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Weltpolitik

Hello, Freunde der Weltpolitik,

sonst noch was außer Pegida, dem chauvinistischen Masturbationsthema der Deutschen? Wie wäre es mit obszöner Weltpolitik? Wedelt der Hund mit dem Schwanz, wie Noam Chomsky meint – oder der Schwanz mit dem Hund, wie Uri Avnery dagegen hält?

Es geht um zwei Herren, die um den Titel des mächtigsten Mannes der Welt ringen. Das Gesicht des einen zeigt seltsam erschlaffte Züge, die – noch seltsamer – weltführerhaft-tatkräftig wirken sollen.

Das hermetische Gesicht des anderen weiß und hofft, dass die Welt ihn nicht liebt – weshalb er die Welt verachtet; das soll sein Gesicht zeigen, das der Zukunft seines politischen Messias entgegen sieht: „Sobald der Messias kommt, werden alle Gojim Sklaven der Israeliten.“

Diesen Talmudsatz könnten Christen und Muslime mit gleicher Inbrunst unterschreiben. Nur mit der kleinen Variante, dass an Stelle der Israeliten Christen oder Muslime die Herren der Welt sein werden.

Der Satz der drei Erlöserreligionen mit auswechselbaren Guten und Bösen ist zum Nukleus der Weltpolitik geworden. Wenn der Weltenherrscher vor der Tür stehen wird: werden dann die Nazaräer die Nase vorne haben, die Muslime oder die Juden?

Die Beantwortung dieser Frage ist die Substanz des globalen Kampfes um die Weltherrschaft. Aber nicht im seligen Winkelried der Deutschen. Ihre Religion kennt nur ätherische Werte. Hass und Gewalt sind in ihren abendländischen Tugenden nicht vorgesehen. Politik, die schmutzige Angelegenheit, ist nur Sache der Welt: die Gläubigen schweben in einem unsichtbaren, vom Schmutz der Welt befreiten, Himmelsgebilde oberhalb aller Fährnisse der Ungläubigen, allezeit

bereit, den finalen Zerstörer der Weltgeschichte in Freuden zu empfangen.

Die Deutschen sind unerschütterlich in ihrem Glauben, der die Welt überwunden hat, mit der Welt aber nichts zu tun haben soll. Über solch augustinische Gespaltenheiten können Obama und Netanjahu nur höhnisch lachen.

„Der Republikanerführer John Boehner hatte Netanyahu ohne Rücksprache mit dem Weißen Haus in den Kongress eingeladen. Obama reagierte verstimmt und ließ mitteilen, dass es sich dabei um einen Verstoß gegen das Protokoll handele. Boehner und die Republikaner hätten mit ihrem Coup auch demonstriert, dass sie ihre Angriffe auf Obamas Agenda nicht nur auf die Innenpolitik beschränken wollen, schreibt die „New York Times“. … Obama sei bei der Vorbereitung für den Auftritt systematisch ausgeklammert worden, schreibt die israelische Zeitung „Haaretz“. Das komme einer echten Provokation gleich.“ (SPIEGEL Online)

Wer ist der mächtigste Mann der Welt? Derjenige, der dem mächtigsten Mann der Welt zeigen kann, was eine Harke ist. Noam Chomsky, obgleich israelkritisch, hat immer bestritten, dass Jerusalem die Hauptstadt Amerikas sei. Uri Avnery sieht das anders:

„Noam Chomsky, der brillante Linguist: Israel ist nur ein Lakai des amerikanischen Imperialismus, der in dieser Region seine Interessen vertritt. Eine Art unsinkbarer Flugzeugträger. Ich sehe es nicht so. Wenn der amerikanische Hund mit dem israelischen Schwanz wedelt, so wedelt der Schwanz mit dem Hund.“ (Uri Avnery in der NRhZ)

Schon vor Jahren rätselten Avnery und Nahum Goldmann über die blinde Solidarität der Amerikaner mit den Israelis. Warum schneiden sie sich ins eigene Fleisch, wenn sie von den immer rechter werdenden israelischen Regierungen keine Friedenspolitik fordern und den eitrigen Kern der Nahostspannungen immer weiter expandieren lassen? Ursprünglich hatte Goldmann noch an die Richtigkeit der amerikanischen Interventionen geglaubt.

