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Weltstreit

Hello, Freunde der Weltstreits,

über die Weltlage muss gestritten werden. Wenn Gorbatschow sich gegen die Angriffe Obamas wehrt, fällt dem von inneren Konvulsionen geschüttelten SPIEGEL nur die psychologische Schlagzeile ein: „Zwei Friedensnobelpreisträger in Rage.“

Ein Praktikant durfte eine dpa-Meldung in gewohnt aufgemotzter Boulevard-Manier ins Heft setzen. Einen „wenig friedvollen Schlagabtausch“ nennt das sensible Blatt den notwendigen Streit und spürt gar einen „Hauch Kalter Krieg“. (SPIEGEL Online)

Die neue Ost-West-Auseinandersetzung wird als Clinch zwischen zwei eitlen Selbstdarstellern auf den Markt der unersättlichen Sensationen geworfen. Natürlich kein Kommentar der weltläufigen Hamburger, die sich den Luxus gestatten, ihre Krise als bloße Organisationskrise zu behandeln.

Vor Tagen hatte das von allen journalistischen Geistern verlassene Magazin die Schlagzeile: „Putin drohte mit Einmarsch in Riga und Warschau“. Im Text hieß es: „Der russische Präsident Putin soll laut „Süddeutscher Zeitung“ gegenüber dem ukrainischen Präsidenten geprahlt haben, auch in diese Länder einmarschieren zu können.“

Zwischen belegbaren Tatsachen und Soll-gesagt-haben-Gerüchten gibt es für das heruntergewirtschaftete, einstmals so stolze „Sturmgeschütz der Demokratie“ keinen Unterschied mehr.

Dass die Medien ihr selbst verursachtes Geplätscher als nationale Erregung verkaufen, ist zur standardisierten Selbstüberschätzung geworden. Kaum droht

die wirtschaftliche Vorrangstellung der Deutschen getrübt zu werden, stehen die Wirtschaftsredakteure Gewehr bei Fuß: „Deutschland verabschiedet sich von Jubelprognosen.“

Wie meinen? Deutschland, sonst als Griesgramnation verschrien, soll plötzlich gejubelt haben? Nein, es waren rankingsüchtige Wirtschaftsschreiber, die es nicht leiden können, wenn dreiste Nachbarn die Deutschen überflügeln wollen. Die Deutschen müssen sofort gerüffelt werden, wenn sie keine Spitzenleistungen als alltägliche Gehorsamsübungen abliefern.

Die Wirtschaftsabteilungen fast aller deutscher Gazetten sind eisenhart neoliberal und verstehen sich als Einpeitscher der trägen Germanen, damit beim Vergleich der Wachstumsraten ihre Augen leuchten dürfen. Dass Wirtschaft schrumpfen müsse, damit wir unsere ökologischen Probleme in den Griff kriegen, ist bei diesen Schlüsselloch-Ökonomen noch nicht angekommen. Was auch soll Ökonomie mit Ökologie zu tun haben?

Die Deutschen scheinen nur Jubel oder Depression zu kennen. Hier spricht die alte Herrenmentalität, die sich aus dem verdrängten Untergrund meldet: was nicht Spitze ist, kann nur Untergang des Abendlandes sein.

Der SPIEGEL, der sich mit Deutschland verwechselt, verabschiedet sich von Jubelprognosen, die er in seinem sauerstoffarmen Biotop selbst ausgeheckt hat. Genau genommen trifft das Motto die eigene Redaktion: SPIEGEL, deine Jubelperiode ist vorbei. Troll dich, setz dich auf eine Bank und schau friedlich ins Weite.

Solange Ost und West miteinander streiten, kann es keinen Krieg geben. Zur Waffe greifen nur diejenigen, denen es an Worten und Argumenten gebricht.

Warum streitet der SPIEGEL nicht öffentlich mit einer russischen Zeitung um den zukünftigen Kurs Eurasiens? Warum gibt es keinen Dauerdialog mit führenden europäischen, nord- und südamerikanischen, indischen, afrikanischen und chinesischen Postillen? War die Globalisierung nur eine mammonistische Bereicherungsfinesse der EINPROZENT ohne den geringsten Versuch eines planetarischen Gesprächs?

Das Schicksal der Erde steht auf dem Spiel, wir wissen nichts voneinander und lassen uns durch Jetset-Abenteurer nach Belieben auseinander dividieren. Warum muss das kleinste Geplänkel als Gezerre und Gekeife „abgewatscht“ (Lieblingswort des SPIEGEL für Kritik) werden? Wir brauchen globale Debatten aller Völker mit allen Völkern.

