wie ich aus einer Erfahrung kommt, dass man sich sehr bemüht hat, diesen Konflikt wirklich von seinen rassistischen Strukturen zu lösen, ist dieser Vorwurf schon sehr frustrierend. Das Schlimmste ist in meinen Augen, wenn unsichtbare Zensur beginnt. Wenn Institutionen beschließen, palästinensische Künstler, Intellektuelle und Journalistinnen schlicht nicht mehr einzuladen, bevor es öffentlich wird: Dann findet in der Regel unsichtbare Zensur statt.“ (Berliner-Zeitung.de)

„Es ist mir sehr schwer gefallen, dieses Buch zu schreiben, das Israels wahnsinnige Jagd in die Selbstzerstörung aufzuzeigen versucht. Jedes Kapitel hat mich beim Schreiben Tränen gekostet. Tränen der Wut angesichts der grenzenlosen Gewalt der Repression und der Dehumanisierung des anderen, aber auch Tränen der Trauer angesichts des Verfalls einer Gesellschaft, die die meine ist und in der meine Enkelkinder aufwachsen werden. … bleibt als letzte Konsequenz des Kampfes gegen die Ungerechtigkeit das Prinzip Widerstand, das nichts anderes ist als der Schrei der Menschenwürde, die Weigerung, vor der Brutalität zu kapitulieren. Ich habe Angst um Israel. Sie haben alle Hemmungen verloren. Seit dreißig Jahren … habe ich nie soviel Gewalt erlebt. Deine Gesellschaft ist krank, schwer krank …“
(Michael Warschawski. Mit Höllentempo. Die Krise der israelischen Gesellschaft, 2003)

„Freund Israels zu sein, sollte heißen, die harte Wahrheit zu sagen. Erlittenes Unrecht kann für die Nachfolger der einst Verfolgten und Ermordeten kein Freibrief sein, andere Gesellschaften zu zerstören. Die Palästinenser haben dasselbe Recht auf ein gesichertes Leben wie alle anderen Menschen auch. Israel gehört dieser westlichen Welt an, und gerade deshalb ist die an sich richtige Frage der Israel-Verteidiger: „Warum sprecht ihr nicht mehr von Darfur, warum kümmert ihr euch nicht mehr um die Tibeter und die Tschetschenen?“ schlicht irrelevant. Nicht weil die Kritiker Israels zum Leiden in Afrika oder Asien schweigen – was nicht der Fall ist –, sondern eben weil Israel zu unserem Westen gehört und weil somit jede Vertreibung, jeder Missbrauch der überlegenen Militärmacht, jede willkürliche Zerstörung, Absperrung und Einsperrung, jede bewusste Demütigung unsre gemeinsame Moral verletzt. Hans Scholl schrieb kurz vor seiner Hinrichtung an einen seiner Freunde: „Ich kann nicht abseits stehen, weil es abseits kein Glück gibt.“
(Alfred Grosser, Von Auschwitz nach Jerusalem – Über Deutschland und Israel, 2009)

„In der „Grundsatzerklärung“ waren die wichtigsten Fragen ausgeklammert: die Wasserfrage, die Souveränitätsfrage, die Flüchtlingsfrage, die Fragen der Landnahme, der Siedlungen. Und nicht nur das: Ich habe gleich bemerkt, dass das Völkerrecht völlig vernachlässigt wurde. Die PLO erkannte Israel an, aber Israel erkannte nicht die Rechte der Palästinenser an. Abkommen nach Abkommen … das alles verbesserte nicht die Situation, weil die Grundlagen, nämlich das Selbstbestimmungsrecht der palästinensischen Bevölkerung und das Völkerrecht, überhaupt nicht in Betracht gezogen werden. Die Maxime, die die Grundlage der UNO-Resolution 24 bildet, dass nämlich Landerwerb durch Krieg unzulässig ist, wurde von Israel total abgelehnt. Eine friedliche und gerechte Lösung wäre möglich. Voraussetzung dafür ist, dass Israel die seit 1967 besetzten Gebiete komplett räumt, auch seine Siedlungen. … Eine solche Lösung ist aber nur möglich ohne israelische oder US-amerikanische Dominanz, Hegemonie und Überheblichkeit. Während der Jahre des „Friedensprozesses“ sind Hunderttausende von Bäumen durch die Besatzungsmacht für Umgehungsstraßen für Siedler oder für die Erweiterung von Siedlungen entwurzelt worden. Am 15. März walzte die israelische Armee auf 61 000 Quadratmetern Land Oliven-, Zitrus- und Obstbäume nieder. Die Palästinenser werden häufig als gewalttätig beschrieben. Ihr legitimer Kampf gegen die israelische Besatzung sei – so wird behauptet – Terror. Doch das internationale Recht billigt ausdrücklich den Kampf gegen die Besatzung, so wie früher den Kampf gegen den Kolonialismus. Einige Palästinenser sagen: »Es ist die israelische Armee, die das macht. Aber es sind die Amerikaner, die ihr das ermöglichen.«“
(Felicia Langer, Quo vadis Israel? 2002)

