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Tagesmail

Weltordnung

Hello, Freunde der Weltordnung,

wohin, wenn in täglich rasendem Tempo sie der unbekannten Zukunft entgegeneilen und stürzen muss, soll die Welt sich entwickeln?

Nach der längsten Friedensepoche, die Deutschland je erlebte, hallt es wieder von Krieg und Kriegsgeschrei. Noch ist Deutschland nicht direkt betroffen. Doch was, wenn in Donezk die Verhältnisse eskalieren, die Unterlegenen sich nicht mehr anders zu helfen wissen, als den großen Nachbarn zu Hilfe zu rufen – und Putin den Einmarschbefehl gibt? NATO-Rasmussen, von den Amerikanern getrieben, war schon vor Ort, um das Unausdenkbare zu denken und auszusprechen.

Die Geschichte, sie wiederholt sich nicht, singen sich die Politauguren in den Schlaf – und der Angstschweiß rinnt ihnen von der Stirn, die Geschichte könnte sich bereits morgen wiederholen. Die Zeit scheint aus den Fugen.

Haltet ein, mäßigt euch, lernt aus dem Ersten Weltkrieg, wie schnell die Dinge sich ins Unkorrigierbare erhitzen, ermahnen jene, die nicht müde werden, zu betonen, dass der Mensch aus der Geschichte nichts lernen kann.

Wehret den Anfängen, schreien jene, die den Menschen

für eine lernunfähige Bestie halten.

„Musstet ihr euren Kindern beibringen, unartig zu sein?“, fragte der amerikanische Prediger sein Publikum. „Nein, ihr musstet ihnen beibringen, artig zu sein. Unartig und böse sind sie von Natur aus.“

Verderbt durch Geburt, das Böse durch sündige Zeugung weitergegeben, der Antisemitismus steckt in den Genen, der Mensch lernt nichts aus der Geschichte – gleichzeitig wird er jeden Tag geprügelt, dass er sich nicht ändert und dass alles gleich bleibt. Dennoch soll er sich täglich neu erfinden, das Alte hinter sich lassen, sich dem ganz und gar Neuen ergeben, gleich, ob es gut oder böse, sinnvoll oder schädigend ist.

Müsste er nicht lernfähig sein, wenn er sich neu erfinden könnte? Ist Neu-erfinden der gegenwärtige Renommierbegriff für das vergilbte Lernen? Oder geht es etwa gar nicht um selbständiges Lernen? Liegen die Neuerfinder auf der Lauer nach neuen Offenbarungen, die ihnen von irgendwoher zuteil werden?

Von irgendwoher: das klingt nicht nach Fisch und nicht nach Fleisch. Unbestimmter geht’s nicht. Und doch ist auf diese numinose Schrumpfform das Christentum zusammengeschnurrt. Berührung mit dem Etwas – das ist der ungreifbare Grund, warum „moderne“ Christen in der Kirche bleiben. Von dieser Notration können sie gut leben – notfalls auch ohne Kirche. Aber nie ohne Selbstauszeichnung als Christen.

Wenn schon der Islam zu Deutschland gehört, muss man Flagge zeigen und das europäische Glaubensfundament verteidigen.

Es muss doch etwas Höheres geben, auf diesen Satz kann man nur kommen, wenn man sich zuvor als Höchstes aller Dinge betrachtete und mittlerweilen die Demut kennen lernte. Es heißt nicht, es muss doch etwas Menschenverbindendes und Naturfreundliches geben. Nein, es muss etwas Höheres geben, damit man, wenn‘s hagelt und donnert, unterschlüpfen kann.

Das täglich Neue entstammt dem unerschöpflichen Fundus der christlichen Dogmatik. Adolf von Harnack schrieb drei dicke dogmatische Wälzer. Der Christ reduziert das schwere Glaubensgepäck auf ein nicht definierbares Etwas. Moderne Christen sind ausnahmslos Extremkraxler an der Jakobsleiter ins Himmelreich und können sich mit schwerem Gepäck nicht kletteruntüchtig machen.