„Langsam aber sicher begann sogar Goldmann, an der Illusion der amerikanischen Intervention zu zweifeln. Bei unsern Konversationen versuchten wir, den Code dieses Rätsels zu brechen. Warum – um Gottes willen – taten die Amerikaner nicht, was die Logik diktierte? Warum übten sie keinen Druck auf unsere Regierung aus? Warum machten sie kein Angebot, das unsere Führer nicht ablehnen konnten? Kurzum, warum keine effektive Friedensinitiative? Es konnte doch nicht im amerikanischen Interesse sein, einer Politik zu folgen, die sie zum Hassobjekt der Massen der ganzen arabischen und eines großen Teils der muslimischen Welt machte? Verstanden die Amerikaner nicht, dass sie dabei waren, ihre Kunden in der arabischen Welt zu hintergehen?

Heute steht Nahost in Flammen. War alles vorhersehbar, wenn man die Relevanz des israelisch-palästinensischen Dauerkonflikts hätte sehen und debattieren können. Doch die allpräsente Antisemitismus-Drohung über den Häuptern hatte etwas gegen Transparenz dieses „unlösbaren, aussichtslosen“ Problems. Finger weg von Israel, schrieb der SPIEGEL und fast alle deutschen Medien logen sich in die Tasche, vorneweg BILD, die antisemitischste Hetzpostille im Gauklerkostüm des Gegenteils.

Der Begriff „Lügenpresse“ muss schon deshalb verseucht sein, weil er ein Begriff aus der Nazizeit ist. Doch Hitler soll auch öfter Grüßgott gesagt haben. Wär‘s nicht an der Zeit, diesen verseuchten Bayerngruß zu verbieten?

Gegen Pegida wird von hiesigen Eliten – die selbst niemals auf die Straße gehen, sondern nur von ihrer Loge aus den Daumen senken oder heben –, ein Aufstand der Anständigen gefordert. Wer sprach von Anstand mitten im Blutbad der NS-Verbrechen?

„Ein Grundsatz muss für den SS-Mann absolut gelten: ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Angehörigen unseres eigenen Blutes zu sein und sonst zu niemandem. Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht und ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.“ (Aus der berüchtigten Posener Rede eines gewissen Heinrich Himmler)

Die notwenige Ortung von Antisemitismus-Elementen ist längst zur bornierten Kaffeesatzanalyse geworden. Zufällige Symptömchen sieht man, gefährliche Hauptsymptome werden als postmoderne Philosophie gefeiert.

Ist die heutige Presse eine Lügenpresse? Erst mal nein, zum Lügen gehört Intelligenz, man müsste wissen, was man gestern flunkerte, um sich in seinem Lügengespinst nicht zu verheddern. Zum zweiten schon: die Lügenpresse belügt sich selbst. Im Fall Israel geradezu in schreiendem Verhängnis.

Ist schon jemandem aufgefallen, dass der Vorwurf des Antisemitismus stets von rechten Verteidigern der ultrarechten Regierung in Jerusalem kommt? Von regimekritischen Israelis hörst du so schnell keinen Vorwurf. Im Gegenteil, sie werfen den Deutschen vor, hinter der Maske ihres sakral zelebrierten Philosemitismus verstecke sich nichts als Feigheit und Duckmäuserei.

Sie haben Recht. Nach den Holocaust-Völkerverbrechen nun das buße-säuselnde Verbrechen der stummen Kollaboration mit einer zunehmend faschistischen Besatzerregierung. Kritik ist in Deutschland zum Synonym von Feindschaft verkommen – immer unter der Regie unserer Berliner Magd Gottes.

„Demokraten, die nicht den Unterschied zwischen einer freundschaftlichen und feindseligen Kritik der Demokratie sehen, sind selbst in totalitärem Geiste befangen. Ein totalitäres Regime kann natürlich überhaupt keine Kritik als freundschaftlich ansehen, denn jede Kritik einer Autorität muss das Autoritätsprinzip selbst in Frage stellen.“ Schrieb Sir Charles Popper, emigrierter Jude aus Wien.