„Das Streben und Trachten des heutigen Israel zielt jedoch auf die Erhaltung einer jüdischen Gewaltherrschaft über ein anderes Volk. Israel ist kein Staat, der eine Armee unterhält, es ist eine Armee, die einen Staat besitzt. Die Welt bringt heute dem Staat Israel keinerlei Achtung und Wertschätzung mehr entgegen, von aufrichtiger Sympathie erst gar nicht zu sprechen. Auf jeden Fall wissen wir recht gut, was der Slogan „Es gibt kein palästinensisches Volk“ bedeutet – das ist Völkermord. Nicht im Sinne einer physischen Vernichtung, sondern im Sinne einer nationalen oder politischen Einheit. Unsere Struktur ist von Grund auf verfault. Im Innern Fäulnis und nach außen ein verhasstes Israel. Viele Juden in der Welt, die sich ihres Judentums aufrichtig bewusst sind, denken, dass der Staat Israel dem jüdischen Volk keine Ehre mehr macht. Die Juden waren auf jeden Fall sehr tief im deutschen Volk verwurzelt und involviert.“
(Jeshajahu Leibowitz, Gespräche über Gott und die Welt, 1994)

„Mehr als 100 Jahre nach ihrem ersten Auftritt befinden sich Idee und Staat der jüdischen Nationalbewegung nicht nur in der Krise – gegenwärtig zeichnet sich nicht weniger als die Selbstzerstörung des zionistischen Vorhabens ab. Diesem Selbstzerstörungsprozess liegen jene widersprüchlichen Tendenzen zugrunde, die zu lösen die zionistische Bewegung mit ihrem Nationalgedanken angetreten war. Es war endlich der Junikrieg des Jahres 1967 und die mit ihm verbundene Eroberung der Sinai Wüste, der Golanhöhen, Ostjerusalems und der Klagemauer sowie des Westjordanlandes, die die Selbstzerstörung des zionistischen Vorhabens einleitete. Die seit Jahren vollzogenen, permanenten Rechtsbrüche, die Schikanen, die außergerichtlichen Tötungen, der Hunger, die Arbeitslosigkeit und die vom israelischen Militär vollzogenen Tötungen unbescholtener palästinensischer Zivilisten stehen nicht nur in eindeutigem Widerspruch zu international anerkanntem Völker- und Menschenrecht, sondern sind für einen Staat, dessen Gründungsurkunde sich auf die biblischen Propheten beruft, objektiv beschämend.“
(Micha Brumlik, Kritik des Zionismus, 2007)

„Das jüdische Kollektiv im Staate Israel ist es, welches der Konfrontation mit der entsetzlichen Wahrheit nicht entkommen kann, dass jede „Abnormität“ im Gaza-Streifen, jedes Opfer eines „Schusses in die Luft“ in der Westbank, jeder Akt brutaler Repression, der sich direkt oder indirekt aus dem Tatbestand der israelischen Okkupation ableitet, es – das jüdische Kollektiv in Israel – von der sittlich-humanen, ihm von den Holocaust-Opfern als verpflichtetes Erbe auferlegten Identität entfernt, um es in zunehmendem Maße an eine der Mörder-Identität verschwisterten Mentalität zu ketten. Es irrt, wer den Spruch „Meine Vernunft ist in Auschwitz verbrannt“ zur Rechtfertigung einer jeden Untat des israelischen Staates heranzieht: Nicht seine Vernunft, seine Sittlichkeit ist dort verbrannt, und gerade damit – indem er offen die sich aus dem Holocaust ableitende, universelle moralische Forderung: Nie mehr Repression, nie wieder Lager für den Menschen als Menschen verleugnet – besudelt er vor allem das Andenken der Opfer von Auschwitz. Der Historiker Yehuda Elkana schrieb, er sähe »für die Führer dieser Nation keine wichtigere politische und pädagogische Aufgabe, als sich auf die Seite des Lebens zu stellen, sich der Gestaltung unserer Zukunft zu widmen und sich nicht unentwegt mit den Symbolen, Zeremonien und Lehren des Holocaust zu beschäftigen.« Elkana war sich der Schärfe seiner Äußerungen wohl bewusst, betonte jedoch, er begreife seine Argumentation als Versuch, »die fortwährende Festsetzung des Holocaust als zentrale Achse unseres nationalen Seins zu bekämpfen.«“
(Moshe Zuckermann, Zweierlei Holocaust – Der Holocaust in den politischen Kulturen Israels und Deutschlands, 1999)

