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Unglück ist höchstes Glück

Hello, Freunde der Literatur,

„Auf dem Tor des schrecklichen Lagers auf den Solowki-Inseln hing die Losung: „Mit eiserner Hand zwingen wir die Menschheit zum Glück„, erzählte Swetlana Alexijewitsch, Preisträgerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, in ihrer Rede in der Frankfurter Paulskirche.

(Deutsche Verleger und Chefredakteure preisen am liebsten Schilderungen von fremdem Elend, das weit von uns entfernt ist und hoffentlich nie über die deutsche Grenze kommt. Damit fremdes Unglück nicht in unsere glückliche Gesellschaft dringt, dafür haben Verleger und Edelschreiber ihren zuverlässigen CSU-Innenminister. TAZ)

Präziser kann das Urelend der Menschheit nicht formuliert werden. Aus überfließendem Mitleid und Mitgefühl mit der unglücklichen Menschheit wird sie zum Glück gezwungen. Aus Liebe, aus unermesslicher Liebe, wird sie zum Heil gezwungen. Aus peinigender Angst vor Not und Tod wird sie ins Elend getrieben und getötet.

Ist übermäßige Moral die Ursache der schrecklichsten Unmoral? Nicht übermäßige, sondern fehlgeleitete, ungeduldige, machtgestützte, sich gottgleich fühlende Moral, die Freiheit und Selbstbestimmung anderer Menschen negiert, welche ihr Glück in die eigenen Hände nehmen wollen.

Zum Glück gehört die Selbstgestaltung des Glücks. Das Erproben und Gelingen. Das Versuchen, Irren und – die Korrektur des Versuchens und Irrens. Zum Glück gehört wesentlich das eigene Lernen des Glücks. Fremdverordnetes Glück zerstört die

Lernfähigkeit des Zwangsbeglückten.

Wie man Kindern das Glück des Staunens raubt, wenn man sie mit Erkenntnissen der Erwachsenen abfüllt und indoktriniert, so raubt man Abhängigen und Untergebenen das Glück des staunenden Glücks-Findens, wenn man sie daran hindert, ihre eigenen Aha-Erlebnisse zu machen.

Jeder Mensch ist lern- und glücksfähig. Diese Kleinigkeit wird von Zwangsbeglückern weggewischt. Im Grunde sind sie selbst unglücklich und hoffen, ihr eigenes Glück zu finden, wenn sie ihren Abhängigen Glück verordnen. Gelingt es ihnen, andere zu beglücken, müssten sie doch fähig sein, selbst glücklich zu werden – ist ihre Hoffnung, die sich nie erfüllen wird.

Der Beglücker von Millionen, der Erlöser der Menschheit: die Zwangsbeglücker sollten selbst unglücklich sein? Zwangsbeglücken heißt Erlösen. Wer mit angedrohten Ewigkeitsstrafen die Menschen zum heteronomen Glück zwingt, muss ein mächtiger, aber unglücklicher Mensch, Gott, Hitler oder stalinistischer Ökonom sein.

Die neoliberale Wirtschaft verbannt jede Alternative in die Hölle. Selbst wenn ein Völkchen sein eigenes Leben – weitab von begehrlichen Ressourcen und geostrategisch wichtigen Positionen – lebt und für sich glücklich und zufrieden ist, ist es den herrschenden Wirtschaftsfaschisten ein Dorn im Auge. Es bewiese, dass es Alternativen gäbe, die weitaus besser wären als der Westen anzubieten hätte: das ertragen Dollar- und Eurofaschisten nicht. Alles muss nach der Pfeife ihrer alleinseligmachenden Methode tanzen.

Insofern ist der Papismus (inklusive aller neoprotestantischen Kleinpapisten) das geistgewirkte Pendant zur alleinseligmachenden materiellen Zwangsbeglückung. Die große Freiheit des allein herrschenden Systems besteht darin, alle Wahlmöglichkeiten der Menschen kategorisch auszuschließen. Eine merkwürdige Freiheit, dem Diktat einer alternativlosen Zwangsbeglückung folgen zu müssen.

