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… zum Logos II

Tagesmail vom 29.11.2021

… zum Logos II,

ist Psycho-logie – Logos der Seele – nicht das Gegenteil des Logos der Vernunft?

In Deutschland zweifellos – obgleich es kaum noch Menschen der Mittelschicht gibt, die keine therapeutischen Erfahrungen haben sollen. Was aber geschieht mit jenen, die ihre Seele suchen?

Wollen die Mühsamen und Beladenen ihre psychischen Lasten abwerfen? Ihre Versagens- und Schuldgefühle ? Doch zu welchem Zweck?

Um mit sich selbst ins Reine zu kommen und bessere Menschen zu werden? Oder um karriereschädliche Unbeliebtheiten zu überwinden und erfolgreich durchzustarten? Wollen sie geschmeidiger funktionieren – oder folgen sie der philosophischen Devise „Erkenne dich selbst“?

„Mein Bester, vergiß nicht, dich selbst zu erkennen, und mache nicht den Fehler, den die meisten Menschen machen! Denn die meisten sind darauf aus, vor den Türen anderer zu kehren und kommen nicht dazu, vor ihrer eigenen zu kehren. Versäume also dieses ja nicht, sondern bemühe dich vielmehr, auf dich selbst zu achten und vernachlässige ja nicht den Staat, wenn du etwas zu seiner Besserung beitragen kannst. Denn wenn es mit diesem gut steht, so werden nicht nur die übrigen Bürger, sondern auch deine Freunde und du selbst den meisten Nutzen davon haben.“ (Ein gewisser, heute verschollener Philosoph namens Sokrates bei Xenophon)

Noch immer gilt der Herumtreiber bei vielen Althistorikern als Gegner der Demokratie, weil er mit nervigen Fragen seine Zeitgenossen an allem irre gemacht habe – auch an der Polis. Das Todesurteil sei die Notwehr einer Gemeinschaft gewesen, die sich von einem psychischen Zerstörer bedroht fühlte.

Ist das Selbstbewusstsein des Einzelnen das seelische Fundament der Demokratie – oder ihre Bedrohung, weil eine Gesellschaft nicht auf Grübeleien und Selbstzweifeln beruhen könne? Stärkt oder schwächt die Suche nach dem Selbst die „Resilienz“ oder Widerstandsfähigkeit der Persönlichkeit?

„In den 1970ern erkannte die deutsch-amerikanische Entwicklungspsychologin Emmy E. Werner, dass resiliente Kinder vor allem eins auszeichnet: Die stabile Bindung an eine verlässliche und positiv zugewandte Bezugsperson.“

Sollte diese Erkenntnis zutreffen, könnte Deutschland keine resiliente Gesellschaft sein. Denn hierzulande wird gepredigt: löst euch so früh wie möglich, besonders von Menschen, die euch am nächsten stehen.

Löst euch von euren Nächsten und Liebsten, hieße: zerstört die seelischen Grundlagen eures Selbst, somit die Verlässlichkeit menschlicher Urbeziehungen. Atomisiert euch, zerstreut euch in alle Winde. Gründet eigene Nestgruppen – die ebenfalls vom Verfall bedroht sind.

Es darf nur eine einzige Art verlässlicher Treue geben, und das ist die Berufstreue zur kapitalistischen Untertänigkeit. Nicht familiäre oder freundschaftliche Nähe und Wärme sind Grundlagen seelischer Selbstbestimmung, sondern Abhängigkeit von Leistung und Lohn: solidarische Gefühle sind käuflich geworden.

Welches Selbst sucht die Selbstbesinnung? Etwa jene kranke Seele, die von der Psychologie therapiert wird? Oder das stolze Selbst einer mündigen Person? Bestimmt nicht die unsterbliche Seele jenseitiger Religionen.

Die überlassen wir der Theo-logie, dem Logos von Gott, der im Menschen kein selbstbestimmter Logos sein kann. Denn alles, was richtungsweisend und autonom ist, wird von Gott dominiert. Eine ferngelenkte Vernunft aber ist wie Atmen ohne Luft, wie Sehen ohne Augen.

Ist Seele identisch mit „Geist“? Wenn Geist kein heiliger, von Oben verliehener ist, kommen wir der Sache näher. Wenn Geist jene Instanz ist, die in eigener Regie denkt, fühlt und handelt, wären wir angekommen.