„Die Straße in Israel ist ganz den Rechtsradikalen überlassen, total, auf eine unglaubliche Weise. Alle Transparente kommen von rechts, alle Parolen, alle Graffiti sind rechts. Außer meiner kleinen Bewegung Gush Shalom gibt es keinen, der auf der Straße erscheint und für den Frieden mit den Palästinensern eintritt, weil auch irgendwie die innere Überzeugung bei Rabin und seiner Partei fehlt, die es ihnen ermöglichen würde, klar und offen für den Frieden einzustehen. Für die Palästinenser war diese ganze Geschichte ein Eindringen von außen in ihr Leben. Sie fühlen immer noch das historische Unrecht, das ihnen angetan wurde und glauben unter dem leiden zu müssen, was die Europäer den Juden angetan haben – in gewisser Hinsicht stimmt das auch. Offiziell lehnt die israelische Regierung die Idee eines palästinensischen Staates ab. Die Nationalhelden der Palästinenser sind für die meisten Israelis Verbrecher und Terroristen, die unschuldige Menschen umgebracht, Bomben und Steine geworfen haben. In dem Augenblick, wo man nicht akzeptierte, dass diese Menschen Kriegsgefangene in einem Konflikt sind, der jetzt zu Ende ist, und sie weiter als Verbrecher behandelte, ist der ganze Sinn von Oslo verlorengegangen. Die israelischen Siedler sind zum Großteil fanatische, ideologisch geprägte Menschen, die dort hingezogen sind mit dem einzigen Ziel, den Frieden zu verhindern, da dieser die Rückgabe der besetzten Gebiete an einen palästinensischen Staat bedeuten würde.“
(Uri Avnery, Zwei Völker – Zwei Staaten: Gespräch über Israel und Palästina, Vorwort von Rudolf Augstein, 1995)

„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Israels katastrophale Siedlungspolitik und politische Inkompetenz für viele Europäer fast eine Erleichterung darstellt, weil sie sich dadurch endlich nicht mehr mit Europas oft schrecklicher (jüdischer) Geschichte auseinandersetzen müssen. In nationalreligiösen Kreisen wird ernsthaft diskutiert, ob Israel überhaupt eine Demokratie sein müsse. Sollte Israel auf dem Weg in die messianische Zeit nicht wieder nach biblischem Recht leben? Nur die Idee, dass ein Volk erwählt sei, müsste als vollkommen irrational betrachtet werden. Evangelikale Gruppen in den USA sind Israels größte politische Stütze, und kein amerikanischer Präsident darf diese einflussreiche Gruppe zu sehr brüskieren. Nicht sicher ist hingegen, ob Netanjahu das Kleingedruckte in der Agenda dieser Sekten gelesen hat. Diese basiert auf der Offenbarung des Johannes und besagt: Es ist theologisch unumgänglich, dass die meisten Juden in Israel leben müssen, weil dann der apokalyptische Krieg zwischen Gog und Magog ausbrechen wird, in dem zwei Drittel der Juden sterben werden. Das verbleibende Drittel wird zum Christentum übertreten, und dies wird zur Wiederkunft Christi führen. Auch hier wird die Apokalypse nicht nur herbeigesehnt, sondern ganz praktisch unterstützt. Der Kantische Traum des Weltbürgertums hat sich, so scheint es, als Illusion erwiesen. Wenn die Juden nach all ihrem Leid im Exil nicht gelernt haben, Weltbürger zu werden, dann vermag dies wohl niemand. Das Ideal des Universalismus ist den meisten Israelis suspekt. Ethik ohne Panzer und Luftwaffe, so dachten und denken viele, hat die Juden nach Auschwitz gebracht.“
(Carlo Strenger, Israel. Einführung in ein schwieriges Land, 2011)

