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Welt retten! Aber subito! XIV

Tagesmail vom 03.10.2022

Welt retten! Aber subito! XIV,

feiern wir heute den Tag der deutschen Einheit? Ja, doch das wäre zu wenig.

Also einen Tag der Einheit des ganzen Menschengeschlechts? Immer noch zu wenig.

Was bleibt dann noch? Ein Tag der Wiedervereinigung von Mensch und Natur?

Erfasst! Einen Tag der Rückkehr in eine wiedergenesene Welt: den sollten wir überschwänglich feiern. Und nichts Geringeres.

Ein Fest für einen lebenssprühenden Kosmos wäre kein Trugbild für angeheiterte Männerrunden – sondern Pflicht für alle Realisten, die überleben wollen.

Wo immer man hinschaut: die Natur blutet aus allen Poren, der Mensch krümmt sich unter seinen endlosen Wunden, die er ängstlich vor sich selbst verbirgt.

Er will nicht wissen, wer er ist, und nicht wahr-nehmen, was er tut. Das Wahre hat er abgeschafft, damit das Unwahre ihn überwuchern und ersticken kann.

Wir müssen zurückkehren ins Einfache. Ins Kindliche. Ins Menschliche und Schlichte, das die Zukunftsgierigen mit Hohn und Spott aufschlitzen und verscharren.

Das Einfache und Wahre klingt – unerträglich für Hochgebildete – so:

„Ich bin, weil du bist, und weil du bist, bin ich auch“.

Für feinsinnige Europäer sind das Weisheiten aus dem Urwald.

Sie leben nämlich in einer konträren Welt: Weil du bist, hinderst du mich, zu sein. Wo ich bin, kannst du nicht sein – und ich bin längst überall. Alles, was ist, wird durch mich bestimmt. Ich denke, also bin ich dir überlegen. Ich bin die Welt – für Dich ist kein Platz mehr. Es sei, zu meinen Füßen.

„Mir geht nichts über Mich. Wie die Welt als Eigentum zu einem Material geworden ist, mit welchem Ich anfange, was Ich will … Und doch ist kein Ding durch sich heilig, sondern durch Meine Heiligsprechung, durch Meinen Spruch, Mein Urteil, Mein Kniebeugen, kurz durch Mein – Gewissen.“ (Max Stirner)

„Das ist mein Weg, welches ist Dein Weg? DEN Weg gibt es nicht.“ (Nietzsche)

„Der Kern der Ubuntu-Philosophie, wie wir die Welt betrachten und wie wir unser Wissen, unsere Realität und Existenz erfassen, aber zeigt sich in der Antwort auf die Frage »Wie geht es dir?«. Aber die ChiShona-Etikette verlangt, dass wir am Ende der Antwort einen Satz hinzufügen. Dieser Satz lautet: »Wenn es dir auch gut geht.« In der ChiShona-sprachigen Welt geht es einem Menschen nur gut, ist ein Mensch nur gesund oder stark, wenn es dem Menschen, der fragt, ebenfalls gut geht, er ebenfalls gesund oder stark ist. Wohlbefinden kann nur dann Realität sein, wenn es allen Beteiligten gut geht. In dieser Weltanschauung ist das eigene Wohlergehen untrennbar mit dem Wohlergehen des Mitmenschen verbunden. Philosophisch ausgedrückt ist Ubuntu eine Art Humanismus. Ubuntu ist die Antwort auf die Frage, wie wir gute Menschen sein können: »Mir geht es gut, wenn es dir auch gut geht.« Im afrikanischen Denken sind Menschen, die Anhänger der Ubuntu-Philosophie sind, Menschen, die selbst Ubuntu haben. Menschen mit großherzigem Geist, die sich anderen gegenüber menschlich verhalten. Ubuntu-Menschen erkennen die Heiligkeit der Schöpfung an, sie wissen, dass alle Formen der Existenz voneinander abhängig sind, und verhalten sich gegenüber allen Formen der Schöpfung wohlwollend. Es sind Eigenschaften, die das Ökosystem, in dem wir Menschen leben, stabilisieren und gleichzeitig das Überleben der Gruppe fördern. Ubuntu führt die Menschheit weit weg von Decartes‘ »Ich denke, also bin ich«. Ubuntu ist so etwas wie eine praktische Anleitung auf dem Weg zur Eudaimonia: sich wohlfühlen, wenn es auch anderen gut geht. Während sich die westliche Philosophie in ihrem Bemühen, Eudaimonia zu manifestieren, auf eine Reise in Tiefen unseres Verstands begab, konzentrierte sich Ubuntu auf die Bindungen zwischen den Menschen, auf das, was wir heute radikale und tiefe Empathie nennen. Ubuntu erinnert uns daran, dass Empathie eine lebenswichtige verbindende Kraft ist, die uns, unsere Gesellschaften und unsere Rolle als Menschen in der Schöpfung stabilisiert.“ (SPIEGEL.de)

Die Welt ist gefährdet, weil das westliche Credo: „Ich denke, ich glaube,– also bin ich dir in allen Dingen überlegen“ die Welt verwüstet hat.

Das Ich des Westens hat die Welt besiegt.

„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“

Ich bin der Erste und der Letzte. Ihr seid von unten her, ich bin von oben her; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ich bin der rechte Weinstock. Ich bin das A und O. Ich bin, der die Nieren und das Herz erforscht. Ich werde sein Gott sein. Ich komme bald.

Nichts Größeres im Westen als das Ich des Erlösers, das vom Ich des Sünders plagiiert werden soll. Das Plagiieren nennt man Glauben.