Verschlanken des Glaubensinhalts, weg mit täglicher Bibellektüre, weg mit betonschwerer Buchstabendeutung. Was in der Bibel steht, bestimmen noch immer die Herren der Erleuchtung. Sind sie nicht freie Christenmenschen und niemandem untertan, auch nicht dem Buchstaben, der den freischwebenden Geist nur tötet? Moderne Christen müssen nichts lernen, sie haben tägliche Offenbarungen.

Gott hat die Welt nicht in sechs Tagen erschaffen, er erschafft sie ununterbrochen neu. Die Schöpfung ist kein einmaliger Akt aus dem Nichts. Durch permanente Neuschaffung wird die Welt vom Schöpfer fluide gehalten. Gott selbst ist es, der sich in der creatio continua täglich neu erfindet. Seine gottähnlichen Imitationen ahmen ihn nur nach, wenn sie sich täglich neu erfinden. Das eschatologische Wort: das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden, geschieht nicht am Ende der Tage, es geschieht schon jetzt, wenn der Mensch sich dem Neuen öffnet.

Was hat Lots Frau mit einem Neoliberalen gemeinsam? Sie dürfen nicht zurückschauen und des Früheren gedenken. Wie sollten sie aus der Geschichte lernen und den Wiederholungszwang durch Bewusstmachen durchbrechen, wenn es keine Wiederholung geben kann? Lots Frau schaute doch zurück und erstarrte zur Salzsäule, die Moderne schaut nicht zurück und erstarrt zum Algorithmus.

Wenn wir das Alte täglich begraben, können wir gar nicht anders als permanent neu werden. Im Bad der Wiedergeburt, der Taufe, wird der alte Adam ersäuft und homo novus entsteigt dem Quell des Lebens.

(Waterboarding ist die perverse Form der Taufe zum Leben oder zum Tod. Entweder gesteht der Übeltäter und zeigt sich als neuer Mensch oder er soll zur Hölle fahren. Wer sich am Abendmahl als unbußfertiger Sünder beteiligt, isst und trinkt sich Leib und Blut Christi zum Tode. Das Heilige ist die Vorderseite des Verderbens.)

Da rast die Welt ins Unbekannte und wir rasen mit. „Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch; und uns bleibt nichts, als mutig gefaßt die Zügel festzuhalten und bald rechts, bald links, vom Steine hier, vom Sturze da, die Räder wegzulenken. Wohin es geht, wer weiß es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam.“ (Egmont)

Mit Machbarkeit des Schicksals hat der Olympier nichts am Hut. Er will, dass wir unseren Tagespflichten nachkommen und nicht so genau hinschauen, worum es geht: „Wir würden gar vieles besser kennen, wenn wir es nicht zu genau erkennen wollten.“

Also Augen zu und durch. Wozu haben wir einen Gott der Geschichte, wenn wir uns überlegen müssten, was wir täglich tun sollen. Die Verwerfungen und Verwirrungen der Zeit zeigen nichts, was nicht auch in friedlichen Zeiten zu sehen war: der moderne Mensch sitzt auf keinen Sonnen-, sondern auf Höllenpferden, wiehert hin und wieder kräftig, damit er den Klang seiner Stimme nicht vergisst. Doch sein Schicksal gestalten: das empfindet er als Frevel, als Hybris, als leichtsinnige Überheblichkeit.

Solange es ihm gut geht, fühlt sich der Held des nicht mehr zu bremsenden Fortschritts ohnehin als Gestalter seines Wohlbefindens. Kaum aber, dass der Dax in den Keller rutscht oder die Reichen keine Gewinne mehr mit mehr als 1000% machen wie jene Hedgefondsmanager, die ganze Länder in den Ruin treiben, beginnt seine gepeinigte Seele zu ächzen und krächzen.

Wer nun meinte, lasset uns zusammen überlegen und analysieren, wie wir uns in die Misere geritten haben, welche Diagnose wir stellen müssen, damit wir eine Therapie entwickeln können, der wäre mit Naivität geschlagen. Die steigende Angst betäubt sich, indem sie zur Eskalation aufruft. Dem Feinde ja keine verletzliche Flanke zeigen, das könnte ins Auge gehen. Also wird der Hurra-Knopf auf Autopilot geschaltet und die Militärmaschine muss hochgefahren werden.