„Wir sollten nicht in der Vergangenheit leben, sondern von ihr geheilt werden. Wenn Israel Deutschland freigibt, wird es der Welt besser gehen. Ich wünsche mir aufrichtig, dass mein Land aufhört, gegen sämtliche Werte zu verstoßen, für die wir in der Vergangenheit als verfolgte Minderheit eingetreten sind. Wer ist nach jüdischer Tradition ein wahrer Held? „Einer, der aus seinem Feind einen lieben, geliebten Freund macht.“ In Israel lebe ich nach der talmudischen Selbstverteidigungsregel: „Steh früh auf, um zu töten, was aufsteht, um dich zu töten“. Sprich: „Entweder ich besiege dich und du stirbst, oder ich sterbe.“ Israel betont die Konfrontationsphilosophie, die sich in dem Satz zusammenfassen lässt: „Die ganze Welt ist gegen uns.“ Oft habe ich das unbehagliche Gefühl, dass Israel gar nicht weiß, wie es ohne Konflikte leben soll. In der Kriegsarena ist die Shoa der Hauptgenerator, der die Mentalität der Konfrontation und des katastrophischen Zionismus speist. Wir müssen zugeben, dass das heutige Israel und seine Politik zum wachsenden Hass auf die Juden beitragen. Diese Tatsache erfordert ernsthafte Untersuchungen, statt sie mit der seichten Feststellung abzutun: „Die Welt ist gegen uns, egal, was wir machen.“ Solche selbstmörderischen, verzweifelten und defätistischen Einstellungen kann ich nicht teilen. Wo ist die schwer fassbare jüdische Moral geblieben? Die Shoa spricht mehr im Namen derer, die nicht mehr sind, als im Namen der Lebenden. Man könnte sagen, die Israelis verstünden nur Gewalt.“
(Avraham Burg, Hitler besiegen: Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss, 2009)

„Viele Juden auf der Welt sind mit der israelischen Politik nicht einverstanden. Doch sie finden nicht den Mut, über ihren Schatten zu springen und sich dazu zu bekennen. Viele haben auch Angst vor dem Druck in den jüdischen Gemeinden, deren Mitglied sie sind. Schritt für Schritt verwandelt sich Israel in ein Land, wie es der orthodoxe Religionsphilosoph Jeshajahu Leibowitz schon vor bald 50 Jahren vorausgesehen hat, in eine faschistische, national-religiöse Gesellschaft, die die Palästinenser zwar als Hauptfeind ansieht, aber längst schon jüdische Teile der Bevölkerung ins Visier genommen hat: Frauen, Schwule, Linke und bald jeden, der nicht ihrer Meinung ist. Israel ist auf dem besten Weg, sich von der Demokratie zu verabschieden. Die Regierung besteht aus rassistischen, antiarabischen Ministern, die offen sagen, dass es für sie wichtiger ist, dass Israel „jüdisch“ wird, als dass es demokratisch bleibt. Eine Israel-kritische Sicht hat in Deutschland keinen Platz. Große Teile von Politik, Medien und Gesellschaft stehen treu – oder blind – zu Israel und unterbinden jede Kritik. „Wer Israel schützt, schützt nicht nur den Staat der Juden, er schützt die westliche Wertegemeinschaft“, erklärt Mathias Döpfner. Eine Kritik am völkerrechtswidrigen Krieg des Staates Israel ist keine Kritik am Judentum und auch kein Zeichen für Antisemitismus, sondern Kritik an der Politik des Staates Israel. Viele Juden glauben, dass der Holocaust ihnen das Recht gibt, sich über geltendes Recht und universelle Moral zu erheben. Die israelische Unrechtspolitik wird seit Jahren von Israelis wie Uri Avnery und Gideon Levy, von Juden wie Noam Chomsky und Rolf Verleger und von Politikern auf aller Welt kritisiert. Israel versucht, solche Kritiker als Antisemiten hinzustellen oder als „jüdische Selbsthasser“ zu denunzieren. Wie kann es sein, dass ein Richter in Deutschland einem Hetzer und Verleumder wie Broder erlaubt, mich und den Holocaust-Überlebenden Hajo Meyer allen Ernstes in die Nähe von Adolf Hitler zu rücken? Wie ist es möglich, das eine Charlotte Knobloch öffentlich behaupten darf, ich sei „ein berüchtigter Antisemit“, ohne dass Presse und Öffentlichkeit dagegen protestieren?“
(Abraham Melzer, Die Antisemitenmacher: Wie die neue Rechte Kritik an der Politik Israels verhindert, 2017)