Wie erklärten sich Goldmann und Avnery die katastrophalen Irrationalitäten der amerikanischen Regierung gegen Israel?

Der Verweis auf AIPAC, die jüdische Lobby in Amerika, greift zu kurz. In einer Demokratie hat jeder so viel Macht, wie andere Demokraten ihm zugestehen. Gewiss, da gibt es die verhängnisvolle Koalition aus Bible-Belt-Christen mit ihren republikanischen Machtmultiplikatoren, diversen Adelmännern und den Ultras im Heiligen Land, das Lager derjenigen, die die apokalyptischen Texte ihrer heiligen Schriften wörtlich nehmen, was im hochaufgeklärten christlichen Deutschland mit keinem Jota zur Kenntnis genommen wird. Doch genügt das?

Nun kommt eine interessante Erklärung:

„Dann ist da noch die „beiden gemeinsame Geschichte“. Die USA und Israel sind sich sehr ähnlich, nicht wahr? Sie haben beide ein anderes Volk vertrieben und leugnen dies. Gibt es einen großen Unterschied zwischen der Nakba der amerikanischen Urbevölkerung und der palästinensischen? Zwischen den amerikanischen und zionistischen Pionieren, die in der „Wüste“ Wurzeln schlugen und eine neue Nation aufbauten? Gründen sich nicht beide auf dasselbe Alte Testament und glauben, Gott habe ihnen ihr Land gegeben (ob sie nun an Gott glauben oder nicht)? Imitieren unsere Siedler, die einen neuen “Wilden Osten“ in den besetzten Gebieten schaffen, nicht den „Wilden Westen“ der amerikanischen Filme?“

Ist denn das die Possibility, Herr Augstein? Uralte Religionsfaktoren als Motivation modernster Unheilspolitik? Kein Wunder, dass Sie mit solch unappetitlichen Themen nichts zu tun haben wollen. Sowenig wie mit intelligenten Frauen in der Politik oder mit Problemen muslimischer Frauen. Auch nichts mit dem Dresdner Pegida-Abschaum, nichts mit Israel und auch sonst hört man von Ihnen ununterbrochen: nicht unser Problem. Am besten, Sie lassen die Palette Ihrer Themen so schrumpfen, dass wir bald nichts mehr von Ihnen hören werden. Im Zweifel: gar nichts.

Nur nebenbei: zum Thema „Reden mit Pegida“ hat Brigitte Fehrle einen vorzüglichen Kommentar in der BLZ geschrieben:

„Etwas ist aber auch nicht in Ordnung im Empfinden und in den Erwartungen der Bürger, die wochenlang Montag für Montag zu den Demonstrationen gegangen sind. Also muss geredet werden. Was sonst? Es gibt in der Demokratie keine andere Form des Streits und der Auseinandersetzung, die zu Ergebnissen führt.“  (Brigitte Fehrle in der BLZ)

Wie ist zu erklären, dass Netanjahu seine Macht über Obama derart obszön und dreist der Welt demonstriert – und die Welt schweigt und zeigt sich gänzlich abgeneigt?

Es liegt an der globalen Macht des Christentums, mit dem sich das ultrareligiöse Judentum verbündet hat. Die Landnahme von Gods own country verstand sich von Anfang an als Neuauflage der althebräischen Landnahme. Die Calvinisten empfanden als Vorbild ihrer expansiven Weltpolitik das Alte Testament, nicht das innerlichkeits-süchtige, quietistische Neue Testament.

Sind wir nun in der alten verhängnisvollen Falle gelandet, wonach die Hauptschuldigen an der jetzigen Weltkrise die bösen Juden sind?

Für die Weltpolitik gilt, was für jede Demokratie gilt. Hauptschuldig an den Problemen des Demos ist immer – der Demos. Die aktiven Ausführenden des Schlamassels sind zwar die machtgestützten Eliten. Dass sie aber ungehindert das Schiffchen der Gesellschaft auf den Grund setzen können: daran ist immer das Volk schuld.