Wir sind gerade dabei, das Schlafwandeln mit Absturz experimentell zu wiederholen, weil es so schön ist, wenn der Schmerz nachlässt.

Eine gründliche Ursachenforschung fällt aus. Der gestrige Presseclub war einer der besseren, dennoch wurden alle Fragen nach den Ursachen vom Moderator vom Tisch gewischt. Wenn Bomben fallen, ist keine Zeit mehr zum Raisonieren.

Es mag ja sein, dass der Westen Putin offizielle diplomatische Avancen machte, gleichwertiger Spielgeselle des Westens zu werden. Dennoch wäre zu fragen gewesen: warum fühlt der „Zar“ sich so minderwertig, dass er sich jetzt genötigt sieht, seinen Kampf um Anerkennung mit Völkerrechtsverletzungen zu exekutieren?

Auch wenn Ursachen nur gefühlt sind, sind sie real, wie das Thomas-Theorem besagt. Der Zeitgeist steckt nicht nur in Akten und diplomatischen Notizen. Eine bodenlose Dummheit der Historiker, die Schuldfrage der Weltkriege vor allem aus Äußerungen und Taten hoher Herren abzuleiten.

Dass der Westen am Beginn des Auseinanderdriftens zwischen Ost und West nicht unschuldig ist, bestätigt der einzige Duma-Kritiker der Krim-Annexion durch Putin, Ilja Ponomarjow, in der WELT:

„Meiner Ansicht nach hat die EU den ganzen Prozess in Bewegung gesetzt, indem sie die Assoziierung nur der Ukraine angeboten hat – und dabei Russland außen vor ließ. Jeder, der nur ein bisschen etwas von der Region versteht, wusste, wohin das führen würde. Der offene Konflikt mit Russland ist vor allem eine Folge der Fehleinschätzung europäischer Staatenlenker. In besonderer Verantwortung sehe ich dabei Deutschland als wichtigste politische und wirtschaftliche Kraft. Berlin drückt sich aber leider vor der Führungsverantwortung, die es eigentlich übernehmen müsste. Zumal die Bundesrepublik unter allen europäischen Staaten die besten Beziehungen zu Russland unterhält.“

Ein Herr Schröder hat seinen Satz vom lupenreinen Demokraten Putin bis heute noch nicht zurückgenommen. Außenminister Steinmeier, der sich täglich mit der Politik des lupenreinen Demokraten herumärgern muss, lobt dennoch seinen Freund Schröder. Das ist stringente deutsche Außenpolitik.

Merke: Es geht nicht um die Frage, ob Kontakte friedensfördernd sind, sondern welche Art von Kontakten. Nur widerspruchslose, heuchelfreie und berechenbare Politik schafft verlässliche Freunde in der Welt.

Warum fühlen Russland – und die meisten nichtwestlichen Staaten dieser Welt – sich gegenüber dem Westen minderwertig?

Im Falle Amerika liegt die Antwort auf der Hand. Man könnte ja mal in Fukuyamas Buch „Scheitert Amerika?“ reinschauen. Dort würde man lesen:

„Das Konzept einer wohlwollenden und gütigen Hegemonie beruht auf dem Glauben an eine Sonderstellung Amerikas, den die meisten Nichtamerikaner einfach nicht teilen. Die Idee, dass die USA sich ohne eigenen Interessen auf der Weltbühne bewegten, wird von nicht allzu vielen geteilt, weil sie zum größten Teil nicht wahr ist.“

Aber es ist nicht nur Amerika, das sich auserwählt fühlt (amerikanischer Exzeptionalismus). Die meisten westlichen Staaten fühlten sich und fühlen sich noch immer als von Gott persönlich auserwählte Nationen.

Der moderne Nationalismus war Folge des christlichen Erwählungsglaubens, der sich aus einer persönlich-individuellen zu einer national-individuellen Angelegenheit veränderte. Eine nationale Erwähltheit war dem Christentum ursprünglich verboten – im Gegensatz zur Idee der jüdisch-kollektiven Erwählung, von der sich das frühe Christentum distanzierte.