Der auferzwungene Irrsinn vergewaltigt das Leben von Milliarden, inzwischen der ganzen Menschheit. Man stelle sich eine globale Abstimmung über die Art des Wirtschaftssystems vor. Wie viel % der Menschheit würden ihr Kreuzchen hinter einem natur- und menschenfeindlichen Horrortrip machen?

Völker der Welt, stimmt ab, welche Wirtschaftsform ihr für die beste haltet, die Schutz der Natur mit selbstbestimmter Arbeit und Lust am Leben verbindet! Wirtschaft muß zum wählbaren Teil der Demokratie gehören. Ausgeschlossen, dass Demokraten die Grundlinien ihrer Politik bestimmen können, doch die Wirtschaft als Offenbarung der Evolution oder wahnwitziger Börsenheinis wie gottgegebenes Schicksal hinnehmen müssen.

Hayekianer verachten die Demokratie. Der Pöbel soll still gestellt werden mit der Wahl von Nichtigkeiten wie Regierung und Parlament, die in Angelegenheiten des Zastermachens, des Herstellens von Waffen und intelligenter Überwachungsmaschinen die Klappe halten sollen. Demokratie wird zunehmend zum Sedativum, zur einschläfernden Beschäftigungstherapie für die Allzuvielen.

Die Welt wird beherrscht von wenigen internationalen Cliquen, die sich kennen, die zusammenhalten wie Pech und Schwefel, sich heiraten, dieselben Feste feiern, die schönsten Orte der Welt für sich reklamieren. Konkurrenz unter den Gewaltigen des Globus? Ein Ammenmärchen. Konkurrenz ist dazu da, Emmalädchen und Wurstbuden gegeneinander aufzuhetzen und die Kleinen in systematischer Unruhe zu halten. Verunsicherte und Gefährdete sind leichter zu manipulieren.

Weswegen auch Familien zerrissen werden. Nach der Zwangskonditionierung des Mannes soll auch die Frau unter das Diktat von Psychopathen und Rückgratlosen gezwungen werden, damit sie keine Muße und Zeit mehr hat, sich mit ihren Kindern in demokratischen Zirkeln zu betätigen, um den Mächtigen die rote Karte zu zeigen.

Während die Familien der Kleinen immer mehr zerstört werden, halten die Clans der Eliten zusammen wie Pech und Schwefel. Macht und Geld verbindet, auch wenn man sich am liebsten Gift geben würde. (Martin Wehrle und Martin U. Müller im SPIEGEL)

Das Glück muss das eigene Werk des Glückssuchenden gewesen sein. Nicht im Gegensatz zum Glück seines Nachbarn, nicht im Vergleich zum Unglück seines Nachbarn, nicht im Triumph über den Nachbarn, den man sich zum Rivalen erkor, um ihn auf die Matte zu legen.

Ohne Glück seiner Lieben, seiner Nation, der ganzen Menschheit wird es kein stabiles Glück auf Erden geben. Solange das wahre Glück als himmlische Glück-seligkeit gepredigt wird, solange stecken die Zukurzgekommenen und Enttäuschten der Erde ihre Erwartungen zurück, müssen ihre Energie nutzen, um ihre Depressionen notdürftig in Schach zu halten und in Schafsgeduld auf die große Sause im Jenseits zu warten. Das illusionäre Glück jenseits von Raum und Zeit torpediert das wahre und stille Glück auf Erden.

Das versprochene Glück im Nirgendwo ist eine der schrecklichsten Fehlleistungen des Menschen am Menschen. Solch haltlose Versprechungen, um die Menschheit durch Betrug stille zu halten, sind die wahren Menschheitsverbrechen, die sich hinter dem Mantel des alleinseligmachenden Heiligen zu verstecken pflegen. Das Heilige ist das Heilige ist das Monströse, das die Menschheit noch immer in Angst und Schrecken versetzt, um sie an die Leine zu nehmen.

All diese Erkenntnisse sind schon lange in der Welt, doch sorgfältig hinter arroganter Bildung versteckt und dem Pöbel durch elitäres Wissen entzogen. Allein, es hilft alles nichts: die Völker dürfen sich nicht länger hinter verordneter Dummheit verstecken. Solange sie sich nicht selbst aufklären, tragen sie selbst Schuld an ihrer abschüssigen Höllenfahrt.