Was wissen die Deutschen etwa über die Brasilianer, außer dass jene eine fußballtechnische Schwächeperiode haben? Was wissen sie von Porto Alegre und den vielen beeindruckenden Umweltgruppen, die ihr Leben einsetzen, um die Urwälder nicht dem Raubbau weißer Milliardäre zu überlassen? In welchem Land der Welt ringen sonst noch zwei Frauen um das höchste Amt im Lande?

Die neue Pariser Bürgermeisterin hat von Porto Alegre gelernt und lässt ihre Bevölkerung über die notwendigen Sparmaßnahmen der Stadt abstimmen. Gibt es eine einzige deutsche Stadt mit solchen urdemokratischen Gepflogenheiten?

Ein autochthoner weißer SPIEGELkommentator verhöhnt alle Deutschen, die sich anmaßen, mehr als nur zu krakeelen oder als „Quereinsteiger“ in der Arena männlicher Politiker mitmischen zu wollen. Politik, merkt euch das, ihr Möchtegernschreihälse, ist nur für Berufsdemokraten.

Wir sind 50 Jahre zurückgefallen. Wer die Politik nicht den Politikern überlässt, die seltsamen Rituale der Männerhorden kess ignoriert, der muss sich sagen lassen: Schuster, bleib bei deinem Leisten. Wer wundert sich über solch elitokratisches Naserümpfen, wenn er das Elend der gegenwärtigen deutschen Politik betrachtet?

Dass die ganze Bundeswehr ein einziger Schrotthaufen ist, kann auf keinen Fall die Schlamperei altgedienter Profis sein, gelle? Deutschland, drittgrößte Waffenschmiede der Welt, verkauft sein bestes Tafelsilber am liebsten an andere – vor allem an Saudi-Arabien, das schon wesentlich mehr Köpfe abgeschlagen hat als die ISIS, und dennoch zum engsten Verbündeten des Westens geworden ist.

Rent a Flugzeug von Putin, dem Popanz des Westens, Frau von der Leyen gelangt aus eigener Kraft kaum in den Irak, um das Kalifat mit bloßen Worten zu bekämpfen. Vielleicht sollte die Mutter aller deutschen Recken es demnächst per Anhalter versuchen?

Wir sehen, es sind nicht nur unmilitante Flugplätze, die unter deutscher Regie vor sich hin darben. Das Herz jedes deutschen Pazifisten muss aufjauchzen ob der friedlich vor sich hin rostenden Haubitzen. Wie wär‘s, die altbewährten Kruppkanonen des Ersten Weltkrieges aus den Museen zu holen und sie erneut in vaterländischen Dienst zu stellen? Die Kanonen werden sich freuen.

Willst du den omnipräsenten NSA-Methoden der führenden Macht der Welt ein Schnippchen schlagen? Nichts einfacher als das. Gründe eine menschenfeindliche Terrorkohorte, die ein riesiges Gebiet unter ihre Knute bringen will – und kein allwissendes Auge eines neocalvinistischen Gottes wird dich aufspüren.

Unsere Geheimdienste – muss Obama zerknirscht bekennen – haben die ISIS unterschätzt. Oder war‘s überschätzt? Hatte die NSA diese islamistischen Reisläufer auf ihren Bildschirmen überhaupt dingfest gemacht? Alle wichtigen Ereignisse in der Weltpolitik haben die amerikanischen Schlapphüte bislang verschlafen.

Heute wissen sie alles über dich – vor allem über deinen Kühlschrank und deinen Staubsauger. Wenn du aber mit einer hochgerüsteten Armee kurz vor Washington auftauchst, reiben sich die Kameraden erstaunt die Augen.

Dieser Tage hätte ein Scharfschütze aus dem Auto beinahe den Präsidenten im Weißen Haus erschossen – wenn sich dieser zufällig in jenem Zimmer aufgehalten hätte, das der Heckenschütze ins Visier genommen hatte. Tagelang blieb die zertrümmerte Fensterscheibe unbemerkt.

Wie wär‘s mit einer kleinen verruchten Verschwörungstheorie? Die weißen Eliten hätten gar nicht viel dagegen einzuwenden, wenn der erste Schwarze auf dem Präsidentensessel versehentlich abhanden käme, bevor er das Weiße Haus in eine schwarze Onkel-Toms-Hütte verwandelt?

Zurück zu unseren Friedensnobelpreisträgern. Wer hat denn nun Recht? Solche Fragen stellt man nicht in Deutschland. Schließlich ist Amerika noch immer unser bester Verbündeter und die führende Glucke der Welt, unter deren Schutz wir nach Belieben große Worte spucken können, ohne dass uns jemand beim Wort nimmt. Unseren besten Freunden können wir doch nicht ans Bein pinkeln.

Wer, meine teuren Geschwister, hat die folgenden Worte über die ach so aufrechten Deutschen verloren? Deutschland sei ein „erbärmliches, nichtswürdiges und rückgratloses Volk?“ Ein bedeutungsloser deutscher Literaturnobelpreisträger namens Theodor Mommsen.