Geist ist die Selbstregulation des Menschen, der Sitz jenes Willens, der in gewisser Hinsicht vom Leib des Menschen abhängig ist – und dennoch die Fähigkeit besitzt, jenen zu lenken und zu leiten. Nicht als Diktator, sondern im erlernten und durch Erfahrung gestärkten Einklang von Leib und Seele, Körper und Geist.

Nicht von Geburt an verleiht Natur diese Fähigkeit dem Menschen, sondern nur potentiell, der Möglichkeit nach. Es liegt an jedem Einzelnen selbst, die Möglichkeit in Wirklichkeit zu verwandeln. Wer diesen Geist der Selbstbestimmung in lebenslanger Bemühung erworben hat, den nannten alte Philosophen vernünftig und weise.

Heute ist das Gegenteil von weise und vernünftig angesagt. Der moderne Mensch fühlt sich eingeengt von allem „Du sollst, denn du kannst“. Hinweg mit diesen Fesseln und hin zur törichten Unvernunft, die von dunklen Begierden gesteuert wird.

Just das Unvernünftige, Riskante und Selbstbedrohliche, die chaotische Abneigung wider alle Empathie mit Mensch und Natur, ist das Elixier moderner Vernunftfeindlichkeit und die Ursache des drohenden Klimasuizids. Logos der Vernunft ist die Fähigkeit des Überlebens und guten Lebens.

Selbstzerstörer berufen sich auch auf Natur, aber nicht als Ursprung und Ziel der Übereinstimmung mit dem Menschen, sondern als düstere und irrationale Macht, die den Menschen zum Spielball seiner Begierden erniedrigt.

Die unberechenbare Natur ist das Zentrum der deutschen „Lebensphilosophie“, die sich zur Feindin der westlichen Aufklärung deklarierte und in die darwinistische Rassenbiologie des Nationalsozialismus mündete.

„Der Arzt und Naturheilkundler Eugen Bilfinger erklärte: „Nicht Impfungen, sondern nur gesunde Lebensbedingungen und gesunde Lebensgewohnheiten verschaffen und erhalten uns die Gesundheit. Die Natur hat immer recht.“ Die Natur solle nicht gemeistert werden, man habe von ihr zu lernen und „ihre Gesetze zu verstehen“. Der damals deutschlandweit bekannte Impfgegner, Tierrechtler, Veganer und Antisemit Paul Förster stritt ebenso gegen die Impfpflicht. Er sah keinen Widerspruch zwischen seinem gesundheits- und tierrechtspolitischen Engagement und seinen völkisch-nationalistischen Aktivitäten. In seinem Denkkosmos griff alles ineinander. Hier flackerte die Verschwörung auf, dass die moderne Welt eine „jüdische Welt“ sei. Förster denunzierte Humanismus, Rationalismus, Universalismus und Egalitarismus als „fremde Formen“. Sie widersprächen dem deutschen Wesen und seien dafür verantwortlich, dass dem „Menschen die Unmittelbarkeit des Gefühls und der Einklang mit der Natur“ verloren gegangen sei. Ein rechter Antimodernismus, der nicht bloß den Materialismus abwehren wollte, sondern auch Liberalismus und Humanität.“ (TAZ.de)

Die meisten Impfgegner werden es nicht wissen, doch hier liegen die Wurzeln ihrer Idolisierung der Natur als Feindin alles Geist- und Menschenbestimmten. Impfen ist eine künstliche Erfindung des Menschen, kann nicht natürlich sein und muss vom ursprünglichen Menschen bekämpft werden.

Rousseau beschrieb die Kultur – den Menschen und seine Taten – als Feindin der Natur. Diese Gegnerschaft gegen die Vernunft stieß auf den Widerstand Voltaires – und wurde von deutschen Romantikern als neue Instanz des Menschen gerühmt.

Deutsche Anti-Aufklärer degradierten die französische „Kultur“ zur Zivilisation oder zum Machwerk des naturfeindlichen Menschen: das war die feindliche Frontstellung des Ersten Weltkriegs zwischen westlich dekadenter Zivilisation und deutscher Kultur – identisch mit ungebändigter Natur.

Deutsche Natur und Kultur waren noch ungeschieden und bildeten die arische Herrenrasse, die sich der Infiltration durch die minderwertige jüdische Rasse erwehren musste. Das Eindringen der jüdischen Rasse wurde später verglichen mit dem Impfen einer perfekten Natur durch giftige jüdische „Bazillen“.