Warum hat es jene Eliten gewähren lassen? Warum ließ es jene verhängnisvollen Eliten an die Macht kommen? Warum hat es nur zugeschaut und sich mit Stammtischparolen begnügt? Warum ließ es sich mit Dünnbrettbohrerphrasen abspeisen? Warum liest es zum Erbrechen BILD und lässt sich eine elitenstützende Presse gefallen? Wenn Jerusalem überschnappt, ist auch Deutschland dran schuld, das Netanjahu und Lieberman seit Jahr und Tag gewähren lässt.

Wenn deutsche Presse sich sicher fühlt, überkommt sie gelegentlich das patriarchalische Bedürfnis, das Volk in Schutz zu nehmen und seine Defizite zu entschuldigen. Wenn einigen Leuten beispielsweise das Wahlergebnis nicht passt. Eine schrecklichere Entmündigung durch arrogante Edelschreiber ist nicht denkbar. Wer andere nicht für schuldfähig hält, hält sie auch nicht für kritikwürdig.

Die heutigen Parteien streiten nicht mehr mit ihren Wählern. Vollends die Grünen sind vor ihrer Klientel in die Knie gegangen und flehen sie an: sagt uns, was ihr von uns erwartet – wir werden alles für euch tun, ob wir es für richtig halten oder nicht.

Dabei will das Publikum nichts anderes als durch klare Ansagen ernst genommen zu werden. Ohne sklavisch auf Erfolg zu schielen, haben Parteien ihre eindeutigen Angebote zu machen. Dann müssen sie abwarten, ob sie durch Wahlen belohnt oder in die Wüste geschickt werden. Ist denn die Wahl ein Gang durch den Supermarkt, in dem Werbeheinis den Konsumenten mit raffinierten Methoden etwas unter die Weste jubeln, um sich ihres Geldbeutels zu bemächtigen?

Was war noch mal populistisch? Wenn dubiose Gestalten, die aus der Tiefe des Raums kommen, dem Volk Dinge versprechen, die entweder demokratie-schädlich oder aber unrealisierbar sind? Was tut denn die umfrage-süchtige Kanzlerin anderes, die alle vier Wochen ihre Regierungslinie ändert und sich dem Votum der Demoskopen unterwirft? Was tun die Grünen, die vor der Wahl etwas für richtig halten und danach sagen: Ätsch, war ja gar nicht ernst gemeint?

War Luther kein Populist, wenn er dem Volk aufs Maul schaute? Ist Franziskus nicht ein effekthaschender Populist, wenn er das Rammeln der Karnickel in seine seelsorgerliche Rede aufnimmt?

Heribert Prantl, strenger Jurist und frommer Katholik in Personalunion, empfiehlt den vatikanischen Populisten als Vorbild für jene, die die Massen für sich gewinnen wollen. Ob die lose Rede des Papstes bibelfest ist, lässt einen guten Katholiken kalt. Seid fruchtbar und mehret euch – ist das nicht das Gegenteil der Antikarnickelpredigt des Papstes?

Nur dann, wenn man den sensus litteralis – den Wortsinn – als unfehlbare Offenbarung ansieht. Bei Prantl und seinem vatikanischen Helden gilt aber nicht mehr der sensus litteralis, sondern der sensus Karnickel.

Ist doch vollkommen gleichgültig, was in den alten Schriften steht, hatte WELT-Döpfner in einer Talkshow erklärt. Komme doch alles auf die Auslegung an.

Die Auslegung des vollkommen Irrelevanten? Je heiliger das Buch, je belangloser sein Inhalt? Die Deutschen schwappen über vor hermeneutischer Gottebenbildlichkeit. Sie haben den Schriftsinn ex nihilo erfunden. Gebt mir die belanglosesten Schriften, ich verkündige euch den authentischen Willen des Herrn – von gestern, heute, morgen und für jede Stunde des Tages, in der sich sein Wille ändert.

Werte, erfahren wir aus der New York Times, ändern sich am Tage ein Dutzendmal. Dementsprechend synchron muss die Schrift geändert werden. Schließlich hat alles seine Zeit und der Kairos muss sich der modernen Beschleunigung anpassen.