„Die Beschädigung des jüdischen Volkes , die einen moralischen Verfall nach sich zog, ist so ernsthaft, dass mir sein Fortbestehen auf Dauer nicht mehr gewährleistet erscheint. Diese Aggressivität von israelisch-jüdischer Seite gegenüber den Palästinensern … hat einen negativen Einfluss auf unsere ganze Welt. Sie sind die Auswüchse einer schon seit 37 Jahren andauernden, grausamen und menschenunwürdigen Besatzung, die von dem mächtigsten Land der heutigen Zeit, den Vereinigten Staaten, explizit gebilligt und zum Teil finanziert wird. Die westliche Welt, und namentlich Europa, schauen noch immer tatenlos dieser amerikanischen Unterstützung der israelischen Unterdrückungspolitik zu. Ohne Beendigung dieses Konflikts ist eine endgültige Lösung der Spannung zwischen beiden Welten (des islamischen Ostens und des christlichen Westens) überhaupt nicht denkbar.“
(Hajo G. Meyer, Das Ende des Judentums. Der Verfall der israelischen Gesellschaft, 2004)

„Um zu überleben, streifen sie (die Israelis) die Vergangenheit ab. Um zu funktionieren, passen sie sich an, glätten Ecken und Kanten. Sie verwandeln sich in Menschen der Tat mit einer rigiden und deformierten Persönlichkeit und ohne seelische Tiefe. Sie kreieren eine laute, veräußerlichte Art zu leben. Sie haben den Ort ihres Herkommens eingebüßt, ohne zu wissen, wohin sie unterwegs sind. Real sind vier Dinge, die geleugnet werden: die palästinensische Vergangenheit, die palästinensische Katastrophe, die jüdische Vergangenheit, die jüdische Katstrophe. Vier verschiedene Formen von Amnesien sind am Werk. Sie verdrängen sowohl das Fehlen von 700 000 Palästinensern als auch die Ermordung von sechs Millionen Juden.“
(Ari Shavit, Mein Gelobtes Land: Triumph und Tragödie Israels, 2013)

Dass Amerika die Menschen- und Völkerrechtsverletzungen Israels nicht nur absegnet, sondern sich selbst nach Belieben über das Völkerrecht stellt, ist für viele Nationen der Welt, die einst unter der kolonialen Knute litten, das Schandmal einer systematischen Bigotterie. Putins Krieg gegen die Ukraine, im Grunde gegen den gesamten Westen, ist für sie ein Zeichen, dass Russland sich endlich gegen diese Heuchelpolitik zur Wehr setzt, weshalb sie sich mit Putin solidarisch erklären.

„Die globale Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland ist eine Illusion: Viele Länder in Lateinamerika, Afrika und dem Nahen Osten unterstützen den Kremlherrscher. Sie eint die Verachtung für Amerika. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Ländern in der Welt, deren Führer seit Jahren darüber nachdenken, warum die Amerikaner andere Länder angreifen dürfen und sie nicht. Jetzt sehen sie, dass es nicht nur die Amerikaner können.“ (SPIEGEL.de)

Die Welt beendet ihre Nachkriegsepoche der guten Vorsätze und diplomatischen Verharmlosungen – und beginnt, sich kriegerisch zu spalten. Schon spricht man vom Einsatz atomarer Waffen.

Verglichen mit der Schärfe jüdischer Selbstkritik ist die „Erinnerungsarbeit“ der deutschen Vergangenheit ein pflichtmäßiges Memorieren – ohne Selbsterkenntnis.

Nein, sie sind keine Freunde Israels: die Deutschen. Hinter sakralen Gesten und rituellen Sätzen warten sie ungeduldig darauf, dass das Land endlich vor die Hunde geht. Das wäre das ersehnte Ende ihrer Schuld. Wir sprechen von deutschem Philosemitismus.

Fortsetzung folgt.