Unbewältigte Vergangenheit steht unter Wiederholungszwang, weshalb die heutigen Impfgegner – bar jeder Erkenntnis ihres Werdens – nicht wissen, was sie tun. Die Gegner der Impffeinde wissen das allerdings auch nicht und können jene nur beschimpfen. Das verhindert jedes Verstehen und birgt die Gefahr eines gesellschaftsspaltenden Hasses.

Oswald Spengler, Vorläufer der NS-Ideologie, beschrieb in folgenden Worten die deutsche Rassenatur:

„Das Raubtier ist die höchste Form des freibeweglichen Lebens … Es gibt dem Typus Mensch einen hohen Rang, dass er ein Raubtier ist. Selbstverständlich gibt es von Natur Befehlende und Gehorchende, Subjekte und Objekte der politischen oder wirtschaftlichen Verfahren … einen natürlichen Rangunterschied zwischen Menschen, die zum Herrschen oder Dienen geboren sind, zwischen Führern und Geführten des Lebens. Lieber ein kurzes Leben voll Taten und Ruhm als ein langes ohne Inhalt. Es gibt keine weise Umkehr, keinen klugen Verzicht. Nur Träumer glauben an Auswege, Optimismus ist Feigheit. Wir sind in diese Zeit geboren und müssen tapfer den Weg zu Ende gehen, der uns bestimmt ist. Einen andern gibt es nicht. Auf verlorenem Posten ausharren ohne Hoffnung, ohne Rettung ist Pflicht. Das ist Größe, das heißt Rasse haben. Dieses ehrliche Ende ist das einzige, das man dem Menschen nicht nehmen kann.“ (Der Mensch und die Technik).

Das Gefühl völkischer Naturüberlegenheit war die beherrschende Stimmung einer Nation, die ihre messianische Überlegenheit in pseudo-natürliche Begriffe verwandelt hatte. Der Krieg gegen die Welt sollte den Beweis für diesen Glauben liefern. Als die Deutschen versagten, war es vom Führer nur konsequent, sein Versagervolk kaltblütig krepieren zu lassen. Es hatte von der Natur die Quittung bekommen, die es durch sein Versagen verdient hatte.

Verstehen wir, warum die Deutschen sich das Profil einer passiven Überlegenheit zulegen konnten? Sie fühlten sich als Erwählte des Schicksals oder einer Rasse, die allen Völkern überlegen war und denen sie mit heroischer Militanz ihre Überlegenheit beweisen konnte.

Gerade in der heutigen Corona- und Klimakrise können sie in gelassenem Hochmut die Gefahren an sich abperlen lassen. Es ist schon immer alles gut gegangen, was kann ihnen schon passieren? Nur keine Aufregung, nur keine minderwertige Hektik. Souverän und immun gegen das Übel können sie aus einer sicheren Beobachterloge verfolgen, wie die Natur ihren gnadenlosen Gesetzen folgt.

Das trifft sowohl auf die Corona- wie auf die Klimakrise zu und erklärt das sonst unerklärliche Schlampen und Durchwursteln verantwortlicher Politiker. Es ist wie beim Revolverduell im Wilden Westen: wer zuerst zuckt, hat verloren. Gelassenes Abwarten ist das Gütesiegel der Besten.

Politik als Vorausschau, als prophylaktisches Tun gegen drohende Zukunftsgefahren, als Planen und Gestalten des Guten und Erwünschten? In Deutschland unmöglich. Hier herrscht heldenhafter Fatalismus im Bewusstsein, von Gott oder einer gottähnlichen Natur geführt und geleitet zu werden.

Von Gott geführt werden, ist der Fatalismus der Gläubigen, die am Gang der Geschichte nichts ändern dürfen. Auch wenn sie glauben, das Böse erdulden zu müssen. Ist doch dieses Böse von Gott gesandt und wird erst am Ende der Tage von Ihm beendet werden. Das Reich des Bösen (civitas terrena) ist von augustinischen Lutheranern weder veränder- noch reformierbar.

Auch das Reich der Natur, selbst wenn es darwinistisch böse scheint, muss mit heldenhaftem Mut zum Untergang erduldet werden. Veränderbar ist nichts. Gottlos oder naturhassend ist der, der an seinem ferngelenkten Geschick etwas ändern will.