Das Ich des Menschen ist sündig und minderwertig. Erst wenn dieses Ich sich aufgelöst und das Ich des Erlösers angenommen hat, wird er ein wahres Ich – das die Welt erobert.

Nein, mit diesem Glaubens-Ich des Westens hat das Ubuntu-Ich nichts zu tun.

Das Ubuntu-Ich ist mit jedem Ich der Menschheit verbunden.

Das religiöse Ich ist mit keinem anderen Ich verbunden, sondern wählt zwischen allen Ichs diejenigen, die am besten zu Ihm passen. In seiner Hoheit steht es weit über allen Menschen-Ichs:

„Ihr seid von unten her, ich bin von oben her; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt. Weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt.“

In der Welt der westlichen Ichs kann es keine umfassende Verbindung aller Ichs geben. Wenige erwählte Ichs werden siegen, die große Masse der überflüssigen und nutzlosen Ichs wird in die Röhre gucken.

Die wahren Ichs sind nicht aus der Welt, wie Ich nicht aus der Welt bin. Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast. Ohne mich könnt ihr nichts tun. Wenn jemand nicht in mir bleibt, wird er weggeworfen wie das Schoss und verdorrt und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie verbrennen.

In der Ubuntu-Philosophie kann es keinen unüberwindbaren Hass zwischen den Ichs geben. Denn alle Ichs hängen mit allen zusammen. Wer auf Erden eine gute Zeit haben will, muss miteinander reden und streiten, ja, gelegentlich einander hassen, doch am Ende werden sie sich miteinander vertragen. Denn es geht es ihnen nur gut, wenn es allen gut geht.

Das westliche Ich ist ein religiös-egoistisches: es will Erlösung für sich allein.

Das Ubuntu-Ich ist ein solidarisches: sein Wohlergehen ist abhängig vom Wohlergehen aller Ichs. Auserwählte und Abgehobene gibt es hier nicht. Westliche Ichs betrachten ihre Unvergleichlichkeit als Spitze ihrer Freiheit und ihrer Individualität. Das Gegenteil ist der Fall, im Miteinander ist man am freisten, in der Vergleichlichkeit am individuellsten.

Das Ubuntu-Ich ist abhängig von allen Menschen-Ichs, die ihrerseits von jedem Einzel-Ich abhängig sind.

Das religiöse Ich ist von einem Erlöser-Ich abhängig, das Gott und Mensch in sich vereinigt.

In einer Ubuntu-Welt könnte es keine erwählte Schar von Supermilliardären geben, die nur an sich und ihr Schicksal denken.

Warum ist die vom Westen bestimmte Welt dabei, im Abgrund zu versinken? Weil die westlichen Ichs sich gespalten, gespalten und gespalten haben.

Okay, ihr Über-Ich sagt ihnen: nicht ihr habt euch gespalten, sondern ich habe es getan. Von Anfang an habe ich euch verschiedene Sprachen geschickt, dass ihr euch nicht versteht. Selbst wenn ihr dieselbe Sprache sprecht, werdet ihr aneinander vorbei sprechen.

Als Brüder könnt ihr zusammen aufwachsen – und ihr versteht euch dennoch nicht. Als Bruder und Schwester könnt ihr zusammen groß werden und dennoch weiß niemand, was der andere denkt. Die sich nahe sind, können sich erbitterter hassen als diejenigen, die sich unbekannt sind.

Die Ubuntu-Philosophie kennt nur Geschwister, die sich besser kennen lernen können. Sie sind in der Lage, unaufhörlich zu lernen, ihr Fremdsein zu überwinden und fruchtbar miteinander zu arbeiten.

Was sollten wir jetzt tun?

Die Ubuntu-Ichs müssen dafür sorgen, dass die westlichen Ichs entweder ihre Macht abgeben – oder selbst Ubuntu lernen. Mit Gewalt geht das nicht. Sondern nur mit der Kraft des guten Vorbilds.

Schon zeigen sich hoffnungsfreudige Perspektiven: die Kinder der westlichen Ichs wollen immer weniger von der Gewalt und Überlegenheit ihrer elterlichen Eitelkeiten wissen. Sie verlassen ihre verfaulten Wurzeln und suchen ihr eigentliches Ich – in der Gemeinschaft des Wir.

Nur wenn alle Ichs dieser Welt daran gehen, am selben Strang zu ziehen – wird die Gattung der Ich-Süchtigen zum Wir aufsteigen und in Zusammenarbeit die Krisen der Welt bekämpfen können.

Haben sie noch eine reelle Chance, ihre Sintflutprobleme zu lösen?

Doch hört, was plötzlich geschah. Gestern trudelte ein lieblicher Brief ein mit der Botschaft, die Miete ins Überdimensionale zu erhöhen. Das war ein Schock. Wie sollen wir jetzt unser tägliches Müsli querfinanzieren? Wie sollen wir reagieren?

Trotz alledem feiern wir den Tag der Einheit – mit allen Ubuntu-Ichs und sehen gelassen der kommenden Welt einer geeinten Menschheit entgegen. Und sie wird kommen.

PS.: das war keine Botschaft an Fortschrittsgierige, Selbsterfinder, Hochkomplexe und Freunde des Unendlichen – die jedes Ubuntu-Ich gehässig und spöttisch in den Staub treten.

Sie wissen es noch nicht, aber auf sie wartet keine Zukunft. Das geeinte Wir der Menschheit wird sie ins Abseits rücken. Macht‘s gut, ihr exquisiten Göttersöhne.

Fortsetzung folgt.