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Welt retten! Aber subito! II

Tagesmail vom 22.08.2022

Welt retten! Aber subito! II,

Mensch, du da vorne! Bleib mal stehen.

Stell dir vor, du erfährst, dass deine Welt in drei Jahren durch Hitzewellen und Sintfluten bankrottgehen wird: was würdest du tun?

 Ab jetzt? Auf der Stelle? Ab morgen früh?

Auf die Knie sinken und beten – obwohl du seit Jahren nicht mehr gebetet hast?

Durchdrehen, auf die Straße rennen und jeden anbrüllen, der so tut, als ginge alles weiter wie bisher?

Die Botschaft ignorieren mit der Bemerkung: ja, gewiss doch. Wie oft habt ihr Unheilspropheten der Welt schon das Ende prophezeit – mit welchem Erfolg? Schaut euch doch um: alles wie immer. Morgens geht die Sonne auf, ihr geht malochen, abends geht die Sonne unter. Sonst noch was?

Euren Kindern und Enkeln könnt ihr nicht mehr in die Augen schauen?

Ihr greift zur Waffe, schießt wild um euch und ruft die Revolution aus?

Ihr versinkt in euren Ängsten, werdet apathisch und verschwindet in der nächsten psychiatrischen Anstalt?

Ihr schließt euch den jungen Leuten an, klebt euch auf der Straße fest und blockiert den ganzen Verkehr – bis Polizisten kommen und euch abführen?

Ihr stürmt das Büro eures nächsten Abgeordneten und brüllt ihm die Hucke voll?

Ihr schreibt Briefe an Gott und die Welt, beschimpft das Dasein und verflucht den Tag eurer Geburt: ach, wäret ihr doch nie geboren worden?

Ihr gebt euch einen Ruck, gründet endlich euren Arbeitskreis, macht euch tiefe Gedanken und wendet euch an die Menschheit: Schwestern und Brüder! Jetzt heißt es zusammenhalten. Rund um die Erde müssen wir Bündnisse schließen, um der Natur eine Chance zu geben, sich zu erholen und zu jenen Verhältnissen zurückkehren, in denen der Mensch friedlich mit ihr zusammen leben konnte?

Zurück zur Natur heißt vorwärts zu einer überlebensfähigen Menschheit. Die Zukunft des Menschen liegt in seiner Vergangenheit. Gestehen wir, dass unser Fortschritt ein spektakulärer Abstieg, jene Urzeiten – die wir heute als primitiv verachten – das Nonplusultra der menschlichen Weisheit waren. Es waren keine göttlichen Paradiese, sondern Symbiosen aus Mensch und Natur, die heute noch lebensfähig wären– wenn der großkotzige Fortschrittler sie hätte überleben lassen?

Geben wir uns doch endlich zu, dass wir eingebildete Vollidioten sind, stolz auf unsere Einfälle und Genieblitze, die uns ständig mehr den Boden unter den Füßen wegreißen?

Seien wir ein einziges Mal ehrlich und betrachten uns im Spiegel unserer Nachkommen, die wir leichtsinnigerweise in die Welt gesetzt haben und die sich für die letzte Generation halten, die noch ein paar Tage überleben wird – und im Spiegel von Pflanzen und Tieren, die schon zu zittern beginnen, wenn sie uns nur von weitem sehen?

Wir jedenfalls sehen nur uns und unsere verdammte Gottähnlichkeit, aber nicht, was wir auf Erden seit erdenklichen Zeiten angerichtet haben.

Unser Dogma lautet: wir zerstören, also sind wir? Je mehr wir zerstören, je bewundernswerter werden wir?

Am bewundernswertesten halten wir jene Genies, die alles unternehmen, um der Erde Lebewohl zu sagen und spurlos im Weltraum zu verschwinden? Um es klar zu sagen: die Erde hinterlassen wir als Riesen-Müllhalde, um auf dem nächsten Planeten eine weitere einzurichten – und so weiter, quer durchs Weltall bis in die Tiefen der Schwarzen Löcher?

Unser brillanter Kopf kann nur noch Abfall produzieren, den wir als Fortschritt auszeichnen, obwohl er als Exkrement das Weltall verschandelt?

Wir wollen intelligente Kinder, deren Fähigkeiten darin bestehen sollen, die Natur zu ramponieren und die Menschheit zu beerdigen. Welcher Pisa-Test hingegen misst Genialität als Humanität, als Verträglichkeit, mit Mutter Erde im Einklang zu leben?

Unsere Wissenschaften haben bewundernswerte Erkenntnisse über die Natur gewonnen. Doch was anderes, als mit ihren Erkenntnissen Macht auszuüben über alles, was da kreucht und fleucht: dazu war die gerühmte Wissenschaft nie fähig. Erkenntnis als Machtinstrument: das ist das Aphrodisiakum der Neu-gierigen, die nur noch nach jenem Neuen gieren, mit dem man das Alte vom Tablett wischen kann.

Eine gesunde Neu-Gierde kann es nie geben, denn Gier ist immer krank.

Staunen ist keine Neugierde, es will das Bestaunte nicht erkennen, um es zu beherrschen, es will folgenlos bewundern. „Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.“ Von ruhiger Verehrung kann in der Wissenschaft keine Rede sein. Im fiebernden Prozess des Fortschreitens ohnehin nicht.