Nur Kinder sind unschuldig und müssen die fürchterlichen Folgen der elterlichen Verfehlungen auf sich nehmen. Dass immer weniger Kinder gezeugt werden, liegt an den verdrängten Ängsten derer, die nicht mehr glauben können, ihren Kindern eine erträgliche Zukunft zu bieten.

Ulrike Herrmann ist eine solide, klar denkende ökonomische Kommentatorin der linken TAZ – innerhalb eines kapitalistischen Rahmens, den sie für alternativlos hält. Kapitalismus lebt von Wachstum, also muss Wachstum sein, sonst gibt’s Chaos, Krieg und Bürgerkrieg. Doch genau dieses zwangsgesteuerte Wachstum ist der Feind aller Naturverträglichkeit und wird à la longue die Lebensgrundlagen der Menschheit vernichten. Ein Dilemma zwischen tagespolitischer Nüchternheit und ökologischer Reformnotwendigkeit.

Just dieselben Probleme wie bei den Grünen, die zwischen pragmatischer Pfiffigkeit und grundsätzlicher Veränderungsnotwendigkeit orientierungslos in der Falle sitzen.

Kapitalismus brauche Wachstum und ohne Wachstum kollabiere der Kapitalismus, so Herrmann, bei der Wirtschaft und Ökologie wie zwei Züge sind, die unaufhaltsam aufeinander zufahren und eines unbekanntes Tages mit der Sicherheit eines Naturgesetzes zusammenstoßen werden.

Was tun, Frau Herrmann? Die Antwort klingt nicht tröstlich, eine konkrete Hoffnung kann die TAZ-Frau nicht bieten. Ihr einziger Ausblick ist ein Hoffen wider alle Hoffnung (sperare contra spem, der blinde Glaube an einen Gott, den der Gläubige nicht mehr sehen kann):

„In dieser Zwangslage bleibt nur ein pragmatisches Trotzdem: trotzdem Energie sparen, trotzdem möglichst wenig fliegen, trotzdem auf Wind und Sonne setzen. Die Wahrscheinlichkeit ist daher groß, dass der Kapitalismus an den Umweltproblemen scheitert, die er selbst erzeugt.“

Die bei Linken vorhandene Verachtung des Kapitalismus teilt Herrmann nicht. Er habe in einem Maß die Armut in der Welt reduziert wie noch kein früheres Wirtschaftssystem.

Man könnte aber den Satz auf den Kopf stellen, dann käme er möglicherweise der Wahrheit näher. Der Kapitalismus hat zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit Armut und Hunger unter den Menschen verbreitet, wie sie in diesem Ausmaß vorher unbekannt waren. Gewiss, er hat vielen Luxus gebracht – doch immer auf Kosten von anderen, die am Hungertuch nagen mussten. Je weiter er die Welt eroberte, je mehr stürzte er die Abgehängten in Not und Tod. Viele hatten zuviel, während die Zahl der Leidtragenden an den Peripherien des Luxusgürtels wuchs und wuchs. (DER SPIEGEL)

Selbst, wenn es stimmte, dass die Zahl der Armen generell zurückgegangen wäre: es geht nicht nur um Armut und Verhungern. Arme mögen in reichen Staaten nicht verhungern, doch sie sind ohnmächtig dem Willen der Superreichen ausgeliefert. Die Kluft zwischen Macht und Ohnmacht wächst ins Überirdische und ist durch keine demokratische Maßnahme korrigierbar, da die Giganten die gewählten Politiker der Völker zu Marionetten degradieren.

In vorkapitalistischen Autarkien gab es keinen menschengemachten Hunger. Bedrohlich wurde es nur, wenn gelegentlich – zweimal in 500 Jahren – das Klima verrückt spielte und die vorratslose Bevölkerung von keinen Reserven zehren konnte. Abgesehen von solch überaus seltenen Naturkatastrophen waren die Menschen einer Subsistenzwirtschaft durch Gleichheit und nachbarschaftliche Verbundenheit vor jeder lebensbedrohlichen Not geschützt. Armut gab es nicht, weil es keinen übermäßigen Reichtum gab.

