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Unterschiede zwischen Europa und Amerika

Hello, Freunde des kleinen Unterschieds,

Freunde? Partner? Kumpel? Welcher Kumpel? Es gibt dreierlei Art Kumpel im Plural. Die Kumpel. Die Kumpels (umgangssprachlich). Die Kumpeln (österreichisch). Wie sollen wir transatlantische Verwerfungen klären, wenn wir schon an den Kumpels scheitern? Fängt ja gut an.

„Ich bin kein Freund, sondern ein Partner“, sagt John Kornblum. Warum spricht er in Ich-Form? Spricht er exemplarisch für seine Regierung, für das amerikanische Volk? Kornblum, der Treueste Obamas, im demütigen Singularis majestatis?

Thomas Gottschalk lebt länger in den USA als in Deutschland – und spricht nur im Konjunktiv. Offensichtlich hat er keine Meinung. Entertainer sind Konjunktiv-Figuren, die die Hosen gestrichen voll haben, wenn der Indikativ um die Ecke biegt. „Ich verbringe mehr Zeit in den USA als unsere Kanzlerin und würde gerne unter Freunden leben. Ich bin etwas traurig, dass die Amerikaner offenbar nur Partner sein wollen.“

Scholl-Latour: Freunde, aber keine Liebesbeziehung. Woran denkt der Mann, der die ganze Welt wie seine Hosentasche kennt? Obama und Merkel in love? Das hätte Angie nun wirklich nicht verdient.

Dieter Kronzucker mit Wenn ohne Aber: „Wenn wir uns lediglich auf Partnerschaft berufen, dann fehlt den deutsch-amerikanischen Beziehungen die emotionale Bindung, die sie in der Nachkriegszeit immer geprägt hat.“ Wenn aber nicht? Hat er sich getäuscht? Wurde er von den Amerikanern hinters Licht geführt?

Deutsche Auslandsjournalisten verstehen sich als Diplomaten, nicht als Klartextredner. (Wer Günter von Lojewski zuhört, weiß

am Ende mit keiner Silbe, was der Ex-Anchorman gesagt hat. Sonst nett.)

Horst Teltschik mit einem großen Und zwischen Partnern Und Freunden. Wenn nur der Nachsatz nicht wäre: „Das Problem ist die NSA.“ Das klingt wie jenes Paar, das auseinander geht und sich versichert: Wir bleiben Freunde, an uns hat’s nicht gelegen. Wenn nur jene vermaledeiten Streitereien nicht gewesen wären. Teltschik, ein Fall für den Paartherapeuten.

Don Jordan, Werner Höfers alter Frühschoppenkämpe, von deutscher Denkschwäche angekränkelt: „Wir sind Freunde und wir sind Partner, aber das heißt nicht, dass wir einander blind vertrauen – oder vertrauen sollten. Das haben die Deutschen nie getan und die Amerikaner auch nicht. Alles andere wäre leichtgläubig.“

Freunde sollten sich gewiss nicht blind vertrauen. Aber sehend. Denn niemand ist perfekt. Wer war leichgläubig? Merkel? Oder gar Obama, der seinen Geheimdienstlern sagte – als sie ihm nebenbei mitteilten, dass sie Angie schon in der DDR abhörten: Meine Angie liebt mich ohne Wenn und Aber. Was anderes werdet ihr nicht hören. Wetten dass? (BILD)

Gut gebrüllt, Männer. Aber nichts geklärt. Danke, BILD, dafür bist du ja da. Keine einzige Frau dabei, wo bleibt Bascha Mikas Quotenprotest?

Gab’s da in der Nachkriegszeit nicht auch ein deutsches Fräuleinwunder mit vielen Bambinis, die heute ihre Väter suchen?

Wer gelegentlich amerikanische TV-Serien schaut, wird den deutschen Faktor vergeblich suchen. Da gibt’s neben den Eingeborenen den Italiener, den Schotten, den Iren, sogar den Chinesen und Mexikaner, aber keinen German. „Oh, wie ich die Deutschen hasse“, soll Eisenhower – der mit dem deutsch klingenden Namen – gesagt haben. Freunde? Kumpels? In Navy CIS gab’s mal einen deutschen Namen: der Anatom sprach von – Canaris, dem deutschen Admiral.