Wäre Wissenschaft wirklich so klug und weise, wie sie zu sein vorgibt, müsste sie auf den ersten Blick erkennen, welcher hybriden Kultur sie ihre Erkenntnisse vermacht, um diese in Praxis zu verwandeln. Eine Praxis akkumulierender Macht ist keine Erkenntniskultur, sondern eine Kultur nimmersatter Gier und Gewalt.

Wissenschaft wurde käuflich. Von dubiosen Mächten lässt sie sich bezahlen, denen sie ständig neue Erkenntnisse als noch gewaltigere Machtinstrumente aushändigt.

Die Menschheit zittert vor ihrem Ende. Aus Angst vor dem Ende hat sie einen Krieg begonnen, der das unerträgliche Warten auf das Ende abkürzen soll. Wer sich freiwillig ins Messer stürzt, muss nicht in unerträglichen Schmerzen auf das unbestimmte Ende warten.

Die Schmerzen vor dem Ende steigen täglich ins Unermessliche. Besonders in den Etagen der Macht, die die Geschichte der Menschheit in ein Spiel verwandelten, das sie unbedingt gewinnen müssen.

Es sind vor allem die Eliten, die sich die Erde als Konsolenspiel untertan gemacht haben. Wer ist der Mächtigste, wer ist der Genialste, dessen Einfälle die Konkurrenten fürchten müssen?

Die Völker sind nicht unschuldig, im Vergleich aber am unschuldigsten. Sie hätten die Neu- und Machtgierigen sofort an die Kette legen müssen, anstatt sie zu bewundern und sich ihrer Führerschaft anzuvertrauen.

Völker, die sich kennenlernen durften, haben am wenigsten Angst voreinander: wie oft wurden sie Freunde? Wer leistet – wenn Flüchtlingsmassen über die Grenze kommen – am meisten notwendige Hilfe? Bestimmt keine Milliardäre oder Oligarchen oder Industriefürsten.

Vereinzelte Untaten sind auch an der Basis möglich. Doch sie bleiben winzige Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Die Medien, die dem Motto folgen: nur schlechte Nachrichten sind gute, müssen die Massen anprangern, um die Eliten als gottgewollte Führungskräfte unauffällig aus der Schusslinie zu nehmen. Fast nie kritisieren Medien die Mächtigen ernsthaft. Stattdessen werden diese kokett befragt. Die Antworten haben nur Unterhaltungswert.

Ein deutscher Kanzler beispielsweise, der angeblich unter Amnesie leidet, darf ungehindert sagen: ich kann mich nicht erinnern, dass ich Reiche begünstigt habe. Mit Bestimmtheit aber darf er sagen: da war nichts. Punkt. Wie kann jemand, der sich an ein Ereignis nicht erinnert, mit Bestimmtheit sagen: da war nichts? Sich erinnern, dass nichts war, ist eine klare Erinnerung.

Ein psychologisches Rätsel und ein logischer Widerspruch. Nicht aber für Deutsche, die von Logik nichts wissen wollen. Sie lieben Dialektik, die Kunst des logischen Massakers.

Die Medien waren auch nicht im Mindesten daran interessiert, den Vorgang als solchen zu verstehen und aufzuklären. Warum wurde nicht der damalige Finanzbürgermeister befragt, der zum Nachfolger des heutigen Kanzlers gekürt wurde?

Wie kann es sein, dass ein solch gewichtiger Vorgang nicht genau dokumentiert werden muss? Entscheidet etwa das fehleranfällige Erinnerungsvermögen eines Menschen über die Korrektheit eines politischen Ereignisses? Ein Bürgermeister, der wichtige Entscheidungen ohne strenge Dokumentationspflicht treffen darf, ist kein seriöser Politiker, sondern ein Ramschwarenhändler. Er hätte sofort zurücktreten müssen.

In Deutschland ist das logische Denken abhandengekommen. Mit ihm das strenge Debattieren und Argumentieren. Von Merkel über Schröder, Scholz und Schlesinger: immer mehr wird geschwiegen. Der Pöbel ist es nicht wert, dass man Rechenschaft vor ihm ablegt. Die Schwatzhaftigkeit der Medien ist kein Gegenbeweis, diese soll lediglich den Eindruck einer debattenfreudigen Agora vortäuschen.

Dem illusionären Geschehen auf dem Marktplatz entspricht eine illusionäre Demokratie.

Den Ernst der Lage haben die lutherischen Untertanen der Obrigkeit noch nicht erkannt. Welche Politiker werden sich erkühnen, die nächsten Urlaubsfreuden der Ballermänner in Frage zu stellen? Steht in ihrem Grundgesetz nicht der Artikel: der Wohlstand eines deutschen Menschen ist unantastbar?

Hallo Mensch, wofür hast du dich entschieden? Willst du deinen Beitrag zur Rettung der Nation – ja der Menschheit – leisten? Oder was?

Du willst was? Sprich deutlich, ich versteh dich nicht. Du willst nur zu jener winzigen Minderheit gehören, die sich durch ihren sagenhaften Reichtum vor den Gefahren eines Zusammenbruchs der Menschheit glaubt retten zu können?? Der Rest der Menschheit, die Masse der Verlorenen, habe es nicht besser verdient?

Danke für das entlarvende Gespräch.

Fortsetzung folgt.