Auch den Typus des deutschen Journalisten hat der scharfzüngige Historiker bereits vor mehr als 100 Jahren mit untrüglicher Sicherheit demaskiert. Ein typischer Tintenkleckser war „gegen Scheinangriffe gewaltig und Mauern von Pappe hat er viele mit Geprassel eingerannt; eine ernstliche Sache ist nie, weder im guten noch im bösen, durch ihn entschieden worden. Als Journalistennatur war er überreich an Worten, an Gedanken über alle Begriffe arm. Als Mensch war er von schwach überfirnisster Oberflächlichkeit und Herzlosigkeit. Weder hatte er eine Überzeugung noch eine Leidenschaft.“

Von BILD wollen wir gar nicht reden, die hat nicht mal eine Oberfläche. Wer aber vom SPIEGEL fühlt sich jetzt zur Kenntlichkeit ent-firnisst? Vortreten und schämen!

Oh ja, Putin ist voll in die Falle des Westens getappt und spielt den hirnrissigen bösen Zampano, den der Westen so dringend benötigt, um sein dualistisches Gleichgewicht nicht zu verlieren. Wer zwei Jahrtausende unter dem Gott-Teufel-Schema sein dürftiges Leben verbringen musste, der will und kann sich von diesem Schwarz-Weiß nicht einfach verabschieden.

Doch die Kontrast-Falle hat der nächstenliebende Westen gestellt, das wollen wir für‘s Protokoll festhalten. Da muss der pubertierende Kraftlackl aus dem Kreml schon noch ein paar Butterbrote mit schwarzem Kaviar futtern, bevor er diese Tricks des Westens durchschauen kann.

Putins bester deutscher Freund aus Hannover kann ihm keinen Nachhilfeunterricht gegeben haben, sonst hätte Wladimir die List des Westens durchschauen müssen.

Und jetzt ist es passiert. Wieder ist Russland das Reich des Bösen und an fast allen Übeln der Welt schuldig. Vermutlich haben sie auch den Ebola-Virus im Labor gezüchtet und nach Afrika verfrachtet, um die Welt in Angst und Schrecken zu versetzen.

Jetzt hat Gorbatschow zurückgeschlagen und verurteilte die USA als „Fieber der Welt.“ Der SPIEGEL hat es nicht nötig, auch nur anzudeuten, worum es geht. Die Verdienste Gorbatschows werden mit einem dürren Satz mehr unter den Teppich gekehrt als gewürdigt.

„Zwar gebe es keinen neuen Kalten Krieg zwischen Russland und den USA, doch Anzeichen dafür seien da, sagte Gorbatschow. Der Friedensnobelpreisträger hatte als letzter sowjetischer Staatschef mit seiner Politik der Perestroika (Umbau) das Ende des Kalten Krieges besiegelt. Einen neuen Kalten Krieg brauche niemand, sagte er.“

In seinen Verhandlungen mit Ronald Reagan wollte Gorbi ein für alle mal die Spannungen zwischen Ost und West abbauen und durch vertrauensvolle Beziehungen ein Klima der Gleichwertigkeit schaffen. In seiner Autobiografie schreibt er, keine der beiden Seiten sollte die militärische Überlegenheit über die andere anstreben. „Des Weiteren waren Pläne für einen gegenseitigen Austausch im humanitären Bereich und Kontakte zwischen den Jugendlichen unserer beiden Länder festgehalten. Der „Geist von Genf“ war geboren.“

Fast nichts davon wurde verwirklicht. Die USA dachten gar nicht daran, das Reich des Bösen als gleichberechtigte Macht anzuerkennen. Schon gar nicht, um Gorbatschows Kritik am ungerechten und unökologischen Kapitalismus abzusegnen. Dieser schwärmerische Humanist war eine Bedrohung für den amerikanischen way of life. (Schon längst müsste es heißen: way of death.)

Das militärische Gleichgewicht wurde gestört durch Installieren von Abwehrraketen im Osten Europas, an den Grenzen zu Russland. Vor allem der rüde antiökologische und sich beschleunigende wirtschaftsdominante Kurs der USA unterminierte jeden Versuch einer wirklichen Annäherung.

In einem nächtelangen Gespräch mit Reagans Außenminister Shultz fragte Gorbatschow den Amerikaner, mit welcher Berechtigung die USA dem Rest der Welt ihren Lebensstil aufzwingen dürften. Leider erfahren wir nichts von der Antwort des Herrn Shultz.

Was ist der Kern des amerikanischen Lebensstils? Durch wirtschaftliche und technische Dominanz die Welt zu beherrschen. Mit der Begründung, endlose technische und ökonomische Fortschritte seien unumstößliche Gesetze der Evolution. Wer sie am besten befolge, habe die Vorherrschaft über die Schwächeren redlich verdient.