Amerikaner wissen von Deutschland so viel wie Deutsche von Amerika: also nichts. Obwohl Deutschland eines der beliebtesten Länder der Welt ist, werden die Deutschen von niemandem geliebt. Das ist zum Heulen traurig, doch warum soll’s uns besser gehen als Amerikanern und Israelis, die ohnehin davon ausgehen, dass die ganze Welt gegen sie ist?

Sollte jemand so leichtsinnig sein und dennoch ein Liebesgeständnis an Alt- und Neukanaan richten, macht er sich unbeliebt. Den drei auserwählten Nationen ist gemeinsam: sie können nicht glauben, dass man sie zur Begrüßung nicht sofort in die Hölle verflucht. Man könnte von einem pumperlgsunden Selbstbewusstsein reden – wenn es nicht pathologisch wäre.

Man müsste mal umgekehrt fragen: wen lieben Israelis, Amerikaner und Deutsche – außer sich selbst und nicht mal das? Das Prinzip Auserwähltheit hat immer zwei Seiten: man fühlt sich vom Rest der Welt abgelehnt, weil man den Rest der Welt ablehnt. Oder vice versa.

Und schon ist sie da, die Frage: Wer hat denn angefangen? Können wir unsere Konflikte im 21. Jahrhundert nicht anders lösen als durch Schuldvorwürfe, die sich auf heilige Bücher beziehen? Sonst spielt Geschichte im täglichen Einerlei keine Rolle mehr. Geht’s aber ans Verurteilen, wird noch immer die Bibel zitiert, als sei sie eine Offenbarung vom Himmel.

Aus der Geschichte können wir nichts lernen, stimmt’s? Außer, dass der Mensch auf ewige Zeiten ein Versager bleibt und die Sünden der Vergangenheit die Menschheitsgeschichte vergällen bis ins 1000ste Glied. Mit Religion haben wir uns tausendmal die Köpfe eingeschlagen und tun’s noch immer. Will die Menschheit ihrer Misere treu bleiben, muss sie an ihren Religionen nur eifrig festhalten. Gott vergällt’s.

Das war eine bittere TV-Stunde für John Kornblum, der sich sein Leben lang bemühte – gerade als amerikanischer Jude –, den räudigen Köter Deutschland in die Völkergemeinde zurückzuführen und Befreier und Befreite miteinander vertraut zu machen. Die NSA-Affäre schneidet ins Fleisch.

Die Amerikaner, sonst so freiheitsliebend und staatsallergisch, haben nichts gegen fürsorgliche Bewachung von Oben und verstehen die Deutschen nicht. Wie die Deutschen die einst so vorbildlichen Amerikaner in ihrem demokratischen Verfall nicht verstehen. Würden Deutsche und Amerikaner den Ludwigshafener Philosophen Ernst Bloch lesen – am besten in synchronen, durch Skype übertragenen Seminaren – würden sie vom langen liebenden Blick erfahren, mit dem die Mütter ihre Kinder anschauen und in nie nachlassendem Wohlwollen bestaunen.

Doch wer hatte schon solche Mütter? Die heutigen Nervenbündel schaffen nicht mal die Kleinigkeit, Arbeit, Karriere, Netzwerken mit abendlichem Besäufnis, sündiges Ehebrechen, Erziehen, Kochen, Walken, Pilates, Shoppen, Geliebte- und Kumpelsein unter einen Hut zu kriegen, was doch jedes Kind kann – außer Ex-Ministerin Schröder.

Da die meisten Menschen diesen liebenden Blick vermissten, hat sich bei ihnen ein psychisches Defizit entwickelt, das von der NSA bedenkenlos ausgenutzt wird. Die Amerikaner brauchen dringend den liebenden, digitalen Blick ihrer Obrigkeit, damit sie sich ihrer Auserwähltheit versichern dürfen. Wer Gottes liebenden Blick vermisst, der ist der NSA verfallen, denn NSA und Gott schlossen einen Kooperationsvertrag, dass beide sich ersetzen, ohne dass die Menschheit das Geringste bemerkt.