Der deutsche Übergang von Gott zur Natur war nicht reibungslos. Nach der Schrift war Natur etwas Minderwertiges, das durch menschliches Tun noch mehr beschädigt werden durfte. War sie doch ohnehin zum finalen Untergang bestimmt. Erst mit der Wiederkunft des Messias würde sie endgültig als „das Alte“ vergehen und dem „Neuen“ Raum schaffen.

Die Minderwertigkeit der Natur wurde von der deutschen Lebensphilosophie ins Gegenteil verkehrt. Die Natur wurde zu einem Gott erhöht und erhielt dessen Fähigkeit, die Besten zu selektieren und die Miserablen zu vernichten.

Die deutsche Lebensphilosophie wollte nicht hinterwäldlerisch sein. Also verwandelte sie Vater Gott in Mutter Natur, aber ausgestattet mit den väterlichen Eigenschaften einer harten und ungerecht scheinenden Pädagogik. Deren geheime Gerechtigkeit erkannte man nur, wenn man entweder an Gott glaubte oder an eine göttliche Natur.

Die deutsche Naturbewegung wurde keine griechische Bewunderung eines vollendeten Kosmos, dem man grenzenlos vertrauen konnte. Sie wurde zur Verehrung einer unerklärlich-willkürlichen Natur, deren brutale Akte ein auserwähltes Volk tapfer über sich ergehen lassen musste.

Die romantischen Naturschwärmer erkannten als Erste die üblen Folgen des vom Westen importierten Kapitalismus und einer naturfeindlichen Technik. Während ihre Dichter und Denker den Ursachen der Verwüstung nachdachten, entstand eine neue Schicht von Machern und Fabrikanten, die der Überlegenheit des Westens mit gleichen Mitteln Paroli bieten wollten. Es dauerte etwa ein halbes Jahrhundert, bis die Deutschen ihre Konkurrenten eingeholt, ja überholt hatten.

Das Volk blieb bis zum heutigen Tag gespalten. Das Wirken der Dichter und Denker wurde zum eitlen Bildungsgut. Die Krupps & Co, in Zusammenarbeit mit exzellenten Naturwissenschaften, avancierten zu den führenden Elementen Deutschlands, das die Welt beglücken oder beherrschen wollte. (Für platonische Deutsche dasselbe.)

All diese Elemente existieren noch heute, wenn auch in milderer Version. In allen Dingen wollen die Deutschen die besten sein, indem sie sich mit ihren Konkurrenten vergleichen. Ohne Vergleiche hätten sie keine eigenen Kriterien der Bewertung. Sie verharren weiterhin in ihrem nationalen Sumpfklima. Ihr Interesse an der Welt ist nichts als Leistungsvergleich mit ihren Wettbewerbern. Mir geht es besser als dir, was mich sagen lässt: mir geht es exzellent.

Sind sie besser als andere, selbst wenn jene noch so schlecht wären, bleiben sie die allerbesten. Weitere Bemühungen überflüssig.

So etwa ist der Zustand der BRD ab der Wiedervereinigung und Machtübernahme durch Merkel. Ihre Regierungsdevise: was gut läuft, muss unverändert bleiben, damit es auch zukünftig gut läuft. Merkel betrachtete die Republik wie eine gut geölte Maschinerie, an der nichts verändert werden durfte.

Deutschland war eine führende Wirtschaftsmacht der Welt. Warum hätte man etwas ändern sollen? Waren sie nicht, seit Bismarcks Zeiten, auch in Technik und Wissenschaft eine herausragende Nation? Die verspätete Nation hatte sich in eine führende verwandelt, ihre Zurückgebliebenheit wurde zur Überheblichkeit einer Herrenrasse.

Hatte Nietzsche das frauenfeindliche Motto ausgegeben: gehst du zum Weibe, vergiss die Peitsche nicht, variierten sie dieses Motto zur sadistischen Parole einer führenden Rasse: geht ihr zu den Völkern, vergesst die Peitschen nicht. Zwei Weltkriege mit schrecklichen Folgen mussten sie führen, bis sie von den Westmächten eines Besseren belehrt werden konnten.

Auch die NS-Ideologen verehrten die Natur. Es war die Natur der deutschen Lebensphilosophie, von Oswald Spengler, Ernst Jünger e tutti quanti in hemmungsloser Deutlichkeit beschrieben.