(Allerdings war auch die jüdische Kollektiv-Erwählung bei den Propheten umstritten. Wer die göttlichen Gesetze nicht befolgte, hatte keine Chance zur Seligkeit, auch wenn er dem jüdischen Kollektiv angehörte. Hier entstand die dogmatische Redeweise vom heiligen Rest. Nur der getreue Täter der Gesetze kann von Gott belohnt werden. Es wird nur ein kleiner Rest des Volkes sein, der den strengen Kriterien genügt. Der Individualisierung des jüdischen Kollektivs entspricht die gegenläufige Kollektivierung des Heils-Individualismus bei den christlichen Völkern, die erst im Verlauf der europäischen Geschichte zum nationalen Auserwähltheitsbegriff expandierte.)

Einwand: wie kann Russland sich dem auserwählten Westen unterlegen fühlen, wenn es als Mütterchen Russland sich selbst in vielen Jahrhunderten als das Land sah, das an Gott grenzt – wie Rainer Maria Rilke formulierte?

In der Tat geht es um die Konkurrenz der Lieblinge Gottes. Wer unter den Erwählten ist der größte? Oder sind alle Erwählten gleich?

Keineswegs. Das Land, auf dem Gottes Auge wohlwollend ruht, muss die Erwählung – durch Erfolg bestätigen. Eine folgenlose Erwählung gibt es nicht. Wen Gott für sich aussucht, muss seine Wahl durch Taten und empirische Fakten verifizieren.

Der Glaube ist Weltpolitik und sonst nichts. Erwähltsein heißt erfolgreich sein. Nein, nicht sofort als ecclesia triumphans, sondern zuerst als ecclesia patiens, als leidende Kirche, die durch Kreuz und Leid zum nachträglichen Erfolg aufsteigt. Die Schmach des leidenden Erwählten ist das Handgeld für den finalen Erfolg. Durch Kreuz zur Krone.

Das Geheimnis der Heilsgeschichte ist die Paradoxie, dass die Schwachen und Loser am Ende triumphieren werden. Wer seinen Obolus in Form von Leid, Tod und Verfolgung entrichtet hat, der wird von Gott mit ewigem Lohn bezahlt. Das gilt für militärischen und wirtschaftlichen Erfolg. Puritaner waren davon überzeugt, dass ihre Erwählung sich in wirtschaftlichen Zahlen beweisen lassen.

„Und da die Grundtatsache, die alles Geschehen lenkt, der göttliche Wille ist, darf und soll der Mensch – so selbstsüchtig er auch in seinem Trachten nach Gewinn sein mag – diesen dankbar und ohne Selbstvorwürfe hinnehmen: In unserer Beschäftigung spannen wir unsere Netze, aber alles, was unsere Netze füllt, kommt von Gott.“ (Cotton Mather)

In der Konkurrenz zwischen Russland und Amerika zeigen sich verschiedene Arten, wie Erwählung sich empirisch verifizieren kann. Als Deutschland und Russland arm waren, bestand der Segen Gottes in Armut. Das war der Grund für Thomas Manns frühe Liebe zu Russland und für seine Ablehnung des Westens (später drehte er sich um 180 Grad).

Erst mit wirtschaftlichem Aufschwung veränderte sich das konkrete Bild der Erwählung. Als Russland mit dem Fall des Sowjetreichs den Kapitalismus übernahm, begannen die Popen sich ihres Reichtums zu rühmen. Das Volk wollte so reich werden wie die Nationen des Westens.

Diesen Wettlauf hat Russland aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Kompetenz bis jetzt verloren. Der Reichtum des riesigen Landes beruht nur auf seinen Ressourcen, nicht auf einer Industrie, die mit der westlichen Effizienz mithalten könnte. Zwar wuchs unter Putin der allgemeine Wohlstand, doch die größten Profite dürfen wenige Milliardäre abschöpfen – sofern sie Putin nicht ins politische Gehege kommen.