Ich denke, also bin ich? Nein, das ist französischer Katholizismus mit rationalen Einsprengseln. Der Amerikaner sagt: Ich werde beobachtet, also bin ich und werde in Ewigkeit sein, Amen.

Solange Moses die Arme hoch hielt, gewannen die Kinder Israels den heiligen Krieg. Solange der Amerikaner sich von seinem Gott mit liebendem Blick beobachtet fühlt, solange wird er seine Heilsbotschaft der Welt mit wirtschaftlichen und militanten Methoden vermitteln. Gott ist mit ihm, solange Gott ihn liebend anschaut.

Das Prinzip haben die Amerikaner nicht erfunden. Es gehört zu ihrem alteuropäischen Erbe, das sie gerne verleugnen, weil sie die Welt selbst erfunden haben wollen. Es stammt vom irischen Bischof George Berkeley, der seinen Glauben in Philosophie übersetzt hatte.

Fast die ganze abendländische Philosophie ist nichts als Übersetzung des Glaubens in griechische Vernunftbegriffe. „Vom Himmel herab schaut der Herr, sieht alle die Menschenkinder.“ „Wenn er vom Himmel hernieder schaut auf die Erde, das Seufzen der Gefangenen zu hören und die dem Tode Geweihten zu erlösen.“

In Liebe schauen heißt Erlösen. Schauen ist eine direkte Verbindung zwischen Gott und seinen Kindern. Den biblischen Blick Gottes verwandelt Berkeley in seinen berühmten Grundsatz: „Sein ist Wahrgenommenwerden“ (esse est percipi). Wer von Gott nicht wahrgenommen wird, der ist tot – noch schlimmer, der ist in der Hölle. Nicht das Feuer ist das Schlimmste an der Hölle, sondern die Abwesenheit des liebenden Wahrgenommenwerdens. Gott sieht alles, nur von den Bösewichtern in der Hölle hat er seinen Blick abgewandt.

Es ist nicht so, dass Deutschen solche Gedankengänge völlig fremd wären. Auch ihre Mütter sangen ihnen von Engelein, die unsichtbar über ihnen schweben, sie wachen und beschützen. In der Pubertät haben sie die kindlichen Erfahrungen im tiefsten Unbewussten vergraben. Die meisten schämen sich als Erwachsene, dass sie solchen Kinderkram je glaubten. Das Ich der Deutschen definiert sich aufgeklärter als das Ich der Amerikaner.

Der Theologe Bultmann – zeitweiliger Gefährte Heideggers – hat die deutsche Eigentümlichkeit auf den Punkt gebracht und sprach von Entmythologisierung. Biblische Erzählungen wie das Erschaffen der Welt in sechs Tagen, die mit dem Weltbild der Naturwissenschaft nicht vereinbar sind, müssen als Bilder durchschaut und in ihrem wahren Gehalt verstanden werden.

Durch Entlarven der Bilder schrumpft der christliche Glaube zu wenigen Sätzen zusammen. Glauben ist „das, was uns angeht“, was unserem Dasein Sinn verleiht, was unsere Eigentlichkeit ausmacht. Himmel und Hölle, Golgatha, Kreuz, Wiederkehr des Herrn, Weltende und Weltuntergang: alles mythologischer Kinderkram.

Hier trennen sich amerikanisches und europäisches Christentum. Während die Mehrheit der Amerikaner an die Wiederkunft des Herrn zu ihren Lebzeiten glaubt, würden die Deutschen ein verlegenes Lachen anstimmen, wenn man sie fragte, ob sie glauben, dass der Bräutigam demnächst vor der Tür stehen könnte.