Als die Grünen nach dem Krieg die Ökobewegung ins Lebens riefen und manche Altnazis bei ihnen mitmachten, erschraken sie über sich selbst: hatten sie ahnungslos eine Naziideologie übernommen? Just dies wurde ihnen von ihren ersten Kritikern vorgeworfen. Hatten sie tatsächlich, ohne es zu bemerken,  das Erbe der vernunftfeindlichen Lebensphilosophie übernommen?

Genau an dieser Stelle begingen sie den entscheidenden Fehler: diesem Verdacht gingen sie nicht gründlich genug nach, um ihn zu widerlegen. Hatten sie tatsächlich die gleiche Naturphilosophie wie ihre Verbrecherväter?

Hatten sie nicht. Doch das bemerkten sie nicht, weil sie ihre Vergangenheit nicht gründlich genug erforscht hatten. Aus Angst vor falschen Verbündeten und Vorfahren flüchteten sie – nicht anders als die anderen Parteien – in die Arme der Theologie und übernahmen das Motto von der Schöpfungsbewahrung.

Sie erkannten nicht, dass Heilsgeschichte die erlösungsbedürftige Natur endgültig zur Strecke bringen würde – damit eine neue an ihre Stelle treten konnte.

Ihre Flucht ins Klerikale war das Ende ihrer naturphilosophischen Erinnerungsarbeit – bis heute. Seitdem sie sich für den Weg zur Macht entschieden, verkümmern ihre ideellen Grundlagen, was man an den kläglichen Kompromissen des Ampelvertrags erkennen kann.

Was sie bis heute nicht verstanden haben, ähnelt dem gedankenlosen Treiben Merkels – ja, auch der SPD und aller führenden Parteien, die seit dem Tode Willy Brandts ihre gedanklichen Wurzeln löschten. Seitdem uneingeschränkt das Credo des Kompromisses gilt, hat kompromissloses Denken nicht mehr die geringsten Chancen.

 Poppers Verdikt einer zweckorientierten humanen Politik als faschistoide Utopie verhinderte jedes Streiten über die Frage, was man tun sollte. Es war nicht Merkels Alleinstellungsmerkmal, dass theoretische Entwürfe schädlich seien. Wichtig sei allein das Geschäft eines reibungslosen Weiter-so.

Wie kann man die Qualität seiner Kompromisse bewerten ohne Kriterien seiner zugrunde liegenden Ideen und Gedanken? Seit dem Kniefall der deutschen Politik vor dem Neoliberalismus haben gedankenlose Kompromisse die Alleinherrschaft über Deutschland übernommen.

Der Naturbegriff der Deutschen seit ihrem Abschied von der Aufklärung wurde ein vollkommener und göttlicher. Aber nicht der Naturbegriff eines mütterlichen Kosmos, der für alle in gleicher Weise da war, sondern die Imitation eines gnadenlosen Gottes.

Selbst wenn eine allmächtige Natur die Deutschen schlecht behandeln würde – nichts folgte daraus. In einer unbeirrbaren amor fati (Liebe zum Schicksal) müssten sie den Untergang des Abendlands als Zeichen einer perfekten Natur willkommen heißen.

Merkel wurde zur Kanzlerin eines Landes, das sich jede menschliche Zukunftsgestaltung verboten hatte. Die Deutschen und ihre Pastorentochter verschmolzen zu einer prästabilierten Symbiose, die sich jede rationale Zukunft aus dem Kopf schlug und jede anamnestische Selbstbesinnung verbot.

Deutschlands Suche nach seiner Seele wurde bereits in jenem Moment unmöglich, als die Seele aus der Psychologie verbannt wurde. Das war, als die Psychologie sich den Naturwissenschaften unterwarf und alles, was nicht empirisch beweisbar war, mit Stumpf und Stiel entfernte.

Der Mensch entwickelte sich aus einem geistbegabten Wesen zu einer Körperpuppe, die mit Knopfdrücken ferngelenkt werden konnte. Skinner degradierte den autonomen Menschen zu einem konsumgesteuerten Roboter. Mit Robotern lässt sich keine demokratische Politik betreiben.

Das war der Beginn des Untergangs, der heute Realität zu werden droht. Der Logos sei mit uns allen.

Fortsetzung folgt.