Mittlerweilen werden in den Talkshows Koranverse zitiert – natürlich nur, um sie „aus dem Kontext“, im „historisch-kritischen Zusammenhang“ außer Kraft zu setzen.

Warum haben die Historiker den Historismus erfunden, jenes Auseinanderreißen des Verstehens und des Beurteilens? Um das eigene Urteil zu verwerfen. Wer Vergangenes verstehen will, darf es aus seiner Sicht der Dinge nicht beurteilen. Wenn ich verstehen will, muss ich meinen kritischen Verstand über Bord werfen. Das Vergangene ist immun und darf nicht überprüft werden.

Schon eigenartig, dass der Kontext immer dazu herhalten muss, unliebsame Bewertungen außer Kraft zu setzen. Warum ist dann das Gebot: „liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ nicht auch aus dem Kontext – für ungültig zu erklären?

Kein Kontext kann mein autonomes Urteil ersetzen. Historische Zusammenhänge erklären nur die Entstehung der Texte, beurteilen muss man sie schon selbst mit Hilfe seines heutigen Verstands. Sonst kommt‘s zum naturalistischen oder historistischen Fehlschluss: keine Natur und keine Vergangenheit können für mich denken.

In einem Kommentar hat Theo Sommer einige schreckliche Koranverse angeführt, aber nur, um sie mit einem vortrefflich moralischen Vers gleich wieder unter den Teppich zu kehren:

„Sie mögen den Koran missverstehen, ihn überhaupt nur schlagwortartig kennen oder sich nur die Stellen herauspicken, die zum Dschihad, dem Glaubenskrieg auffordern („so viel ihr an Streitmacht und Schlachtrossen aufbieten könnt“), zur Vernichtung der Ungläubigen („Allah will, dass die Wurzel der Ungläubigen ausgerottet werde“), zur Unterordnung der Frauen („Die Männer stehen über den Frauen“), die Ablehnung der Homosexualität („Wollt ihr euch wirklich in Sinnenlust mit Männern statt Frauen abgeben?“).“ Das sind die Lieblingsstellen der Terroristen. Doch sie ignorieren dabei die wichtigste Sure: „Wenn jemand einen Menschen tötet, … so ist es so, als hätte er die ganze Menschheit getötet.“ (Theo Sommer in ZEIT Online)

Gibt es Widersprüche in der Schrift, pickt man sich seine Lieblingsstelle heraus und schwärzt die unliebsamen Stellen. So geht man im aufgeklärten Deutschland mit Widersprüchen um.

In Wirklichkeit haben in einem widersprüchlichen System die guten Stellen den Zweck, die bösen zu legitimieren. Wird nichts ausgeschlossen, wird das Böse als „Implementierung“ des Guten erlaubt. „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“, spricht Mephisto über sich.

Liebe – und tu, was du willst. Sündige tapfer, aber glaube. Wir töten, was wir lieben.

Wenn Moral keine Verhaltensweisen verbietet, sind wir in der Antinomie der Gläubigen angekommen: alles ist erlaubt, was im Glauben geschieht. Alles ist Sünde, was ohne Glauben geschieht. Die Tugenden der Heiden sind goldene Laster.

Der christlich-jüdische Komplex exekutiert eine antinomische Moral. Er kann machen, was er will, es ist alles erlaubt – wenn nur die fromme Motivation nicht fehlt.

Als Obama in seiner „Rede an die Nation“ Russland in Schadenfreude verhöhnte: „Heute steht Amerika stark und gemeinsam mit unseren Verbündeten da, während Russland isoliert ist und seine Wirtschaft in Fetzen liegt“ – erwiderte der russische Außenminister, dass im Zentrum der US-Philosophie nur eins stehe: „Wir sind die Nummer eins, alle anderen müssen das anerkennen“.  (ZEIT Online)

Über all diese Punkte und Zusammenhänge erfährt man in deutschen Gazetten presque rien oder fast nichts. Nein, die deutsche Presse ist keine Lügenpresse. Sie hat nur die Erlöserschere im Kopf.