Für Amerikaner ist die Bibel vom ersten bis letzten Wort das Originaldiktat Gottes ohne menschliche Einflüsse oder Zusätze (Verbalinspiration). Wer solches glaubt, ist Fundamentalist. Wer nicht ganz so fanatisch sein will, glaubt an eine Realinspiration: man muss nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Doch im Großen und Ganzen ist das Wort unfehlbar.

Die Deutschen kennen weder eine Verbal- noch eine Realinspiration. Sie lesen die Bibel überhaupt nicht mehr. Vom Inhalt ihres Glaubens wissen sie nichts, kennen höchstens den Osterhasen und den Weihnachtsmann. Wenn sie sich als Christen bekennen, heißt das lediglich: wir wollen gute Menschen sein. Das Gutsein verbinden sie vage mit dem Gebot der Nächstenliebe. Sie wissen nicht, dass das Gebot identisch ist mit der Goldenen Regel aller vernünftigen Heiden.

Textstellen, die diese Liebe ins Gegenteil verkehren wie die vielen Verfluchungsstellen, sind ihnen unbekannt und interessieren sie nicht. Die Frohe Botschaft haben sie in eine nüchterne humanistische Philosophie zusammenschrumpfen lassen.

Mangels Bildung sind sie unfähig, ihr Weltbild zu beschreiben und historisch einzuordnen. Von den Griechen wissen sie nichts, von Naturreligionen, Buddhismus und Hinduismus haben sie keine Ahnung. Wenn sie von Herzen gut sein wollen – das wollen 99,9% aller Deutschen – bleibt ihnen keine andere Wahl, als sich Christ zu nennen. Alternativen kennen sie nicht.

Die Amerikaner sind auf einer Stufe des Christentums stehen geblieben, die in Deutschland der Epoche des Pietismus im 17. und 18. Jahrhundert entspricht. Jener Zeit, in der viele Deutsche ins gelobte Neue Kanaan auswanderten. Diese Epoche hat sich in Amerika zum fundamentalistischen Credo verhärtet, das durch keine weiteren Einflüsse aus der Welt der Aufklärung ins Fließen kam.

In diesen Fragen liegt zwischen alter und neuer Welt ein „cultural lag“ (ein Kulturgraben) von etwa 200 bis 300 Jahren. In wirtschaftlicher Hinsicht gab es einen umgekehrten Vorsprung, den Deutschland ab der Bismarckzeit einzuholen begann. Heute gibt es einen technischen Vorsprung der Amerikaner, der uns die jetzige Unlösbarkeit der NSA-Affäre eingebrockt hat.

Wären die Europäer digital nicht von Amerika abhängig, könnten sie Silicon Valley auf gleicher Augenhöhe Paroli bieten. Anstatt daran zu arbeiten, den Vorsprung einzuholen, wallfahren sie nach Kalifornien und beten die Überlegenheit jener Zukunftspropheten an. Ein abstoßendes Schauspiel.

Aus fundamentalistischer Sicht sind die Deutschen keine Christen mehr. Ja, sie gelten als verkappte Heiden. Besonders die ökologische Bewegung der Deutschen ist amerikanischen Apokalypse-Erwartern ein Dorn im Auge. Wer die Natur bewahren will, empört sich gegen den göttlichen Entschluss, am Ende der Heilsgeschichte die alte Natur zu vernichten und einen neuen Himmel und eine neue Erde zu schaffen. Die Bewahrung der Schöpfung ist ein Akt gläubiger Weigerung, an der Zerstörung der Natur mitzuarbeiten, um dem kommenden Herrn die „ gerade Straße zu bereiten“.

Ab der Romantik begann in Deutschland die Übung, die Bibel „geistbegabt“ zu deuten, nicht mehr sklavisch dem Buchstaben zu folgen. Für Friedrich Schleiermacher war jeder Christ voll des Heiligen Geistes, der sich keinem Buchstaben beugen musste, um den Willen des Himmels zu erfahren.