Nach den ersten Hoffnungen, mit dem Westen gleichzuziehen, sank das Land zurück und droht heute vollends den Anschluss an den Westen zu verlieren. Um die ökonomische Schwäche zu überspielen, greift Putin zum ältesten Ablenkungsmittel der Welt: er spielt außenpolitisch den starken Mann und grenzt sich polemisch vom Westen ab.

Doch auch der Westen hat – nach den aufgeschlossenen Gorbatschow und Jelzin – den Aufsteiger Putin nie als Gleichberechtigten anerkannt.

In der Selbstdarstellung der Nationen zählt immer mehr die Zugehörigkeit zu uralten Kulturkreisen. Hat sich die russisch-orthodoxe Kirche schon vor Jahrhunderten vom Westen abgenabelt, so auch das Land in seiner ganzen geschichtlichen Entwicklung, die als sozialistischer Gegenpol zum westlichen Kapitalismus endete. Ronald Reagan sprach sogar vom Reich des Bösen.

Als das Reich des Bösen den Kalten Krieg verloren hatte, herrschte zwar im Westen eine kurzfristige Bereitschaft, den unterlegenen Feind souverän in den Reihen des Westens mit aufzunehmen. In diesem kurzfristigen Frühling der pax americana konnte die utopische Formel vom Ende der Geschichte des „japanischen“ Amerikaners Fukuyama entstehen.

Doch die Liebe währte nur einen Sommer. Die Gespenster der Vergangenheit stellten sich schnell wieder ein, zumal Putin nicht dieselben menschlichen Qualitäten wie seine beiden Vorgänger zeigte. Er entsprach mehr dem verschlossenen linkischen Politfunktionär aus sowjetischen Zeiten. Auch Schröders innige Freundschaft mit Putin konnte daran nichts ändern. Im Gegenteil. Die Amerikaner sahen mit wachsendem Missvergnügen die Annäherung Deutschlands an den einstigen kommunistischen Erzfeind, zumal Schröder sich weigerte, mit Dabbelju in den Krieg gen Saddam zu ziehen.

Die Weltfriedensperspektiven zerstoben, die alten Grenzen wurden wieder gezogen. Das Misstrauen kehrte zurück.

Putins Krim-Annexion war eine Reaktion auf die schleichende Degradierung seines Regimes durch Bush jun. und Obama, dessen charismatische Weltbeglückungspläne wie ein Kartenhaus in sich zusammensanken.

Wohin geht die Welt? Es gibt nicht mal den Hauch einer weltweiten Debatte. Die UNO als gedanklicher Motor des Weltfriedens wird von Washington – und Jerusalem – systematisch zertrümmert. Die herrschende Philosophie der Eliten ist antiutopisch – in Europa, doch eschatologisch in Amerika. Die Amerikaner harren auf das Ende der Geschichte, aber nicht durch eigene Friedensleistung, sondern durch das Kommen des Messias.

Die Apokalypse ist die amerikanische Utopie, die all ihre politischen und kulturellen Taten bis ins Innerste prägt. Hollywood produziert wie besessen Variationen über das Ende der Welt. Die wahren Erwählten am Ende der Geschichte werden Amerikaner sein.

Die aufgeklärt und doch christlich sein wollenden Europäer betrachten die apokalyptischen Märchen als überlebte Bible-Belt-Folklore. Deutschlands Erwählung ist seit dem Ende des Dritten Reiches perdu. Aber nicht ganz. Durch bedingungslose Solidarität mit zwei auserwählten Freundesstaaten – Amerika und Israel – ist es noch immer ein wenig mit auserwählt.

Viele sind berufen, wenige auserwählt. Die Weltgeschichte soll zeigen, wer am Ende die Nase vorne haben wird. Die Konkurrenten graben sich ein zum letzten Waffengang. In Worten und Werken. In Drohnen und Mammon.

„Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, damit ihr die herrlichen Taten dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat, euch, die ihr ehemals kein Volk wart, jetzt aber Gottes Volk seid.“

Die Verheißungen der Heilsgeschichte sind der Kern der Weltunordnung und der drohenden Apokalypse.