Es war der Kapitalismus, der mit Überfluss, Ungleichheit und Machtakkumulation die homogene Gesellschaft zerschnitt. Der Fortschritt des Kapitalismus wurde mit Mängeln bezahlt, die keine vorkapitalistische Epoche kannte. Von der ungebremsten Beschädigung der Natur nicht zu reden.

Addiert man die Vorzüge des Kapitalismus und subtrahiert seine Nachteile und Mängel, ergibt sich nicht mal ein Nullsummenspiel, sondern der drohende Untergang der Menschheit in einer Natur, die ihn nicht mehr schützen kann.

Der Kapitalismus hat Überfluss gebracht, der die Menschheit mehr krank als zufrieden machte. Zufrieden sollte sie gar nicht werden. Der neue Wohlstand sollte den Menschen keine Wohlgefühle bescheren. Im Gegenteil. Zufriedenheit und Wohlgefühle waren strikt verboten, sie verlockten den Menschen nur zur Trägheit und zur wirtschaftsschädlichen Ruhe und Muße.

Der Mensch will Eintracht und Glück, die Wirtschaftsideologen wissen es besser: sie verordnen Hektik, Konkurrenz und sicherheitsloses Risiko. Nach Kant ist der Mensch ein Wesen, das seiner Natur nach „nicht von der Art ist, irgendwo im Besitze und Genusse aufzuhören und befriedigt zu werden. Das menschliche Leben, auch das geschichtliche, ist nicht auf Glück als höchstes Ziele eingestellt, wenn auch von Natur aus jeder nach Glückseligkeit strebt.“

Bei Hegel ist Unglück ertragen das Kennzeichen höherer Wesen. „Es ist so ein Vorrecht höherer Naturen, Schmerz zu empfinden; je höher die Natur ist, desto mehr Unglück empfindet sie. Der große Mensch hat ein großes Bedürfnis und den Trieb es aufzuheben. Große Handlungen kommen nur aus tiefem Schmerze des Gemütes her. Die Blätter des Glücks im Buch der Geschichte sind leer.“

Die Kindheit als Epoche des Glücks verführt die Menschen, geschenktes Glück als Ziel der Geschichte zu betrachten. Das wäre der Tod der fleißigen, arbeitswütigen und zum Fortschritt verdammten Menschheit. „Daher ist das Kindesalter die Zeit der natürlichen Harmonie, des Friedens des Subjekts mit sich und mit der Welt. Das Kind lebt in Unschuld, ohne dauernden Schmerz, in Liebe zu den Eltern und im Gefühl, von ihnen geliebt zu werden. Diese unmittelbare (= von der Natur geschenkte), daher ungeistige, bloß natürliche Einheit des Individuums mit seiner Gattung und mit der Welt überhaupt muss aufgehoben werden; das Individuum muss fortschreiten, sich dem Allgemeinen, als der an und für sich seienden, fertigen und bestehenden Sache, gegenüberzustellen, sich in seiner Selbständigkeit zu erfassen.“

Das Kind muss aus seiner Idylle herausgerissen werden, damit es im kapitalistischen Prozess seinen Lebensunterhalt unter allen Widrigkeiten selbst erarbeiten kann. Durch Schmerz zum Sieg. Durch Kreuz zur Krone. In einer wachstums- und profitorientierten Gesellschaft muss das Kind unglücklich gemacht werden, damit es aus eigener Kraft dem Fortschritt dient.

Nicht anders als bei Goethe, wo Faust dem Teufel seine Seele verkauft, wenn es jenem gelingen sollte, ihm für einen einzigen Augenblick Ruhe und Glück zu verschaffen.

„Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich!

Du hörest ja, von Freud‘ ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuß,
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen“.

Genuß betrügt, Verdruss erquickt, Liebe muss hassen, nur Schmerzen bringen den Rastlosen weiter. Am Ende muss er scheitern. Scheitern ist das unvermeidliche Ende rechten Strebens. Wer nicht scheitert, ist kein vollwertiger Mensch.