Bei Adam Smith standen internationale Wirtschaftsbeziehungen noch im Dienst des Reichtums aller Nationen. Doch es konnte nicht ausbleiben, dass ökonomisch besonders starke Länder mit Hilfe der neugewonnenen wirtschaftlichen Abhängigkeit die weniger effektiven Konkurrenten an die Leine legen konnten. Man musste keine Kriege mit Waffen führen, um abhängige Vasallen zu schaffen. Mit Wohlstandsversprechungen konnte man die Welt in die Falle locken. War sie zugeschnappt, war es für alles zu spät.

Heute wollen Amerika & sein Vasall Europa von einer allgemeinen Globalisierung zugunsten aller nichts mehr wissen. Auch wenn der geplante Handelsvertrag TTIP in sich rechtsstaatlich korrekt wäre: hier wollen die Starken der Weltwirtschaft sich noch enger verbünden zu Lasten aller Schwachen dieser Welt. Wer hat, dem wird gegeben, wer nichts hat, dem wird noch genommen, was er hat. Neutestamentliche Grundsätze bestimmen die Weltpolitik im 21. Jahrhundert.

Fast alle Freundschafts- und Bündnisversprechen des Westens gegenüber Russland wurden nicht eingehalten. Systematisch unterminierten die USA die Grenzstaaten zu Russland, nutzten deren Freiheitswillen, um ihre geopolitische Präsenz auszubauen. Putins Torheit besteht darin, diese Provokationen mit völkerrechtswidrigen Aktionen zu beantworten. Nun haben wir den Schlamassel.

Hinzu kommt der Aspekt der moralischen Aufrichtigkeit, unter dem die Völker die stärksten Mächte der Welt unter die Lupe nehmen. Obama wirft – zu Recht – Putin Völkerrechtsverbrechen vor. Doch die schlimmeren Völkerrechtsverbrechen Netanjahus, des engsten wenn auch ungeliebten – Verbündeten Obamas, werden von den USA mit eiserner Bigotterie verteidigt.

Immer im Schlagschatten der USA die Deutschen. Gerade gibt es im Lager der SPD einen heftigen Schlagabtausch zwischen einem Aufrechten, der Israel schärfstens kritisiert, und einem Herrn Robben, der diese Kritik nur als giftige Niedertracht betrachten kann. Versteht sich, dass Gabriel und Merkel ihre bedingungslose Unterwürfigkeit durch keine Wortmeldung gefährden wollen. Pardon, ihre bedingungslose Solidarität.

Erstaunlich, mit welcher Selbstverblendung der Westen die Empörung der Welt über seine Doppelzüngigkeit nicht zur Kenntnis nehmen will. Obama will in der Bekämpfung der ISIS lieber mit Saudi-Arabien und Katar als mit Russland zusammenarbeiten, zwei absurd bigotten Staaten, die die ISIS bis zum heutigen Tag religiös, finanziell und militärisch unterstützen.

Russland hingegen hatte klar signalisiert, es würde im UN-Sicherheitsrat kein Veto gegen eine Bekämpfung der ISIS einlegen. Dasselbe gilt für China. ISIS könnte für die Südflanke Russlands wie auch für den Nordwesten Chinas gefährlich werden.

Der Christ Obama mit der blütenweißen Weste braucht den christlichen Teufel Putin, um beider Gott die Ehre zu geben, der mit Wohlgefallen auf seine Knechte auf Erden herunterschaut, die sich als erwählte Obrigkeiten fühlen dürfen.

Gibt es eine Lösung der Nahost-Probleme? Wer will denn eine Lösung? Wer darf eine wollen? Es gibt keine Lösung irdischer Probleme durch menschliche Sündenkrüppel, davon sind alle Christen der Welt überzeugt. Jeder Versuch, die Weltprobleme zu lösen, wäre eine Generalsünde wider den Geist.

„Der Mensch ist nicht geboren, die Probleme der Welt zu lösen.“ Der dezidierte Nichtchrist Goethe konnte auf den Teufel nicht verzichten, damit der Mensch am Ende seines Lebens etwas vorzuweisen hätte. Vergeblich. Am Ende lag der faustische Zocker vor der himmlischen Erlösung auf den Knien.

„Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ Das ist die Haltung der Deutschen bis zum heutigen Tag. Der Kirche Ade sagen, um die Erlösung durch die Gesindetür hereinzulassen.

Käme eines unvermuteten Tages aus den Tiefen des Universums ein wunderwirkender Avatar und würde den Menschen ewigen Frieden bringen – die Gläubigen müssten ihn zum Dank stäupen, bei lebendigem Leibe häuten und anatomisch in alle Körperteile zerlegen. Deus lo volt.