Jeder Christ ist in der Lage, seine eigene Bibel zu schreiben. Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig, das war die Grundlage der aufkommenden Deutungskunst aus dem wiedergeborenen Bauch. (Auch Hermeneutik genannt: Auslegung, Übersetzung)

Die Willkürdeutungen der Deutschen sind buchstabengläubigen Amerikanern ein Gräuel. Für die historisch-kritische Forschung der Deutschen wurde die Bibel zu einem irdischen Buch unter Büchern, ohne Offenbarungsweihe von oben. Die Verfasser wurden zu menschlichen Schriftstellern und verloren ihren Ruf, die Schreibfedern des Heiligen Geistes zu sein.

All diese Unterschiede erklären die Unterschiede zwischen amerikanischer und europäischer Politik. Amerika macht biblische Politik, Europa eine „rational“ sein wollende mit verblassten christlichen Werten, die nichts anderes sein wollen als universelle Menschenrechte. Universelle Rechte sind Rechte der Vernunft, die jedem Menschen von Natur aus gegeben sind.

Mit gleichmachenden, nivellierenden Rechten will der biblische Glaube der Amerikaner nichts zu tun haben. Je mehr die demokratische Außenschicht der USA perforiert wird, je mehr erscheinen aus der Tiefe des Glaubens die Ausnahmegesetze Gottes für die Seinen.

Es geht um den Streit zwischen vernunftgemäßem Universalismus und religiösem Partikularismus. In entscheidenden Dingen begehrt Amerika, die Ausnahme von der Regel zu sein. Alle anderen Nationen haben sich dem Joch allgemeiner Gesetze zu beugen.

Amerikas Recht ist ein Recht mit Leerstellen, wie ein juristischer Experte formulierte. Leerstellen sind rechtsfreie Räume, die vom Staat mit Willkürentscheidungen gefüllt werden können. Guantanamo ist solch ein rechtsfreier Raum, in dem wider alle Menschenrechte nach Belieben gefoltert und gequält werden darf. Das Ausspähen der NSA geschieht in einem rechtlosen Bereich.

Kraft biblischer Erwählung fühlt Amerika sich für die ganze Welt verantwortlich. Es darf seinen Willen anderen Völkern auferlegen, deren Glück und Seligkeit von ihnen bestimmt wird. Rechtsfreie Zwangsbeglückung ist Faschismus. Klare und eindeutige Begriffe zu benützen, ziemt sich heute nicht mehr. Die deutschen Schüler dürfen sich nicht erkühnen, ihre amerikanischen Lehrer belehren zu wollen.

Kritik an Amerika wird als Antiamerikanismus gewertet, wie Kritik an Israel als Antisemitismus. Auserwählte Völker kritisiert man nicht. Jede Kritik an ihren „Ausnahmerechten“ ist eine Kritik ihrer biblischen Bestimmung. Somit eine Kritik an ihrem Gott der Bibel.

Während der Historiker Fritz Stern die NSA-Affäre als törichten und kriminellen Akt bezeichnet, erklärt John Kornblum fast hilflos, das Handy-Anzapfen sei für Deutschland keine Demütigung. Womit er den Deutschen vorschreibt, wie sie das Ausspähen zu empfinden haben. Gleichwohl nennt er den Skandal dumm und unanständig. So etwas tue man einfach nicht.

Das sind Begriffe aus dem Bereich privater Moral und besitzen keine politische und rechtliche Tiefenschärfe. Kornblums Worte kommen einer demokratischen Bankrotterklärung gleich. Weder kann er seine Regierung entlasten noch fühlt er sich autorisiert, sie mit Verve an den Pranger zu stellen.

Amerika muss sich entscheiden, ob es in den Bereich universeller Vernunft zurückkehren – oder den verhängnisvollen Sonderweg einer vom Himmel geführten Ausnahmenation weitergehen will. Wenn letzteres, müsste Europa sich mit allen rationalen Mitteln gegen die Supermacht wehren – wenn es seine eigene Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen will.

Kritik an Amerika, das zu einem christlichen Ajatollahstaat zu werden droht, wäre der letzte Dienst der Europäer, den sie ihren transatlantischen Freunden, Partnern und Kumpels erweisen könnten.