Die Menschheit ist auf dem besten Weg, durch planvolles Scheitern zur höheren Menschheit aufzusteigen. Der Adel der Menschheit besteht im kollektiven Schiffbruch der Gattung. Oder mit Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, soll zum Arzt. Es gibt nur den Ausblick der sich unglücklich machenden Menschheit. Das höchste Glück der Menschenkinder ist ihr selbst hergestelltes Unglück.

„Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Dann mag die Totenglocke schallen.“

Das also ist die Hauptbotschaft unserer Dichter und Denker. Die größte Gefahr für die Menschheit – ist das Glück. Ist die Menschheit glücksunfähig? Obgleich sie sich redlich bemüht, ihre Glücksvorstellungen zu realisieren? Ach was! Der Mensch darf und soll nicht glücklich werden. Sein Ziel muss das Unglück sein. Wird er glücklich, soll ihm das Todesglöckchen schallen.

Der deutsche Idealismus ist noch immer theologisches Glücksverbot auf Erden, drapiert in Begriffen moderner Zwangsbeglückung. Mit eiserner Faust sollen die Menschen zum Glück gezwungen werden, indem sie mit aller Gewalt ins Unglück gestürzt werden müssen.

Es ist die komplett verkehrte Welt. Unglück ist Glück, Glück ist Unglück. Das ist der deutsche Schoß, aus dem auch der amerikanische Neoliberalismus kroch.

Auch der Sozialismus ist unglücksorientiert. Bevor das Reich der Freiheit durch Revolution erreicht werden kann, muss das Unglück der Proleten bis ins Unermessliche steigen, damit die Sklaven des Kapitals ihre Ketten abwerfen, weil sie ohnehin nichts zu verlieren hätten. Das Elend muss steigen und steigen – und noch immer geht’s den GenossInnen zu gut, um ihre Ketten abzuwerfen. Noch immer haben sie Auto, Kühlschrank und einen Laubsauger zu verlieren.

Das Reich der Freiheit wird zur selben Illusion wie die Wiederkunft des Messias. Durch Kreuz zur Krone. Die Letzten werden die Ersten sein. Den Schwachen gebührt der Sieg. Also, nehmet euer Kreuz auf euch, werdet die Letzten und die Schwächsten, dann werdet ihr alle – in die Röhre gucken. Denn die Verheißung war Lug und Trug. Das Scheitern wird zur Dauerbeschäftigung, die Letzten bleiben die Letzten, die Schwächsten und Ärmsten holt der Teufel.

Welchen Trost hat Ulrike Herrmann für uns bereit?

„Das Ende des Kapitalismus wird nicht das Ende der Geschichte oder gar der Erde sein – und wird wahrscheinlich auch nicht das Ende des Menschen bedeuten, obwohl dieser sich maximal anstrengt, seine Lebensgrundlagen zu ruinieren. Es wird sich ein neues System herausbilden, das heute noch nicht zu erkennen ist.“ (Alle Zitate aus Ulrike Herrmann, „Der Sieg des Kapitals„)

Was weiß die TAZ-Frau, was ordinäre Sterbliche nicht wissen? Ist ihre fatalistische Hoffnung eine verkappte Christenbotschaft, die es nicht wagt, sich als solche zu erkennen zu geben? Geht die TAZ den Weg aller Ex-Marxisten: am Ende landen sie bei Papst Franziskus und seiner bescheidenen Bischofsgarde?

Herrmann hat das Dilemma einer linken Gazette, die zugleich ökologisch sein will, am trefflichsten auf den Punkt gebracht. Nicht nur die Grünen wissen nicht mehr wohin, auch ihre mediale Begleittruppe schaut in den Abgrund. Wie ick den Laden hier kenne, wird im Abgrund das Jesulein lauern – und die Seinen mit einem Wunder überraschen, das „heute noch nicht zu erkennen ist“.

Schon lange fühlt sich die TAZ auf evangelischen Kirchentagen in der Nähe von Margot Käßmann am wohlsten. Wenn nun der Vater aller Christen in Sandalen hinzutritt und Hand in Hand mit Margot den Weg ins Licht antritt, werden wir aus den Redaktionsstuben der TAZ bald ein nie mehr verstummendes Halleluja vernehmen.